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für systemisch, konstruktivistisch arbeitende Coaches, Berater, Therapeuten und alle Interessierten

Einordnung der Kognitiven Verhaltenstherapien

Konstruktivistisch, Psychologie, Therapie Posted on Sa, März 21, 2020 16:53:20

Die kognitive Verhaltenstherapie ist eine Form der Verhaltenstherapie, die auf der Lerntherorie basiert und besagt, dass störungsbedingtes Verhalten erlernt wurde und deshalb auch wieder verlernt werden kann. Hauptströmungen der Lerntherorie sind der Behaviorismus, der Kognitivismus und der Konstruktivismus.

In der Anfangsphase des Behaviorismus (John B. Watsons) sollte die Psychologie als Naturwissenschaft neu begründet werden, indem alles Verhalten in Reiz und Reaktion zerlegt wurde. Innere psychische Vorgänge waren für Behavioristen uninteressant. Im sogenannten „radikalen“ Behaviorismus (B. F. Skinner) wurden innerpsychische Prozesse bei der Erforschung von Verhalten nicht mehr ausgeschlossen. Dennoch wurden sog. ’nicht-naturwissenschaftliche‘ Einflüsse auf das Verhalten z.B. von „Kultur und Tradition“ in Studien ignoriert, wenn sie nicht als Umwelteinflüsse und Verhalten definiert werden konnten. Ab den 1960er und 1970er Jahren wurde der Behaviorismus zunehmend vom Kognitivismus als vorherrschendem Ansatz in der Psychologie abgelöst.

Beim Kognitivismus steht die individuelle Informationsverarbeitung mit den Denk- und Verarbeitungsprozessen des Lernenden im Fokus (Tolman, Lewin, Bruner). Die Erkenntnisse des Kognitivismus stammen aus der Kognitionspsychologie, die interdisziplinär ist und Ideen aus Philosophie, Psychologie und Linguistik aufnimmt. Zum Begriff der Kognition gehören: Wahrnehmung, Informationsverarbeitung, Geist, Denkpsychologie (Denken), Emotion und Handeln, Intelligenz, Sprache, Kreativität, Verstehen, Urteilen (Psychologie) sowie Urteil (Logik), Werturteil (Bewerten), Vorstellungen, Lernen und Gedächtnis.

Die kognitive Verhaltenstherapie entwickelte sich seit den 60er Jahren aus dem Kognitivismus. Zu den Begründern und namhaftesten Vertretern der kognitiven Verhaltenstherapie zählen Albert Ellis (Rational-Emotive Verhaltenstherapie – REVT / RET), Aaron T. Beck (kognitive Therapie – KT / KVT) und Donald Meichenbaum (Stressimpfungstraining).

(Quelle: Wikipedia und ‚Kognitive Umstrukturierung‘ von Einsle / Hummel)



KVT – Grundannahmen, die innersten Überzeugungen (Schemata)

Konstruktivistisch, Therapie Posted on Mo, März 16, 2020 21:10:00

Grundannahmen (Schemata) sind die innersten Überzeugungen eines Menschen. Sie bleiben meist unausgesprochen. Die meisten Menschen können größtenteils relativ positive Grundannahmen über sich und ihre Umwelt aufrechterhalten. Negative Grundannahmen werden nur in Zeiten großer psychischer Belastung überwiegend. Positive Erfahrungen ‚prallen‘ in diesen Zeiten einfach ab, werden nicht wahrgenommen oder abgewertet und damit nicht integriert. Dies ist keine Absicht. Es passiert automatisch. Wie schwierig das Erkennen und Verändern von Grundannahmen ist, hängt vom Klienten ab. Im Allgemeinen fällt es Klienten mit starken emotionalen Belastungen leichter als anderen.

Beck schlägt die Kategorisierung in drei Typen von Grundannahmen vor: 1. Grundannahmen der Hilflosigkeit (Ich bin unfähig / unzulänglich; mache alles falsch; bin machtlos / schwach; ich bin ein Opfer / Verlierer / Versager); 2. Grundannahmen des Nicht-liebenswert-Seins (Ich bin anders / schlecht / nicht in Ordnung / nicht gut genug / unattraktiv / unerwünscht; Ich werde immer zurückgewiesen / verlassen) und 3. Grundannahmen der Wertlosigkeit (Ich bin wertlos / schlecht / böse / überflüssig; Ich verdiene es nicht zu leben).

Grundannahmen sind Vorstellungen. Als solche kann man sie überprüfen, denn sie können auch ganz oder teilweise falsch sein. Grundannahmen haben ihre Wurzeln in der Kindheit. Als der Klient sie gebildet hat, waren sie möglicherweise richtig. Sie werden durch Schemata aufrechterhalten, die stützenden Informationen sofort akzeptieren, aber widersprüchliche Informationen ignorieren oder abwerten.

Ein Therapeut identifiziert die Art / Kategorie der dysfunktionalen Grundannahmen und versucht sie zusammen mit dem Klienten in der zuvor beschrieben Art zu verändern (siehe Veränderung von Annahmen). Seine (ständig verfeinerten) Hypothesen zu den Grundannahmen diskutiert er mit dem Klienten und bittet ihn um Zustimmung oder Widerruf. Er unterstützt den Klienten bei der Formulierung und Verstärkung neuer, angemessener Grundannahmen. Dabei ist eine halbwegs positive neue Grundannahme für die meisten Klienten einfacher zu akzeptieren als eine extrem positive Annahme (Bsp. „Ich bin überhaupt nicht liebenswert“ > „Im Allgemeinen bin ich schon liebenswert.“; „Ich bin schlecht.“ > „Ich bin okay.“; „Ich bin machtlos.“ > „Über die meisten Dinge habe ich schon Kontrolle.“; „Ich bin nicht in Ordnung.“ > „Ich bin normal und habe sowohl Stärken als auch Schwächen.“).

(Quelle: Praxis der Kognitiven Verhaltenstherapie, Beck)



KVT – Veränderung von Annahmen

Konstruktivistisch, Therapie Posted on So, März 15, 2020 15:31:35

Es gibt verschiedene Techniken, mit denen man bedingte Annahmen und Grundannahmen ändern kann. Der Therapeut sollte den Klienten dabei immer wieder fragen, wie stark er augenblicklich an die Annahme glaubt (Skalenfrage). 0 Prozent sind dabei i.d.R. weder möglich noch unbedingt erstrebenswert. In der Regel ist die Annahme dann schwach genug (< 30%), wenn es wahrscheinlich ist, das der Klient sein dysfunktionales Verhalten ändert. Einige Methoden können auch zur Modifikation von automatischen Gedanken verwendet werden.

Sokratische Fragen: Diese Technik hilft, die Logik der eigenen Gedanken kritisch zu hinterfragen und Fehler oder Inkonsistenzen in dieser Logik auf nichtkonfrontative Weise aufzuzeigen. Gundmuster sind:

  1. Klärendes Denken und Verstehen (Können Sie mir ein Beispiel geben? Könnten Sie das weiter erklären? Meinten Sie X? Was ist das Problem, das Sie zu lösen versuchen?).
  2. Anspruchsvolle Annahmen (Ist das immer so? Setzen Sie X voraus? Stimmen Sie dem X zu? Wenn das für ein X gilt, gilt das für alle X?).
  3. Untersuchen von Beweismitteln und Gründen (Warum sagen Sie das? Woher wissen Sie das? Welche Daten unterstützen dies? Warum?).
  4. Berücksichtigung alternativer Standpunkte und Perspektiven (Gibt es Alternativen? Wie sieht die andere Seite des Arguments aus? Was macht Ihre Sichtweise besser? Was würde X dazu sagen? Können Sie an Fälle denken, in denen das nicht stimmt?).
  5. Berücksichtigung von Folgen und Konsequenzen (Was wären die Folgen? Gibt es irgendwelche Nebenwirkungen? Was, wenn Sie falsch liegen? Wie können wir es herausfinden? Wenn das wahr ist, bedeutet das, dass X auch wahr ist? Was sollten wir dazu noch überlegen?).
  6. Meta-Fragen (Was denken Sie, warum ich diese Frage gestellt habe? Was bedeutet das? Was könnte ich sonst noch fragen?)

Verhaltensexperimente: Die Richtigkeit von Annahmen (und automatischer Gedanken) kann mit Verhaltensexperimenten überprüft werden. Richtig geplant und ausgeführt, können diese Verhalten nachhaltiger als verbale Methoden beeinflussen. Bsp. „Es wäre eine Katastrophe, wenn ich zu spät zur Arbeit kommen würde.“. Nach Vorbereitung: Aufgabe 5 Minuten zu spät zur Arbeit zu kommen. Verhalten gegenüber Kollegen und Vorgesetzten vorher einüben.

Kognitives Kontinuum: Diese Methode eignet sich insbesondere bei polarisiertem Denken (Alles-oder-nichts; Schwarz-Weiß). Auf einer linearen Skala werden durch erfragte Beispiele Zwischenpunkte eingeführt.

Rational-emotionales Rollenspiel: Dieses Rollenspiel eignet sind insbesondere dann, wenn der Klient beschreibt, dass er zwar mit dem Kopf erkennt, dass die Annahme nicht zutreffend ist, es sich aber im Bauch trotzdem richtig anfühlt. Der Klient übernimmt zunächst die Rolle des emotionalen Teils, der stark an die dysfunktionale Annahme glaubt, während der Therapeut den rationalen Teil spielt. Beide sprechen in der Ich-Form. Im zweiten Teil werden die Rollen getauscht. Der Therapeut benutzt dieselben emotionalen Argumente wie der Klient und versucht auch die Worte des Klienten zu wiederholen.

Andere Personen als Bezugsgröße: Wenn Klienten über die Annahmen von anderen nachdenken, gewinnen Sie oft Distanz zu ihren eigenen dysfunktionalen Annahmen („Wenn ein Freund/Freundin in dieser Situation wäre und diesen Gedanken hätte, was würden Sie ihm raten?). Oft können Klienten, mit eigenen Kindern (real oder vorgestellt) als Bezugsgröße, Abstand gewinnen.

So tun, als ob: Veränderungen von Annahmen führen oft zu entsprechenden Verhaltensänderungen – aber auch umgekehrt. Sobald der Klient beginnt sein Verhalten zu ändern, wird seine Annahme geschwächt. Die So-tun-als-ob-Technik kann so wohl bei bedingten Annahmen als auch der Grundannahmen eingesetzt werden.

(Quelle: Praxis der Kognitiven Verhaltenstherapie, Beck)



KVT – Bedingte Annahmen und Grundannahmen

Konstruktivistisch, Therapie Posted on So, März 15, 2020 08:48:20

Bedingte Annahmen (Einstellungen, Regeln, Grundsätze) und Grundannahmen können erkannt werden, wenn..

  • eine Annahme als automatischer Gedanke formuliert wurde (Bsp. „Was ist Ihnen durch den Kopf gegangen?“ „Ich hätte besser sein sollen. Ich kann nie etwas richtig machen. Ich bin so unfähig.“, Grundannahme);
  • der erste Teil eines Grundsatzes vorgegeben wird (Bsp. „Sie dachten also Sie müssen .. “ „Ja, dann habe ich nicht mein Bestes getan. Ich habe versagt.“);
  • direkt eine Regel oder Einstellung erfragt wird (Bsp. „Haben Sie eine Regel dazu?“);
  • bei einem (angenommenen) ‚entscheidenden‘ automatischen Gedanken wiederholt nach der Bedeutung dieses Gedankens gefragt wird, was oft eine oder mehrere bedingte Annahmen aufdeckt; oder danach zu fragen, was das über den Klienten aussagt, welches die Grundannahme aufdecken kann (die sog. „Pfeil-abwärts Technik“);
  • die automatischen Gedanken des Klienten auf gemeinsame Themen überprüft werden, z.B.durch eine direkte Frage nach gemeinsamen Themen oder der Formulierung einer versuchsweisen Annahme und Frage nach Überprüfung durch den Klienten;
  • der Klient direkt danach gefragt wird;
  • ein Fragebogen zu Annahmen ausgefüllt und ausgewertet wird (Bsp. DAS – Skala dysfunktionaler Einstellungen, Hautzinger et al).

Der Therapeut muss Hypothesen aufstellen, wie zentral eine Annahme ist und ob sie vorrangig verändert werden muss. Dazu ist es auch hilfreich den Klienten zu fragen, wie stark er an die Annahme glaubt (Skalenfrage). Wichtig ist die Psychoedukation des Klienten über Annahmen (Erlerntes kann auch wieder verlernt und anderes erlernt werden..). Bei Annahmen ist es hilfreich die Vorteile und Nachteile von Annahmen mit dem Klienten zu explorieren. Bei dysfunktionalen Annahmen, können dann die Vorteile in Zweifel gezogen und die Nachteile betont werden. Bei der Formulierung einer neuen Annahme stellt sich die Frage, welche Annahme für den Klienten funktionaler wäre. Der Therapeut versucht für sich eine weniger starre Annahme zu formulieren, die thematisch mit der dysfunktionalen Annahme zusammenhängt und zu einer größeren Zufriedenheit des Klienten führen könnte. Kooperativ leitet er die gemeinsame Formulierung einer neuen Annahme (sokratische Fragen).

(Quelle: Praxis der Kognitiven Verhaltenstherapie, Beck)



KVT – Automatische Gedanken

Konstruktivistisch, Therapie Posted on Mi, März 04, 2020 20:02:41

Automatische Gedanken sind oft recht kurz, wie ‚in Steno‘. Sie existieren neben dem offensichtlichen Gedankenstrom, tauchen spontan auf und basieren nicht auf Nachdenken. Oft sind die damit zusammenhängenden Gefühle deutlicher bewusst. Automatische Gedanken können in verbaler oder visueller Form oder in beiden Formen auftreten.

Bsp.: ‚Oh, nein.‘ – Klienten können dann auf Nachfrage in der Regel leicht formulieren, welche Bedeutung dieser automatische Gedanke für sie hatte.

Die Grundfrage für Klienten bei dem Aufdecken von automatischen Gedanken ist: „Was ist mir gerade durch den Kopf gegangen?“

Alternativ kann nach den gerade empfundenen Gefühlen gefragt werden (und wo im Körper diese gespürt werden); einem Bild (ggfs. ein Bild vorschlagen); der detaillierten Beschreibung der problematischen Situation; nach der Bedeutung der Situation; es können Gedanken vorgeschlagen werden, die gegenteilig zu denen sind, die man bei dem Klienten vermutet, oder es kann ein Rollenspiel vorgeschlagen werden (z.B. bei zwischenmenschlichen Problemen).

Einige Klienten haben ein eingeschränktes Vokabular für Gefühle. Andere können diese zwar intellektuell benennen, aber haben Schwierigkeiten ihre spezifischen Emotionen auszudrücken. Eine ‚Gefühlskarte‘ kann bei der Benennung helfen. Es ist auch wichtig, Gefühle nicht nur zu benennen, sondern auch ihre Stärke einzuschätzen (Skalenfrage).

Nach dem Berichten des ersten Gedankens ist es wichtig weiter zu fragen (‚Und was noch? Und dann?‘). Interessant sind die konkreten Worte oder Vorstellungen, nicht Interpretationen (wie ‚ich denke..‘, ‚ich glaube..‘).

Oft sind automatische Gedanken von Klienten negativer Natur. Menschen mit psychischen Störungen interpretieren neutrale oder sogar positive Situationen falsch, d.h. ihre automatischen Gedanken sind verzerrt. Die Kognitive Verhaltenstherapie lehrt Klienten, ihr dysfunktionales Denken zu erkennen, zu überprüfen und zu verändern.

Wir haben jeden Tag Tausende von Gedanken, aber in einer Sitzung lassen sich nur wenige (oder nur einer) davon überprüfen. Deshalb muss der Klient unterstützt werden, die am meisten belastenden Gedanken zu identifizieren. Die Automatischen Gedanken selbst werden nicht in Frage gestellt, da sie selten völlig falsch sind. Der Therapeut hilft dem Klienten dabei: die Gültigkeit eines automatischen Gedankens herauszufinden; mögliche alternative Interpretationen oder Sichtweisen zu entdecken; zu erkennen, inwieweit der Klient dem Gedanken Glaube schenkt; Abstand vom Gedanken zu gewinnen oder die ersten Schritte zur Problemlösung anzugehen. Beispiel Fragen sind:

  • Welche Anhaltspunkte sprechen für / gegen diesen Gedanken?
  • Welche alternativen Erklärungen gibt es?
  • Was ist das Schlimmste, das passieren könnte? Wenn es eintreten würde, wie würden Sie damit umgehen? Was ist das Beste, was passieren könnte? Was ist das realistischste Ergebnis?
  • Welchen Effekt hat es, wenn Sie diesen Gedanken glauben / nicht glauben?
  • Was würden Sie einem Freund in dieser Situation raten?

Typische Denkfehler sind: Alles-oder-nichts Denken (Schwarz/Weiß); Katastrophisieren; Positives ausschließen oder abwerten; Emotionales Schlussfolgern; Etikettierung; Vergrößerung / Verkleinerung; Mentaler Filter; Gedankenlesen; Übergeneralisieren; Imperative Aussagen; Tunnelblick. Sollte ein automatischer Gedanke hingegen zutreffen, sollte man sich auf das Lösen des Problems oder der Akzeptanz konzentrieren.

(Quelle: Praxis der Kognitiven Verhaltenstherapie, Beck)



KVT – Das kognitive Modell

Konstruktivistisch, Psychologie, Therapie Posted on Mo, März 02, 2020 22:03:57

Das kognitive Modell der Kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) besagt vereinfacht: Nicht die Situation an sich beeinflusst die Gefühle einer Person, sondern die Art und Weise, wie die Person die Situation interpretiert. Gefühle und Verhalten werden durch die Wahrnehmung von Ereignissen beeinflusst.

Situation / Ereignis >> Automatische Gedanken >> Reaktion (emotional, Verhalten, körperlich)

Jeder Mensch entwickelt von Kindheit an bestimmte Annahmen (beliefs) über sich, andere Menschen und seine Umwelt. Seine innersten, tief verwurzelten Grundannahmen, die Dinge, die „nun einmal so sind“, werden nicht hinterfragt und oft nicht einmal ausgesprochen (auch nicht sich selbst gegenüber). Er hält diese Annahmen für absolut wahr. Diese Grundannahmen bilden die unterste Ebene der Annahmen. Sie sind situationsunabhängig, starr und übergeneralisiert. Die Gedanken, die jemanden in bestimmten Situationen automatisch durch den Kopf gehen, basieren auf den Grundannahmen. Sie werden automatische Gedanken genannt. Dazwischen liegt die Kategorie der sog. ‚bedingten Annahmen‘ (intermediate beliefs).

Grundannahmen >> Bedingte Annahmen (Einstellungen, Regeln, Grundsätze) >> Automatische Gedanken

Zusammen genommen sieht das kognitive Modell wie folgt aus:

Grundannahmen >> Bedingte Annahmen (Einstellungen, Regeln, Grundsätze) >> Situation / Ereignis >> Automatische Gedanken >> Reaktion (emotional, Verhalten, körperlich)

Ein mögliches Beispiel:

Grundannahme: „Ich bin unfähig.“ >> Bedingte Annahmen: Einstellung „Es ist schrecklich, zu versagen.“, Regel „Lieber aufgeben, wenn die Herausforderung zu groß ist.“, Grundsätze „Wenn ich etwas Schwieriges versuche, werde ich versagen“ und „Wenn ich dies vermeide, ist alles in Ordnung.“ >> Situation / Ereignis: „Lesen eines schwierigen Textes.“ >> Automatische Gedanken: „Das ist einfach zu schwierig. Ich bin so dumm. Ich verstehe das nie.“ >> Reaktion: emotional „Entmutigung“, Verhalten „Weitere Beschäftigung mit dem Text vermeiden. Statt dessen andere Aktivität.“, körperlich „Körper fühlt sich schwer an.“

Bedingte Annahmen sind einer Veränderung leichter zugänglich als die Gundannahmen. Obwohl die Grundannahmen nie offen ausgesprochen wurden, beeinflussen sie Denken und Verhalten. Wir entwickeln bestimmte Verhaltensmuster um mit unseren Grundannahmen (z.B. von eigenen ‚Defiziten‘) umzugehen.

In der kognitiven Verhaltenstherapie bildet das sog. Kognitive Fallkonzept den Rahmen für das therapeutische Verständnis und den daraus abgeleiteten Therapieschritten. Welche Probleme hat der Klient im Moment? Wie sind diese entstanden und wie werden sie aufrechterhalten? Welche dysfunktionalen Gedanken und Annahmen sind mit diesen Problemen verknüpft? Wie sieht der Klient sich selbst, seine Umwelt, seine Zukunft? Was sind die zugrundelegenden Annahmen (einschließlich der Einstellungen, Erwartungen und Regeln)? Wie geht der Klient mit seinen (dysfunktionalen ) Kognitionen um? Welche Stressoren tragen zur Aufrechterhaltung bei bzw. stören deren Auflösung? Die Hypothesen des Therapeuten über die innere Landkarte des Klienten sind das Kognitive Fallkonzept. Die Therapie ist eine gemeinsame Reise auf den Wegen dieser inneren Landkarte mit dem Ziel an einem vom Klienten bestimmten Ziel anzukommen. Ein gründliches Fallkonzept d.h. ein möglichst genaues Bild der inneren Landkarte hilft eine Reiseroute festzulegen. Das Fallkonzept ist immer in Bewegung und unterliegt ständigen Änderungen. Jede neue Information bestätigt, verwirft oder modifiziert Hypothesen. Ein Fallkonzept ist dann zutreffend, wenn der Klient bestätigt, dass es sich ‚richtig anfühlt‘.

(Quelle: Praxis der Kognitiven Verhaltenstherapie, Beck)



Systemische Therapie mit Erwachsenen (1)

Konstruktivistisch, Systemisch, Therapie Posted on Fr, Februar 21, 2020 13:51:14

Nachfolgend eine ausschnittsweise Zusammenfassung von Betrachtungen und Ansätzen einer Systemischen Therapie mit Erwachsenen bei bestimmten Störungen (Quelle: Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung II, Schweitzer / Schlippe):

F1 Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen

In einer systemischen bio-psycho-sozialen Betrachtung sind Leben, Bewusstsein und Kommunikation selbstorganisierte Systeme, die zwar strukturell gekoppelt sind, aber zwischen denen es keine kausalen Bezüge gibt. Für Abhängigkeiten heißt das: Es gibt biologisch die Dynamik der ‚Selbstmedikation der Nebenwirkungen der Selbstmedikation‘ durch Toleranzentwicklung, d.h. organische Gegenreaktionen zur Reduktion der Drogenwirkung. Nach einer gewissen Zeit wird das Suchtmittel als fester Bestandteil der Oganismusfunktionen eingebaut – mit der Folge einer physischen Abhängigkeit. Auf der Ebene des Bewusstseins gibt es, je öfter die Erlebens-Sucht-Choreographie durchlaufen wird, immer weniger alternative Optionen. Die Suchthandlung stabilisiert sich auf der psychischen Ebene selbst. Sie besteht, weil sie besteht und sie wird durch das Muster aufrechterhalten, durch das sie selbst gebildet wurde. Auf der Ebene der Kommunikation gibt es keine Sucht/Abhängigkeit an sich. Abhängiges Verhalten ist gleichzeitig ein Netzwerk aus Beobachtungen und Zuschreibungen, die von Beobachtern vorgenommen werden. Verhalten und Reaktionen sind eng sozial verflechtet (z.B. Ko-Abhängigkeit). Störungen durch psychotrope Substanzen sind höchst stabil zwischen den jeweiligen Systemebenen verkettet. Bei einer Entstörung ist insbesondere das Auftragskarussell zu beachten: Der Kostenträger möchte die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit durch vollständige Abstinenz. Der Arbeitgeber möchte schnelle Resultate sehen. Die Angehörigen erwarten oft eine Stabilisierung, ohne dass sich innerhalb des Familiensystems zu viel verändert. Die Mehrzahl der Klienten hält sich selbst nicht für süchtig und strebt keine Abstinenz an. Der Therapeut möchte i.d.R. mit größtmöglicher Ergebnisoffenheit und Neutralität unterschiedliches Konsumverhalten betrachten (Unterschiede einführen). Deshalb ist eine konsequente Klienten-Anliegenorientierung besonderes wichtig.

F2 Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen

Ver-rückte Komunikationsformen gedeihen besonders gut in einem Umfeld, in dem sog. weiche Wirklichkeitskonstruktionen vorherrschen. In einem Umfeld, in dem sich die Kommunikationsteilnehmer möglichst wenig festlegen, was sie ausdrücken wollen. In denen Beschreibungen vage und unbestimmt bleiben, Unterschiede und Gegensätze zwischen Bedeutungsinhalten kaum noch erlebbar sind oder verschwimmen, z.B. in dem nahezu gleichzeitig vollkommen unterschiedliche Impulse ausgedrückt werden (Ich liebe dich! – Komm mir nicht zu nahe!). In der Literatur z.B. beschrieben als: Mystifikation (Laing), bei der ein anderer definiert was sein Gegenüber denke, wolle etc., auch wenn es der Betroffene gar nicht so sieht; als kommunikative „Double-Bind“ Zwickmühle (Bateson) oder als „high expressed emotions“ (Vaughn / Neff) bei dem kritische, entwertende und zugleich sehr emotionale Bewertungen in engen Beziehungen an der Tagesordnung sind. Bei einer Plussymptomatik zeigt der Klient zu viel nicht erwartete Verhaltensweisen, bei einer Minussymptomatik keine oder zu wenige. Beides kann dazu führen, dass seinen Verhaltensweisen, von anderen, kein verstehbarer Sinn mehr zugesprochen wird, der Klient quasi aus der regulären (sinnvollen) Kommunikation ausgestoßen wird (Exkommunikation). Eine systemische Entstörung beinhaltet eine Wiedereinführung des Exkommunizierten, in dem mit dem Klienten normal und vernünftig gesprochen wird, immer annehmend, dass dieser gute und verständliche Gründe habe, sich aktuell unverständlich zu äußern und zu Verhalten, auch wenn diese von der sozialen Umwelt derzeit noch nicht verstanden werden. Die Absicht wird wertgeschätzt, auch wenn der Inhalt nicht verstehbar scheint. Auch ver-rücktes Reden wird als Kompetenz angesehen. Ein wesentliches Element ist die Psychoedukation. Ein rigides Krankheitskonzept der F2 soll aufgeweicht oder aufgelöst werden. Den Beteiligten sollten Chronifizierungsstrategien verdeutlicht werden, d.h. wie bislang und künftig alle Beteiligten zur Chronifizierung beitragen (Harmonie in der Familie auf Kosten einer Chronifizierung), welche guten Gründe es für eine Chronifizierung und welche Ausstiegsmöglichkeiten es aus einem Chronifizierungsprozess gibt (Pro und Kontra). System (Familien)-Mitgleider werden befragt, was sie tun müssten, damit ein symptomatisch-schizophrenes Verhalten wieder auftritt (Vorwegnahme des Vermeidbaren). Die Exploration und Markierung von Unterschieden während und zwischen Rückfällen soll die Wahrnehmung von Veränderungen ermöglichen (die in der Regel ausgeblendet werden). Das beinhaltet die Exploration von negativen Konsequenzen ausbleibender Rückfälle.

F3 Affektive Störungen / F32 depressive Episoden

Eine negative Sicht der Welt, der eigenen Person und der Zukunft (kognitive Triade) ist ein typisches dysfunktionales kognitives Schema (Beck). Aus ungeprüften Ableitungen früherer Erfahrungen (unterstützend sind hohe Ansprüche an sich und die Welt und idealisierte Grundüberzeugungen) wird ‚Hilflosigkeit gelernt‚ (Seligmann). Der Klient macht sich durch solche Selbstsuggestionen (Schmidt) quasi selber depressiv. Die Erfahrungen des immer wieder verlorenen inneren Kampfes verstärken Hoffnungslosigkeit und Selbstabwertung (Teufelskreis). In Beziehungen kann depressives Verhalten systemerhaltend wirken (den Partner binden), eine Aufforderung zum Engagement des Partners sein, oder eine Bindung (Loyalität) an Vergangenes symbolisieren (Schicksale, Erinnerung an Verstorbene etc.). Kollektive, im sozialen System gemeinsam geteilte, Ideen von ‚Man muss immer alles richtig machen‘, erhöhen den Druck.

Eine Entstörung beinhaltet die ressourcenorientierte Suche nach Hypothesen zu ‚den guten Gründen‘ (wofür ist das depressive Verhalten ein Lösungsversuch). Die Beziehungsgestaltung erfolgt angekoppelt an Tempo, Energieniveau und Stimmung. Die Depression kann als ‚Besucher‘ externalisiert werden (White / Epston). Verschiedene intrapsychische Persönlichkeitsanteile, die miteinander in Konflikt sind, können mit dem IFS Modell (Internal Family System, Schwarz) oder der inneren Familienkonferenz (Schmidt) in Einklang gebracht werden. Bei resignierten Klienten können Verschlimmerungsfragen hilfreicher als Lösungsfragen (z.B. die Wunderfrage) sein.

F4 Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen

Angst und Panikstörungen wurden häufiger bei Erleben eines geringen familiären Zusammenhaltes und chronischen Konflikten zwischen den Eltern beobachtet. Ebenfalls bei frühen oder dramatischen Verlusten im eigenen Leben und bei Situationen, die ein frühes Erwachsenwerden erforderlich machten (häufig mit Überforderung). Panikattacken können das Resultat einer symmetrischen Eskalation zwischen Wut auf den Partner und Angst vor den Konsequenzen dieser Wut sein. Die Eskalation der Wut wird durch die Panikattacke gestoppt und die Aggression und Wut wird dissoziiert. Die Fehlinterpretation von Wut als Angst kann so zur Vermeidung von Konflikten beitragen. Angstsymptomatiken können ein Mittel der Nähe-Distanz Regulierung sein. Bei einer Entstörung kann zunächst die Symptomatik im Vordergrund stehen. Es geht aber auch darum herauszufinden, womit der Klient sich beschäftigen würde, wenn die Erkrankung nicht mehr da wäre. Vermeidungsverhalten und negative Befürchtungen (Defizitchor) können zu einer Art ‚Reformstau‘ in der Bewältigung von Konflikten geführt haben. Es gilt die Klienten bei der Erarbeitung von Lösungen zu unterstützen und ihnen ein geeignetes Erklärungsmodell (z.B. Teufelskreise der Angst; Redewendungen bei Zusammenhängen von Angst und körperlichen Veränderungen; erstmalige Bobachtung der Angst und konstruierte Bezeichnung; Reaktion und Umgang der anderen) zur Verfügung zu stellen. Oft liegt bei Angststörungen eine einseitige Orientierung auf die Zukunft vor (wie in der Zeit eingefroren; Nichts-Neues Syndrom), die sich in sich selbst verewigenden Erzählformen zeigt. Es gilt dann, die verdichtete Situation zu verflüssigen, indem ein Nacheinander / Danach eingeführt wird. In einer Art Desensibilisierung können Schritt für Schritt das Danach der katastrophalen Vorstellungen durchgespielt werden. Die Wunderfrage kann einsetzt werden, um ein Leben ohne Angst im Detail auszumalen. Partner und andere Systemmitglieder sollten zumindest über zirkuläre Fragen einbezogen werden. Skalenfragen können helfen die Angst sprachlich zu kontextualisieren. Unterschiedsfragen können positiv sensibilisieren für Ereignisse, die von den bisherigen Erwartungshaltungen abweichen. Zur Auflösung der Problemtrance kann durch Humor und Provokation eine Dekonstruktion der Wirklichkeitslandschaft erfolgen. Ebenfalls können Ängste externalisiert (White / Epston) oder mit dem IFS Modell (Schwarz) gearbeitet werden.

Zwänge sind eine Pseudokompensation und dienen dem Schutz vor negativer Befindlichkeit. Sie können die Beziehung regulieren (zu sich selbst bei Defiziten des Selbstwertgefühls oder anderen nahen Bezugspersonen). So lassen sich 75% der Eltern in die Zwangsrituale ihrer Kinder mit hineinziehen. Oft wird der Partner eng in die Störung mit einbezogen. Die Störung kann dabei auch ein Ersatz für etwas Drittes (z.B. Kinder oder gemeinsame Projekte) werden. Die Paardynamik kann ggfs. mit der Rolle der Flasche eines Alkoholikers verglichen werden. Zwangsstörungen führen auch zu Kommunikationsstörungen, die wiederum zu Zwängen oder ihrer Aufrechterhaltung beitragen können. Zur Unterstützung einer Entstörung von Zwängen können ebenfalls Rituale eingesetzt werden (eine ‚mehr desselben‘ Intervention passt aber nicht bei allen Klienten). Ein Ritual allein löst die Zwangsstörung nicht auf, kann aber, wie eine Musterunterbrechung (z.B. Unterlassungsintervention), kreativen Raum für Neues öffnen, welches oft Unsicherheit und Ungewissheit bei allen Beteiligten hervorruft (inkl. Therapeut).

Bei Belastungsstörungen (z.B. PBTS) ist es aus systemischer Sicht weniger wichtig was das Problem ist, sondern wer es definiert, welche sozialen Prozesse beteiligt sind und was dann als Problem benannt wird (‚Betonierung der Opferrolle‚). Zusätzlich gilt es eine Vielzahl von Methoden zu kombinieren (z.B EMDR, Kunsttherapie, Soziogramm, Psychodrama, Psychopharmakologie).

Der Körper wird bei somatoformen Störungen in die Erfahrung und Erzeugung von Wirklichkeiten einbezogen. Krankheit an kritischen Punkten eines Familienzyklus kann dafür sorgen, dass sich Dinge nicht zu schnell verändern, weil zunächst Fürsorge und Rücksicht gefragt sind. Eine erhöhte Aufmerksamkeit gegenüber körperlichen Befindlichkeiten kann von einer Ignoranz gegenüber emotionalen Befindlichkeiten ablenken. Insbesondere somatoforme Schmerzstörungen können mangelnde Fähigkeiten zur Modellierung der eigenen Emotionen (z.B. bei Gewalt oder sexuellem Missbrauch) kompensieren. Somatisierende Angehörige haben oft wenig oder keine Sprache für emotionale Erfahren entwickelt. Wenn zwei Partner gemeinsam somatisieren, schenkt ihnen das eine gemeinsame Sprache für alles Unbehagliche. Systemisch ist die Ursachenattributierung innerhalb des Systems (Familie) sehr bedeutsam. Bei einer Entstörung geht es zunächst darum behutsam eine neue Sprache einzuführen und die Symptome als zunächst sinnhafte Konstruktion anzuerkennen. Dabei können neurobiologische Modelle hilfreich für die Akzeptanz einer neuen Sprache sein. Es gilt alle Personen, die eine bedeutsame Perspektive auf das Geschehen haben, zu verbinden und alle Symptome als bio-psycho-sozial zu verstehen.

F5 Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren / F50 Essstörungen

Aus systemischer Sicht ist es wichtig, dass es keine einheitliche Ursache von Anorexie gibt. Familien mit anorektischen Mitgliedern sind deswegen weder automatisch dysfunktional, noch Schuld. Die Störung setzt allerdings (spätestens bei Lebensbedrohlichkeit) alle Familienmitglieder unter eine hohe emotionale Anspannung. Es kann innerhalb der Familie Muster geben, die eine Somatisierung fördern, z.B. Verstrickungen (interpersonale Grenzen oder Grenzen von Familiensubsystemen sind unklar oder gehen verloren), Überfürsorglichkeit, Starrheit, Konfliktvermeidung, Konflikt-Umleitung (die Symptomatik des Kindes als Beziehungsregulator der Eltern). In Familien, in denen sich ein Mitglied bulimisch verhält, kann man oft eine lustvollere Norm und Lebensweise vorfinden, wobei aber an der Lust ein Haken ist, der das Genießen nur im Kombipack mit Selbstquälungen erlaubt. Die Impulshandlung des Erbrechens ist ein Bewältigungsversuch des ungeschehen machen. Es beseitigt in autonomer Weise unangenehme Spannungen und verbrigt Mangelhaftes und vermeidet Konflikte mit anderen Familienangehörigen. In einer Entstörungsbegleitung wird zwischen einer Stabilisierungs-, Konfliktbearbeitungs-, und Reifungs-Phase unterschieden.

F6 Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen / F60.3 Emotional instabile Persönlichkeitsstörung insbesondere F60.31 Borderline-Typ

Menschen mit Borderline-Störung werden oft so beschrieben, dass sie sich als tief entfremdet von ihrer Familie wahrnehmen und empfinden. Eine respektvolle Exploration der familiären Beziehungsmuster kann deswegen eine hilfreiche Intervention sein. In der Literatur werden zwei Familientypen beschrieben: die vernachlässigende, emotional missbrauchende Familie und die chaotisch-instabile Familie mit ständigen Krisen. Die Borderline-Störung ist eine besondere Form der Organisation von Ambivalenz. Eine ressourcenorientierte Sicht ist, dass Klienten vielfältige Möglichkeiten der Nähe-Distanz Regulierung haben; nach dem Motto leben ‚Das Konstante ist der Wandel‘; entgegengesetzte Bedürfnisse ausleben; auf der kognitiven und emotionalen Ebene die Fähigkeit haben schnell zu alternieren; sich abgrenzen, Grenzen öffnen und Grenzen überschreiten; zu testen ‚Wer hält mich aus, so wechselnd, wie ich bin?‘. Die Leitfrage des therapeutischen Arbeitens ist ‚Wie würde man mit dem Klienten arbeiten, wenn es die Diagnose nicht gebe?‘ (Weglassen der Stigmatisierung). Symptome werden weniger als Defizit und mehr als kreative Lösung betrachtet. Es wird mehr mit dem Klienten erörtert (als Experte für sein System) und weniger trainiert. Der Therapeut nimmt eine neutrale Position und Funktion ein, was auch dabei hilft sich nicht in die Inszenierung des Klienten verstricken zu lassen. Eine tragende Supervisionsgruppe (insbesondere bei eingesetzten Suiziddrohungen) kann sehr hilfreich sein. Mit positiver Konnotation und Humor können sich Interventionen zunächst auf das beobachtbare Verhalten konzentrieren und erst später eine umdeutende Kontextualisierung und die Entwicklung weniger schmerzhafter Verhaltensalternativen.



Was heißt ‚Systemik‘ in Therapie und Coaching?

Konstruktivistisch, Philosophie, Psychologie, Systemisch, Therapie Posted on So, Februar 02, 2020 15:11:09

Regeln in sozialen Systemen erkennt man an Einschränkungen von Verhaltensoptionen der Systemmitglieder und daran, welche Bedeutungen den Dingen zugewiesen werden und welches Verhalten als möglich und unmöglich angesehen wird. Bei diesem (oft nicht bewussten) Aushandeln der Regeln ist wichtig, dass wir in der Lage sind, uns in andere Menschen hineinzuversetzen, in dem wir den anderen ein Bewusstsein unterstellen, das unserem ähnlich ist. Wir handeln auf Grund unserer Erwartungen darüber, was die Erwartungen der anderen sind (Erwartungs-Erwartung). Aber natürlich können wir über das Verhalten der anderen nicht sicher sein, denn unsere Erwartungen können falsch sein und so kommt es zu nicht vorhersehbaren Überraschungen. Regeln werden autonom innerhalb des Systems ausgehandelt. Sie werden gemeinsam konstruiert. Die Philosophie des Konstruktivismus ist damit die erkenntnistheoretische Grundlage einer systemischen Haltung und Denkens. Ein System definiert sich selbst. Man kann auch sagen, ein System ‚ist‘ die Differenz zwischen sich und seiner Umwelt (Luhmann). Systeme erschaffen und erhalten sich selbst (sind ‚autopoietisch‘). Die sozialwissenschaftliche Theorie sozialer Systeme stammt von Niklas Luhmann, dessen Bücher bis heute kaum in andere Sprachen, insbesondere Englisch, übersetzt wurden. Dennoch haben seine Grundlagen die Theorie der systemischen Therapie im deutschsprachigen Raum stark geprägt. In der Medizin und insbesondere Psychologie, ist heute das allgemeine Verständnis, das alles Geschehen, insbesondere bei Störungen, bio-psycho-sozial zu betrachten ist. Luhmann schlug vor, für das Verständnis menschlicher Wirklichkeit, drei Klassen von autopoietischer Systeme zu unterscheiden: biologische Systeme (Leben), psychische Systeme (Bewusstsein) und soziale Systeme (Kommunikation). Dass diese drei Systeme in relativ starker Unabhängigkeit von einander arbeiten, hat für eine systemische Sicht einer Therapie und Coaching weitreichende Konsequenzen:

  • Unabhängigkeit Psyche und Kommunikation: Menschen können sich grundsätzlich nicht gegenseitig durch Kommunikation verstehen. Kommunikation regt, als ‚Umwelt‘ des Systems Psyche, lediglich Prozesse an.
  • Unabhängigkeit des Systems Kommunikation: Im System Kommunikation entwickeln sich, durch das ‚Eigenleben‘ im System Kommunikation, Muster, die anders ablaufen, als es sich die Beteiligten wünschen.
  • Unabhängigkeit des Systems Psyche: Gefühle sprechen nicht. In der Therapie kann deshalb lediglich mit der Kommunikation über den Umgang mit Gefühlen gearbeitet werden.
  • Unabhängigkeit Kommunikation vs. Psyche und Biologie: Die Kommunikation im Coaching und Therapie kann nicht direkt auf Pyche oder die Biologie einwirken, sondern als ‚Umwelt‘ lediglich Prozesse anregen.

In einem konstruktivistischen Verständnis gehen wir davon aus, dass wir als Menschen niemals eine objektive Wahrheit (sollte es diese jemals geben) erkennen können. Unsere Sensorik nimmt lediglich Reize wahr. Die Beurteilung dieser Reize, unsere Kognition, ist es, die diesen einen Sinn verleiht. Wir konstruieren einen Sinn. Sinn ist nicht allein in der Welt vorhanden. Er wird von uns als Beobachter erschaffen und erhalten. Im sozialen Konstruktivismus gibt es nicht Menschen die miteinander sprechen, sondern es gibt Geschichten (Narrationen), die eine Wirklichkeit, unabhängig von den einzelnen Menschen, erschaffen. Systemik in Therapie und Coaching heißt damit auch, die Kraft einer Perspektivenvielfalt zu nutzen und den Umgang mit Bedeutungen von Narrationen (z.B. durch Metaphern) neu zu verhandeln, in einem ‚Tanz der Bedeutungen‘.

Die Kongruenz des Systems ‚Sozial‘ mit ‚Kommunikation‘ hat ebenfalls weitreichende Bedeutung. Unsere Geschichte, also die Beobachtung und Definition unserer gesellschaftlich akzeptierten Wahrheit, durch die Unterdrückung alternativer Geschichten mit Hilfe der Massenmedien, ist immer auch mit sozialer Macht verbunden. Geschichte schreiben immer die Sieger. Aber auch die Sprache selbst, als einer der wichtigsten Kommunikationsmittel, war schon immer mit Macht und Machtausübung verbunden (vergl. Foucault und Derrida – Macht durch normierte Wahrheiten).

In einer systemischen Sicht ist die Welt nicht einfach kausal, schon gar nicht linear kausal, sondern ein komplexes Geschehen. Sie ist nicht so ‚ordentlich‘ und berechenbar wie wir sie gerne hätten (denn das gibt uns Sicherheit). Stabilität und Ordnung sind eher Konstruktionsleistungen eines oder mehrerer Beobachter. Kausale Beschreibungen können in Systemen problematische Folgen nach sich ziehen, die bei einem systemischen Arbeiten in Coaching und Therapie in Frage gestellt werden. ‚Probleme‘ lassen sich systemisch als Kommunikation verstehen, die etwas als unerwünscht und veränderbar bewertet. Ein Problem wird aus folgender Zusammenwirkung konstituiert: Einer Selektionsleistung von einer oder mehreren Personen, die einen Zustand beschreiben; beobachtet von einer oder mehreren Personen, die diesen Zustand entdecken und beschreiben; bewertet als unerwünscht oder veränderungsbedürftig von einem oder mehreren Beobachtern; und zumindest ein Beteiligter glaubt daran, dass dieser Zustand änderbar sei (anderenfalls ist es Schicksal). Probleme werden aus systemischer Sicht erfunden und entdeckt (konstruiert). Ein Problem erschafft auch ein System (problemdeterminierendes System) in dem die kollektive Aufmerksamkeit auf ein Problem gelenkt wird, eine Erklärung für das Problem erfunden (konstruiert) und diese verfestigt und aufrechterhalten wird. Sie werden erzeugt und aufrechterhalten, weil sie nützlich im System sind. Probleme in systemischer Sichtweise erfüllen eine Funktion (z.B. Aufrechterhaltung einer Stabilität/Gleichgewicht in einem System). Aus Sicht der systemischen Therapie sind Krankheiten Probleme, die differenziert, aus bio-psycho-sozialer Perspektive betrachtet werden sollten. So gibt es z.B. im Englischen für das deutsche Wort Krankheit gleich drei Wörter, mit unterschiedlichen Bedeutungen: disease (bio-medizinisch), illness (psycho-erlebte) und sickness (sozial anerkannt).



Lebens-Geschichten

Konstruktivistisch Posted on So, April 22, 2018 17:16:10

Der Mensch verleiht seinem Leben und seinen Beziehungen eine Bedeutung, indem er seine Erfahrungen erzählt (auch sich selbst) und er führt diese Lebens-Geschichten so aus, dass er sein Leben und seine Beziehungen entsprechend gestaltet.

Der Mensch ist so reicht an gelebter Erfahrung, dass er sich nur einen Teil der Erfahrung erzählen und ausdrücken kann und ein Großteil der gelebten Erfahrung unberücksichtigt bleiben muss. Dieser herausgefallene Aspekt bietet eine reichhaltige Quelle für die Verfassung oder Neufassung alternativer Geschichten. Die Überlebensfähigkeit dieser neuen Geschichten und deren Aneignung lässt sich verbessern, wenn man ein ‚externes‘ Publikum hinzunimmt.

Die Zusammenfassung von Erfahrungen oder Ereignissen zu Geschichten oder Erzählungen über sich selbst ist erforderlich, damit Menschen ihrem Leben einen Sinn verleihen und darin Kohärenz und Kontinuität erkennen können.

(frei nach ‚Die Zähmung der Monster‘ von Michael White und David Epston)

Ein gutes Beispiel der ‚Gefahr der einen einzigen Geschichte‘ finden Sie auf diesem ca. 18 Min. TED Vortrag (das Video im Link hat deutsche Untertitel)..

https://www.ted.com/talks/chimamanda_adichie_the_danger_of_a_single_story?language=de



Schuld

Konstruktivistisch Posted on Sa, Januar 06, 2018 06:34:46

Bei vielen Klienten geht es beruflich oder privat irgendwann um Schuld.

Im Job schwingt oft mit, möglichst nicht schuldig gemacht zu werden, denn das ist gleichbedeutend mit Versagen. Privat, sich an Jemandem schuldig gemacht zu haben oder z.B. innerhalb der Familie, schuldig gemacht worden zu sein. Wir tragen Lasten auf unseren Schultern, die wir uns aufgeladen haben oder die uns von anderen aufgeladen wurden. Dabei können wir auch einmal in die Knie gehen.

Schuld entsteht immer nur im Vergleich gegen etwas. Es ist eine Bewertung, die wir oder andere auf Grund von Werten, Normen und Erwartungen treffen. Bewertungen ändern sich jedoch in der Zeit und sind auch nur in einem bestimmten Kontext gültig.

Auch wenn sich Fakten nicht ändern lassen, so können wir im Coaching an der Bewertung arbeiten, die wir den Dingen heute selbst geben. Wir sind nicht Opfer der Bewertungen anderer, denn wir haben zumindest die Freiheit und die Verantwortung für uns, wie wir damit umgehen wollen.



Nichtkontigenz

Konstruktivistisch Posted on Fr, Mai 05, 2017 17:37:37

Nichtkontigenz – oder: Die Entstehung von Wirklichkeitsauffassungen:

Sobald einmal das Unbehagen eines Desinformationszustands durch eine wenn auch nur beiläufige Erklärung gemildert ist, führt zusätzliche, aber widersprüchliche Information nicht (!) zu Korrekturen, sondern zu weiteren Ausarbeitungen und Verfeinerungen der Erklärung. Damit aber wird die Erklärung ’selbst-abdichtend‘, das heißt, sie wird zu einer Annahme, die nicht falsifiziert werden kann. (siehe z.B. Experimente wie der ‚vielarmige Bandit‘ von Wright an der Stanford Universität)

(aus ‚Wie wirklich ist die Wirklichkeit‘, Paul Watzlawick)



Erlebtes trennen

Konstruktivistisch Posted on So, Februar 12, 2017 23:41:56

Unterscheidungen zu treffen ist eine der grundlegenden Möglichkeiten, ein Problemerleben vom Ich-Erleben zu trennen, sodass es weniger oder gar nicht mehr als Problem erlebt wird.

Auszug aus ‚Therapie zwischen den Zeilen‘ von Stefan Hammel. Beispiele Erlebtes sprachlich zu trennen:

“Wir können die Vergangenheit nicht ändern, aber das brauchen wir auch nicht. Vergangenheit ist Erinnerung. Alle Erinnerung findet jetzt statt, und wir können sie neu einfärben. Wir können sie in neuen Zusammenhängen sehen, sie neu deuten.”
(Trennung der Vergangenheit von der Erinnerung)

“Was für die Zukunft halten, ist in Wirklichkeit nur Erwartung. Keiner war in der Zukunft. Keine Erwartung ist je genauso eingetroffen, wie wir sie uns ausgemalt haben. Es gibt keine Zukunft: Sobald sie da ist, ist sie weg.”
(Trennung der Zukunft von der Erwartung)

“Es ist wichtig, unschöne Ereignisse unserer Vergangenheit nicht als Erwartung in die Zukunft zu projizieren. Es könnte passieren, dass man das bekommt, was man erwartet. Ich schlage Ihnen vor, ab jetzt zu sagen: >bisher war es bei mir so<.”
(Trennung von Vergangenheit / Erinnerung und Zukunft)

“Das ist alles ein Trickfilm und ihr Gehirn ist der Regisseur! Die Sackgasse ist in Ihnen, Ihr Gehirn hat sie Ihnen ausgemalt. Wir könnten Ihr Gehirn bitten, sie zu verändern. Sie brauchen glücklicherweise nicht die Wirklichkeit zu ändern, sondern nur Ihren inneren Film davon.”
(Trennung der Wirklichkeit vom inneren Film)

“Ihr Vater, von dem Sie sprechen, ist ja eigentlich >Ihr Vater in Ihnen<, also Ihr Bild vom Vater. Es macht nichts, dass wir den realen Vater nicht ändern können. Ihr Gehirn kann sein inneres Bild vom Vater ändern und diesem Bild Vorrang geben. Das genügt.”
(Trennung realer Mensch vom inneren Bild von ihm)

“Ihre Seele kann alles Stärkende, was Ihr Eltern zu Ihnen gesagt und für Sie getan haben, sammeln wie ein erfahrenden Pilzsammler, der nur die guten Speisepilze mit nach Hause bringt und die ungenießbaren und giftigen draußen im Wald stehen lässt.”
(Trennung der destruktiven und konstruktiven Teile)

Weitere mögliche Dissoziationen sind (Beispiele)..

– in die Zeit (Vergangenheit): bisherig; früher; damalig; gehabt; hatte; hatte gehabt … (“Ihr Ex-Freund von damals, der Sie vor Jahren … hatte.”)

– in die Zeit (Zukunft): Stellen Sie sich vor..

– in den Raum: Dortig, stellenweise; punktuell; so ein; dieses; ein so geartet; derartig.. (“Nun sind Sie weg von.. und hier in .. Ihr Freund, der Sie in .. “)

– in dem Raum mit Personifizierung: Der, der Sie sind; wenn dort drüben der sitzt, als der Sie Angst haben..

– in dem Raum mit Verdinglichung: Wenn Sie die Angst einmal in den Schirmständer stellen..

– in den Bereich der Zitate und Meinungen: Sogenannt; man könnte nennen; was Sie X nannten; angeblich.. (“Das, was Sie meinten, als Sie von .. gesprochen haben..”; “Sie sagen also, Sie haben..”; “Irgendjemand käme daher und würde die Behauptung aufstellen..”)

– in die Unwahrscheinlichkeit: Eventuell; etwaig; potenziell; möglich; vorstellbar; würde; wäre; könnte..

– in Abstraktionen: diese Symptomatik; akustische Wahrnehmungsphänomene..

– in Kontexte: das, was Ihr.. erzeugt; das, was mit Ihrem.. zu tun hat.. (“das, was Ihnen weh tut”)

– in die dritte Person: ein Teil von Ihnen; Ihre Seele; Ihr Körper; Ihr Gehirn; Ihr Ich..



Konstruktivismus als Konstruktion

Konstruktivistisch Posted on Di, Dezember 20, 2016 13:38:53

Der radikale Konstruktivismus begreift sich selbst als Konstruktion und nicht als die letzte Wahrheit, er ist eine Möglichkeit, die Dinge zu sehen. Für mich ist allein die Frage ausschlaggebend, welche Konstruktion sich als die nützlichste und menschlichste erweist.

(Paul Watzlawick)
siehe auch Wirklichkeit wird konstruiert



Konstruktivismus – zwei Konsequenzen

Konstruktivistisch Posted on Di, Dezember 20, 2016 13:37:39

Aus der Idee des Konstruktivismus ergeben sich zwei Konsequenzen. Erstens die Toleranz für die Wirklichkeiten anderer – denn dann haben die Wirklichkeiten anderer genauso viel Berechtigung als meine Eigene. Zweitens ein Gefühl der absoluten Verantwortlichkeit. Denn wenn ich glaube, dass ich meine eigene Wirklichkeit herstelle, bin ich für diese verantwortlich, kann ich sie nicht jemandem anderen in die Schuhe schieben.

(Heinz von Förster)



Wahrnehmung – aktive Inszenierung

Konstruktivistisch Posted on Di, Dezember 20, 2016 13:33:07

Wahrnehmung, so der Kognitions-Forscher Francisco Varela, ist keine widerspiegelnde Repräsentation, sondern aktive Inszenierung.

Der Physiker David Bohm hat es so ausgedrückt: ‘Raum und Zeit werden von uns zu unserer Bequemlichkeit konstruiert […] es sind Konventionen.’ Keine starren Naturgesetze, sondern Konventionen – Gewohnheiten des Bewusstseins, Realitäts-Tunnel.

(Eberhard Sens zitiert Francisco Varela und David Bohm in ‚Am Fluss des Heraklit‘)



Paranoia

Konstruktivistisch Posted on Di, Dezember 20, 2016 13:26:02

Es liegt im Wesen des Begriffs der Paranoia, dass sie sich auf eine für absolut wahr gehaltene Grundannahme stützt, die, da axiomatisch, den Beweis ihrer Wahrheit nicht erbringen kann und auch nicht zu erbringen braucht. Aus dieser Grundannahme werden dann streng logische Ableitungen gemacht und damit eine Wirklichkeit erschaffen, in der alle Fehlschläge immer nur in den Ableitungen, niemals aber in der Prämisse gesucht werden.

(Paul Watzlawick, Die erfundene Wirklichkeit)



Wirklichkeit

Konstruktivistisch Posted on Di, Dezember 20, 2016 13:13:06

1. Ich bin frei, denn ich bin einer Wirklichkeit nicht ausgeliefert, sondern kann sie gestalten.

2. Jeder meint, dass seine Wirklichkeit die wirkliche Wirklichkeit ist.

(Paul Watzlawick)



Glaubenssätze und Axiome

Konstruktivistisch Posted on Mo, November 21, 2016 14:26:27

Sind unsere Glaubenssätze als konstruktivistische Grundannahmen die Axiome unseres Denkens (wenn man unser Denken als ‚hinreichend stark‘ annimmt)? Gilt dann in Analogie auch Gödels Unvollständigkeitstheorem, das besagt, dass grundsätzlich in allen Axiomensystemen einige Wahrheiten unbeweisbar bleiben und verursachen nicht damit unsere Glaubenssätze gleichzeitig unsere ‚Blind-Spots‚ als eine Art unvermeidbare Konsequenz aller Glaubenssätze?



Problem und Fortschritt – ein sozial konstruiertes Phänomen

Konstruktivistisch Posted on Di, September 27, 2016 13:43:06

Ein Problem wird aus folgender Zusammenwirkung konstituiert ..

– Einer Selektionsleistung von einer oder mehreren Personen, die einen Zustand beschreiben,
– beobachtet von einer oder mehreren Personen, die diesen Zustand entdecken und beschreiben,
– bewertet als unerwünscht oder veränderungsbedürftig von einem oder mehreren Beobachtern,
– und zumindest ein Beteiligter glaubt daran, dass dieser Zustand änderbar sein (anderenfalls ist es Schicksal oder eine Restriktion).
(nach von Schlippe / Schweizer 1996)

Das Problem ‚etwas ist nicht in Ordnung‘ wird von mind. einem Beobachter entdeckt (man kann auch sagen erfunden). Diese Idee verbreitet und verfestigt sich in der Kommunikation mit anderen. Es wird eine Erklärung für das Problem gesucht und ‚ausgehandelt‘, die oft einerseits plausibel ist, aber auch so, dass es keinen einfachen Ausweg gibt (Beispielerklärungen: Die Vergangenheit ist Schicksal; Schuld sind die Eigenschaften von..; wir können nichts machen / sind hilflos). Die Beteiligten verhalten sich so, als wenn es keinen Ausweg gäbe und stabilisieren so das Problem. Der gefundenen sprachlichen Beschreibung kommt dabei eine besondere Bedeutung zu.

Nicht nur ein Problem, auch ein Fortschritt ist ein sozial konstruiertes Phänomen. ‚Wenn Fortschritt eintreten soll, muss zuerst jemand da sein, der ihn bemerkt und mit anderen darüber spricht.‘ (Fuhrman u. Ahola, 1995).

Lesen Sie weiter.. Die Art wie wir über ein Problem sprechen, bestimmt die Qualität eines Problems



Systemische Interventionen

Konstruktivistisch, Systemisch Posted on Sa, September 10, 2016 19:07:17

Die Situation: Im Laufe der gemeinsamen Geschichte wurde eine Wirklichkeit erzeugt, die leidvoll erlebt wird. Der kommunikative Austausch der Beteiligten ist in starren Mustern verwoben. Die einmal gefundene Ordnung wird aufrechterhalten. Die Welt ist nicht schön, aber vorhersagbar. Jedes Ereignis, dass ins Bild passt, wird als typisch angesehen, Abweichungen ignoriert oder als Ausnahme angesehen.

In der systemischen Sicht, ist ein Problem ein Geschehen (nicht ein Wesensmerkmal) an denen einige oder viele miteinander interagierenden Menschen beteiligt sind. Im Kontext des Problems wird nach einem Verständnis gesucht. Wer ist Mitglied dieses Kontextes? Wer beschreibt das Problem und die verbundenen Interaktionen wie?

Wirklichkeit ist das Ergebnis einer sozialen Konstruktion, der Geschichten, die von den verschiedenen Menschen erzählt wird und deren Bedeutungen, die ihnen gegeben wird. Menschliches Leben findet in einer Welt von gemeinsam geteilten und mit-geteilten Bedeutungen statt. Im Gespräch, in den Geschichten, halten wir unsere Wirklichkeit stabil und bestätigen uns wechselseitig unsere Identitäten. Menschen bilden nicht nur ein Bild von sich selbst, sondern auch Erwartungen darüber aus, welche Erwartungen von anderen an sie gestellt werden (Erwartungs-Erwartungen). Sie kommunizieren und handeln auf Basis ihrer eigenen Erwartungs-Erwartungen.

Der systemische Coach / Berater / Therapeut unterstützt den Klienten beim Einnehmen einer selbstreferenten Position, in der er als eigener Beobachter über mehr Wahlmöglichkeiten verfügt oder sich seines Anteils am Kommunikationsmuster bewusst wird.

Es werden Randbedingungen für Musterveränderungen geschaffen, da sich soziale Systeme nicht im herkömmlichen Sinne steuern lassen. Dabei wird vordringlich nach neuen Bildern, Ideen, Perspektiven und bereits vorhandenen Ressourcen gesucht, die allen Beteiligten wertschätzend beschreiben und eine Kooperationsbeziehung ermöglichen.

(frei nach ‚Systemische Interventionen‚, Arist von Schlippe, Jochen Schweitzer)

Lesen Sie weiter.. Auch Fortschritt ist ein sozial konstruiert Phänomen..



Leid ist normal

Konstruktivistisch Posted on So, August 14, 2016 11:18:48

In dem Buch ‚Wirkfaktoren der Achtsamkeit‘ (Harrer, Weiss) wird unter anderem die Achtsamkeit im Kontext der buddhistischen Psychologie und Lehre betrachtet. Eine der ‚vier edlen Wahrheiten‚ in der Lehre Buddhas ist “Das Leben im Daseinskreislauf ist letztlich leidvoll” oder in anderen Worten menschliches Leid ist normal, es gibt kein Entrinnen vom Leid.

Was heißt das für uns? Zunächst einmal ist dies eine völlig andere Prämisse als die in der westlichen Welt vorherrschende Sicht, dass Leid, Probleme, als Störungen und Ausnahme sieht, die es zu beseitigen gilt. Wir unterstellen, nicht zu leiden, keine Probleme zu haben sei der Normalzustand. Allein dieses Postulat baut einen Druck auf. Es schwingt eine andere Annahme mit, dass wir erst (wieder) richtig glücklich sein können, wenn die Probleme beseitigt sind und wir im ‚Normalzustand‘ sind. Unglücklicherweise, wissen wir aus unserer eigenen Lebenserfahrung, dass längere Phasen des ‚gar keine Probleme haben‚ bestenfalls ausgesprochen selten sind, womit die Gefahr besteht, das wir unser glücklich sein, immer weiter, nach der Beseitigung des nächsten bis hin zur Beseitigung des aller letzten Problems aufschieben und uns damit versagen, die glücklichen Momente im Jetzt wahrzunehmen und zu genießen. Überhaupt besteht in der westlichen Denkweise ein gewisser Anspruch auf Glück, der vielleicht aus einem Anspruch auf Freiheit, auf die eigene Verwirklichung, heraus entstanden ist. Das ist in der buddhistischen Sicht anders.

Was machen beide Sichtweisen im Vergleich? Ich hatte bereits ausgeführt, dass die westliche Sicht einen gewissen Druck auf den Menschen ausübt. Die buddhistische Sicht hingegen, scheint eine Haltung der Akzeptanz zu fördern. Wenn Leid im Leben unvermeidlich ist, dann ist das so, dann ist auch mein jetziges Leid ein Stück weit normal. Wenn ich nicht leide, ist das die positive Ausnahme, die ich als Geschenk begrüßen und genießen darf. Von einem lösungsorientierten Standpunkt aus, erscheint mir die Sichtweise ‚Leid ist normal‘‚ deutlich hilfreicher zu sein.



Haltung

Konstruktivistisch Posted on Sa, August 13, 2016 16:57:50

Weil aus einer Haltung ein VerHalten entsteht: unsere Welt entsteht immer zwei Mal – zuerst im Inneren und erst dannach im Außen.

(aus Lösungen mit dem Systembrett, Georg Breiner, Wolfgang Polt)



Glückliche Kindheit

Konstruktivistisch Posted on So, Juli 03, 2016 23:40:14

Zusammengestellt aus ‚Es ist nie zu spät eine glückliche Kindheit zu haben.‘, von Ben Furman

Die Bevölkerung der westlichen Welt wächst auf in einer von Psychologie geprägten Kultur, in der man glaubt, dass sich psychische Probleme hauptsächlich von der Vergangenheit, genauer gesagt von der Kindheit, herleiten lassen. Damit hat man Eltern, besonders Müttern, gedankenlos den Vorwurf gemacht, dass verschiedene Probleme, aus der Kindheit herrühren.
Nach der Statistik besteht für Kinder, die in einer ungünstigen Umgebung aufwachsen eine größere Wahrscheinlichkeit, später im Erwachsenenalter verschiedenartige Probleme zu haben. Aber die Statistik zeigt nur Risiken auf, sie behauptet nicht, das negative Erfahrungen automatisch Probleme verursachen. Wir müssen oft geradlinige Muster, wie ‚ein Kind hat schlimme Erlebnisse > mit Sicherheit Probleme in der Zukunft‘; ‚ein Erwachsener hat Probleme > garantiert eine schwere Kindheit gehabt‘ in Frage stellen. Das Buch ‚Vulnerable but invincible‘ belegte, dass 33% mit einer schweren Kindheit mit 18 Jahren sich gut entwickelt hatten, mit 32 Jahren waren es 66% und später sogar 75%. Andere Studien haben ähnliches bewiesen. Probleme gehen nicht von einer Generation auf die andere über nach dem Vererbungsgesetz von Mendel. In der Kindheit erlebtes Leid und Probleme können zwar das Risiko erhöhen, aber sie sind nicht die Ursache dafür.

Erwachsene, die in ihrer Kindheit misshandelt wurden, müssen immer wieder im Laufe ihres Lebens hören, dass sie wahrscheinlich auch ihre Kinder misshandeln werden. Die Wiederholung dieses Mythos hat sich bei manchen zu einer selbst erfüllenden Prophezeiung entwickelt. Beim Lesen entwicklungspsychologischer Literatur kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass ein Kind eine ideale Mutter, einen immer anwesenden Vater und mindestens eine Schwester und einen Bruder haben muss, um sich geistig zu einem gesunden Individuum zu entwickeln.

Was hat Menschen dabei geholfen, schwierige Kindheitserlebnisse zu bewältigen? Eine besonders enge Beziehung zu einem Elternteil, wenn das andere Elternteil nicht in der Lage war, dem Kind Liebe zu zeigen. Wenn es beide Eltern nicht können, hat sich das Kind andere ‚Ersatzeltern‘ aus seiner Umgebung gesucht. Brieffreunde haben unterstützt und zugehört. Hunde, Katzen und andere Lieblinge bieten unzähligen Kindern selbstlose Hilfe durch Zärtlichkeit und Verständnis. Als wichtig, kann das Beobachten der Natur und die Berührung mit ihr empfunden werden. Phantasie hilft sowohl Kindern als auch Erwachsenen mit Problemen fertig zu werden. Manche berichten durch das Schreiben (z.B. Tagebuch) gerettet worden zu sein. Bücher und natürlich auch Filme und andere Kulturprodukte können uns helfen. Humor spielt eine größere Rolle bei der Problembewältigung als wir ahnen. Durch das Sprechen mit anderen Menschen über Erlebnisse können falsche Schlussfolgerungen noch nach Jahren korrigiert werden. Das Sterben eines Elternteils oder eine eigene Krankheit stellen oft den Auslöser dar, der Bitterkeit das Rückgrat bricht.

Wie haben Menschen später im Leben die Erfahrungen gesammelt, die ihnen in der Kindheit gefehlt haben? Im Zusammensein mit Kindern können Kindheitsfreude erlebt werden und das zurückerhalten werden, was einst verloren wurde. Ein Partner kann die Geborgenheit und Wärme geben, die man als Kind nicht bekam. Auch mit anderen Menschen in der Umgebung kann man Erlebnisse nachholen.

Oft machen Menschen mit einer schwierigen Kindheit, diese für viele gute Eigenschaften verantwortlich. Wenn wir die Ereignisse unseres Lebens im Nachhinein anschauen, beeinflussen die Gedanken, die wir darüber bilden, unsere Gefühle. Es gibt sowohl negatives wie positives Wenn-Denken. Das Negative erhöht das Leid. Generell ist es nicht hilfreich, wenn die eigenen Leiden mit einem größeren Leid eines anderen verglichen werden. Jedes persönliche Leid ist einmalig und deshalb kann der Vergleich mit anderen abwertend und daher verletzend werden.

Es ist für uns normal zu denken, dass unsere Vergangenheit Einfluss darauf hat, wie unsere Zukunft sein wird, aber seltener denken wir, dass es auch andersherum sein kann. Zukunft bedeutet, dass das, was wir glauben, was die Zukunft mit sich bringen wird, bestimmt, wie unsere Vergangenheit aussieht. Es ist nie zu spät eine glückliche Kindheit zu haben.



Sinn

Konstruktivistisch Posted on Di, Juni 28, 2016 23:00:47

Sinn des Lebens, der ‘Deutung des Verhältnisses, in dem der Mensch zu seiner Welt steht‘, diese Fragestellung ist dem Menschen zu eigen. Der Mensch wird von klein auf zur Nützlichkeit, zu einem sinnvollen Tun zu einem sinnvollen Leben angehalten, oftmals ohne dieses ausdrücklich als Sinn seines Lebens benannt zu bekommen. Viele Menschen betrachten den Sinnverlust als Krankheit (innere Leere) und äußern die Hoffnung, ihrem Leben einen neuen Sinn geben zu können.

Sinn in der Semantik ist der Bedeutungsgehalt beispielsweise eines sprachlichen Ausdrucks. Ein Grundbegriff, welcher der Klärung der Beziehung von Sprache, Denken und Wirklichkeit dient. Sinngebung bezeichnet die Fähigkeit des Gehirns, Wahrnehmungen nutzbringend zu filtern, zu überlegen und zu schlussfolgern.

Sinn im Sinne der klassischen fünf Sinne des Menschen: 1. Sehen, 2. Hören, 3. Riechen, 4. Schmecken, 5. Tasten, ggf. der “6. Sinn” manchmal im Sinne von “außersinnlicher Wahrnehmung”, sowie der weiteren vier Sinne der moderne Physiologie:
Temperatursinn, Schmerzempfindung, Vestibulärer Sinn (Gleichgewichtssinn),
Körperempfindung (oder Tiefensensibilität).

Dass wir unser Verhältnis zur Welt, den Bedeutungsgehalt in unserer Sprache und unsere körperliche Wahrnehmung alle mit dem gleichen Wort Sinn belegen, mag ein Zeichen für die Wichtigkeit dieses Themas sein.

Laut Niklas Luhmann ist allen psychischen und sozialen Prozessen ein ‚Sinnzwang‘ auferlegt. Sinn kann man weder vermeiden noch verneinen. Sinn steuert Selektionen z.B. in der Kommunikation. Es wird immer nur gesagt und getan, weil man es für sinnvoll erachtet. Es geht nicht anders! Das bedeutet, dass Sinn nicht in der Welt steckt, sondern von Operateuren und Beobachtern zugeschrieben wird:
Sinn wird zugewiesen, ‚konstruiert‘.



Wirklichkeit wird konstruiert

Konstruktivistisch Posted on So, Juni 26, 2016 10:07:02

So etwas wie die Wirklichkeit gibt es nicht. Wirklichkeit wird konstruiert (Position des Radikalen Konstruktivismus).

Angenommen wir nehmen nur wahr, in dem wir uns ein Bild konstruieren, d.h. wir filtern / sortieren aus, beurteilen, interpretieren, assoziieren, suchen nach Mustern, glauben fest an eine Welt in der Regelmäßigkeiten nicht zufällig auftreten, kritisieren und ignorieren, haben intuitive Gefühle und Meinungen, schenken dem Inhalt mehr Beachtung als der Information über ihre Zuverlässigkeit, können uns selbst beschwindeln, ignorieren unsere eigene Unwissenheit (da wir die beruhigende Überzeugung lieben), lassen die Innensicht im Wettstreit Innensicht und Außensicht gewinnen .. (siehe u.a. auch Beitrag ‚Unser Denken – ein Modell mit zwei Systemen‚, Daniel Kahneman). Angenommen ferner, es gäbe die EINE objektive Wirklichkeit und wir würden auf diese schauen.
Da wir durch unsere Betrachtung uns ein eigenes Bild der Wirklichkeit konstruieren, können wir nie die EINE Wirklichkeit objektiv erfassen. Ergo spielt es für uns keine Rolle ob es die EINE objektive Wirklichkeit gibt und die These es gäbe gar keine Wirklichkeit, sondern nur unsere Konstruktionen von Wirklichkeit ist gleichbedeutend.

Sollte im Übrigen jemand fragen, welche dieser Konstruktionen wahr sein sollte, ist die Antwort natürlich: Alle gleichzeitig.

Wittgenstein hat es so formuliert..

Wir machen uns ein Bild der Tatsachen. (2.1)
Das Bild ist ein Modell der Wirklichkeit. (2.12)
Das Bild stellt dar, was es darstellt, unabhängig von seiner Wahr- oder Falschheit.. (2.22)
Was das Bild darstellt ist sein Sinn. (2.221)
Das Bild ist eine Tatsache. (2.141)

Das beruhigende daran ist, da wir uns ja unsere Wirklichkeit konstruieren, können wir uns belastende Wirklichkeiten ‚umkonstruieren‘ – z.B. durch das Entdecken neuer (Wirklichkeits)Perspektiven und neuer Bedeutungen / Bewertungen mit Hilfe eines Coaches.