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von http://contra.one

für systemisch, konstruktivistisch arbeitende Coaches, Berater, Therapeuten und alle Interessierten

Nur ein Augenblick

Metaphern Posted on Sa, Juli 23, 2016 09:36:29

Ein Weiser wurde gefragt, wie es gelingen konnte, den Augenblick voll auszukosten, um etwas davon festhalten zu können. Schließlich sei der Augenblick zu wertvoll und unwiederbringlich, als dass man ihn einfach so entschwinden lassen könne.

“Was denkst du”, fragte der Weise den Fragesteller, “wenn du versuchst, den Augenblick festzuhalten?”
“Ich denke: Jetzt!”, antwortete dieser.
“Und dann?”, fragte der Weise.
“In dem Moment, in dem ich: Jetzt! denke, ist er auch schon vorbei und ich habe nichts mehr davon. Festhalten kann ich nichts.”
“Du hast recht”, erwiderte der Weise. “In dem Moment, in dem du: Jetzt! denkst, ist das Jetzt schon vorüber. Jetzt! sagen nützt gar nichts.”
“Aber was soll ich tun?” fragte der andere. “Ganz gleich, was ich denke, es ist sofort verflogen.”
“Du täuschst dich”, sagte der Weise. “Ich will dir ein Geheimnis anvertrauen. Versuch es einmal ganz anders: Atme tief ein und tief aus. Höre auf den Schlag deines Herzens. Schau, was Jetzt! grade ist und dann sag ganz einfach und ruhig: Ja’.

In diesem ,Ja’ kostest du den gegenwärtigen Augenblick voll aus. Viele vergangene Augenblicke und viele Augenblicke, die noch kommen werden.
Das ,Ja’ verfliegt nicht wie das flüchtige ,Jetzt!’. Es bleibt bei dir. Das ,Ja’ ist stärker als die Zeit. Es hat Teil an dem, was nicht vergeht.”

Der Weise lächelte: “In jedem ,Ja’ wohnt ein Augenblick Ewigkeit. Du kannst es fühlen!”

Verfasser unbekannt



Das perfekte Herz

Metaphern Posted on Sa, Juli 23, 2016 09:30:28

Eines Tages stand ein junger Mann mitten in der Stadt und erklärte, dass er das schönste Herz im ganzen Tal habe. Eine große Menschenmenge versammelte sich, und sie alle bewunderten sein Herz, denn es war perfekt. Es gab keinen Fleck oder Fehler in ihm. Ja, sie alle gaben ihm Recht, es war wirklich das schönste Herz, was sie je gesehen hatten. Der junge Mann war sehr stolz und prahlte noch lauter mit seinem schönen Herzen.

Plötzlich tauchte ein alter Mann vor der Menge auf und sagte: „Nun, Dein Herz ist nicht mal annähernd so schön, wie meines.“. Die Menschenmenge und der junge Mann schauten das Herz des alten Mannes an.
Es schlug kräftig, aber es war voller Narben, es hatte Stellen, wo Stücke entfernt und durch andere ersetzt worden waren. Aber sie passten nicht richtig, und es gab einige ausgefranste Ecken. An einigen Stellen waren tiefe Furchen, wo ganze Teile fehlten.
Die Leute starrten ihn an. Wie kann er behaupten, sein Herz sei schöner, dachten sie? Der junge Mann schaute auf des alten Mannes Herz, sah dessen Zustand und lachte: „Du musst scherzen“, sagte er, „Dein Herz mit meinem zu vergleichen. Meines ist perfekt und Deines ist ein Durcheinander aus Narben und Tränen.“
„Ja“, sagte der alte Mann, „Deines sieht perfekt aus, aber ich würde niemals mit Dir tauschen. Jede Narbe steht für einen Menschen, dem ich meine Liebe gegeben habe. Ich reiße ein Stück meines Herzens heraus und reiche es ihnen, und oft geben sie mir ein Stück ihres Herzens, das in die leere Stelle meines Herzens passt. Aber weil die Stücke nicht genau sind, habe ich einige raue Kanten, die ich sehr schätze, denn sie erinnern mich an die Liebe, die wir teilten. Manchmal habe ich auch ein Stück meines Herzens gegeben, ohne dass mir der andere ein Stück seines Herzens zurückgegeben hat. Das sind die leeren Furchen. Liebe geben heißt manchmal auch ein Risiko einzugehen.
Auch wenn diese Furchen schmerzhaft sind, bleiben sie offen und auch sie erinnern mich an die Liebe, die ich für diese Menschen empfinde und ich hoffe, dass sie eines Tages zurückkehren und den Platz ausfüllen werden. Erkennst du jetzt, was wahre Schönheit ist?“
Der junge Mann stand still da und Tränen rannen über seine Wangen. Er ging auf den alten Mann zu, griff nach seinem perfekten jungen und schönen Herzen und riss ein Stück heraus. Er bot es dem alten Mann mit zitternden Händen an. Der alte Mann nahm das Angebot an, setzte es in sein Herz. Er nahm dann ein Stück seines alten vernarbten Herzens und füllte damit die Wunde des jungen Mannes Herzen. Es passte nicht perfekt, da es einige ausgefranste Ränder hatte. Der junge Mann sah sein Herz an, nicht mehr perfekt, aber schöner als je zuvor, denn er spürte die Liebe des alten Mannes in sein Herz fließen. Sie umarmten sich und gingen weg, Seite an Seite.

Verfasser unbekannt



Die perfekte Frau

Metaphern Posted on Sa, Juli 23, 2016 09:28:30

Ein Schüler fragte Nasrudin eines Tages, warum er nie geheiratet habe.

„Ach“ antwortete Nasrudin „ich hatte mir vorgenommen, nur dann zu heiraten, wenn ich die perfekte Frau gefunden habe. So suchte ich lange Jahre und begegnete vielen Frauen, die nett und schön und intelligent waren. Aber keine davon perfekt.“

Nach einer kleinen Pause fuhr er fort: „Eines Tages sah ich sie. Ich wusste sofort, dass sie in jeder Hinsicht perfekt war. Und als ich sie dann kennen lernte, stellte sich heraus, dass sie tatsächlich in jeder Hinsicht ein makelloses Juwel war.“

„Und, warum hast du sie dann nicht geheiratet?“ fragte der Schüler.

Nasrudin seufzte tief: „Das Problem war, dass sie den perfekten Mann suchte.“

nach ‚Der Geschichtenerzähler von Joel ben Izzy‚



Elefanten verscheuchen

Metaphern Posted on Sa, Juli 23, 2016 09:25:29

Ein Mann läuft durch die Straßen und klatscht dauernd in die Hände.
Ein Bekannter trifft ihn und fragt: “Warum klatschst du in die Hände?”
“Um die Elefanten zu verscheuchen.”
“Aber hier gibt es doch gar keine Elefanten!”
“Siehst du, es wirkt!”

Paul Watzlawick



Das tote Pferd

Metaphern Posted on Sa, Juli 23, 2016 09:24:02

Eine Weisheit der Dakota-Indianer sagt:
“Wenn Du entdeckst, dass Du ein totes Pferd reitest, steig ab.”

Doch wir Manager versuchen oft andere Strategien, nach denen wir in dieser Situation handeln:

Wir besorgen eine stärkere Peitsche.
Wir wechseln die Reiter.
Wir sagen: “So haben wir das Pferd doch immer geritten.”
Wir gründen einen Arbeitskreis, um das Pferd zu analysieren.
Wir besuchen andere Orte, um zu sehen, wie man dort tote Pferde
reitet.
Wir erhöhen die Qualitätsstandards für den Beritt
toter Pferde.
Wir bilden eine Task Force, um das tote Pferd wiederzubeleben.
Wir schieben eine Trainingseinheit ein, um besser reiten zu
lernen.
Wir stellen Vergleiche unterschiedlich toter Pferde an.
Wir ändern die Kriterien, die besagen, ob ein Pferd tot ist.
Wir kaufen Leute von außerhalb ein, um das tote Pferd zu
reiten.
Wir schirren mehrere tote Pferde zusammen an, damit sie schneller
werden.
Wir erklären: “Kein Pferd kann so tot sein, dass man es
nicht noch schlagen könnte.
Wir machen zusätzliche Mittel locker, um die Leistung des
Pferdes zu erhöhen.
Wir machen eine Studie, um zu sehen, ob es billigere Berater
gibt, die einem sagen könnten, ob ein Pferd wirklich tot ist.
Wir kaufen etwas zu, das tote Pferde schneller laufen lässt.
Wir erklären, dass unser Pferd “besser, schneller und
billiger” tot ist.
Wir bilden einen Qualitätszirkel, um eine Verwendung
für tote Pferde zu finden.
Wir überarbeiten die Leistungsbedingungen für Pferde.
Wir richten eine unabhängige Kostenstelle für tote
Pferde ein.

In Krisenzeiten hätte diese Weisheit folgendermaßen gelautet (nachzulesen in zahlreichen Berichten alter Dakota über ihr Leben vor der Reservationszeit):

“Wenn Du entdeckst, dass Du ein totes Pferd reitest, steig ab und iss es.”



Die Kunst des Wartens

Metaphern Posted on Sa, Juli 23, 2016 09:20:39

Es war einmal ein junger Bauer, der wollte seine Liebste treffen. Er war ein ungeduldiger Geselle und viel zu früh gekommen, und er verstand sich schlecht aufs Warten. Er sah nicht den Sonnenschein, nicht den Frühling und die Pracht der Blumen. Ungeduldig warf er sich unter einen Baum und haderte mit sich und der Welt.

Da stand plötzlich ein graues Männlein vor ihm und sagte: „Ich weiß, wo dich der Schuh drückt. Nimm diesen Knopf und nähe ihn an dein Wams. Und wenn du auf etwas wartest und dir die Zeit zu langsam geht, dann brauchst du nur den Knopf nach rechts zu drehen, und du springst über die Zeit hinweg bis dahin, wo du willst.“

Der junge Bauer nahm den Zauberknopf und drehte. Und schon stand die Liebste vor ihm und lachte ihn an. Er drehte abermals: Und saß mit ihr beim Hochzeitsschmaus. Da sah er seiner jungen Frau in die Augen: Wenn wir doch schon allein wären… Wenn unser neues Haus fertig wäre… Und er drehte immer wieder. Jetzt fehlen uns noch die Kinder und drehte schnell an dem Knopf.

Dann kam ihm neues in den Sinn und konnte es nicht erwarten. Und drehte, drehte, dass das Leben an ihm vorbeisprang, und ehe er sich’s versah, war er ein alter Mann und lag auf dem Sterbebett. Und merkte, dass er schlecht gewirtschaftet hatte. Nun, da sein Leben verrauscht war, erkannte er, dass auch das Warten des Lebens wert ist. Und er wünschte sich die Zeit zurück.

Heinrich Spoerl (1887-1955), dt. Schriftsteller