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für systemisch, konstruktivistisch arbeitende Coaches, Berater, Therapeuten und alle Interessierten

Das Recht der Kinder auf Liebe

Sonstiges Posted on Mi, März 21, 2018 07:02:23

Wir gehen heute wie selbstverständlich davon aus, dass Eltern ihre Kinder bedingungslos zu lieben hätten und dass Kinder ein Recht darauf hätten. Historisch ist das eine Illusion. Christiane Sautter hat in ihrem Buch ‚Eltern: Wunschbild – Feindbild‘ eine Entwicklung der letzten Jahrhunderte zusammengetragen: Züchtigung, unbedingter Gehorsam, Unterwerfung im völligen Dienst an den Eltern, waren normal, zumindest in der Zeit zwischen der Antike und dem 18. Jahrhundert.

Erst mit dem Aufkommen der romantischen Liebe als Ideal, der ersten sozialen Gesetzte 1839, die die Kinderarbeit unter 9 Jahren verbot und für die anderen Kinder die Arbeitszeit auf 10 Stunden am Tag, 6 Tage die Woche beschränkte, begann sich ein Wandel abzuzeichnen. Im Proletariat wurden die Kinder überwiegend allein gelassen oder ruhiggestellt, da niemand Zeit hatte sich um sie zu kümmern. Nur die Hälfte überlebte. Es wurde empfohlen, dass Mütter und Kinder nach der Geburt getrennt wurden, damit sich die Kinder nicht von den Müttern infizieren. Erst 1985 empfahl die WHO das Gegenteil. Erst Anfang des 19. Jahrhunderts kam die Idee des Förderns von Fähigkeiten auf. Auch in der Weimarer Republik und in der NS Zeit hatten Kinder kein Recht auf die Liebe der Eltern. Sie hatte dankbar zu sein durchgefüttert zu werden bis sie selbst für sich sorgen konnten. Der Staat entzog möglichst früh den Eltern den Einfluss auf die Kinder und übernahm die Prägung, denn Kinder waren die stille Reserve und sollten auf ihren künftigen Einsatz eingeschworen werden. Einer ganzen Generation wurde eingebläut ihre eigenen Schwächen zu hassen, persönliche Bedürfnisse zurückzustellen oder diese nicht wahr zu nehmen und die Kontrolle unter allen Umständen zu behalten. Erst mit dem Wirtschaftswunder hatten viele Familien eine sichere Lebensgrundlage, die Mütter konnten zu Hause bleiben und sich um die Kinder kümmern und die Väter begannen sich langsam für ihre Kinder zu interessieren. Historisch eine neue Entwicklung.



Wir alle spielen Theater

Sonstiges Posted on Di, Oktober 31, 2017 18:29:20

‚Wir alle spielen Theater’ ist der Titel eines Buches von Erving Goffman, dass dem Leser eine soziologische Perspektive darlegt, in der unser soziales Leben im Grunde aus vielen Theatervorstellungen besteht. Nicht umsonst kommt die ursprüngliche Bedeutung des Wortes Person von Maske (vgl. z.B. wissen.de, Person = Mensch aus lat. persona “Maske des Schauspielers; Bühnenrolle; Person, Persönlichkeit”). “In unseren Rollen erkennen wir einander, erkennen wir uns selbst. Unsere Maske ist das Bild, das wir uns selbst von uns geschaffen haben. Die Vorstellung unserer Rolle wird zu unserer zweiten Natur. Wir kommen als Individuen zur Welt, bauen einen Charakter auf und werden ‚Personen’. (nach E. Park)”

Wie in einer Theatervorstellung, bleiben viele Tatsachen oder Motivationen in unseren sozialen Interaktionen verborgen und nichts kann die Notwendigkeit ersetzen auf Grund von Schlussfolgerungen zu handeln. Jeder wird sich in einem für ihn günstigen Licht den anderen präsentieren. Die Art der Kontrolle, die der Einzelne dabei ausübt, schafft die Bühne für ein Informationsspiel, einen Kreislauf von Verheimlichung, Entdeckung, Enthüllung und Wiederentdeckung. Wir erwarten von jedem Teilnehmer, dass er seine unmittelbaren tieferen Gefühle unterdrückt, den seiner Ansicht nach die anderen am wenigsten akzeptieren können. Diese oberflächliche Übereinstimmung wird von allen aufrecht erhalten, wenn jeder seine wahren Bedürfnisse hinter der Verteidigung von Werten verbirgt, denen sich alle Anwesenden verpflichtet fühlen (Ebene der Arbeitsübereinstimmung).

Eine entscheidende Bedeutung kommt dabei den Informationen zu, die der Einzelne anfangs über seine Mitspieler hat, denn auf dieser Grundlage beginnt er die Situationen zu definieren und die Richtung seiner Handlungen auszubauen. Seine anfängliche Projektion verpflichtet ihn dabei auf das, was er behauptet, und zwingt ihn jeden Anspruch fallen zu lassen, etwas anderes zu sein.

Verteidigungsmanöver des Einzelnen sind Strategien und Taktiken, die er anwendet um seine Projektion zu sichern. Wenn sie dazu dienen, die Projektionen eines anderen zu bewahren wird das als Takt bezeichnet.

Das vorbestimmte Handlungsmuster, das sich während einer Darstellung (einer Reihe von Interaktionen) entfaltet, ist die gespielte Rolle. Viele soziale Rollen im Sinne der Ausübung von Rechten und Pflichten, sind mit einem Status verknüpft und können mehrere Teilrollen umfassen die vom Darsteller bei einer Reihe von Gelegenheiten vor gleichartigem Publikum dargestellt wird. Wenn der Einzelne eine Rolle spielt, fordert er gleichzeitig die Zuschauer auf, den hervorgerufenen Eindruck ernst zu nehmen. Ein Darsteller wird aufrichtig bezeichnet, wenn er an den Eindruck glaubt, den seine Vorstellung hervorrufen soll. Der Teil einer Darstellung, der regelmäßig dazu dient, die Situation für das Publikum zu bestimmen, ist die Fassade.

Zu der Fassade gehört das Bühnenbild (die Requisiten und Kulissen unseres Handelns: Rangmerkmale, Kleidung, Geschlecht, Alter, Rasse, Größe und Erscheinung, Haltung, Sprechweise, Ausdruck, Gestik etc.). Wir erwarten von der Fassade eine gewisse Übereinstimmung zwischen Bühnenbild, Erscheinung und Verhalten. Oft wird eine Vielzahl verschiedener Handlungen nur durch eine kleine Anzahl von Fassaden dargestellt. Auf Grund der stereotypen Erwartungen an die Fassade, können Erwartungen institutionalisiert werden, womit die Fassade eine eigene Bedeutung und Stabilität erhält. Die Fassade wird zur kollektiven Darstellung und zum Selbstzweck. Im Allgemeinen existieren bereits mehrere wohletablierte Fassaden, zwischen denen der Einzelne seine Wahl zu treffen hat. Auch Requisiten einer Fassade können für eine größere Anzahl verschiedener Rollen verwendet werden.

Für Anbietern von Dienstleistungen kann es z.B. schwer sein das ganze Geschehen mangels für den Kunden sichtbaren Bühne zu vermitteln, wodurch für die sichtbaren Leistungen oft mehr Geld verlangt wird.

Muss jemand bei seinen Darstellungen bestimmten Idealen gerecht werden, so muss er Handlugen die nicht damit übereinstimmen, unterlassen oder verbergen. Fehler in den Darstellungen werden oft verwischt, damit der wichtige Eindruck der Unfehlbarkeit aufrechterhalten werden kann. Auch kleine Fehler in der Darstellung können beim Publikum Empörung hervorrufen, nicht weil der einzelne Fehler so schwer wiegt, sondern weil die Darstellung von der vorher entworfenen Definition (Erwartung) abweicht, denn es gehört gerade zur Projektion, dass sie unter den gegebenen Umständen als die einzig mögliche akzeptiert werden kann. Die augenblickliche Darstellung und Beziehung zum Publikum wird betont und der Eindruck einer routinierten Vorstellung verschleiert. Es wird meistens unterschätzt wie stark die Darsteller vom Takt des Publikums abhängig sind (Regeln des Anstandes und der Höflichkeit).

Angehörige von sog. gehobenen Berufen (z.B. Arzte) erwecken gerne den Eindruck einer Überstimmung von Person und Aufgabe, auch, dass sie ideelle Motive dafür gehabt hätten ihre Rolle zu übernehmen. Um den Glauben an Ideale zu unterstützen werden gerne von Körperschaften Lizenzen erteilt, die eine lange und schwer zu beurteilende Ausbildung verlangen. Zum Teil soll wird damit ein Monopol geschaffen, aber auch der Eindruck der Unterscheidung von anderen Menschen bewusst forciert.

Wir neigen dazu “ehrliche” (d.h. mit den Erwartungen an die Rolle / Fassade kongruenten) Darstellungen so zu sehen als fänden sie ohne Absicht statt.

Bei dem Ausfüllen einer neuen Rolle in der Gesellschaft werden dem Einzelnen in der Regel nicht alle Einzelheiten mitgeteilt, sondern nur Stichworte / Regieanweisungen gegeben. Er muss dann die vielen spezifischen Details seiner Rolle selbst erlernen (Eingliederung) um mit den Erwartungen an seine neue Rolle gerecht zu werden. Ein Status, eine Stellung ist nicht etwas Materielles, sondern ein Modell eines kohärenten und klaren Verhaltens. Auf jeden Fall etwas das gespielt und dargestellt werden muss.

Ein Team (Ensemble) ist eine Gruppe von Individuen, die gemeinsame eine Rolle aufbauen. Alle Mitglieder eines Ensembles sind durch gegenseitige Abhängigkeit mit einander verbunden. Offene Meinungsverschiedenheiten vor einem Publikum können einen Missklang erzeugen, so dass Einmütigkeit nach Außen eine Bedingung ist. Eine Berufs-Etikette sind Sammlungen von Ritualen um vor Kunden die Einheitsfront des Berufes zu sichern. Kein Teilnehmer eines Ensembles darf an der Interaktion dem Darsteller- Ensemble und dem Publikum gleichzeitig angehören, wenn der Eindruck gewahrt werden soll. Kontrolle über das Bühnenbild hat den Vorteil, dass der Zugang von Informationen an das Publikum beeinflusst werden kann. Regisseure neigen dazu Vorstellungen danach zu beurteilen, wie glatt / reibungslos diese abgelaufen ist.

Regionen z.B. Vorder- und Hinterbühne sind dadurch definiert, dass sie durch Wahrnehmungsschranken begrenzt sind. Oft wird die Arbeit der Einzelnen hinter der Bühne nach technischen Maßstäben beurteilt, während auf der Vorderbühne die darstellerischen Fähigkeiten zählen.



Focussing

Sonstiges Posted on So, März 12, 2017 16:31:28

Focusing (lateinisch focus “Mittelpunkt, Brennpunkt”) wurde von dem amerikanischen Psychotherapeuten und Philosophen Eugene T. Gendlin im Rahmen der Klientenzentrierten Psychotherapie (Carl Rogers) seit den 1960er Jahren entwickelt. Es ist eine Technik der Selbsthilfe bei der Lösung persönlicher Probleme.

Das Verständnis des Focussing passt ausgezeichnet zu dem des Coachings: Die eigentliche Arbeit leistet nicht der Therapeut, sondern der Klient. Nach Gendlin besitzt der Klient bei der Lösung seiner persönlichen Probleme die alleinige Autorität, die alleinige Kompetenz und das alleinige Wissen. Aus dem Klienten wird der Focuser, der den Prozess autonom beginnt, steuert und beendet. Der Therapeut wird zum Begleiter. Ein Abhängigkeitsverhältnis entsteht nicht. Eine Übertragung findet nicht statt. Focussing sieht den Menschen als Prozess, nicht als Krankheitsfall.

Philosophie: Nur das Klare zählt in unserer Gesellschaft. Alles was nicht passt, muss man sofort wegstecken. Doch das Unklare, noch nicht Sagbare, aber schon Gespürte, hat seinen eigenen Wert. Menschen haben sich immer mehr in Sprachschablonen ausgedrückt. Das emotionale Erleben wurde typisiert und etikettiert. Sie dürfen sich die Erlaubnis geben, nicht alles erklären und beweisen zu müssen, was sie fühlen. Die Umwelt will nicht wissen, was uns behindert oder frustriert. Wir haben uns einfach richtig zu verhalten. Die innere Komplexität, die uns behindern, aber auch besser, interessanter und kreativer machen kann, ist nicht gefragt. Wir sollten aber lernen, in unser Inneres zu sehen. Die Wahrheit liegt nicht im Denken allein. Durch Spüren des Unklaren, kann man alle möglichen Konzepte ausprobieren, ohne an ein bestimmtes Denkmuster gebunden zu sein.

Jedes Erleben mit bedrohlichem Hintergrund ruft körperliche Reaktionen hervor. Während die auslösenden Ereignisse oft vergessen oder verdrängt werden, bleiben die Körpersignale erhalten, so dass man auf sie fokussieren kann. Die körperlichen Empfindungen sind der Pfad, auf dem man der Lösung des Problems näherkommt. Focussing eignet sich zur Aufhebung von Blockaden und kann ermöglichen, festzustellen, wo das eigene Leben festgefahren, verkrampft und eingeengt ist. Es weckt eine neue Art der inneren Aufmerksamkeit auf das, was man zunächst nur unklar gefühlt hat. Immer ist die innere Haltung eine fragende, nicht eine wissende. Ihre Gefühle liegen nicht ‚in‘ Ihnen z.B. wie giftige Schlangen in einem Käfig. Sie sind ein Prozess und Ihre Gefühle sind ein Teil dieses Prozesses.

Die sechs Prozessschritte in Kurzform (die Schritte dienen der Orientierung, man kann sie später z.T. auch überspringen oder in umgekehrter Reihenfolge durchlaufen, wenn es z.B. leichter fällt mit Worten zu beginnen und dann zum ganzen Thema zurück zu gehen):

  1. Vorbereitung

Kleine, äußere Irritationen beseitigen. Nicht ganz vertraute Orte können helfen. Eine positive Ausgangslage schaffen. Man kann in kurzen Wartezeiten Focussing betreiben. Es dauert 10, evtl. 15 Minuten, vielleicht sogar 30 Minuten, aber nicht länger. Focussing in Gegenwart einer anderen Person ist leichter, selbst wenn beide nicht sprechen. Es ist nicht immer möglich ein Problem in einer Sitzung zu lösen, es kann auch mehrere Monate in Anspruch nehmen.

  1. Freiraum schaffen

Wie fühle ich mich? Was hindert mich daran, mich gut zu fühlen? (nicht antworten, sondern dem Körper die Zeit geben, selbst zu antworten; dazu braucht es ungefähr 30 Sekunden; nicht eindringen; alles willkommen heißen, was kommt). Innerlich einen Schritt zurücktreten und aus einer Distanz betrachten.

  1. Einen ‚Felt Sense‘ kommen lassen

Ein Problem / Anliegen herausgreifen (oft sind es mehrere; wenn nichts kommt, irgendetwas auswählen) und im Körper spüren, wenn all das, was damit zusammenhängt, in Erinnerung gerufen wird. Das Problem als Ganzes fühlen. Auf das umfassende Gefühl achten (so wie die Ausstrahlung einer Person und nicht bestimmte Teilaspekte davon). Der ‚Felt Sense‘ ist das umfassende, unklare Gefühl, das das ganze Problem auslöst. Der ‚Felt Sense‘ ist dort, wo wir ohne Worte etwas wissen und empfinden.

  1. Den ‚Felt Sense‘ beschreiben: einen ‚Griff‘ finden

Der ‚Felt Sense‘ ist eine Art körperlichen Bewusstseins (ein physisches Erfahren, keine geistige; ein Körpergefühl mit einer Bedeutung dahinter) , das so wenig beachtet wurde, das es dafür keinen Namen gab. Gendlin hat dafür den Begriff ‚Felt Sense‘ erfunden. Der ‚Felt Sense‘ ist keine reine Emotion. Wichtig ist eine Beobachterhaltung (‚Ich bin nicht der Felt Sense‘, konkrete Disidentifikation).

Was ist die Eigenschaft des ‚Felt Sense‘? Welsche Wort, Sätze, Bilder kommen hervor? Welches Eigenschaftswort passt? Nicht das Problem analysieren. Nach dem Kern suchen (evtl. ein sanfter Versuch mit nur einem Wort). Treten eine leichte Entspannung und Lockerung beim Aussprechen der Worte / Vorstellen der Bilder ein, ist dies das Signal für den ‚Griff‘.

  1. Vergleichen

Im Wechsel zwischen dem ‚Felt Sense‘ und dem Wort/Bild hin-und hergehen. Passen beide zusammen? Immer wieder zum ‚Felt Sense‘ zurückkehren. Er muss gefühlt werden. Wenn der ‚Felt Sense‘ sich ändert, diesem mit der Aufmerksamkeit nachspüren. Spüren wie er jetzt ist. Wenn ‚Felt Sense‘ und Wort/Bild zusammenpassen, dieses Gefühl mehrfach aufkommen lassen. Es tritt eine erneute spürbare Entspannung ein (‚Body Shift‘). Bei der richtigen Übereinstimmung für eine Minute auskosten.

  1. Fragen

Den ‚Griff‘ nutzen, um den ‚Felt Sense‚ wieder und wieder lebendig werden zu lassen. In das Problem / Anliegen fragen: Was ist es an diesem ganzen Problem, das mich so .. macht? Was ist das Schlimme an diesem Gefühl?

In die Lösung fragen: Was braucht es, damit es besser wird? Was sollte geschehen? Was wäre es für ein Gefühl, wenn alles in Ordnung wäre? Was steht im Wege?

Offene Fragen stellen, darauf verzichten diese im Denkprozess zu beantworten, abwarten.

  1. Annehmen und schützen

Alles willkommen heißen was kommt. Dankbar für eine Antwort des Körpers sein. Die Antwort vor kritischen (inneren) Stimmen beschützen und diese unterbrechen. Später ggf. zu dem Gefühl zurückkehren. Es ist nicht das letzte Wort. Es können andere Antworten folgen. Die müssen die Antwort nur annehmen.

Focussing ist keine Arbeit. Es ist eine angenehme Zeit, die sie in ihrem Körper verbringen. Trotzdem sollte es nicht eine einfache Methode sein, sich besser zu fühlen und dadurch nicht die Aktionen in Angriff zu nehmen, die das Problem / Anliegen lösen. Hierzu sind andere unterstützende Methoden hilfreich. Focussing wird neben Hakomi und der Systemischen Therapie mit der Inneren Familie, als drittes achtsamkeitszentriertes Verfahren bezeichnet (obwohl Gendlin selbst das Wort Achtsamkeit nicht verwendet hat).

Zusammenstellung aus dem Buch ‚Focussing‘ (Eugene T. Gendlin); https://de.wikipedia.org/wiki/Focusing; ‚Wirkfaktoren der Achtsamkeit‘ (Harrer, Weiss); ‚Focussing alone‘ https://www.youtube.com/watch?v=kHMmH11GLXE



Innere Kinder

Sonstiges, Therapie Posted on So, Februar 26, 2017 14:09:05

Ein Trauma ist ein Ereignis, das den Menschen unvorbereitet und meist plötzlich überfällt, ohne dass der Betroffene etwas dagegen tun kann. Er wird von der Situation überfordert und fühlt sich ausgeliefert. Sein Leben ist (objektiv oder nach seiner subjektiven Einschätzung) in Gefahr. Außer traumatischen Einzelereignissen (z.B. Gewaltverbrechen, Unfälle, plötzliche Todesfälle), kann es auch mehrfache (z.B. Zivilbevölkerung im Krieg) und serielle Traumaerfahrungen (z.B. Abwertung in der Familie, aber auch Mobbing) geben oder kollektive Traumatisierungen wie bei Katastrophen. Ursachen können Naturkatastrophen, durch Menschen direkt oder indirekt verursachte Katastrophen/ Gewalttaten; sexuelle Gewalt und ihre Vermarktung oder Katastrophen innerhalb der Familien (z.B. Trennung, Sucht, schwere Erkrankungen etc.).

‚Traumatisierte Patienten berichten oft, sie hätten ein eingefrorenes Zeitgefühl oder ihre innere Uhr sei mit dem Datum der Traumatisierung stehen geblieben‘ (Bohleber, 2012). Die emotionale Wucht und Not kann nicht durch (erwachsene) Anteile aufgefangen und kompensiert werden. In dieser Not übernehmen andere (kindliche) Anteile die Aufgabe, die verletzten inneren Anteile zu schützen und andererseits zu bändigen, um der Gesamtperson zu ermöglichen, weiterzuleben und nach außen zu funktionieren. Es kommt zu einer Abspaltung (Dissoziation) um als Ganzes weiter leben zu können.

Die Teile in uns, die uns vor Schmerz schützen wollen, sind unsere Wächter. Das Modell des Innere Kindes (Innere Kinder) gehört zu einer modellhaften Betrachtungsweise innerer Erlebniswelten und bietet so eine verständliche, nachvollziehbare und handhabbare Beschreibung innerer Prozesse. Auch unsere Wächter, die verletzten inneren Anteile schützen, sind innere Kinder. Zwei der Wächter sind der Innere Kritiker und der Rebell sein, die im nachfolgenden charakterisiert werden.

Der Teil, in den wir durch die Spaltung als erstes rutschen, ist das Kind, das sich an die Erwartungen unserer Bezugspersonen anpasst und sie zu erfüllen versucht. Es stellt uns etwas Statisches hin, eine Idealvorstellung, und sagt: So musst du sein, sonst bist du nichts wert! Der Druck, den dieser Teil aufbaut, ist existentiell. Es interessiert ihn ausschließlich, dass wir das Richtige hervorbringen und leisten, egal wie. Härte, Disziplin, hart gegen sich selbst zu sein, kämpfen, Erfolg erringen, das ist seine Devise. Dieser Teil ist zwar Kind, spricht aber in der Stimme eines autoritären Erwachsenen mit uns. Wir sind aus seiner Sicht ein Objekt, das man verändern kann und muss, und zwar mit Druck.

Auf diesen Druck ‚Ändere dich oder stirb!‘ reagiert der innere Rebell mit Wut, Empörung und Trotz. Folgen wir ihm, sind wir für einen Moment vom Druck des Inneren Kritikers befreit. Dann veranstalten wir Exzesse, tun Verbotenes, und wollten nur eines, nämlich dem Inneren Kritiker Hohn spotten. Die Reaktion darauf sind Schuldgefühle, was nichts anderes ist, als die Rückkehr des Inneren Kritikers.

Wenn wir mit unseren Wächtern identifiziert sind, zensieren wir, was wir von uns preisgeben; überlegen wir, was wir sagen, um nicht verletzt zu werden, aber auch nicht von anderen für blöd gehalten zu werden. Unsere Aufmerksamkeit ist ganz nach Außen gerichtet. Wir sind voller Angst, aber merken nicht, dass sie in uns ist. Wir spüren unseren Körper kaum, haben keinen Kontakt zu unserem Bauch, atmen flach im Brustkorb; sind mit unserer Energie oberhalb des Zwerchfells, die Schultern angespannt oder verspannt, ganz im Kopf. Definitiv glauben wir, was wir denken. Wir haben keinen Abstand zu unseren Gedanken. Wir haben keine Präsenz. Wir sind eng, unser Bick eingeschränkt ohne Kontakt zu unseren wirklichen Gefühlen. Wir konstruieren stattdessen unsere Gefühle, oben, im Kopf, meist vermischt mit Deutungen und Schuldzuweisungen. Wir können dabei vermeintlich Schuldige dehumanisieren. Deswegen ist jedes Mittel recht, sich gegen ihn zu wehren. Wir sind in einem Kampf ums Überleben und für alles andere blind. Was wir anderen in dem Glauben vorwerfen, völlig im Recht zu sein, trifft, noch während wir es aussprechen, auf uns selbst zu. Wir haben in unserer Kindheit gelernt so zu reagieren. Es ist eine konditionierte Reaktion. Diese automatische Abwehrreaktion springt an, wenn wir verletzt werden oder verletzt werden könnten. Als wir Kind waren, stimmte das auch. Das wir heute zum Kind werden, das ist die Regression. In dieser Regression reagieren wir also nicht auf die Gegenwart, sondern auf die Vergangenheit, wir reagieren nicht auf das wirkliche Gegenüber, sondern auf eine Person in unserer Vergangenheit. Unsere Wächter wollen um jeden Preis vermeiden, dass wir in den Kontakt mit unseren Schmerzen gehen. Dabei können sie sogar konstruieren, wie es wäre, wenn wir in diesen Kontakt gehen würden. Im Wächter wird über den Kontakt mit den Gefühlen geredet und scheinbar tiefsinnig erörtert, dabei wird aber nur so getan, als habe man diesen Kontakt. Der Kontakt ist konstruiert und wird vom Wächter simuliert. Im Körper allerdings passiert nichts. Das mag sich verkopft anhören, und genau das ist es auch. Sind wir identifiziert mit dem inneren Kritiker, verlieren wir den Kontakt zum Lebendigen.

Zusammengestellt aus

‚Wenn die Seele verletzt ist‚, Christiane Sautter
‚Traumaheilung durch Radikale Erlaubnis‘, Mike Hellwig
‚Das Innere Kind in der Psychotherapie‘, Dagmar Kumbier



Das Unvollkommenheitsgefühl

Sonstiges Posted on So, Februar 26, 2017 10:31:04

Ist es nicht so, dass immer irgendetwas nicht stimmt? Mal weniger, mal mehr, aber bohrt nicht immer etwas in uns herum, und sagt, dies musst du in Ordnung bringen, jene Termine musst du schaffen, das und das musst du regeln – dieser Teil in uns, der die Perfektion anstrebt, der möchte, dass alles rund läuft.. Dieser Teil ersehnt ein Paradies, er unterhält die Heilsfantasie, dass es einmal eine Zeit geben wird, wo wir unser Leben genießen, ohne etwas leisten zu müssen. Besser, genussvoller als heil sein zu wollen, ist es hingegen, nicht mehr heil sein zu wollen und anzuerkennen, dass etwas in uns nicht und nie repariert werden kann. Das ist der Ausstieg aus der unbewussten Identifizierung mit der kindlichen Heilsfantasie. Wenn wir nicht mehr ganz und heil sein wollen, können wir uns ganz unserer Unvollkommenheit hingeben. Dann, es geht gar nicht anders, kommt der Humor ins Spiel.. kommt das Lachen – das Lachen darüber, wie ernst wir uns nehmen und welches Drama wir aufführen. Diese Nummer, in Ordnung zu kommen und heil sein zu müssen, ist eine Trance, ein Wahnzustand, eine kollektiv halluzinierte Hölle, Sich selbst und sein Leben immer zu einem Objekt zu machen, an dem herumgedoktort wird, um es zu verbessern und perfekt zu machen, das ist ein Wahnsinn, der so kollektiv betrieben wird, dass er selbstverständlich erscheint. Dies ist die Konditionierung schlechthin: heilsein zu wollen und sich zu einem optimierbaren Objekt zu machen. Kennzeichen dieser Konditionierung .. ist Druck. Wenn wir das Leben verpassen, herrscht immer Druck. Nun werden mache sagen, ich stehe aber dauernd unter Druck. Dann arbeite ich also ständig gegen das Lebendige in mir an? Exakt! Je mehr Druck, desto toter sind wir. Und nur so, indem wir uns beständig abtöten und unter Druck stehen, können wir funktionieren. Funktionieren können, der Irrglaube, funktionieren zu müssen, ist der Abgesang an das Leben, an das Kind in uns.

(aus ‚Traumaheilung durch Radikale Erlaubnis‘, Mike Hellwig)



Wachstumsbremsen – die 3 großen F (Feigheit, Faulheit, Fixierung)

Sonstiges Posted on Fr, November 25, 2016 20:17:18

Wachstumsbremsen sind emotionale Strategien, Angst zu vermeiden, denn sie warnen uns heftig vor jedem möglichem Risiko. Die wichtigsten Angstvermeidungsstrategien sind Feigheit (Angst vor neuen Herausforderungen, die objektiv gesehen, nicht gefährlich sind), Faulheit (zu faul etwas Anstrengendes anzugehen, vor allem wenn es unerfreulich ist) und die Fixierung (‚Ich bin jemand, der ..‚).

nach ‚Glauben Sie ja nicht, wer Sie sind!‘ von E. Noni Höfner



Tod und Trauer

Sonstiges Posted on So, Oktober 23, 2016 07:28:20

Tod und Trauer gehören zu den großen Tabu-Themen unserer Zeit. Verfall und Sterben haben in unserer Jugend-Gesellschaft wenig Raum. Wir werden nicht gerne daran erinnert, eventuell weil viele von uns dann erkennen würden einer Illusion nachzujagen? Es muss aber nicht immer der Tod sein. Trauer kann auch durch große Entscheidungen wie Umzug, Hausverkauf oder Stellenkündigung ausgelöst werden.

Eine gewisse Trauerzeit – in der Regel ein paar Tage – wird den meisten zwar zugestanden. Dann aber bitte schön soll derjenige doch loslassen, das Leben geht schließlich weiter. Der Weg durch die Trauer bis zu einem neuen seelischen Gleichgewicht dauert bei den meisten Menschen zwischen drei und fünf Jahren!
Die Stadien der Trauerbewältigung sind..

Phase des Nicht-Wahrhaben-Wollens und der Verleugnung:
Wir wollen nicht wahrhaben, dass der uns so sehr am Herzen liegende Mensch gestorben ist und uns für immer verlassen hat. Wir stehen wie unter einem Schock oder bewegen uns wie in Trance.

Phase der aufbrechenden Gefühle:
Diese Phase ist die schmerzlichste und schwierigste Phase. Wie verspüren den vollen Schmerz und die Verzweiflung. Wir leiden unter Gefühlsschwankungen, fangen aus heiterem Himmel an zu weinen. Unser Körper ist aus dem Gleichgewicht. Wir können nicht mehr schlafen oder kommen kaum noch aus dem Bett. Wir können nicht ruhig sitzen oder uns kaum noch von der Stelle bewegen. Wir schlingen wahllos Essen in uns hinein oder bekommen keinen Bissen hinunter. Wir haben an nichts mehr Freude. Wir glauben, nie wieder glücklich sein zu können. Wir hadern mit dem Schicksal. Wir beneiden andere, reagieren vielleicht gereizt, wenn uns jemand sein Beileid ausspricht, Mitgefühl und Anteilnahme zeigt.

Phase der langsamen Neuorientierung:
Wir können uns zeitweise wieder konzentrieren, auch mal an etwas erfreuen. Trauer und Hadern lassen langsam nach und sind nicht mehr so intensiv. Jedoch haben wir noch Stimmungsschwankungen.

Phase des neuen Gleichgewichts:
Wir sind zu einem neuen körperlichen und seelischen Gleichgewicht gelangt. Es erfüllt uns bisweilen immer noch mit Wehmut, an die Vergangenheit zu denken, doch wir sehen vertrauensvoll in die Zukunft.

Warum sollten wir uns ‚rechtzeitig‘ mit dem Tod beschäftigen?

Der Gedanke an den Tod verstärkt das Leben. Er lädt uns ein, jetzt im Augenblick intensiv zu leben. Wer nicht bereit ist, sich mit dem Tod zu beschäftigen, der lebt unbewusst ständig in der Angst vor dem Tod.

Wer ab der Lebensmitte nicht bereit ist, sich mit dem Tod auseinanderzusetzen, der erstarrt innerlich.

In der Auseinandersetzung mit dem Tod begegnet man den eigenen Ängsten. Dabei geht es vor allem darum, rechtzeitig sprachfähig zu werden, sich ausdrücken zu können, Worte zu finden, statt stumm zu bleiben.

Wenn wir uns im Alltag bewusst sind, wie leicht der Tod uns das Liebste rauben kann, gehen wir mitfühlender und freundlicher miteinander um. Der Gedanke an den Tod inspiriert uns, das Leben wirklich zu schätzen und in unserer kurzen Lebensspanne klare Prioritäten zu setzen. Müssen wir erst sterbenskrank werden, damit wir unsere besten Eigenschaften zum Blühen bringen?

Wie können wir mit unserer Trauer umgehen?

Hilfreich ist es auf jedem Fall einen Weg zu finden, dass, was in uns ist, herauszulassen. Was wir dauerhaft unterdrücken, macht krank. Rituale haben etwas Tröstliches, denn Symbole haben eine große Wirkung auf uns. Was sollten unseren Schmerz zulassen und uns klar machen, dass es um das Loslassen und Verabschieden geht. Wir können den Abschied auf unsere ganz persönliche Art inszenieren.

Mit am schmerzlichsten kann die ewige Frage nach dem Warum sein. “Warum musste er oder sie sterben?” Wir können ein Blatt Papier nehmen und alle vermeintlichen Gründe aufschreiben, die uns auf die Frage nach dem Warum einfallen – so abstrus es vielleicht klingen mag. Durch das Aufschreiben bringen wir unsere Gedanken heraus, was sehr befreiend wirken kann. Am Ende der Übung, die Blätter fortwerfen oder verbrennen.

Viele Trauernde fühlen sich verlassen und einsam. Um weiterzumachen, müssen wir Trost finden. Wir können Dinge aufschreiben, die uns ganz persönlich trösten und dann verschiedene dieser Möglichkeiten umsetzen.

Wie können wir mit Trauernden umgehen?

Wir können viel tun, indem wir dem Trauernden signalisieren, dass der Schmerz, die Gefühle und Tränen für in Ordnung sind – und das unabhängig davon, wie weit der tatsächliche Verlust zurück liegt. Wir sollten nicht versuchen, mit Ablenkung oder Aufmunterung den anderen aus seiner Trauer holen zu wollen, sondern den Schmerz des anderen akzeptieren. Wir müssen dabei für uns selbst sehen, wie viel Auseinandersetzung wir mit der Trauer eines anderen Menschen aushalten können.

Fragen, die wir uns stellen könnten..

Welchen Platz gebe ich dem Tod und dem Leben? Wenn ich in der Mitte stehe, wo stehen die Beiden dann? Was wäre für Beides ein Symbol, dass ich wählen würde? Welche physiologischen Reaktionen verspüre ich wo, wenn ich an den Tod denke? Wenn diese Reaktionen sprechen könnten, was würden Sie mir sagen wollen? ..

„Ich bin Millionen Jahre tot gewesen vor meiner Geburt und habe nicht darunter gelitten“ (Mark Twain)



Wirkfaktoren

Sonstiges Posted on Sa, August 27, 2016 11:08:43

Was wirkt im Coaching? Wirkfaktoren (common factors) in der Psychotherapie sind nach Michael J. Lambert (Handbook of Psychotherapy and Behavior Change, 2013) die ‚großen Vier‘:

– 40% extratherapeutische Faktoren wie Ich-Stärke und andere Faktoren im Umfeld des Klienten

– 30% allgemeine Faktoren die unabhängig von der therapeutischen Richtung sind, wie Empathie, Wärme, Akzeptanz, Ermutigung etc.

– 15% Behandlungserwartungen resultierend aus dem Wissen behandelt zu werden und der Glaubwürdigkeit der Behandlung

– 15% methodisch-spezifische Faktoren

Angenommen, dies wäre auf das Coaching übertragbar, so entziehen sich 55% dem Einfluss des Coaches. Von den restlichen 45%, machen 30% der persönliche Umgang des Coaches mit dem Klienten aus und nur 15% sind methodenspezifisch bedingt.