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für systemisch, konstruktivistisch arbeitende Coaches, Berater, Therapeuten und alle Interessierten

Systemische Therapie mit Erwachsenen (2)

Systemisch, Therapie Posted on Do, Februar 27, 2020 21:19:23

Ich möchte das Bild der Systemischen Therapie mit Hilfe des Buches ‚Systemische Therapie in der Praxis‘ (Hrsg. von Sydow / Borst) etwas ergänzen. Nach einem Kapitel ‚Grundlagen‘ über Erstgespräch, Auftrags- und Zielklärung, Diagnostik, Indikationen/Kontraindikationen und Qualitätssicherung, werden kurz systemische Basisinterventionen beschrieben: Ressourcenaktivierung / Umdeutung, Genogrammarbeit, Systemisches Fragen, Skulptur/Aufstellung, Psychoedukation, Hausaufgaben, Zeitlinienarbeit, Rituale, Reflektieren, Arbeit mit inneren Anteilen, Mentalisieren, Externalisierung von Problemen, Internalisierung von Lösungen. Es werden verschiedene Settings (Einzel, Paar, Familie, Gruppen) erläutert und folgende störungsspezifische Therapie Empfehlungen für Erwachsene gegeben:

F2 Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen

Allgemeines Ziel ist die Inklusion (Alltag als Therapie). Bei Rückzug und ‚Ausstieg aus der Realität‘ die ‚Wiedereinführung in die Kommunikation‘. Im Bereich der Kooperation, das Verhandeln über Krankheitskonzepte und Behandlung, sowie in Familienbeziehungen, Psychoedukation und Gespräche ohne Konfliktvermeidung (offener Dialog). Chronifizierung ist durch Rückfallprophylaxe zu vermeiden (jede Krise neu betrachten). Ein günstiges Familienmilieu hat eine hohe, fast vollständige protektive Wirkung (auch bei hohem genetischem Risiko). Studien zeigen, dass die Kombination von systemischer Therapie mit anti-psychotischer Medikation wirksamer ist als Medikation alleine, insbesondere bei der Reduktion von Abbrüchen, Rückfällen, Symptomreduktion, Compliance und Lebensqualität. Weitere Therapieoptionen sind: Kognitive Verhaltenstherapie, Pharmakotherapie, Kunsttherapie (vor allem bei Negativ-Symptomatiken).

F3 Affektive Störungen / F32 depressive Episoden

Allgemeine Ziele sind: positive Erfahrungen zu vermehren (Verhaltensaktivierung und Sport); im Gespräch zu ermutigen, Probleme zu lösen (sokratischer Dialog, lösungsorientierte syst. Therapie, Psychoedukation). In akuten Krisen über suizidale Gedanken zu sprechen (bei F32 immer eine Suizidanamnese durchführen). Aufmerksamkeitslenkung (hypnosystemisch) zur Ressourcenaktivierung (negatives Denken und Fühlen reduzieren). Neues Verhalten zur Erhöhung der Selbstwirksamkeit einführen, sowie die Interventionen Externalisierung, Reframing und inneres Team. Bei interaktionellen Problemen IPT zur Verbesserung der Interaktionen. Biografieorientierte syst. Therapie um Sinn und Bedeutung von depressiven Krisen im Biografieverlauf zu verstehen. Weitere Therapieoptionen sind: Kognitive Verhaltenstherapie, Pharmakotherapie, Gesprächspsychotherapie. Die Beziehungsgestaltung sollte auf einem mittleren bis leicht erhöhten Aktivitätsbereich erfolgen. Zu aktiv oder zu träge ist ebenso wenig förderlich wie zu wenig oder zu viel Empathie. Bei einer affektiven Störung sind viele andere Menschen betroffen, insbesondere Familienangehörige. Bei depressiven Störungen müssen sie zeitweise die Energie aufbringen, die dem Betroffenen fehlt.

F4 Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen

Angststörungen: Laut S3 Richtlinie (Bandelow) sollten bei spezifischen Phobien expositionsorientierte Kognitive Verhaltenstherapie angeboten werden. Bei anderen Phobien und anderen Angststörungen ist Psychotherapie und /oder Pharmakotherapie zu empfehlen. In der systemischen Therapie sind folgende evidenzbasierten Ansätze gut beschrieben: Ressourcen- und lösungsorientierte Kurzzeittherapie; Symptomverschreibungen;

Zwangsstörungen: Intrapsychisch führt die Zwangsstörung dazu, dass sich der Klient mit seinen Zwangsgedanken und -handlungen beschäftigt, statt sich den anstehenden Herausforderungen zu stellen (Aufrechterhaltung des Ist-Zustandes), während er interpersonell seine Bezugspersonen in seine Zwangsstörung einbindet und unterordnet. In der Therapie soll der Klient die Prinzipien verstehen und den Fokus auf die eigentlichen Problembereiche lenken. Ein Expositionstraining mit Reaktionsverhindung reicht in der Regel allein nicht aus. Neben einer Psychoedukation sollten die Fragen nach einer symptomfreien Zukunft erfolgen und relevante Systemmitglieder mit eingebunden werden (Anteil der Mitglieder an der Aufrechterhaltung der Symptomatik). Weitere Therapieoptionen sind Kognitive Verhaltenstherapie, Pharmakotherapie (SSRI), ACT.

Belastungs- und Anpassungsstörungen: Normale Trauerreaktionen sollten nicht pathologisiert werden. Trauer hilft, belastende Ereignisse zu integrieren. Sicherheit ist eine der wichtigsten Rahmenbedingungen nach einer traumatischen Erfahrung. Zur Behandlung von Anpassungsstörungen gibt es kaum evidenzbasierte Vorgehensweisen, da die Auslöser alltäglich und individuell sind (zusätzlich sind Anpassungsstörungen Ausschlussdiagnosen). Weil sich Therapeuten / Berater oft überlastet mit Traumata fühlen, wird der Ruf nach psychotraumatologisch geschulten Fachleuten laut. Dabei ist es vielmehr wichtig, dass die Helfer Ruhe bewahren und Sicherheit ausstrahlen. Psychoedukation ist in der Regel hilfreich. Symptome wie Flashbacks, Alpträume, erhöhte Vigilanz oder dissoziative Symptome sind normale Reaktionen auf außergewöhnliche Ereignisse. Zuviel Aktivismus in einer akuten Phase ist nicht hilfreich. Guidelines (NICE) empfehlen ‚Watchful Waiting‘ über mind. 4 Wochen (auch 3-6 Monate). Weitere Therapieoption ist die Pharmakotherapie (symptomorientiert). Entspannungsverfahren haben sich bisher als nicht wirksam erwiesen, können aber als Zusatzbehandlung Anwendung finden.

Psychosomatik: Psychosomatische Störungen können im Zusammenspiel der drei Systeme Kommunikation (Bindungsgeschichte und Bindungsstil, Familienstil, aktuelle Bindungssituation, soziale Stressoren), Psyche (Selbstregulation, Einführung der Erlebnisebene) und Soma (der Körper kann im inneren Parlament oder symbolisch zur Sprache kommen) verstanden werden. Weitere (nicht Reden) Therapieoptionen sind körperbezogene, achtsamkeitsbasierte Verfahren (Selbstregulationsfähigkeit des Körpers) wie Meditation, Yoga, Qi Gong, PMR und Fokussing (Gendlin).

F6 Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen / F60.3 Emotional instabile Persönlichkeitsstörung insbesondere F60.31 Borderline-Typ

Systemische Therapeuten nehmen oft eine kritische Haltung bezüglich der Diagnose von Persönlichkeitsstörungen (PS) ein. Die Trennschärfer der PS Diagnostik ist schwach und es bestehen viele Komorbiditäten. In dem Buch ‚Systemische Therapie in der Praxis‘ wird die Borderline PS nur zusammen mit ‚komplexen Traumafolgestörungen‘ betrachtet. Es wird empfohlen Dissoziative Symptome, die häufig vorhanden aber nicht spontan berichtet werden, zu explorieren. Als Therapieziele werden beschrieben: Überleben, vermeiden von Therapiegefährdungen, Stabilisierung der Lebensgrundlagen, Verringerung der Impulsivität / Erhöhung der Selbststeuerung, Klärung von Beziehungen, verstehen und verständlich machen (Entwicklung eines kohärenten Narrativ), Eröffnung konstruktiver Lebensperspektiven. Als empirisch belegte manualisierte Verfahren werden benannt: DBT (Dialektisch-Behaviorale Therapie), Übertragungsfokussierte Psychotherapie, MBT (Mentalisierungsbasierte Therapie), Schematherapie.



Systemische Therapie mit Erwachsenen (1)

Konstruktivistisch, Systemisch, Therapie Posted on Fr, Februar 21, 2020 13:51:14

Nachfolgend eine ausschnittsweise Zusammenfassung von Betrachtungen und Ansätzen einer Systemischen Therapie mit Erwachsenen bei bestimmten Störungen (Quelle: Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung II, Schweitzer / Schlippe):

F1 Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen

In einer systemischen bio-psycho-sozialen Betrachtung sind Leben, Bewusstsein und Kommunikation selbstorganisierte Systeme, die zwar strukturell gekoppelt sind, aber zwischen denen es keine kausalen Bezüge gibt. Für Abhängigkeiten heißt das: Es gibt biologisch die Dynamik der ‚Selbstmedikation der Nebenwirkungen der Selbstmedikation‘ durch Toleranzentwicklung, d.h. organische Gegenreaktionen zur Reduktion der Drogenwirkung. Nach einer gewissen Zeit wird das Suchtmittel als fester Bestandteil der Oganismusfunktionen eingebaut – mit der Folge einer physischen Abhängigkeit. Auf der Ebene des Bewusstseins gibt es, je öfter die Erlebens-Sucht-Choreographie durchlaufen wird, immer weniger alternative Optionen. Die Suchthandlung stabilisiert sich auf der psychischen Ebene selbst. Sie besteht, weil sie besteht und sie wird durch das Muster aufrechterhalten, durch das sie selbst gebildet wurde. Auf der Ebene der Kommunikation gibt es keine Sucht/Abhängigkeit an sich. Abhängiges Verhalten ist gleichzeitig ein Netzwerk aus Beobachtungen und Zuschreibungen, die von Beobachtern vorgenommen werden. Verhalten und Reaktionen sind eng sozial verflechtet (z.B. Ko-Abhängigkeit). Störungen durch psychotrope Substanzen sind höchst stabil zwischen den jeweiligen Systemebenen verkettet. Bei einer Entstörung ist insbesondere das Auftragskarussell zu beachten: Der Kostenträger möchte die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit durch vollständige Abstinenz. Der Arbeitgeber möchte schnelle Resultate sehen. Die Angehörigen erwarten oft eine Stabilisierung, ohne dass sich innerhalb des Familiensystems zu viel verändert. Die Mehrzahl der Klienten hält sich selbst nicht für süchtig und strebt keine Abstinenz an. Der Therapeut möchte i.d.R. mit größtmöglicher Ergebnisoffenheit und Neutralität unterschiedliches Konsumverhalten betrachten (Unterschiede einführen). Deshalb ist eine konsequente Klienten-Anliegenorientierung besonderes wichtig.

F2 Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen

Ver-rückte Komunikationsformen gedeihen besonders gut in einem Umfeld, in dem sog. weiche Wirklichkeitskonstruktionen vorherrschen. In einem Umfeld, in dem sich die Kommunikationsteilnehmer möglichst wenig festlegen, was sie ausdrücken wollen. In denen Beschreibungen vage und unbestimmt bleiben, Unterschiede und Gegensätze zwischen Bedeutungsinhalten kaum noch erlebbar sind oder verschwimmen, z.B. in dem nahezu gleichzeitig vollkommen unterschiedliche Impulse ausgedrückt werden (Ich liebe dich! – Komm mir nicht zu nahe!). In der Literatur z.B. beschrieben als: Mystifikation (Laing), bei der ein anderer definiert was sein Gegenüber denke, wolle etc., auch wenn es der Betroffene gar nicht so sieht; als kommunikative „Double-Bind“ Zwickmühle (Bateson) oder als „high expressed emotions“ (Vaughn / Neff) bei dem kritische, entwertende und zugleich sehr emotionale Bewertungen in engen Beziehungen an der Tagesordnung sind. Bei einer Plussymptomatik zeigt der Klient zu viel nicht erwartete Verhaltensweisen, bei einer Minussymptomatik keine oder zu wenige. Beides kann dazu führen, dass seinen Verhaltensweisen, von anderen, kein verstehbarer Sinn mehr zugesprochen wird, der Klient quasi aus der regulären (sinnvollen) Kommunikation ausgestoßen wird (Exkommunikation). Eine systemische Entstörung beinhaltet eine Wiedereinführung des Exkommunizierten, in dem mit dem Klienten normal und vernünftig gesprochen wird, immer annehmend, dass dieser gute und verständliche Gründe habe, sich aktuell unverständlich zu äußern und zu Verhalten, auch wenn diese von der sozialen Umwelt derzeit noch nicht verstanden werden. Die Absicht wird wertgeschätzt, auch wenn der Inhalt nicht verstehbar scheint. Auch ver-rücktes Reden wird als Kompetenz angesehen. Ein wesentliches Element ist die Psychoedukation. Ein rigides Krankheitskonzept der F2 soll aufgeweicht oder aufgelöst werden. Den Beteiligten sollten Chronifizierungsstrategien verdeutlicht werden, d.h. wie bislang und künftig alle Beteiligten zur Chronifizierung beitragen (Harmonie in der Familie auf Kosten einer Chronifizierung), welche guten Gründe es für eine Chronifizierung und welche Ausstiegsmöglichkeiten es aus einem Chronifizierungsprozess gibt (Pro und Kontra). System (Familien)-Mitgleider werden befragt, was sie tun müssten, damit ein symptomatisch-schizophrenes Verhalten wieder auftritt (Vorwegnahme des Vermeidbaren). Die Exploration und Markierung von Unterschieden während und zwischen Rückfällen soll die Wahrnehmung von Veränderungen ermöglichen (die in der Regel ausgeblendet werden). Das beinhaltet die Exploration von negativen Konsequenzen ausbleibender Rückfälle.

F3 Affektive Störungen / F32 depressive Episoden

Eine negative Sicht der Welt, der eigenen Person und der Zukunft (kognitive Triade) ist ein typisches dysfunktionales kognitives Schema (Beck). Aus ungeprüften Ableitungen früherer Erfahrungen (unterstützend sind hohe Ansprüche an sich und die Welt und idealisierte Grundüberzeugungen) wird ‚Hilflosigkeit gelernt‚ (Seligmann). Der Klient macht sich durch solche Selbstsuggestionen (Schmidt) quasi selber depressiv. Die Erfahrungen des immer wieder verlorenen inneren Kampfes verstärken Hoffnungslosigkeit und Selbstabwertung (Teufelskreis). In Beziehungen kann depressives Verhalten systemerhaltend wirken (den Partner binden), eine Aufforderung zum Engagement des Partners sein, oder eine Bindung (Loyalität) an Vergangenes symbolisieren (Schicksale, Erinnerung an Verstorbene etc.). Kollektive, im sozialen System gemeinsam geteilte, Ideen von ‚Man muss immer alles richtig machen‘, erhöhen den Druck.

Eine Entstörung beinhaltet die ressourcenorientierte Suche nach Hypothesen zu ‚den guten Gründen‘ (wofür ist das depressive Verhalten ein Lösungsversuch). Die Beziehungsgestaltung erfolgt angekoppelt an Tempo, Energieniveau und Stimmung. Die Depression kann als ‚Besucher‘ externalisiert werden (White / Epston). Verschiedene intrapsychische Persönlichkeitsanteile, die miteinander in Konflikt sind, können mit dem IFS Modell (Internal Family System, Schwarz) oder der inneren Familienkonferenz (Schmidt) in Einklang gebracht werden. Bei resignierten Klienten können Verschlimmerungsfragen hilfreicher als Lösungsfragen (z.B. die Wunderfrage) sein.

F4 Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen

Angst und Panikstörungen wurden häufiger bei Erleben eines geringen familiären Zusammenhaltes und chronischen Konflikten zwischen den Eltern beobachtet. Ebenfalls bei frühen oder dramatischen Verlusten im eigenen Leben und bei Situationen, die ein frühes Erwachsenwerden erforderlich machten (häufig mit Überforderung). Panikattacken können das Resultat einer symmetrischen Eskalation zwischen Wut auf den Partner und Angst vor den Konsequenzen dieser Wut sein. Die Eskalation der Wut wird durch die Panikattacke gestoppt und die Aggression und Wut wird dissoziiert. Die Fehlinterpretation von Wut als Angst kann so zur Vermeidung von Konflikten beitragen. Angstsymptomatiken können ein Mittel der Nähe-Distanz Regulierung sein. Bei einer Entstörung kann zunächst die Symptomatik im Vordergrund stehen. Es geht aber auch darum herauszufinden, womit der Klient sich beschäftigen würde, wenn die Erkrankung nicht mehr da wäre. Vermeidungsverhalten und negative Befürchtungen (Defizitchor) können zu einer Art ‚Reformstau‘ in der Bewältigung von Konflikten geführt haben. Es gilt die Klienten bei der Erarbeitung von Lösungen zu unterstützen und ihnen ein geeignetes Erklärungsmodell (z.B. Teufelskreise der Angst; Redewendungen bei Zusammenhängen von Angst und körperlichen Veränderungen; erstmalige Bobachtung der Angst und konstruierte Bezeichnung; Reaktion und Umgang der anderen) zur Verfügung zu stellen. Oft liegt bei Angststörungen eine einseitige Orientierung auf die Zukunft vor (wie in der Zeit eingefroren; Nichts-Neues Syndrom), die sich in sich selbst verewigenden Erzählformen zeigt. Es gilt dann, die verdichtete Situation zu verflüssigen, indem ein Nacheinander / Danach eingeführt wird. In einer Art Desensibilisierung können Schritt für Schritt das Danach der katastrophalen Vorstellungen durchgespielt werden. Die Wunderfrage kann einsetzt werden, um ein Leben ohne Angst im Detail auszumalen. Partner und andere Systemmitglieder sollten zumindest über zirkuläre Fragen einbezogen werden. Skalenfragen können helfen die Angst sprachlich zu kontextualisieren. Unterschiedsfragen können positiv sensibilisieren für Ereignisse, die von den bisherigen Erwartungshaltungen abweichen. Zur Auflösung der Problemtrance kann durch Humor und Provokation eine Dekonstruktion der Wirklichkeitslandschaft erfolgen. Ebenfalls können Ängste externalisiert (White / Epston) oder mit dem IFS Modell (Schwarz) gearbeitet werden.

Zwänge sind eine Pseudokompensation und dienen dem Schutz vor negativer Befindlichkeit. Sie können die Beziehung regulieren (zu sich selbst bei Defiziten des Selbstwertgefühls oder anderen nahen Bezugspersonen). So lassen sich 75% der Eltern in die Zwangsrituale ihrer Kinder mit hineinziehen. Oft wird der Partner eng in die Störung mit einbezogen. Die Störung kann dabei auch ein Ersatz für etwas Drittes (z.B. Kinder oder gemeinsame Projekte) werden. Die Paardynamik kann ggfs. mit der Rolle der Flasche eines Alkoholikers verglichen werden. Zwangsstörungen führen auch zu Kommunikationsstörungen, die wiederum zu Zwängen oder ihrer Aufrechterhaltung beitragen können. Zur Unterstützung einer Entstörung von Zwängen können ebenfalls Rituale eingesetzt werden (eine ‚mehr desselben‘ Intervention passt aber nicht bei allen Klienten). Ein Ritual allein löst die Zwangsstörung nicht auf, kann aber, wie eine Musterunterbrechung (z.B. Unterlassungsintervention), kreativen Raum für Neues öffnen, welches oft Unsicherheit und Ungewissheit bei allen Beteiligten hervorruft (inkl. Therapeut).

Bei Belastungsstörungen (z.B. PBTS) ist es aus systemischer Sicht weniger wichtig was das Problem ist, sondern wer es definiert, welche sozialen Prozesse beteiligt sind und was dann als Problem benannt wird (‚Betonierung der Opferrolle‚). Zusätzlich gilt es eine Vielzahl von Methoden zu kombinieren (z.B EMDR, Kunsttherapie, Soziogramm, Psychodrama, Psychopharmakologie).

Der Körper wird bei somatoformen Störungen in die Erfahrung und Erzeugung von Wirklichkeiten einbezogen. Krankheit an kritischen Punkten eines Familienzyklus kann dafür sorgen, dass sich Dinge nicht zu schnell verändern, weil zunächst Fürsorge und Rücksicht gefragt sind. Eine erhöhte Aufmerksamkeit gegenüber körperlichen Befindlichkeiten kann von einer Ignoranz gegenüber emotionalen Befindlichkeiten ablenken. Insbesondere somatoforme Schmerzstörungen können mangelnde Fähigkeiten zur Modellierung der eigenen Emotionen (z.B. bei Gewalt oder sexuellem Missbrauch) kompensieren. Somatisierende Angehörige haben oft wenig oder keine Sprache für emotionale Erfahren entwickelt. Wenn zwei Partner gemeinsam somatisieren, schenkt ihnen das eine gemeinsame Sprache für alles Unbehagliche. Systemisch ist die Ursachenattributierung innerhalb des Systems (Familie) sehr bedeutsam. Bei einer Entstörung geht es zunächst darum behutsam eine neue Sprache einzuführen und die Symptome als zunächst sinnhafte Konstruktion anzuerkennen. Dabei können neurobiologische Modelle hilfreich für die Akzeptanz einer neuen Sprache sein. Es gilt alle Personen, die eine bedeutsame Perspektive auf das Geschehen haben, zu verbinden und alle Symptome als bio-psycho-sozial zu verstehen.

F5 Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren / F50 Essstörungen

Aus systemischer Sicht ist es wichtig, dass es keine einheitliche Ursache von Anorexie gibt. Familien mit anorektischen Mitgliedern sind deswegen weder automatisch dysfunktional, noch Schuld. Die Störung setzt allerdings (spätestens bei Lebensbedrohlichkeit) alle Familienmitglieder unter eine hohe emotionale Anspannung. Es kann innerhalb der Familie Muster geben, die eine Somatisierung fördern, z.B. Verstrickungen (interpersonale Grenzen oder Grenzen von Familiensubsystemen sind unklar oder gehen verloren), Überfürsorglichkeit, Starrheit, Konfliktvermeidung, Konflikt-Umleitung (die Symptomatik des Kindes als Beziehungsregulator der Eltern). In Familien, in denen sich ein Mitglied bulimisch verhält, kann man oft eine lustvollere Norm und Lebensweise vorfinden, wobei aber an der Lust ein Haken ist, der das Genießen nur im Kombipack mit Selbstquälungen erlaubt. Die Impulshandlung des Erbrechens ist ein Bewältigungsversuch des ungeschehen machen. Es beseitigt in autonomer Weise unangenehme Spannungen und verbrigt Mangelhaftes und vermeidet Konflikte mit anderen Familienangehörigen. In einer Entstörungsbegleitung wird zwischen einer Stabilisierungs-, Konfliktbearbeitungs-, und Reifungs-Phase unterschieden.

F6 Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen / F60.3 Emotional instabile Persönlichkeitsstörung insbesondere F60.31 Borderline-Typ

Menschen mit Borderline-Störung werden oft so beschrieben, dass sie sich als tief entfremdet von ihrer Familie wahrnehmen und empfinden. Eine respektvolle Exploration der familiären Beziehungsmuster kann deswegen eine hilfreiche Intervention sein. In der Literatur werden zwei Familientypen beschrieben: die vernachlässigende, emotional missbrauchende Familie und die chaotisch-instabile Familie mit ständigen Krisen. Die Borderline-Störung ist eine besondere Form der Organisation von Ambivalenz. Eine ressourcenorientierte Sicht ist, dass Klienten vielfältige Möglichkeiten der Nähe-Distanz Regulierung haben; nach dem Motto leben ‚Das Konstante ist der Wandel‘; entgegengesetzte Bedürfnisse ausleben; auf der kognitiven und emotionalen Ebene die Fähigkeit haben schnell zu alternieren; sich abgrenzen, Grenzen öffnen und Grenzen überschreiten; zu testen ‚Wer hält mich aus, so wechselnd, wie ich bin?‘. Die Leitfrage des therapeutischen Arbeitens ist ‚Wie würde man mit dem Klienten arbeiten, wenn es die Diagnose nicht gebe?‘ (Weglassen der Stigmatisierung). Symptome werden weniger als Defizit und mehr als kreative Lösung betrachtet. Es wird mehr mit dem Klienten erörtert (als Experte für sein System) und weniger trainiert. Der Therapeut nimmt eine neutrale Position und Funktion ein, was auch dabei hilft sich nicht in die Inszenierung des Klienten verstricken zu lassen. Eine tragende Supervisionsgruppe (insbesondere bei eingesetzten Suiziddrohungen) kann sehr hilfreich sein. Mit positiver Konnotation und Humor können sich Interventionen zunächst auf das beobachtbare Verhalten konzentrieren und erst später eine umdeutende Kontextualisierung und die Entwicklung weniger schmerzhafter Verhaltensalternativen.



Was heißt ‚Systemik‘ in Therapie und Coaching?

Konstruktivistisch, Philosophie, Psychologie, Systemisch, Therapie Posted on So, Februar 02, 2020 15:11:09

Regeln in sozialen Systemen erkennt man an Einschränkungen von Verhaltensoptionen der Systemmitglieder und daran, welche Bedeutungen den Dingen zugewiesen werden und welches Verhalten als möglich und unmöglich angesehen wird. Bei diesem (oft nicht bewussten) Aushandeln der Regeln ist wichtig, dass wir in der Lage sind, uns in andere Menschen hineinzuversetzen, in dem wir den anderen ein Bewusstsein unterstellen, das unserem ähnlich ist. Wir handeln auf Grund unserer Erwartungen darüber, was die Erwartungen der anderen sind (Erwartungs-Erwartung). Aber natürlich können wir über das Verhalten der anderen nicht sicher sein, denn unsere Erwartungen können falsch sein und so kommt es zu nicht vorhersehbaren Überraschungen. Regeln werden autonom innerhalb des Systems ausgehandelt. Sie werden gemeinsam konstruiert. Die Philosophie des Konstruktivismus ist damit die erkenntnistheoretische Grundlage einer systemischen Haltung und Denkens. Ein System definiert sich selbst. Man kann auch sagen, ein System ‚ist‘ die Differenz zwischen sich und seiner Umwelt (Luhmann). Systeme erschaffen und erhalten sich selbst (sind ‚autopoietisch‘). Die sozialwissenschaftliche Theorie sozialer Systeme stammt von Niklas Luhmann, dessen Bücher bis heute kaum in andere Sprachen, insbesondere Englisch, übersetzt wurden. Dennoch haben seine Grundlagen die Theorie der systemischen Therapie im deutschsprachigen Raum stark geprägt. In der Medizin und insbesondere Psychologie, ist heute das allgemeine Verständnis, das alles Geschehen, insbesondere bei Störungen, bio-psycho-sozial zu betrachten ist. Luhmann schlug vor, für das Verständnis menschlicher Wirklichkeit, drei Klassen von autopoietischer Systeme zu unterscheiden: biologische Systeme (Leben), psychische Systeme (Bewusstsein) und soziale Systeme (Kommunikation). Dass diese drei Systeme in relativ starker Unabhängigkeit von einander arbeiten, hat für eine systemische Sicht einer Therapie und Coaching weitreichende Konsequenzen:

  • Unabhängigkeit Psyche und Kommunikation: Menschen können sich grundsätzlich nicht gegenseitig durch Kommunikation verstehen. Kommunikation regt, als ‚Umwelt‘ des Systems Psyche, lediglich Prozesse an.
  • Unabhängigkeit des Systems Kommunikation: Im System Kommunikation entwickeln sich, durch das ‚Eigenleben‘ im System Kommunikation, Muster, die anders ablaufen, als es sich die Beteiligten wünschen.
  • Unabhängigkeit des Systems Psyche: Gefühle sprechen nicht. In der Therapie kann deshalb lediglich mit der Kommunikation über den Umgang mit Gefühlen gearbeitet werden.
  • Unabhängigkeit Kommunikation vs. Psyche und Biologie: Die Kommunikation im Coaching und Therapie kann nicht direkt auf Pyche oder die Biologie einwirken, sondern als ‚Umwelt‘ lediglich Prozesse anregen.

In einem konstruktivistischen Verständnis gehen wir davon aus, dass wir als Menschen niemals eine objektive Wahrheit (sollte es diese jemals geben) erkennen können. Unsere Sensorik nimmt lediglich Reize wahr. Die Beurteilung dieser Reize, unsere Kognition, ist es, die diesen einen Sinn verleiht. Wir konstruieren einen Sinn. Sinn ist nicht allein in der Welt vorhanden. Er wird von uns als Beobachter erschaffen und erhalten. Im sozialen Konstruktivismus gibt es nicht Menschen die miteinander sprechen, sondern es gibt Geschichten (Narrationen), die eine Wirklichkeit, unabhängig von den einzelnen Menschen, erschaffen. Systemik in Therapie und Coaching heißt damit auch, die Kraft einer Perspektivenvielfalt zu nutzen und den Umgang mit Bedeutungen von Narrationen (z.B. durch Metaphern) neu zu verhandeln, in einem ‚Tanz der Bedeutungen‘.

Die Kongruenz des Systems ‚Sozial‘ mit ‚Kommunikation‘ hat ebenfalls weitreichende Bedeutung. Unsere Geschichte, also die Beobachtung und Definition unserer gesellschaftlich akzeptierten Wahrheit, durch die Unterdrückung alternativer Geschichten mit Hilfe der Massenmedien, ist immer auch mit sozialer Macht verbunden. Geschichte schreiben immer die Sieger. Aber auch die Sprache selbst, als einer der wichtigsten Kommunikationsmittel, war schon immer mit Macht und Machtausübung verbunden (vergl. Foucault und Derrida – Macht durch normierte Wahrheiten).

In einer systemischen Sicht ist die Welt nicht einfach kausal, schon gar nicht linear kausal, sondern ein komplexes Geschehen. Sie ist nicht so ‚ordentlich‘ und berechenbar wie wir sie gerne hätten (denn das gibt uns Sicherheit). Stabilität und Ordnung sind eher Konstruktionsleistungen eines oder mehrerer Beobachter. Kausale Beschreibungen können in Systemen problematische Folgen nach sich ziehen, die bei einem systemischen Arbeiten in Coaching und Therapie in Frage gestellt werden. ‚Probleme‘ lassen sich systemisch als Kommunikation verstehen, die etwas als unerwünscht und veränderbar bewertet. Ein Problem wird aus folgender Zusammenwirkung konstituiert: Einer Selektionsleistung von einer oder mehreren Personen, die einen Zustand beschreiben; beobachtet von einer oder mehreren Personen, die diesen Zustand entdecken und beschreiben; bewertet als unerwünscht oder veränderungsbedürftig von einem oder mehreren Beobachtern; und zumindest ein Beteiligter glaubt daran, dass dieser Zustand änderbar sei (anderenfalls ist es Schicksal). Probleme werden aus systemischer Sicht erfunden und entdeckt (konstruiert). Ein Problem erschafft auch ein System (problemdeterminierendes System) in dem die kollektive Aufmerksamkeit auf ein Problem gelenkt wird, eine Erklärung für das Problem erfunden (konstruiert) und diese verfestigt und aufrechterhalten wird. Sie werden erzeugt und aufrechterhalten, weil sie nützlich im System sind. Probleme in systemischer Sichtweise erfüllen eine Funktion (z.B. Aufrechterhaltung einer Stabilität/Gleichgewicht in einem System). Aus Sicht der systemischen Therapie sind Krankheiten Probleme, die differenziert, aus bio-psycho-sozialer Perspektive betrachtet werden sollten. So gibt es z.B. im Englischen für das deutsche Wort Krankheit gleich drei Wörter, mit unterschiedlichen Bedeutungen: disease (bio-medizinisch), illness (psycho-erlebte) und sickness (sozial anerkannt).



Hierarchie sorgt für Unsicherheitsabsorption

Kommunikation, Systemisch Posted on So, Februar 02, 2020 14:16:39

Hierarchie entlastet Mitarbeiter, weil es jemandem gibt, dem die Verantwortung für eine Entscheidung zurechnet werden kann. Eine formale Hierarchie kann alleine dadurch, dass es sie gibt, konfliktpräventiv wirken. Sie gibt Mitarbeitern Orientierung, in dem sie einen Rahmen setzt. Ausserdem kann sie Kommunikation beschleunigen.

(Luhmann, 2000)



Narrative Therapie: Einmalige Resultate

Systemisch, Therapie Posted on Sa, August 11, 2018 09:02:06

Einmalige Resultate (unique outcomes) / (hilfreiche) Ausnahmen können im Klienten Gespräch mit den von Michael White untenstehenden Fragekategorien vertieft werden. Die Benennung einmaliger Resultate ist etwas völlig anderes als der Prozess, in dem man herausfindet, was einmalige Resultate darüber aussagen, was Menschen im Leben erreichen wollen und ihnen wichtig ist.

  1. Fragen, die eine erfahrungsnahe, besondere Definition des einmaligen Resultates aushandeln
  2. Fragen, die Auswirkungen des einmaligen Resultates kartieren
  3. Fragen, wie der Klient die Auswirkungen des einmaligen Resultates beurteilt
  4. Fragen, nach der Begründung der Beurteilung


Narrative Therapie: Definitionszeremonien

Systemisch, Therapie Posted on Di, August 07, 2018 20:11:07

Definitionszeremonien geben Klienten die Möglichkeit vor einem Publikum / außenstehende Zeugen Geschichten ihres Lebens zu erzählen. In diesem sozialen Prozess kann der Klient das Gefühl von Authentizität entwickeln in dem seine Ansprüche an die eigene Identität und Geschichte anerkannt werden (im Sinne einer kollektiven Selbstdefinition). Es können dichte Narrationen entwickelt werden, mit komplexen Gedanken über die Identität des Klienten. Positive Resultate können verstetigt und ausgeweitet werden. Einen ähnlichen Weg verfolgte Anderson mit seiner Arbeit im Reflektierendem Team. Ähnlichkeiten finden sich auch im Setting von Gruppentherapien. Die Struktur von Definitionszeremonien hat nach Michael White 3 Phasen:

  1. A) Erzählung des Klienten vor außenstehende Zeugen.
  2. B) Neuerzählung
  3. Ausdruck – Zeugen werden gebeten, das zu schildern, was ihnen am meisten aufgefallen ist, was ihre Aufmerksamkeit erregt hat oder ihre Vorstellungskraft geweckt hat. Zeugen unterhalten sich nur untereinander oder mit dem Coach / Therapeut, niemals mit dem Klienten. 2. Bilder – Die Zeigen werden dann gebeten, Bilder (oder Gefühle) zu beschreiben, die ihnen beim Zuhören gekommen sind und darüber nachzudenken, was diese Bilder mit dem Klienten zu tun haben können / was diese über ihn aussagen könnten was er im Leben will und was ihm wichtig ist. 3. Widerhall – Zeugen werden gefragt was sie persönlich angerührt hat / was eine Saite in ihrer persönlichen Geschichte angerührt haben könnte. 4. Bewegtsein – Sie werden gebeten zu schildern, inwieweit sie von der Geschichte berührt worden sind.
  4. C) Neuerzählung der Neuerzählung

Nach der Neuerzählung kehren die Zeugen in die Rolle des Publikums zurück und der Klient wird gefragt, was er aus der Neuerzählung herausgehört hat. Die erfolgt in dem gleichen Schema von Ausdruck, Bilder, Widerhall und Bewegtsein.

Der Klient wird gebeten Ausdrucksformen der außenstehenden Zeugen zu schildern, die ihm aufgefallen sind; welche Bilder oder Vorstellungen diese Ausdrucksformen bei ihm wachgerufen haben; seine persönlichen Erfahrungen, die diese Ausdrucksformen berührt haben; und seine Gedanken oder Vorstellungen seines eigenen Lebens und seine Handlungsoptionen daraus.



Narrative Therapie: Wiederherstellung von Zugehörigkeit

Systemisch, Therapie Posted on Di, August 07, 2018 20:09:27

Für Klienten mit isolierender Identitätsvorstellungen empfiehlt Michael White Gespräche, die von der Idee geleitet sind, dass die Identität des Klienten nicht auf einem Kernselbst beruht, sondern auf einem ‚Lebensverband‘ mit signifikanten Figuren und Identitäten aus der Vergangenheit, Gegenwart und projizierten Zukunft. Damit hat der Klient die Möglichkeit, die ‚Mitgliedschaften‘ dieser Figuren und Identitäten zu seinem Lebensverband auf- oder abzuwerten oder ganz zu revidieren. Die Normen unserer westlichen Kultur von Selbstbeherrschung, Selbstkontrolle, Eigenständigkeit, Selbstverwirklichung und Eigenmotivation könnten zu einem ‚eingekapseltem Selbst‘ führen. Diese Fragen könnten Klienten neue Möglichkeiten zur Rekonstruktion seiner Identität ermöglichen…

Fragen zum Beitrag der Person zum Leben des Klienten

Fragen zur Identität des Klienten aus Sicht der Person

Fragen zum Beitrag des Klienten zum Leben der Person

Fragen zu den Implikationen dieses Beitrages für die Identität der Person



Narrative Therapie: Neue Erzähllinien

Systemisch, Therapie Posted on Sa, August 04, 2018 11:54:11

Michael White (in Maps of narrative Practice, 2007) unterscheidet in ..

I (Identitätslandschaft), gekennzeichnet durch ..

– Intentionales Verständnis (Intentionalität = Fähigkeit des Menschen, sich auf etwas zu beziehen etwa auf reale oder nur vorgestellte Gegenstände, Eigenschaften oder Sachverhalte, oftmals als spezifisches Merkmal des Mentalen verstanden). Husserl: Durch Reflexion erfassen wir statt der Sachen, Zwecke, usw. die entsprechenden subjektiven Erlebnisse, in denen sie uns bewusst werden. Man bezeichnet sie auch als ‚Phänomene’. Ihr allgemeinster Wesenscharakter ist es, ‚Bewusstsein-von’, ‚Erscheinung-von’ den jeweiligen Dingen zu sein, sie sind ‚intentionale’ Erlebnisse. Kritik von Heidegger: Intentionalität kann sich nur auf als vorhanden vorgestellte Objekte richten. Heidegger spricht von um zu-Bezügen, von Zuhandenheit statt Vorhandenheit und von einem zuhandenen Zeug statt einem vorhandenen Ding. In diesem Zusammenhang erst ist der Hammer als solcher begreifbar: als ein Zeug, das zum Hämmern dient, um etwa ein Haus zu bauen. Das Beispiel zeigt, dass Dinge in einen Verweisungszusammenhang eingebunden sind und dieser nur zeitlich verstanden werden kann: der Hammer ist nur in Betracht auf einen zukünftigen Gebrauch zu verstehen. Diese Zukunft ist aber nicht “etwas”, kein Objekt in der Welt, auf das man gerichtet sein kann.

– Verständnis, wem oder was welcher Wert zugeschrieben wird (‚attaching a value to..’). Ein Werturteil drückt positive oder negative Auszeichnung aus, die in der Stellungnahme einer Person bezüglich eines mehr oder minder genau bestimmten Objekts enthalten ist. Sie geht häufig einher mit der mehr oder minder ausdrücklichen Erwartung und/oder Aufforderung an Dritte, dieselbe Wertung als hinreichend gerechtfertigte mit zu vollziehen.

– Verinnerlichendes Verständnis

– Realisierung, Erkenntnisse, Wissen (Wissen und Erkenntnisse können immer auch im Machtzusammenhang gesehen werden)

Beispiel-Fragen (durch den Gebrauch des Konjunktives gegenzeichnet):

Fallen Ihnen irgendwelche Geschichten über Aktionen von XY ein, aus denen hervorgeht, was für ihn wertvoll war / was er für wertvoll hielt? Fallen Ihnen irgendwelche Geschichten über ihn ein, denen ich entnehmen kann, woher Sie das über ihn wussten?

Sie haben gesehen, wie.. Was hat das aus Ihrer Sicht über ihn ausgesagt? Was erzählt Ihnen das darüber, was XY für wertvoll hält?

Fällt Ihnen noch eine Geschichte über XY ein, als er noch jünger war, die das bestätigt hätte, was Sie über ihn wussten? Was dazu passen würde, wie..

Wenn Sie zurückdenken an diese Ereignisse.., wie hat die Aktion.., Ihr Bild von ihm als Persönlichkeit geprägt?

Wie kommt es, dass du mit dem etwas verbindest, was du gerade gehört hast?

Ich weiß jetzt über Aktionen des .. und Aktionen des .. Das gehört alles zu deiner Lebensgeschichte. Nimmt man diese Aktionen zusammen, um was geht es da eigentlich?

Was sagt das aus Ihrer Sicht darüber, worauf XY seine Hoffnungen setzt?

Haben Sie einen Eindruck davon, wie das .. sich auf ihre Leben ausgewirkt hat? Vielleicht im Hinblick darauf wie sie sich gefühlt haben? Vielleicht im Hinblick auf neue Erkenntnisse über ihr Leben? Im Hinblick auf Ihre Beziehung zu ..?

Wie fühlen Sie sich bei dieser Art der Entwicklung?

Fällt Ihnen etwas dazu ein, warum Sie darüber glücklich sind? Irgendetwas, was mir helfen würde zu verstehen, warum Ihnen das wichtig ist?

H (Handlungslandschaft), gekennzeichnet durch..

– Ereignisse (beobachtbare Geschehen)

– Gegebenheiten (auch Tatbestand, auch Tatsächlichkeit oder Faktizität), im weiteren Sinne wird der Begriff auch für Sachverhalte verwendet, die sich nicht auf einzelne Taten (Handlungen) zurückführen lassen. Martin Heidegger: “Faktizität des Daseins” das als Geschichtliches in seine Existenz geworfen wurde.

– Sequenz (lineare Abfolge oder Reihenfolge)

– Zeit (Zwischen der subjektiv wahrgenommen Zeit und der objektiv messbaren bestehen oft deutliche Differenzen. In ereignisreichen Zeiten hat man viele Informationen eingespeichert, sodass dieser Zeitraum lange erscheint. Umgekehrt erscheinen ereignisarme Zeiten im Rückblick kurz, da kaum Informationen über sie gespeichert sind.)

– Plot (Handlung, in der Literaturtheorie eine “Abfolge von zusammenhängenden, [ursächlich] miteinander verketteten Ereignissen oder Vorgängen, die das dramatische Gerüst” bilden.)

Beispiel-Fragen:

Wie würden Sie diese Initiative von XY bezeichnen?

Welche Art von Aktion war das?

Können Sie diesem Schritt einen Namen geben, der ihm die Anerkennung gibt, die er verdient?

Was glaubst du, welche Möglichkeiten würde dir das geben? Was glaubst du, welchen Handlungsspielraum würde dir das geben? Welche Schritte könntest du gehen, die dazu passen würden?

Was für ein Schritt wäre das, wenn du ihn unternehmen würdest?

Haben Sie eine Vorstellung davon, was das.. möglich gemacht hat?

Haben Sie eine Vorstellung davon, was Sie getan haben könnten, das vielleicht den Weg für .. geebnet hat? Könnten Sie sich vorstellen, was zu diesem Schritt geführt haben könnte? Was dabei eine Rolle gespielt hat?

In grafischer Form kann man auf einer Landkarte der Entwicklung neuer Erzähllinien zwischen der Identitätslandschaft oben und der Handlungslandschaft unten, sowie auf der horizontalen Achse in “Ferne Vergangenheit, Entfernte Vergangenheit, Jüngste Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft” unterscheiden. Ein Zick-Zack-Kurs durch die Zeit ist typisch für Gespräche, in denen neue Erzähllinien entworfen werden. Keine Frage ist vorher festgelegt, sondern es wird spontan auf die Antworten des Klienten reagiert.

Oft können sich dabei untergeordnete (alternative) Erzähllinien im Status geändert ändern und ursprünglich dominante Erzähllinien das Leben des Klienten weniger bestimmen. Die Handlungslandschaft gewinnt an Dichte, wenn Klienten Ereignisse in eine Sequenz bringen. Die Identitätslandschaft gewinnt dadurch an Dichte, dass Klienten Ereignisse reflektieren und sich auf dieser Basis zum Leben und Identität äußern.



Narrative Therapie: Problemexternalisierung in Gesprächen

Systemisch, Therapie Posted on So, Juli 29, 2018 11:00:06

Eine Methode in der Narrativen Therapie, wie sie von Michael White vorstellt wurde (Maps of narrative Practice, 2007) ist die Problemexternalisierung in Gesprächen. Menschen sind oft überzeugt, dass ihre Lebensprobleme Spiegelbilder ihrer eigenen Identität oder der Identität von anderen Menschen sind. Ein Gespräch, das das Problem zum Problem macht (und nicht die Person) kann der Verobjektivierung der Klienten-Identität entgegenwirken und neue Handlungsoptionen aufzeigen. Dazu empfiehlt Michael White 4 Kategorien von Fragen. Neue Fragen werden dabei mit einem ‚Geleitwort‘, einer Zusammenfassung des vorher Gehörten, eingeleitet.

  1. Fragen, die eine erfahrungsnahe, besondere Definition des Problems aushandeln

Das Problem des Klienten (weswegen er gekommen ist) wird vom Klienten benannt und im Folgenden behandelt als sei es eine Person. So kann man nach der Wirkung der Herrschaft des Problems fragen, oder wie der Klient das Wesen / den Charakter des Problems beschreibt (konkret und nicht abstrakt / verallgemeinernd).

Wer ist PROBLEM? Welchen Charakter hat PROBLEM?

  1. Fragen, die Auswirkungen der Aktivitäten des Problems kartieren

Die Einflüsse des Problems in den einzelnen Lebensbereichen des Klienten werden erfragt, wobei die wichtigsten Konsequenzen der Aktivitäten und Arbeitswesen des Problems enthalten sein sollten.

Wie wirken sich die Handlungen von PROBLEM aus?

  1. Fragen, wie der Klient die Auswirkungen der Aktivitäten des Problems beurteilt

Die Arbeitsweisen und Aktivitäten des Problems sowie dessen stärkste Auswirkungen auf das Leben des Klienten werden von diesem beurteilt. Für viele Klienten ist das eine neue Frage, dass die Auswirkungen oft von anderen Menschen beurteilt werden. Konsequenzen sind durchaus nicht immer gänzlich negativ. Häufig ist die Haltung von Klienten gemischt.

Sind diese Aktivitäten für Sie in Ordnung? Wie schätzen Sie diese Entwicklungen ein? Wie ist Ihre Einstellung zu dem, was hier gerade sichtbar wird? Ist diese Entwicklung positiv, negativ, beides, weder noch oder in einem Zwischenbereich?

Wie beurteilen Sie die Handlungen von PROBLEM?

  1. Fragen, nach der Begründung des Urteils / der Bewertung

Klienten werden nach Geschichten gebeten, die beantworten, warum er eine bestimmte Beurteilung abgegeben hat. Dabei können Warum-Fragen eingesetzt werden, aber nicht im Sinne eines moralischen Urteils.

Ist es in Ordnung, wenn ich dazu weitere Fragen stelle? Können Sie mir eine Geschichte aus Ihrem Leben erzählen, die mir verstehen hilft, weshalb Sie zu dieser Entwicklung diese Position beziehen? Welche Geschichte aus Ihrem Leben würde xy (andere Person) erzählen, die verstehen hilft, weshalb Sie diese Entwicklung so beurteilen?

Ich möchte an dieser Stelle eine 5.te Fragenkategorie hinzufügen / vorschlagen, die den Einfluss des Klienten auf das das Leben des PROBLEMS erfragt. Viele Menschen könnten von einer solchen Frage überrascht sein, denn sie sehen sich selbst meist als passiv / Opfer und übersehen dabei, dass auch sie selbst und ihre Handlungen des Lebens von PROBLEM beeinflussen.

Welche Geschichten können Sie erzählen, bei denen Sie entweder das Leben von PROBLEM einmal so richtig schwer gemacht haben, oder ihn zumindest etwas in seinen Aktivitäten behindert haben? Was müssten Sie tun, damit PROBLEM ein richtig leichtes Spiel hat, sich ganz und gar austoben kann?



Unternehmenskultur: Narrative Interviews als Mittel

Systemisch Posted on So, April 08, 2018 12:33:51

Als ich Michael Müller auf einer Coaching Konferenz kennen lernte, war ich von seiner vorgestellten Methode, narrativen Interviews in Unternehmen einzusetzen, fasziniert. Zum einen liefert eine Analyse ein Bild der zur Zeit gelebten Unternehmenskultur und zum anderen lassen sich fundierte Empfehlungen darüber abgeben, wie eine Unternehmenskultur tatsächlich verändert werden kann: welche Geschichten erzählt werden müssten, um die Vorstellung des Unternehmens im Kopf nachhaltig verändern zu können. Details finden Sie in dem Buch ‚Einführung in narrative Methoden der Organisationsberatung‘ von Michael Müller.

Der nachfolgende Text ist eine kurze (ausschnittsweise) Zusammenfassung der Grundlagen, erklärt in dem Buch ‚Narrative Medienforschung von Michael Müller, Petra Grimm‘.

Der Begriff des narrativen Interviews wurde Mitte der 70er von dem Soziologen Fritz Schütze geprägt. Erzählen ist immer ein Prozess der Konstruktion zum Zeitpunkt des Erzählens. Deswegen wird auch die vergangene Geschichte eines Unternehmens immer unterschiedlich erzählt, ja völlig anders strukturiert. Narrative Interviews sind nicht geeignet verlässliche Informationen darüber zu erhalten, was damals geschehen ist, sondern liefern Daten darüber, wie Erzähler die Vergangenheit jetzt konstruieren um ihrer Gegenwart einen Sinn zu geben; wie die Erzähler sich selbst erklären wie etwas (oder sie selbst) so geworden sind, wie sie heute sind. Es geht um das Unternehmen im Kopf. Es geht um die gebildeten Landkarten und Modelle der erzählten Welt, deren Transformationen, Grenzüberschreitungen und die Art und Weise wie erzählt wird. Erzählung in Unternehmen sind dabei weniger stark durch den Einzelnen als durch das System im Unternehmen geprägt.

Ablauf narrativer Interviews

Narrativ sind Interviews, wenn nicht nach Sachverhalten, sondern nach Erlebnissen, Erfahrungen und Abläufen gefragt wird und dabei nur Erzählimpulse gegeben werden. Erzählungen von Erlebnissen auf allgemeine Fragen sind in der Regel nicht willkürlich, sondern haben für den Erzähler eine besondere Bedeutung. Auch erhält man durch offene, allgemeine Fragen Hinweise zu neuen, nicht erwarteten Themenbereichen. Im Vorfeld werden Teilnehmer nicht weiter informiert, denn das würde zu großen Druck ausüben. Ein idealtypischer Ablauf eins narrativen Interviews startet mit biografischen Fragen (Wann sind sie zum ersten Mal .. Wie ist es weiter gegangen. Wie ist die Idee… entstanden. Wie kam es dazu, dass ..), geht über allgemeine episodische Fragen (Wie läuft ein typischer.. ab?, Erzählen Sie doch einmal von einem typischen.. Wenn Sie.., wie läuft das ab?) und endet mit spezifischen episodischen Fragen (Gestern.., wie lief das ab?, Wann waren Sie das erste/letzte mal.. erzählen Sie doch einmal wie das ablief/was passiert ist.). Dabei kann es sinnvoll sein, Fragen zirkulär zu stellen, wenn man Informationen über gegenseitige Einschätzungen und Vermutungen über Verhalten von Personen offensichtlich machen möchte. Narrative Interviews haben auch immer einen aufdeckenden Charakter.

Auswertung narrativer Interviews

In der Auswertung von Einzelinterviews auf Basis der Interview-Transkriptionen schaut man nach diesen Fragen: Welche (teil)biografischen Erzählungen kommen vor? Welche Klassifikation von Narrationen (Ausgangszustand, Ereignis, Endzustand) gibt es? Was sind die Zeitstrukturen, was die eingenommenen Perspektiven? (Point of Views: ist die Erzählebene innerhalb oder außerhalb der dargestellten Welt? Welche subjektive/nicht-subjektive Perspektive wird eingenommen? Werden die Erzählebene und Perspektiven gewechselt? Welche Perspektiven sind dominant?) Was sind die verwendeten Klassen von Personen und Figuren? Wiederholen sich Narrationen? Welche Typen von semantischen Räumen oder Grenzüberschreitungen gibt es?

Anschließend erfolgt die Ableitung von Folgerungen (z.B. für die einzelnen relevanten Wert- und Denksysteme) und die Zusammenfassung der Befunde aus den Einzelinterview-Stichproben.

Grundlagen-Begriffe

Beim Point of View geht es darum, wer informiert und wer nimmt etwas wahr. Das betrifft das Verhältnis von Erzähler und Figuren und damit die Erzählebene. In einer Figurenanalyse wird ermittelt, welche Aktanten repräsentiert werden und von welcher Figur welche Aktanten-Funktion erfüllt wird. Auch wenn zu erwartende Funktionen nicht erfüllt werden, oder zu erwartende Figuren nicht repräsentiert werden, ist das interessant.

Semiotik (vom griechischem Wort ‚sēmeĩon‘‚ für Zeichen) ist eine wissenschaftliche Grundlagentherorie, die sich auf Basis eines Zeichenbegriffs mit dem Funktionieren von Kommunikation beschäftigt. Soweit sich die Semantik (Bedeutungslehre von Zeichen) mit Zeichen aller Art befasst, ist sie ein Teilbereich der Semiotik.

Sogenannte semantischen Räume sind eine Menge von Objekten und Merkmalen, die untereinander korreliert sind. Es gibt konkrete Räume mit bestimmten Bedeutungsmerkmalen und abstrakte Räume, die nicht an Orten gebunden sind.

Eine Geschichte basiert auf einer statischen semantischen Raumstruktur mit einer Grenze und einer Handlung, die eine Dynamik verursacht. Es ist immer erst zu klären, ob eine Geschichte narrativ ist, d.h. die Minimalanforderungen erfüllt: es müssen verschiedene Zeitpunkte erzählt werden, es muss eine Situationsveränderung einer Bezugsgröße erzählt werden, und sich die Bezugsgröße nicht während der Transformation verändern, es muss mindestens eine alternative Möglichkeit bestehen und das Geschehen muss von der Normalität, d.h. von dem was zu erwarten gewesen wäre, abweichen.

Handlungsträger von vielen Geschichten ist der ‚Held‘, der die semantische Raumstruktur überwindet. Der Held bildet mit den Aktanten ein Beziehungsgefüge: Wunschobjekt, Helfer, Gegner, Auftraggeber und Nutznießer. Mehrere Aktanten können durch eine Figur besetzt sein, oder durch mehrere Figuren oder Aktanten können gar nicht repräsentiert werden.

Erzählungen finden immer vor dem Hintergrund eines kontextuellen Systems statt, das sind die externen Daten, auf die eine Erzählung explizit oder implizit verweist.

Bei der Analyse von semantischen Räumen ist zu klären, welche Räume in Opposition zu einander stehen. Es ist hilfreich diese Räume grafisch darzustellen.

Ereignisse können in einer Hierarchie eingeordnet werden. Je höher, je bedeutsamer: Raumtilgung geht vor Grenztilgung, vor Grenzverschiebung und diese vor Grenzüberschreitung. Bei einer Grenzverschiebung bewegt sich die Grenze selbst durch Expansion oder Kontraktion der semantischen Räume. Eine Raumtilgung ändert die dargestellte Welt fundamental. Bei einer Grenztilgung gibt es keine Opposition mehr zwischen den verschiedenen semantischen Räumen.



Delegieren der Sehnsucht nach Liebe an den Partner

Systemisch Posted on Di, Dezember 19, 2017 08:24:15

Für die meisten Menschen hängt Glück auch mit Partnerschaft zusammen, mit dem ‚richtigen‘ Partner, der ‚richtigen‘ Partnerin. Dabei können kindliche Wünsche an die Partner delegiert werden. Manche glauben, Partner hätten die Aufgabe, für Glück zu sorgen. Andere verlangen, dass Partner Bedürfnisse erspüren sollen.

Wir verlieben uns in Menschen, die ganz ähnliche Muster leben wie die, die wir aus unseren Familien kennen. Wir suchen uns Menschen, die uns entweder ähnlich behandeln wie unsere Eltern oder bei denen ähnliche Lösungsstrategien greifen. Das ist einerseits von Vorteil, wir kennen die Muster, andererseits, wenn unsere Kindheit nicht glücklich war, ein Nachteil, denn wir erleben das, was wir in unserer Kindheit erlitten haben auch in unseren Partnerschaften. Deshalb stimmt das Gefühl man würde sich schon ewig kennen.

Kinder aus Familien mit Suchtproblemen finden deshalb oft Partner mit Suchtproblemen. Kinder, die parentifiziert wurden, finden jemanden, dem sie helfen und für den sie sorgen können. Kinder, die traumatisiert wurden, treffen häufig traumatisierte Partner. Trigger Reaktionen können dabei als Beziehungskiller wirken. Kinder, die in Familien mit paradoxer Kommunikation aufwuchsen, finden oft Partner aus ähnlichen Systemen. Die Sehnsucht nach Eindeutigkeit und Nähe hält sich die Waage mit der Angst vor Vereinnahmung und Verlust der Identität.

(zusammengestellt aus ‚Eltern: Wunschbild – Feindbild‘ von Christiane Sautter)



Das IFS (Internal Family Systems) Modell

Systemisch, Therapie Posted on Mo, Mai 01, 2017 16:22:32

Das von Richard C. Schwartz (nicht zu verwechseln mit dem Pseudonym ‚Richard Schwartz‘ eines deutschen SiFi Autors) vorgestellte IFS (Internal Family Systems) Modell erweitert die Methoden des intrapsychischen Prozesses und des systemischen Familienprozesses. IFS geht davon aus (wie im Coaching), dass die Menschen alle Ressourcen besitzen, die sie brauchen. Sie werden nur von polarisierten Beziehungen innerhalb ihrer selbst, als auch mit Mitmenschen, gehindert ihre Ressourcen zu nutzen. In der Zusammenarbeit mit dem Klienten, können Zwänge aufgelöst und Ressourcen freigelegt werden.

Statt die menschliche Psyche als eine Einheit zu betrachten, führt das Modell der Multiplizität (verschiedener Teile) zu einem System interagierender Bewusstseinsformen. Vorläufer des Modells der ‚Vielfalt der Psyche‘ waren z.B. Roberto Assagioli (Psychosynthese) und Carl Gustav Jung (aktive Imagination). Jeder hat nach Schwartz dabei neben seinen Teilen (Teilpersönlichkeiten) ein Selbst, das anderes als die Teile ist. Das Selbst verfügt über Klarheit und andere Eigenschaften, die zu einer effektiven Führung notwendig sind. Die Qualitäten des Selbst sind unter anderem: Ruhe (körperlich und geistig), Klarheit (fähig Situation ohne Verzerrung durch extreme Überlegungen oder Gefühle wahrzunehmen), Neugierde (ohne vorschnell zu urteilen, wie ein Kind in seiner Wissbegier), Mitgefühl, Zuversicht, Mut, Kreativität, Verbundenheit, Freude, Humor, Versöhnlichkeit und Dankbarkeit.

Menschliche Systeme streben nach Gleichgewicht, Harmonie, Führung und Entwicklung. Ein Mensch organisiert sich so, dass das Selbst um jeden Preis geschützt wird. Im Falle eines Traumas oder einer intensiven Emotion, trennen Teile das Selbst von den Gefühlen des Körpers ab (dissoziieren). Dadurch, dass die Teile das Selbst auf mehr oder weniger extreme Art schützen mussten, verlieren sie das Vertrauen in dessen Fähigkeit zur Führung und meinen, sie müssten selbst die Führung übernehmen. Menschen haben zu ihren Teilen so ziemlich dieselbe Beziehung, die ihre Eltern zu eben diesen Teilen hatten.

Systeme im Ungleichgewicht neigen zu Polarisierung. Jedes Mitglied der Polarisierung hat Angst, wenn es sich zurückzöge, gewänne das andere oder das System erleide Schaden. Je schlimmer und länger jemand verletzt wurde, desto polarisierter ist das System der Person gewöhnlich. Wie das Bild zweier Matrosen, die sich über beide Seiten des Bootes hinauslehnen um es zu stabilisieren: je mehr sich der eine über Bord lehnt, desto mehr muss der andere es kompensieren. Beide sind in ihren Positionen stark eingeschränkt und keiner mag eigentlich seine Extremposition, dennoch würde das Boot kentern, wenn nur eine der beiden Positionen verlassen würde, während das Boot allein, ohne die extremen Bemühungen es zu stabilisieren, ziemlich stabil wäre. Die einzige Lösung wäre, wenn sie sich beide gleichzeitig nach innen bewegen würden. Da sie aber kein Vertrauen zu einander haben, muss ein Dritter helfen. Ein Dritter (Kapitän), dem sie beide vertrauen und der ihnen versichert, dass der jeweils andere seine Position aufgibt.

Menschliche Systeme organisieren sich dabei in drei Gruppen: die Manager (schützend, strategisch, kontrollierend, um Sicherheit bemüht), die Verbannten (sensibel, evtl. verletzt oder wütend) und die Feuerbekämpfer (heftig und automatisch reagierend, wenn die Verbannten aufgeregt sind, versuchen sie die Gefühle zu unterdrücken oder zu besänftigen). Die meisten Menschen, selbst die, die nie ernstlich verletzt wurden, sind innerlich in diesen drei Gruppen organisiert, da wir sozialisiert wurden, verschiedene Teile zu verbannen, was dann auch die Rollen der Manager und Feuerbekämpfer notwendig macht.

Erwachsene reagieren auf verletzte Gefühle eines Kindes auf die gleiche extreme Art, wie sie auf die verletzten Teile ihres eigenen inneren Kindes reagieren: mit Ungeduld, Verleugnung, Kritik, heftiger Erregung oder Abscheu. Manager-Teile lernen diese Haltungen zu übernehmen und halten das Selbst davon ab, sich um die jüngeren Teile zu kümmern. Wie jede unterdrückte Gruppe werden Verbannte immer extremer und verzweifelter und suchen nach Gelegenheiten auszubrechen und ihre Geschichten zu erzählen. Überdies können Verbannte zu Auffangstellen für Gefühle werden, die andere Teile nicht haben wollen (z.B. die Teile – die Manager – die das Leben lenken müssen). Wenn die Verbannten die Kontrolle übernehmen, bringen sie den Menschen oft in Gefahr. Z.B. können sie nach einem Befreier suchen, welcher der Person ähnelt, die sie ursprünglich zurückgewiesen hat. Unter Umständen bezahlen sie selbst für kleine Mengen an Liebe, Annahme, Schutz einen hohen Preis für die Hoffnung gehört und befreit zu werden. Wenn die Verbannten vollkommen die Führung übernehmen, können wir handlungsunfähig werden, besessen sein, unfähig zu schlafen oder uns zu konzentrieren, ständig aufgeregt oder depressiv. Es gibt noch andere Gründe unsere Verbannten zu fürchten. Sie lassen uns in einer Weise fühlen und handeln, die von anderen geringgeschätzt oder ausgenutzt wird. Für Männer z.B. bedeutet Verletzlichkeit in der typischen westlichen Sozialisierung, Demütigung. In unserer Kultur muss ein Mann in der Lage sein, sich sehr schnell von jeglichen schmerzlichen Gefühlen abzuschneiden, ihre verletzbaren Teile zu verbannen. Es ist kein Wunder, dass Männer ihre Verzweiflung für sich behalten

Manager leben in der Furcht, dass die Verbannten ausbrechen, fliehen könnten und vermeiden Situationen, die die Verbannten aktivieren könnten und versuchen deren Gefühle, Empfindungen oder Erinnerung nicht in das Bewusstsein vordringen zu lassen. Manager können höchst intellektuell sein und wirkungsvoll Probleme lösen aber auch davon besessen sein, Gefühle von sich zu weisen. Als Streber, Kontrolleur, Kritiker und strenger Zuchtmeister sind sie häufig perfektionistisch. Ein anderer Type Manager, als passiver Pessimist, kann Leistungen sabotieren und das Selbstvertrauen zerstören, oder als Sorgenmacher und Wachposten nur die schlimmsten Möglichkeiten aufzeigen und so den Menschen vor Risiken schützen. Andere mögliche Manager Werkzeuge sind Zwänge, Zwangsvorstellungen, Zurückgezogenheit, emotionale Distanz, Phobien, Angstanfälle, somatische Beschwerden, depressive Episoden, Überwachsamkeit oder Alpträume. Immer ist es Ziel, das die gefürchteten Gefühle und Gedanken nicht nach außen dringen, sodass das System sicher bleibt und der Mensch im Leben funktionieren kann. Manager kontrollieren, überprüfen fortwährend auf Risse in ihren Masken von Unverzichtbarkeit, Freundlichkeit oder Perfektion. Auf der Grundlage der Reaktion aus der Außenwelt, aber auch, um ihren schützenden Zwecken zu dienen, entwickeln sie Überzeugungen von ‚Ich bin..‘. Eine nette Person schickt beispielsweise ihre ärgerlichen oder aggressiven Teile in die Verbannung; jemand, der hart arbeitet, gibt seinen verspielten Teilen nicht viel Zeit und eine starke Person versteckt ihre verletzlichen Teile. Manager erschaffen ihre Wirklichkeit. Sie sind für Internalisierung in unserem System zuständig und glauben unser Überleben hänge von der Gnade der äußeren Welt ab. Sie wollen die Welt verändern, damit sie vorhersagbarer und weniger bedrohlich ist und haben Angst vor den Konsequenzen, wenn sie ihre Macht abgeben.

Sollten trotzt größter Anstrengungen der Manager, Verbannte einmal drohen auszubrechen, werden automatisch die Feuerbekämpfer aktiviert. Sie nehmen der Person die Kontrolle, sind impulsiv, gedankenlos, reaktiv. Ihre Maßnahmen umfassen oft sich betäubende Aktivitäten (Selbstverstümmelung, unmäßiges Essen, schützende Wut, Drogen oder Alkoholmissbrauch, den Trost von Selbstmordgedanken, exzessive Masturbation, oder Geschlechtsverkehr mit wechselnden Partnern ohne dauerhafte Bindung), ohne Rücksicht auf Gefahren für den Menschen. Ihre Absicht ist schützend, auch wenn die Handlungen, die sie begehen, selbst destruktiv sind. Feuerbekämpfer sind reaktiv. Sie werden aktiv, sobald die Verbannten aufgewühlt sind und Feuer aufflammt. Ihre Dringlichkeit macht sie auf impulsive Art gleichgültig gegenüber den Konsequenzen. Es sind die Teile, die uns dick, abhängig, feindselig, angeberisch, kränklich, unsensibel und impulsiv machen können.
Zusätzlich können Teile Lasten, extreme Gefühle, Gedanken, Verhaltensweisen oder Gefühle übernehmen, die im Leben von einer Person abgeleitet wurden. Insbesondere junge Teile sind dafür empfänglich.

Tatsächlich ist der Vorgang, sich auf sich oder auf einen Teil von sich zu konzentrieren und ihn zu bitten ‚zurück zu treten‘ einer Form der Meditation ähnlich. Therapeut oder Coach arbeiten mit dem Selbst des Klienten zusammen als wäre er Ko-Therapeut/Ko-Coach. Oft erledigen die Klienten einen Großteil der inneren Arbeit zwischen den Sitzungen.

(aus IFS – das Innere Familien System und IFS – Das System der Inneren Familie. Ein Weg zu mehr Selbstführung)



Doppelbindung (double-bind)

Systemisch Posted on Do, Februar 09, 2017 23:31:15

Was versteht man unter einem double-bind? Ein double-bind entsteht auf Grund einer paradoxen Kommunikationssituation. Entstehung und Ablauf weisen oft schematisch vier Bedingungen auf (in Anlehnung an Bateson u. a. und Watzlawick u. a. 1967, dt. 1969):

  1. Mindestens zwei Personen haben eine intensive Beziehung zueinander, die für einen Partner physisch und/oder psychisch lebenswichtig ist.
  2. Gegenüber einer der beteiligten Personen wird eine verbale Mitteilung gemacht, die zumeist zu einer Handlung oder einem Verhalten auffordert, verbunden mit einer Strafandrohung (Inhaltsaspekt der Mitteilung).
  3. Eine zweite Mitteilung erfolgt auf einer außerverbalen (Gestik, Mimik usw.) oder paralinguistischen (Stimmlage, Sprechgeschwindigkeit) Mitteilungsebene und steht zu der ersten in unauflösbarem Widerspruch (Beziehungsaspekt der Mitteilung).
  4. Der Empfänger hat nicht die Möglichkeit (auf Grund der engen Beziehung), sich den paradoxen Handlungsaufforderungen zu entziehen: Er kann weder aus der Beziehung treten, noch kann es metakommunikativ die beiden Aufforderungen kritisieren oder den zwischen ihnen bestehenden Widerspruch thematisieren.

Die Theorie der Doppelbindung spielt in der Schizophrenieforschung sowie der Kommunikationstheorie eine wesentliche Rolle und wird in zunehmendem Maße für die Analyse und Beschreibung pathologischer Kommunikation und im gesellschaftlichen Bereich herangezogen.

(siehe uni-freiburg.de)

In dem Buch ‚Wege aus der Zwickmühle, Doublebinds verstehen und lösen‚ von Christiane und Alexander Sautter werden die Regeln in einem Double-bind System wie folgt beschrieben:

Die Regeln einer Beziehungsstruktur mit paradoxem Kommunikationsmuster sind weitgehend unbewusst. Die Existenz solcher Regeln, sollten sie bemerkt werden, können sogar vehement bestritten werden. Alle Mitglieder in dem System sind dem Muster gleichermaßen unterworfen. Während in gesunden Beziehungen je nach Kontext sich symmetrische und komplementäre Interaktionen abwechseln, werden in Double-bind Systemen symmetrische Beziehungsmuster gepflegt, negative Gefühle geleugnet und Unterschiede als Gefahr für den Frieden wahrgenommen. Z.B. dürfen Ehepartner nicht wahrnehmen, dass sie verschieden sind. Emotional können sie sich nicht wirklich auf einander einlassen. Rollenmodell sind festgelegt, stereotypisiert. Die Rollenstruktur bleibt unangetastet, egal wie sich die Mitglieder entwickeln. Es darf sich nichts verändern. Alles soll so bleiben wie es ist. In Familien wird die Familienlegende häufig nach außen heftig verteidigt (‚bei uns gibt es keinen Schwierigkeiten‘). In solchen Familien wird viel über andere geredet, die offene Auseinandersetzung jedoch vermieden. Wenn einer im System versucht eine eigenständige Position zu behaupten, wird diese nicht zur Kenntnis genommen oder derjenige zum Sündenbock erklärt. Er dient als Ventil für die Spannungen im System und sorgt so für ein Gleichgewicht. Auch psychische Symptome können eine Sündenbock Funktion übernehmen. Die Gleichheit (Symmetrie) im System muss aufrechterhalten werden. Um die eigene Autorität aufrecht zu erhalten, darf es niemals Bestätigungen geben, sondern stattdessen muss es immer etwas zu finden sein, was man am anderen (Sündenbock) aussetzen kann. Ein andere Regel ist, dass niemand das System verlassen darf. Außerdem ist es nicht erlaubt, über die verwirrende Kommunikation / unterschiedlichen Signale zu sprechen. Unstimmigkeiten werden geleugnet und die Verantwortung dem zu geschoben, der sie klären will. In erster Linie ist es wichtig die Kontrolle zu behalten (‚Du kannst es nie richtig machen, denn darum geht es gar nicht. Es geht ausschließlich darum, die Beziehung zu dir zu kontrollieren.‚).

In Double-bind Familien kann sich ein Kind nicht auf seine Gefühle verlassen. Es erhält die Botschaft “Wenn du so wärst, wie du nicht bist, dann wärst du genau richtig.” Das Kind versucht verzweifelt dieser unerfüllbaren Forderung nachzukommen, weil es danach strebt geliebt und angenommen zu werden. In dem es versucht so zu sein, wie es nicht ist, verstrickt es sich immer tiefer. Ein Mittel zu entgehen, wäre über die paradoxe Kommunikation zu reden, doch das in einer Double-bind Familie verboten. Kinder können je nach Temperament zwei Lösungsstrategien einsetzen: 1. sie versuchen das Ziel der Anerkennung mit erhöhtem Einsatz zu erreichen (oft sind dies später Erwachsene, die unglaubliches leisten, aber selbst nie zufrieden sind); 2. sie finden sich mit ihrer ‚Minderwertigkeit ab und sind überzeugt, keine Anerkennung zu verdienen (beispielsweise tun sie alles für ihre Eltern ohne je einen Dank zu erhalten und beweisen dabei eine enorme Leidensfähigkeit). Andere Lösungsstrategien betreffen die Kommunikation. Betroffene, die sich für den nonverbalen Aspekt der Kommunikation entschieden haben, bezeichnen sich selbst oft als ‚lebendige Antennen‚ und entwickeln eine hohe Empathie. Dem gesprochenen Wort hingegen vertrauen sie nicht, stellen es in Frage, bleiben bei ihrem Gefühl, auch wenn der Beurteilte anderer Meinung ist. Ein Kind kann sich auch für den verbalen Aspekt entscheiden. Jedes Wort des Gegenübers wird dann auf die Goldwaage gelegt, alle Äußerungen interpretiert (ohne Rückversicherung), eigene Beteiligung an Beschuldigungen ausgeschlossen usw. Andere Kinder versuchen den verwirrenden Botschaften mit absoluter Ehrlichkeit (ohne Rücksicht auf Verluste) zu begegnen, auch wenn sie sich dafür Schwierigkeiten einhandeln. Oder Kinder entscheiden sich dafür nicht zu wählen und sind im Alltag unentschlossen bis handlungsunfähig, verlieren sich bei der Gefahr einer möglichen Entscheidung in innere Welten und können die reale Umwelt vollständig vergessen.

Jeder, der in einer solchen Familie aufwächst, kommuniziert, ohne es zu wissen, ebenfalls paradox. Wenn die Eltern verstorben sind oder der Kontakt abgebrochen wurde, setzt sich das Spiel in anderen Kontexten fort (z.B. mit anderen Autoritäten). Auch in Partnerschaften kann dieses Muster fortgesetzt werden indem z.B. einerseits eine große Sehnsucht nach Nähe besteht aber dennoch auch eine Angst vor Nähe. Strategien können Affären mit verheirateten oder fest liierten Partnern sein, oder Fern-Beziehungen mit Menschen am anderen Ende der Welt (‚Nur in der Ferne bin ich dir nahe, doch in der Nähe bin ich dir fern.‘).

Auch in Organisationen können Doppelwirklichkeiten entstehen, die zur Belastung werden können und mit Burnout-Themen zusammenhängen können (siehe z.B. ‚Alles verknotet‚). In einem Kapitel aus dem gleichen Buch von Christiane und Alexander Sautter beschreiben Christel Kumbruck und Erika Kleestorfer, Doppelbindungen in der komplexen Wirklichkeit von Organisationen, die z.B. durch überlappende Regelwerke entstehen können.
Kulturell, durch Merger, durch das Auseinanderklaffen von Normen und Strukturen, durch doppelte Wirklichkeiten der offiziellen Regeln und dem tatsächlichem Handeln, durch Doppelsitzen auf gleicher hierarchischer Ebene (Matrixorganisation), Linien und Stabsfunktionen etc. Dabei kann sich das Individuum ohnmächtig in diesen Widersprüchen gefangen fühlen. Mitarbeiter sollen mit allen parallelen Wirklichkeiten umgehen können; immer wissen, in welcher sie sich gerade befinden; welche Regen gelten und was eine adäquate Reaktion ist. Insbesondere ist ein höchstes Maß an Flexibilität gefordert, denn auch eine Änderung der Spielregeln mitten im Spiel gehört dazu. Am besten die Mitarbeiter müssen überhaupt nicht darüber nachdenken, welches Spiel gerade gilt, sondern verhalten sich automatisch immer angemessen.

Grundsätzlich gilt aber: Double-binds sind erlernte Muster und können verändert werden!

Das Erkennen ist der erste Schritt. Ein installierter innerer Beobachter (eine Instanz in uns, die uns erlaubt ‚mit Abstand‘ zu beobachten) hilft. Oder das Führen eines ‚Trigger (Auslöser) Buches‘, reiten lernen oder einen Hund zu erziehen (in beiden Fällen muss man lernen kongruent / eindeutig zu sein). Belastende eigene Muster auf Grund von Doppelbindungen, denen man ausgesetzt war, lassen sich ändern.



Firma als große Familie

Systemisch Posted on Sa, November 05, 2016 18:09:18

Die Firma als große Familie ist eine Illusion, die nicht nur in Familienbetrieben für Spannungen sorgt und dazu führt, das Angestellte ausbrennen. Von ihnen wird nämlich erwartet, sich für die Firma aufzuopfern, unbezahlte Überstunden zu leisten und alles für das Wohlergehen des Betriebes zu tun, wie man es selbstverständlich ja auch für die Familie tun würde. Sollte der Arbeitnehmer jedoch wagen, eines der Rechte in Anspruch zu nehmen, die einem Familienmitglied zustünden, indem er zum Beispiel die eigene Befindlichkeit in den Vordergrund rückt, um früher Schluss zu machen, stößt er rasch an die Grenzen des Modelles. Arbeitskollegen sind auch keine Geschwister, die wie Pech und Schwefel zusammenhalten. Immer noch gilt in der Arbeitswelt, dass derjenige Karriere macht, der sich durchzusetzen versteht, was im krassen Widerspruch zur verordneten Teamfähigkeit steht.

(aus ‚Aufstellen – systemisch richtig!‘ C. und A. Sautter)



Kooperationsverweigerung als Lösungsverhalten

Systemisch Posted on Di, September 27, 2016 13:37:55

Kooperationsverweigerung kann man als ein Lösungsverhalten ansehen. So kann es zum Beispiel ein Hinweis sein, dass die Problemdefinition einer anderen Person abgelehnt wird. In der Verweigerung kann viel Kraft und der Schlüssel zum Selbstwertgefühl liegen, was eine wichtige Ressource für den Betroffenen darstellt.
(Conen M.-L., 1999, 2005)



Systemische Interventionen

Konstruktivistisch, Systemisch Posted on Sa, September 10, 2016 19:07:17

Die Situation: Im Laufe der gemeinsamen Geschichte wurde eine Wirklichkeit erzeugt, die leidvoll erlebt wird. Der kommunikative Austausch der Beteiligten ist in starren Mustern verwoben. Die einmal gefundene Ordnung wird aufrechterhalten. Die Welt ist nicht schön, aber vorhersagbar. Jedes Ereignis, dass ins Bild passt, wird als typisch angesehen, Abweichungen ignoriert oder als Ausnahme angesehen.

In der systemischen Sicht, ist ein Problem ein Geschehen (nicht ein Wesensmerkmal) an denen einige oder viele miteinander interagierenden Menschen beteiligt sind. Im Kontext des Problems wird nach einem Verständnis gesucht. Wer ist Mitglied dieses Kontextes? Wer beschreibt das Problem und die verbundenen Interaktionen wie?

Wirklichkeit ist das Ergebnis einer sozialen Konstruktion, der Geschichten, die von den verschiedenen Menschen erzählt wird und deren Bedeutungen, die ihnen gegeben wird. Menschliches Leben findet in einer Welt von gemeinsam geteilten und mit-geteilten Bedeutungen statt. Im Gespräch, in den Geschichten, halten wir unsere Wirklichkeit stabil und bestätigen uns wechselseitig unsere Identitäten. Menschen bilden nicht nur ein Bild von sich selbst, sondern auch Erwartungen darüber aus, welche Erwartungen von anderen an sie gestellt werden (Erwartungs-Erwartungen). Sie kommunizieren und handeln auf Basis ihrer eigenen Erwartungs-Erwartungen.

Der systemische Coach / Berater / Therapeut unterstützt den Klienten beim Einnehmen einer selbstreferenten Position, in der er als eigener Beobachter über mehr Wahlmöglichkeiten verfügt oder sich seines Anteils am Kommunikationsmuster bewusst wird.

Es werden Randbedingungen für Musterveränderungen geschaffen, da sich soziale Systeme nicht im herkömmlichen Sinne steuern lassen. Dabei wird vordringlich nach neuen Bildern, Ideen, Perspektiven und bereits vorhandenen Ressourcen gesucht, die allen Beteiligten wertschätzend beschreiben und eine Kooperationsbeziehung ermöglichen.

(frei nach ‚Systemische Interventionen‚, Arist von Schlippe, Jochen Schweitzer)

Lesen Sie weiter.. Auch Fortschritt ist ein sozial konstruiert Phänomen..



Systemisch leiten

Systemisch Posted on Mi, Juli 20, 2016 18:59:43

Zusammenfassung des Kapitels ‚Systemisch leiten‘ aus dem Buch ‚einfach systemisch!‘ von Christina Renoldner, Eva Scala, Reinhold Rabenstein.

Sie können nicht einseitig bestimmen, wie erfolgreich geleitet wird. Leiten sehen wir als ein Zusammenspiel aller Beteiligten, eine Ko-Kreation, eine gemeinsame soziale Erfindung. Es handelt sich um einen Kommunikationsprozess von gemeinsamen subjektiven Deutungen darüber, welches Verhalten in welchen Situationen zulässig ist, d.h. welche Regeln in welchem Kontext gelten.

Menschen neigen dazu, Ereignissen, für die sie ein Wort gefunden haben, wie ein Ding zu sehen: “die Leitung”, “der Konflikt”, die Gruppe”. Diese Verdinglichung vereinfacht zwar den Informationsaustausch, weil jeder zu verstehen glaubt, aber sie täuscht auch. Eine Gruppe IST nicht, eine Gruppe geschieht. Sie wird durch vielerlei Interaktionen erschaffen und aufrechterhalten.

Eine Gruppe bekommt ihr Gesicht, ihre Eigenart durch die Beschreibungen, Erklärungen und Bewertungen der Gruppenmitglieder und der Außenstehenden. Eine Gruppe ist eine Selbst-Erfindung ihrer Mitglieder. Es geht nicht darum, wie die Gruppe tatsächlich ist, sondern wie die verschiedenen Zuschreibungen wirken. Man kann sie förderlich oder hinderlich erleben.

Bedürfnisse zeigen sich in Wünschen, Ansprüchen, Forderungen und Werten. Diese Bedürfnisse werden unterschiedlich und widersprüchlich erlebt – das löst die Dynamik in der Gruppe aus. Soziale Systeme erzeugen Komplexität ganz von sich aus. Komplexität entsteht aus der Vielfalt und der Unberechenbarkeit. Unsicherheit ist demnach normal in sozialen Systemen. Die Gruppe braucht einen Leiter, auf die sie ihre positiven Erwartungen bündeln und projizieren kann. Das gibt der Gruppe vor allem in Anfangssituationen Sicherheit. Komplexität wird verringert durch Entscheidungen und Anweisungen. Entscheidungen sind bedeutsame Interventionen der Leitung. Wirksame Entscheidungen sind sowohl fachlich nützlich als auch sozial anerkannt.

Den sozialen Aushandlungsprozess gestaltet der Leiter in einer Balance von Pacing (Mitgehen: mitfühlen, nachfragen, einfühlen, bestätigen, anerkennen) und Leading (Führen: Vorschläge machen, unterbrechen, erklären, bewerten, entscheiden, vermitteln, Initiativen und Ziele setzen). Es ist Aufgabe des Leiters, Feedback einzuführen, wobei Feedback ein heikles Instrument ist, da jedermann Scheu vor Beurteilung hat.

Konflikte sind normal, sie entwickeln sich in allen sozialen Systemen. Konflikte sind immer ein Zusammenspiel, eine Ko-Kreation der beteiligten Personen. Die Kunst des Konfliktmanagement ist: die Unterschiede und Übereinstimmungen in Kommunikation zu bringen – einen Dialog anzuregen; Polaritäten zu schätzen und Hilfen für einen Neubewertung zu geben; allen Teilen gleichermaßen Gehör zu verschaffen (Allparteilichkeit zu zeigen); gegenseitige Abwertungen zu unterbrechen und in Beschreibungen umzuwandeln; Gefühle und Wahrnehmungen der Gegner zu kennen; Vorwürfe in Wünsche und Bedürfnisse umzuwandeln; weg von der Position des Verteidigen hin zu einer Position des Bedürfnisse-Verhandelns zu kommen; Würdigung der guten Absicht; eine achtsame, wertschätzende Beschreibung; die Polarität des Einen und des Anderen, des Guten und des Schlechten aufzuweichen; sicherstellen, dass alle Betroffenen sich gehört und verstanden fühlen, ihre Positionen aufweichen, ihre Bedürfnisse erkennen und mitteilen und verhandeln können. Ist die Leitung selbst betroffen, wäre es nötig, eine außenstehende Person als Konfliktmoderater einzuladen.

Die Leitungsfunktionen umfasst mehrere Rollen gleichzeitig:
Leadership – Vorangehen, einen Weg weisen
Managen – den Alltag gestalten
Coachen – zur eigenen Lösung begleiten
(eigene Anmerkung: .. und ggf. die Rolle des Experten)

Eine Gruppe zu leiten ist ein komplexes Geschehen. Es bedeutet: die Zugehörigkeit und einen guten Platz jedes Einzelnen zu beachten; die Schaffung der Gruppe durch die Interaktionen ihrer Mitglieder; Kommunikation anzuregen und zu moderieren; die Dynamik der Gruppe zu balancieren; als Leiter Teil der Gruppe zu sein und gleichzeitig eine besondere Rolle einzunehmen; die Beziehung zu Einzelnen und der ganzen Gruppe zu gestalten und den Wandel der Gruppe in verschiedenen Beziehungsphasen zu verstehen.

Es ist nützlich die Gruppenphasen als Selbstorganisationsprozess zu sehen. Aufgabe der Leitung in den verschiedenen Phasen sind:

  1. Anfangssituation: einen sicheren Rahmen zu schaffen, Kontakte und Begegnungen zu fördern, Verhaltensregeln und Normen vor zu schlagen, Abweichungen zu benennen ohne zu bestrafen oder bloß zu stellen.
  2. Kooperationsphase: attraktive Aufgaben zu finden und auf die Beteiligungsmöglichkeiten aller zu achten, das verhandeln von Aufgaben, Werten und Bedürfnissen zu unterstützen, Spielräume zu erweitern und zu delegieren.
  3. Konfrontation: direkte Kommunikation zu fördern, Parteien in Dialog zu bringen, Gegensätze als unterschiedliche Bedürfnisse zu benennen, alle Beiträge anzuerkennen, versöhnlich, wertschätzende und mitfühlenden Allparteilichkeit; Kränkungen zu unterbrechen und Grenzen zu setzen.
  4. Integration: Raum zur Selbstorganisation gebe; sich unsichtbar machen und zugleich präsent sein ohne sich einzumischen; neue Ziele und Spielregeln vereinbaren.
  5. Trennung / Abschied: einen Trennungsprozess zu gestalten statt einfach geschehen zu lassen; Fragen, die im Trennungsstress entstehen Raum geben und die Kommunikation nicht abbrechen zu lassen; Benennen, Würdigen und Verabschieden von dem .. was glückte, schön und erfolgreich war, von dem was schmerzte und verletzte und von dem was unvollendet blieb.

Das Wort “Außenseiter” ist eine Beschreibung und Bewertung einer Interaktion zwischen einer Person und der Gruppe – keine Realität über eine Person allein. Jemand kann nicht für sich Außenseiter sein. Unauffällige muss man erst einmal bemerkten und dann behutsam, aber konsequent in die Gruppe holen. “Störer” / “Abweichler” erfüllen eine Funktion im Gesamtsystem. An ihnen können wir wahrnehmen, was der Gruppe besonders wichtig ist, was als Tabu gilt, wo die Gruppe sich bedroht fühlt. In diesem Fall ist es hilfreich herauszufinden, welche Funktion die Außenseiter übernehmen. Oft kann man ein Wechselspiel zwischen Stabilität und Beseitigung beobachten. Einmal überwiegt der Zusammenhalt, dann wieder die Seite des Ausschließens. Einzelne in der Gruppe verhalten sich auf einer Weise, die die Situation eher verschärft. Vor allem Mitglieder, die eher um Anerkennung kämpfen müssen, scheinen daran interessiert zu sein, andere in der Rolle des Außenseiters zu bestärken. Wir können auch einen Lustgewinn annehmen. Auch die institutionalisierte Leitungsfunktion ist eine Außenseiterposition.



Mehr als ein Wunder

Systemisch Posted on Mo, Juni 27, 2016 22:34:50

Aus “Mehr als ein Wunder”
(Steve de Shazer)

Was nicht kaputt ist, muss man auch nicht reparieren.

Wenn etwas nicht funktioniert, sollte man etwas anderes probieren.

Das, was funktioniert, sollte man häufiger tun.

Kleine Schritte können zu großen Veränderungen führen.

Die Lösung hängt nicht zwangsläufig mit dem Problem direkt zusammen.

Die Sprache der Lösungsentwicklung ist eine andere als die, die zur Problembeschreibung notwendig ist.

Kein Problem besteht ohne Unterlass: Es gibt immer Ausnahmen, die genutzt werden können.

Die Zukunft ist sowohl etwas Geschaffenes als auch etwas Verhandelbares.



Problemlösungen benötigen keine Erklärungen

Systemisch Posted on So, Juni 26, 2016 21:58:45

Extrakt aus ‚Steve de Shazer, Der Dreh. Überraschende Wendungen und Lösungen in der Kurzzeittherapie.‘:

Menschen haben oft Schwierigkeiten, den Versuch, ein Problem zu lösen, aufzugeben, weil sie (wir) ‚im Innersten‘ an dem Glauben festhalten, dass eine Erklärung sowohl möglich als auch unerlässlich ist, um ein Problem wirklich zu lösen. Lösungen zu Problemen werden oft übersehen, weil sie wie bloße Vorspiele aussehen; wir suchen letztlich nach Erklärungen, in dem Glauben, dass eine Lösung ohne Erklärung irrational ist, und erkennen nicht, dass die Lösung selbst ihre beste Erklärung ist.

In der Therapiesituation scheint das einfache, detaillierte Beschreiben einer Zukunft, in der das Problem schon gelöst ist, die Erwartung zu wecken, dass das Problem gelöst werden wird. Diese einmal geweckte Erwartung kann dem Klienten dabei helfen, sein Denken und Verhalten so zu verändern, dass sich seine Erwartung tatsächlich erfüllt. Hat sich eine Erwartung erst einmal geändert, kann sich jedes Muster ändern.

In den letzten .. Jahren haben meine Kollegen und ich die klinische Richtigkeit der Volksweisheit ‚Keine Regel ohne Ausnahme‘ in die Praxis umgesetzt. Wir definieren Ausnahmen als alles, ‚was passiert, wenn die Beschwerde nicht vorhanden ist‘. Die Suche nach Ausnahmen und ihr regelmäßiges Auffinden hat uns gelehrt, dass es beschwerdefreie Zeiten gibt. Was ein furchtbar einfacher Gedanke! Angesichts unserer früheren Arbeit und der Arbeit anderer war dies ein Schock.



Bedeutungen sind verhandlungsfähig

Systemisch Posted on So, Juni 26, 2016 21:55:51

Kommunikation ist eindeutig ein interpersonaler Prozess, der impliziert, dass .. Bedeutungen verhandlungsfähig sind. Die Bedeutungen eines Wortes oder eines bestimmten Verhaltens kann dadurch konstruiert und erfunden werden, wie dieses Wort in der sozialen Interaktion – in einem spezifischem Kontext – verwendet wird.

(aus ‚Steve de Shazer, Der Dreh. Überraschende Wendungen und Lösungen in der Kurzzeittherapie.‘)



Schwierige Fälle darf es für uns nicht geben

Systemisch Posted on So, Juni 26, 2016 21:54:20

Sobald wir von einem Fall als ’schwierig‘ denken, wirken wir in der Klienten / Coach Beziehung an der Konstruktion eines schwierigen Falls mit. Wir verhalten uns so, als ob der Fall schwierig wäre, überlegen uns z.B. schwierige Interventionen, die der Klient nicht versteht, wodurch wir uns in der Bewertung des Falles als schwierig bestätigt sehen. Eine wirksame Alternative ist einfach: wir verbieten uns in Zukunft von irgendeinem Fall als schwierig zu denken.

Steve de Shazer schreibt hierzu (Extrakt aus ‚Steve de Shazer, Der Dreh. Überraschende Wendungen und Lösungen in der Kurzzeittherapie.‘):

Mead (1973) meinte, dass das Selbstbild einer Person davon abhängt, wie diese Person glaubt, von anderen Menschen gesehen zu werden. Wenn demnach ein Therapeut einen Fall als ’schwierig‘ einschätzt, ist er im Begriff sich so gegenüber dem Klienten so zu verhalten. Der Rahmen ’schwieriger Fall‘ wird zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Auffälliges Verhalten scheint komplizierte Beschreibungen zu erfordern, d.h. als Resultat entsteht ein ’schwieriger Fall‘. Schon wie ein Therapeut sich selbst den Fall in der Anfangsphase der ersten Sitzung beschreibt, kann eine Einschränkung der Lösungsmöglichkeiten bedeuten.



Einige Regeln für das Scheitern

Systemisch Posted on So, Juni 26, 2016 21:50:38

Einige Regeln für das Scheitern..

  1. Nimm eine unzureichend definierte Beschwerde
    2. Nimm ein unzureichend definiertes Ziel
    3. Nimm ein Ziel, egal wie gut es formuliert, das beim Erreichen keinen Unterschied macht

(aus: ‚Steve de Shazer, Der Dreh. Überraschende Wendungen und Lösungen in der Kurzzeittherapie.‘)