Blog Image

blog.contra.one

von http://contra.one

für systemisch, konstruktivistisch arbeitende Coaches, Berater, Therapeuten und alle Interessierten

ACT – Akzeptanz- und Commitmenttherapie: Mehr Lebensqualität durch psychische Flexibilität

Psychologie, Sprachkritik, Therapie Posted on Mo, April 05, 2021 14:25:31

In unserer westlichen Zivilisation haben wir die Erwartungshaltung entwickelt, frei von Leiden zu sein. Wir nehmen eine „gesunde Normalität“ zum Maß der Dinge, beruhend auf der Annahme, dass ein Mensch im „natürlichen Gleichgewicht“ automatisch gesund und glücklich ist. Selbst, wenn wir alles haben, alles besitzen, uns es gut gehen sollte, kann es sein, dass es uns nicht genügt. Nichts, was von außen kommt, sichert uns letztlich eine Freiheit vom Leiden.

Wir definieren Gesundheit als Fehlen von Krankheit (gemessen und definiert an einer bestimmten Anzahl und Symptomen, die wir als Abweichung vom Normalen definiert haben). Unsere moderne Medizin hat uns überzeugt, dass Heilung die Ursache von Gesundheit ist. Wir blenden dabei aus, dass Gesundheit mehr als die bloße Abwesenheit von Krankheit sein kann. Über Jahre und Jahrzehnte haben wir die Tendenz, immer mehr Abweichungen vom „Normalen“ zu definieren und so immer mehr Störungen festzustellen. Wir pathologisieren dabei wahrscheinlich zunehmend „normale Lebensprozesse“ wie Kummer, Trauer oder Furcht. Dennoch scheint der Ansatz der letzten Jahrzehnte selten zu mehr Glück und Lebensqualität zu führen. Alle Menschen „leiden“. Es ist geradezu normal „abnormal“ zu sein. Allerdings Leiden manche Menschen mehr als andere. Manche Menschen können, selbst unter ähnlich widrigen Umständen, sich anpassen, sind resilienter und haben mehr Qualität im Leben als andere.

Das, was uns als Menschen so besonders macht, die Quelle unseres Fortschritts, unsere Fähigkeit zu kategorisieren, zu bewerten, zu urteilen, Situationen bewusst einzuschätzen, Vergleiche mit anderen Situationen anzustellen, Beziehungen zwischen vergangenen und gegenwärtigen Situationen vorherzusagen ist unser Denken. Denken ist nichts anderes als zu sich zu sprechen. Menschlicher Fortschritt war so immer auch mit der Entwicklung unserer Sprache verbunden. Leider schaffen die gleichen Funktionen, die uns so besonders machen auch eine Grundlage für das Potential Stress, selbst bei Abwesenheit unmittelbarer Reizauslöser, zu empfinden. Das menschliche Leiden besteht hauptsächlich aus einer Fehlanwendung ansonsten positiver psychischer Problemlösungsprozesse. Um diese Fehlanwendungen zu vermindern und die Qualität in unserem Leben zu verbessern, müssen wir lernen unsere Sprache und unser Denken zu gebrauchen, ohne von ihr vereinnahmt zu werden. So, wie ein Hammer auch nicht für alles taugt, ist auch unsere Alltagssprache nicht für alle Zwecke geeignet. Leiden entsteht insbesondere dann, wenn Menschen so stark an den wörtlichen Inhalt ihrer Gedanken glauben, dass sie mit ihren Kognitionen vollständig oder überwiegend eins werden (verschmelzen, ‚become fused‘). Im Zustand dieser Fusion wird der Wunsch den „richtigen“ Gefühlszustand zu erreichen dominant und Ziel eines ständigen Kampfes.

Ziel sollte es stattdessen sein, diese Menschen von solchen Gedanken zu „entflechten“, ihnen wieder die Unterscheidungsfähigkeit beizubringen, um ihnen ein „besseres“ Leben zu ermöglichen. Der Ansatz von ACT (Akzeptanz- und Commitmenttherapie, oder auch „Accept, Choose and Take action“) ist weniger sich „gut zu fühlen“, als darin „gut zu fühlen“, denn es ist durchaus gesund auch unangenehme Gedanken und Gefühle zu haben. Wir alle haben eine natürliche Tendenz unangenehmen Dingen auszuweichen, negative Erlebnisse zu vermeiden. Dabei wird in unserer sozialen Gemeinschaft die Tendenz zur Erlebnisvermeidung oft verstärkt. Wir bewerten häufig (z.B. Kinder) positiver, wenn sie die Fähigkeit zeigen, negative (aversive) emotionale Zustände besser zu kontrollieren und zu beherrschen, d.h. nicht nach außen zu zeigen. Gefühle, Emotionen und auch viele Gedanken lassen sich aber nicht willentlich kontrollieren und je mehr wir dies direkt versuchen, desto stärker werden sie. Unsere emotionalen Reaktionen sind Echos unserer eigenen Geschichte. Einmal gemachte Erfahrungen können aber nicht aus unserem Gehirn gelöscht werden. Um unerwünschte emotionale Reaktionen sicher zu vermeiden, müssen wir so unser Leben verfälschen, dass wir den Kontakt mit unserer Lebensgeschichte verlieren. Eine zu häufige Erlebnisvermeidung führt oft zu einem Mangel an positiven Emotionen (weniger empfundenes Glück). Um solche, nicht hilfreichen, Folgen zu vermeiden, brauchen wir die Bereitschaft den Kontakt mit unseren Erlebnissen zu ermöglichen und aufrechtzuerhalten und zusätzlich die psychische Akzeptanz einer offenen und nicht bewertenden Haltung. Akzeptanz ist dann nicht Resignation oder ein Hinnehmen, sondern ein aktiver Prozess. Diese (neue) Haltung muss erst einmal erlernt werden, denn sie kann nicht durch einfache Instruktionen erzwungen werden. Bei der Gestaltung des Lebens sind (persönliche) Werte nützlich, denn sie helfen zwischen Alternativen zu wählen. Handlungen zur Erreichung von Zielen im Leben sollten deshalb besser wertegeleitet sein. Das erfordert ein Bewusstsein der eigenen Werte als Basis für ein engagiertes Handeln.



Psychologische Beratung und Therapie in Gruppen

Kommunikation, Psychologie, Therapie Posted on Sa, Januar 25, 2020 13:21:00

Man kann Gruppen einteilen in

  • Selbsthilfegruppen (z.B. Adipositas, AGUS Angehörige um Suizid, Aktiv für die Psyche, Allergie / Asthma / COPD, Angst, AAS Anonyme Arbeitssüchtige, Anonyme Insolvenzler, Anonyme Sexsüchtige, Blinden und Sehbehindertenbund, Berufstätige Pflegende Angehörige, Bluthochdruck, Brustkrebs, Chronisch krank und JA! zum Leben, Deutsche Rheuma Liga, Diabetis etc.; Quelle: kleine Auswahl von Gruppen gelistet bei der SHZ-München)
    Selbsthilfegruppen leisten Aufklärungsarbeit und können insbesondere helfen Behandlungserfolge langfristig zu stabilisieren.
  • Wachstumsgruppen
    Wachstumsgruppen oder Encountergruppen helfen dabei Selbstverwirklichungskräfte freizusetzen. Bei eine professionellen Gesprächsleitung kann in diesen Gruppen eine fassadenfreie Begegnung der Teilnehmer erfolgen. Diese Gruppen lassen sich in einem Übergangsbereich zur Psychotherapie verorten und werden deshalb auch gerne als ‚Therapie für Normale‘ bezeichnet. Ein Beispiel ist das Konzept der Coaching.Reise
  • Psychotherapiegruppen
    Psychotherapiegruppen haben ausdrücklich das Ziel psychische Störungen zu behandeln. Man kann in konflikt- / beziehungs-orientierte und methoden- / einzelfall-orientierte Gruppen unterscheiden. In konfliktorientierten Gruppen dient die Gruppe als sozialer Mikrokosmos und als Übungsfeld ohne das volle soziale Risiko. Bei den methodenorientierten Gruppen steht nicht die Gruppendynamik im Vordergrund, sondern für eine überschaubare Zeit werden in der Gruppe, Störungen einzelner Mitglieder behandelt (ähnlich wie in einer Einzeltherapie). Probleme können dabei aber auch mit anderen Gruppenteilnehmern simuliert und besprochen werden (z.B. in Rollenspielen und Gestaltübungen).

(eigene Zusammenfassung aus Peter Fiedler, Verhaltenstherapie in Gruppen)



Existenz und unsere Furcht vor dem Nichts

Philosophie Posted on Mi, Januar 16, 2019 13:15:21

Wir Menschen sind die einzigen Kreaturen, für die die eigene Existenz das Problem ist. Unsere Existenz ist immer von dem Wissen überschattet, dass wir wachsen, gedeihen und unausweichlich welken und sterben werden. Epikur glaubte, dass es unsere allgegenwärtige Furcht vor dem Tod sei, welche Grundwurzel allen Elends sei und keine Freude ungetrübt lasse. Epikurs Position „Da wir tot sind, wissen wir nicht, dass wir tot sind, und was gibt es in diesem Falle zu fürchten?“ ist quasi die Antwort auf Woody Allen: „Ich habe keine Angst vor dem Tod, ich will nur nicht dabei sein, wenn er kommt“.

Im jungen Erwachsenenleben werden die Todesängste durch zwei Hauptaufgaben beiseitegeschoben: Karriere machen und eine Familie gründen, Jahrzehnte später ereilt uns die Midlife-Crisis, und die Furcht vor dem Tod bricht erneut mit aller Macht aus („Nur angesichts des Todes wird das Selbst des Menschen geboren“, Cicero). Je geringer die Zufriedenheit im Leben, desto größer die Todesfurcht („Lebe dein Leben. Werde, der du bist. Stirb zur rechten Zeit. – Nietzsche“).

Todesfurcht ist die Mutter aller Religionen. Gott, Überkulturell formuliert, mildert häufig nicht nur den Schmerz der Sterblichkeit durch irgendeine Vision von ewigem Leben, sondern lindert auch die furchterregende Isolation durch die Option einer ewigen Präsenz und liefert einen klaren Plan für ein sinnvolles Leben. Die Angst vor dem Tod erzeugt Probleme, die zunächst nicht direkt mit der Sterblichkeit in Beziehung zu stehen scheinen. Furcht vor dem Nichts heftet sich schnell an ein greifbares Objekt an („Furcht vor dem nichts versucht immer, Furcht vor etwas zu werden“, Rollo May). Für viele Eltern stellen z.B. Kinder ein ‚Unsterblichkeitsprojekt‘ dar.

Man kann jemandem, der dem Tod gegenübersteht, keinen größeren Dienst erweisen, als ihm die reine Anwesenheit anzubieten. Beziehung hat Priorität. Springen Sie hinein. Kommen Sie den anderen in jeder Weise nahe, die Sie als geeignet empfinden. Sprechen Sie aus dem Herzen. Offenbaren Sie Ihre eigenen Ängste. Improvisieren Sie. Es ist nie zu spät. Sie sind nie zu alt.

Wir müssen die Rudimente eines medizinischen Modells aufgeben, das postuliert, Patienten seien von einem seltsamen Leiden befallen und bräuchten einen leidenschaftslosen, fehlerfreien, distanzierten Heiler. Wir sind alle mit demselben Schrecken konfrontiert, der Wunde der Sterblichkeit, dem Wurm im Kern unserer Existenz.

(frei zusammengestellt aus Irvin D. Yalom in ‚In die Sonne schauen‘)



Existentielle Faktoren

Psychologie Posted on Mi, Januar 16, 2019 13:14:37

Existentielle Faktoren sind:

– Erkennen, dass das Leben manchmal unfair und ungerecht ist.

– Erkennen, dass es manchmal letztendlich unmöglich ist, Schmerzen, die das Leben mit sich bringt, zu entfliehen und ebenso wenig dem Tod.

– Erkennen, dass ich anderen Menschen noch so nahe sein kann, aber mit dem Leben trotzdem allein fertig werden muss.

– Mich den Grundfragen meines Lebens und meines Todes stellen und dadurch ehrlicher leben und mich weniger in Unwichtigem verstricken.

-Mir darüber klar werden, dass ich letztlich selbst dafür verantwortlich bin, wie ich lebe, auch wenn ich von anderen noch so viel Rat und Unterstützung erhalte.

(Irvin D. Yalom in ‚Theorie und Praxis der Gruppenpsychotherapie‘)



Selbst und Achtung

Psychologie Posted on Mi, Januar 16, 2019 13:13:11

Man kann sagen, dass das SELBST aus gespiegelten Urteilen besteht.

Sich selbst zu akzeptieren hängt nicht nur von der Fähigkeit ab, andere zu akzeptieren, sondern man kann andere auch nur dann völlig akzeptieren, wenn man sich selbst akzeptiert.

Selbstachtung und das Ansehen anderer sind stark miteinander verbunden.

(Irvin D. Yalom in ‚Theorie und Praxis der Gruppenpsychotherapie‘)



Beachtung

Sprüche Posted on Mi, Januar 16, 2019 13:12:11

“Wir sind nicht nur Herdentiere, die gern in Sichtweise ihrer Artgenossen bleiben, sondern wir haben auch eine angeborene Neigung, uns die Beachtung, und zwar die positive Beachtung, unseresgleichen zu sichern. Man könnte sich keine höllischere Strafe ausdenken, wäre so etwas physikalisch möglich, als jemanden in einer Gesellschaft leben zu lassen, deren Mitglieder den Betreffenden nicht im Geringsten bemerken.”

(William James, Psychologe und Philosoph)



Himmel und Hölle

Metaphern Posted on Mi, Januar 16, 2019 13:10:55

Eine alte Geschichte berichtet von einem Rabbi, der mit Gott ein Gespräch über Himmel und Hölle führte. „Ich will die die Hölle zeigen“, sagte Gott und führte den Rabbi in ein Zimmer, in dem um einen großen runden Tisch eine Gruppe hungernder, verzweifelter Menschen saß. Mitten auf dem Tisch stand eine riesige Schüssel mit Eintopf, mehr als genug für alle. Das Gericht duftete köstlich, und dem Rabbi lief das Wasser im Mund zusammen. Doch niemand aß. Jeder am Tisch hatte einen sehr langstieligen Löffel in der Hand – lang genug, um den Topf zu erreichen und sich einen Löffel von dem Eintopfgericht zu nehmen, aber zu lang, um die Speise zum Mund zu führen. Das Rabbi sah, dass die Versammelten schrecklich litten, und neigte voller Mitleid sein Haupt. “Nun zeigte ich dir den Himmel” sagte Gott, und sie betraten ein anderes Zimmer, genau wie das erste – der gleiche große runde Tisch, die gleiche riesige Schüssel mit Eintopf, die gleichen langstieligen Löffel. Doch hier waren die Anwesenden fröhlich, wohlgenährt, und ausgelassen. Zunächst begriff der Rabbi nicht und schaute den Herrn an. “Es ist einfach”, sagte Gott, “aber man braucht dazu eine gewisse Fähigkeit. Die Menschen in diesem Raum haben gelernt, einander zu füttern!

(gefunden in ‚Theorie und Praxis der Gruppenpsychotherapie‘ von Irvin D. Yalom)



Philosophie aus systemisch-konstruktivistischer Sicht

Philosophie Posted on So, August 12, 2018 11:51:01

Wir leben heute in einer industriellen Welt, einer Welt der gegenseitigen wirtschaftlichen Abhängigkeit. Arbeitsteilung steigert die Produktivität und sorgt für einen größeren Wohlstand. Die Theorie der ‚unsichtbaren Hand‘ nach Adam Smith ist bis heute die Philosophie des kapitalistischen Marktmodelles. Die unsichtbare Hand im freien Spiel von Angebot und Nachfrage, die den Menschen und der Gesellschaft, getrieben durch Egoismus, Wohlstand generiert. Ein Gegen-Entwurf stammt von Karl Marx, der im freien Spiel von Angebot und Nachfrage langfristig Krisen und Zusammenbruch sah und deshalb empfahl Privateigentum gänzlich abzuschaffen. Eine Forderung, die auch Rousseau erhob, der im Eigentum die Hauptursache aller modernen Laster sah. Marx betonte, dass uns unsere Arbeit prägt: Wir sind das was wir tun und wie wir es tun. Alles was in unser Köpfen vorgeht sei tatsächlich nur die Widerspiegelung der jeweiligen materiellen Produktionsverhältnisse. Nicht das Bewusstsein bestimmt das Leben, sondern das Leben bestimmt das Bewusstsein.

Tatsächlich sind sozial Wissen und Macht untrennbar miteinander verbunden. “Als Wesen sind wir alle unsichtbaren sozialen ‚Kontrollen‘ mittels vorsprachlicher Praktiken und den darin enthaltenen soziokulturellen Koordinationsmuster unterworfen.” (Karl Tomm)

Michel Foucault hat Macht durch normierte Wahrheiten eindrucksvoll z.B. in seinem Machtmechanismus des Panopticon demonstriert, eine Maschinerie, in der alle eingefangen sind: diejenigen, die die Macht ausüben ebenso, wie diejenigen, die ihr unterworfen sind. Macht wirkt sich gestaltend aus: Wir sind der Macht durch normierte Wahrheiten unterworfen (Wahrheiten im Sinne konstruierter Ideen, denen Wahrheitsgehalt zugeschrieben wird), die unser Leben und unsere Beziehungen formen. Diese Wahrheiten werden wiederum durch die Anwendung von Macht hervorgebracht. Damit sind auch Macht und Wissen untrennbar verbunden. Macht kann nur im Einklang mit einem bestimmten System ‚wahrer‘ Überzeugungen ausgeübt werden. Wir unterliegen der Produktion von ‚Wahrheit‘ durch Macht und wir können Macht nur durch die Produktion von ‚Wahrheit‘ ausüben. Wir sind gezwungen, in einem Netzwerk von Macht/Wissen zu handeln; darin unterliegen wir den Auswirkungen der Macht und üben diese gleichzeitig im Hinblick auf andere aus.

Im Zeitalter einer immerwährenden Überprüfung und selbstverständlicher Objektivierung haben wir eine Gesellschaftsform der Normierung geschaffen, in der die Folter und Bestrafung früherer souveräner Macht durch Bewertung ersetzt wurde. Diese Form der Macht etabliert sich zwischen den Zeilen durch Bewertungen darüber was normal, was recht und unrecht ist. Eine Unterwerfung unter die besagten ‚Wahrheiten‘ (Normen) führt in der Regel zu einem Gefühl des Unvermögens gegenüber diesen Erwartungen. Menschen werden zu ‚fügsamen Körpern‘.

Marx hebt hervor, dass die jeweiligen Produktionsweisen einer Gesellschaft eine entsprechende Ideologie hervorbringen, die das Herrschaftssystem rechtfertigt und damit nur einem kleinen Teil der Bevölkerung wirklich nützt. In Religion sah er lediglich eine Trostfunktion, die dadurch der Verbesserung im Jetzt im Weg steht. Gesellschaftliche Entwicklung und die ganze Geschichte der Menschen, sah Marx als Konflikte zwischen Herrschenden und Beherrschten (Klassenkampf). Die Entfremdung von der Arbeit (das fertige Produkt gehört dem Arbeiter nicht) führt zu einer Spaltung, in der der Arbeiter sich nicht mehr in der Arbeit, sondern nur noch in der Freizeit verwirklicht und versucht zu leben. Für ihn beginnt das Reich der Freiheit dort, wo das Arbeiten, bestimmt durch äußere Zweckmäßigkeit, aufhört.

Aber Adam Smith hat nicht nur den freien Wettbewerb gefordert. Für ihn war der gesunde Egoismus des Menschen auch dafür verantwortlich, für sich selbst zu sorgen! Der Staat sollte nicht nur den freien Wettbewerb schützen, sondern auch all die Funktionen wahrnehmen, die notwendig sind, aber keinen ausreichenden Gewinn abwerfen. Er wünschte sich großzügige Ausgaben für Jugend-Bildungseinrichtungen, aber auch für ‚jedes Alter‘.

Was ist, wenn nicht entweder oder richtig sind, Kapitalismus oder Marxismus, sondern beide gleichzeitig? Z.B. Kapitalismus zusammen mit einem Grundeinkommen? Was ist, wenn nicht nur eine Geschichte wahr ist, sondern beide und auch weitere Geschichten? So, wie im Konstruktivismus nicht nur eine Landkarte eines Menschen, sondern auch alle anderen gleichzeitig wahr sind und all das eben auch zu den Fakten in dieser Welt gehört (Wittgenstein).

Wittgenstein stellte Sprache in den Mittelpunkt seiner Philosophie. Sprache als unser Käfig aus dem es kein Entkommen gibt. Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt. Mehr noch, er beschrieb im Tractatus wie Erkenntnisse der Welt einzig zu beschreiben seinen, womit er im Grunde nur noch wissenschaftliche Aussagen über die Welt zuließ (Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen). Deshalb kann man moralische Sätze auch nicht überprüfen. Für ihn war alle Philosophie nur Sprachkritik. Erst in seinem späten Werk ‚Philosophische Untersuchungen‘ ging es ihn nicht mehr um die logisch korrekte Formulierung von Sätzen, sondern um die Sprache in unserem alltäglichen Gebrauch.

Nach Wittgenstein betreiben wir täglich ‚Sprachspiele‘, die unser Denken und Wahrnehmung zutiefst beeinflussen und prägen. In diesem Sprachspiel erzeugen wir eine eigene Wirklichkeit. Wörter bekommen ihre Bedeutung erst durch den jeweiligen Gebrauch innerhalb dieser Sprachspiele. Systemisch-konstruktivistisch würden wir sagen ‚Im (sozialem) System werden Informationen (Tatsachen) konstruiert und deren Bedeutung und Bewertungen verhandelt (ebenfalls konstruiert)‘. Sprachspiele müssen dauerhaft in einer Gesellschaft angewendet werden um dort verankert zu bleiben und um weiter gespielt werden zu können. Mit der Geburt sind wir existentiell in bestimmte Sprachspiele eingebunden. “Die Bedeutungen eines Wortes oder eines bestimmten Verhaltens kann dadurch konstruiert und erfunden werden, wie dieses Wort in der sozialen Interaktion – in einem spezifischem Kontext – verwendet wird.” ( Steve de Shazer)

Nach Wittgenstein gibt es nicht keine, auch noch so private Vorstellung, die nicht in ein Sprachspiel und deren Regeln eingebunden ist. Wir alle spielen Theater (siehe auch gleichnamiges Buch von Erving Goffman), haben damit zwar die Sicherheit der sozialen Rolle, aber bringen uns um die Chance zu echten Beziehungen.

Umgekehrt kann auch ein neues Sprachspiel eine Veränderung der Wirklichkeit nach sich ziehen. Mächtige haben zu allen Zeiten versucht das Sprachspiel ihrer Untertanen zu kontrollieren und zu beeinflussen (auch eindrucksvoll im Roman 1984 als Neusprech beschrieben).

Wenn unser Leben für uns problematisch oder unbefriedigend ist, müssen wir die (Sprach)Form ändern: Die Sprache der Lösungsentwicklung ist eine andere als die, die zur Problembeschreibung notwendig ist (Steve de Shazer).

Auch für Adorno ist Sprache keine harmlose Zuordnung von Wörter und Begriffen, sondern kann zu einem gefährlichem Organ der Herrschaft werden, denn in Wörtern und Begriffen steckt bereits, ohne dass wir es merken, ein Macht- und Herrschaftsanspruch. Von Geburt an bewegen wir uns so in einer manipulierten Welt. Nach ihm, müssen wir uns diesem Zusammenhang bewusst sein und uns einer Art permanenter Selbstkritik am eigenen Denken unterziehen. Philosophie ist für ihn, anderes als für Wittgenstein, der permanente, aber auch verzweifelte Versuch, das zu sagen, was sich nicht sagen lässt. Adorno kritisiert auch die Naturwissenschaft wegen ihrer eingeschränkten Sichtweise, die nur das als wahr gelten lässt, was sich messen und in Experimenten wiederholen lassen kann. Außerdem würden sich Naturwissenschaftler sich selbst nicht eingestehen, dass auch sie unter einem bestimmten Machtzwang stehen. Für ihn ist die moderne kapitalistische Gesellschaft auf Abwegen, weil sie zwar Wohlstand hat, aber gleichzeitig den Sinn für die Natur und ihr eigene Liebesfähigkeit verloren hat. Zwischenmenschliche Beziehungen würden verdinglicht und die natürliche Anteilnahme am anderen schwindet. Jeder kämpft für sich allein. “Jeder Mensch heute, ohne jede Ausnahme, fühlt sich zu wenig geliebt, weil jeder zu wenig lieben kann.” Ähnliches hatte der Dalai-Lama in seinem Buch ‚Das Buch der Menschlichkeit: Eine neue Ethik für unsere Zeit‘ kritisiert.

Wo Sprache für Adorno Verblendung und eine fast unlösbare Aufgabe sich nicht dumm machen zu lassen ist, ist sie für Habermas ein hartnäckiger Ausdruck eines Anspruchs nach immer besserer Verständigung zwischen den Menschen. Verständigung sei als Ziel in jeder Sprache angelegt. Wenn wir etwas sagen, dann unterstellen wir, dass das Gesagte eine Chance hat, auch gehört und verstanden zu werden. Damit sei in jeder Sprache ein Vernunftsanspruch nach Verständlichkeit, Wahrheit, Wahrhaftigkeit und Richtigkeit angelegt. Im Idealfall können wir im Gespräch diese Ansprüche einlösen, wenn es angstfrei und unabhängig von Macht geführt wird (im herrschaftsfreien Diskurs). Er empfiehlt diesen Grundsatz dem kategorischen Imperativ von Kant zum ethischen Handeln hinzuzufügen.

Habermas sah Verständigung als angelegten Sinn in der Sprache. Nach Niklas Luhmann ist allen psychischen und sozialen Prozessen ein ‚Sinnzwang‘ auferlegt. Sinn kann man weder vermeiden noch verneinen. Sinn steuert Selektionen z.B. in der Kommunikation. Es wird immer nur gesagt und getan, weil man es für sinnvoll erachtet. Es geht nicht anders! Das bedeutet, dass Sinn nicht in der Welt steckt, sondern von Operateuren und Beobachtern zugeschrieben wird. Sinn wird immer zugewiesen, er wird ‚konstruiert‘. Dabei ist nach Luhmann der Sinn von Kommunikation keinesfalls eine erfolgreiche inhaltliche Verständigung. Kommunikation sei nicht auf Konsens ausgelegt, auch nicht auf Dissens. Kommunikation ist Differenz. Erfolgreiche Kommunikation ist fortgesetzte Kommunikation; Kommunikation ist erfolgreich, wenn sie erfolgt und weiter erfolgt. “Kommunikation hat keinen Zweck. Sie geschieht, oder geschieht nicht – das ist alles was man dazu sagen kann”. Kommunikation in der soziologischen Systemtheorie von Luhmann besteht nicht aus zwei, sondern drei Aktionen (1) Selektion der Information, (2) Selektion der Mitteilung und (3) Selektion der Annahme, des Verstehens. Kommunikation ist eine Einheit, die Mitteilen, Information und Verstehen auf mehreren Seiten einschließt. Kommunikation beginnt deshalb logisch mit dem Verstehen und nicht, wie oft angenommen wird, mit einer Mitteilung. Information wird durch einen Beobachter konstruiert. Erst durch einen selektiven Akt der Aufmerksamkeit und Zuschreibung von Bedeutung wird etwas zur Information gemacht. Ein Beobachter trifft eine Unterscheidung, er kreiert eine Differenz zwischen dem, was er als Information ansieht, und allem anderen. Auch eine Mitteilung ist immer eine Selektion: eine Entscheidung für eine bestimmte Information, gegen eine andere mögliche. Eine weitere Selektion bedeutet zu verstehen, dass es sich um eine Mitteilung handelt; nicht etwa etwas ‚richtig‘ zu verstehen. Nach Luhmann ist es nicht die Mitteilungsabsicht eines Senders, sondern die Interpretation als Mitteilung durch einen Empfänger die darüber entscheidet, ob Kommunikation vorliegt oder nicht.

Zurück zu dem Thema Sinn, dass insbesondere Heidegger und Sartre beschäftigten. Was ist der Sinn vom Sein? Der Mensch ist, ohne eine vorgegebene Antwort auf das Woher, Wohin oder Wozu, zu haben. Wir sind geworfen, in-die-Welt-geworfen und uns selbst verantwortet. Es gibt am Ende nichts, das uns sagt warum wir überhaupt leben sollen. Laut Sartre gründet sich das menschliche Dasein im Kern auf Nichts, weshalb wir dazu verdammt sind unsere Entscheidungen selbst zu treffen. Nichts kann diese Freiheit einschränken. Und davor haben wir Angst (“Wir sind Angst.”). Ein Herausreden auf determinierende Fakten wie Erziehung, Erbanlagen, Milieu oder Zufälle sei reine Unaufrichtigkeit. Der Mensch ist im Kern seines Seins Freiheit, denn er ist Mangel an Identität. Wegen dieses Mangels muss er seine eigene Identität entwerfen, ohne dass er diesen Entwurf rechtfertigen oder begründen könnte (“Das Leben hat a priori keinen Sinn. Bevor Sie leben, ist das Leben nichts, es ist an Ihnen ihm einen Sinn zu geben.”). Er ist also zur Freiheit verurteilt, weil er nicht anders sein kann, als ein Entwurf von sich selbst zu sein. Die Freiheit des Menschen ist eine dreifache Verdammnis: 1. werden wir in die Existenz als Freiheit hineingeworfen, 2. müssen wir ständig Möglichkeiten auswählen und 3. sind wir verurteilt für diese Auswahl gerade zu stehen und die Schuld auf uns zu nehmen.

Als einer der ersten Philosophen überhaupt erforschte Sartre die Struktur der zwischenmenschlichen Beziehungen: Ein anderer Mensch tritt in mein Zimmer. Ich erlebe, wie dieser Mensch seine Welt organisiert, in dem er mich registriert. Ich erfasse intuitiv, dass der Andere einen Aspekt meines Seins erlebt, der mir entgeht. Er erfasst mein äußeres Sein, das ich nicht erfassen kann. Das ist das “Mitten-in-der-Welt-sein”. Der Andere trägt mein äußeres Sein. Er wird mein “Für-mich-sein” mit gewissen Qualitäten versehen, mich irgendwie objektivieren und mich zu einem “An-sich-sein” erstarren lassen. Ich erlebe den Blick des Anderen. Ich empfinde Unbehagen. Alles in mir sträubt sich gegen seine Zuweisung. Ich bin und will mehr sein. Wenn ich mich erkannt fühle, schäme ich mich. In meiner Scham offenbart sich der Vorgang des Wiedererkennens des eigenen Selbst im Blick des Andren. Meine Beziehung zum anderen ist prekär. Er trägt mein äußeres Sein und er kann mir als Spiegel dienen. Insofern ist er notwendig für meine eigene Identitätsfindung. Das Urteil des Anderen dient mir als Spiegel. Dessen Urteil ist hingegen frei, so dass mein Spiegelbild niemals gesichert ist. So ist meine Lage hinsichtlich des Anderen permanent gefährdet (“Die Hölle, das sind die Anderen”). In anderen Worten, die Menschen sind auf die Liebe, die Meinung und die Reaktionen der anderen Menschen im System existentiell angewiesen, um überhaupt ein Selbstgefühl oder eine Vorstellung von sich zu bekommen. Wir wollen von anderen zwar anerkannt werden, können uns dieser aber nie sicher sein, da die anderen Menschen prinzipiell frei sind und uns jederzeit ablehnen können. Wir befinden uns in einem ständigen Kampf um Anerkennung. Unsere Identität hängt zutiefst von den Anderen ab.

Adorno fordert von uns, die permanente Nicht-Identität und das Aushalten des Nicht-Identischen, was schwierig ist, denn der Mensch strebt nach Versöhnung und Identität. Wir sollten uns in der Nicht-Identität die Offenheit bewahren und allein durch diesen Widerstand einen Schritt in Richtung ‚richtiges‘ Leben machen, ohne davon irgendeine konkrete Vision zu haben.

Camus beantwortete die Frage nach dem Sinn des Lebens wie folgt: Es gibt keinen. Das Leben ist absurd: ‚In diesem Zustande des Absurden muss man leben‘. Das Gefühl der Absurdität erlebt der Mensch im Erkennen der Unvereinbarkeit seines inneren Strebens nach Ordnung und einer irrationalen, nicht zu kontrollierenden Welt. Wir könnten dies besonders dann wahrnehmen, wenn unsere (normale) Welt zusammenbricht. In der Regel vermeiden die Menschen die Wahrnehmung des Absurden indem sie versuchen ihrem Leben einen Sinn zu geben und sie sich an Routinen festhalten. Das ist das menschliche Drama: einerseits müssen wir die Suche nach dem Sinn unternehmen, andererseits ist diese zu Scheitern verurteilt. Unsere Aufgabe sei es, uns mit dem Absurden abzufinden, es zu akzeptieren.

Schopenhauer meint, dass unser Dasein letztlich die leidvolle Erfahrung macht, dass unser einziger Lebenssinn in der mühevollen Erhaltung desselben besteht und es darüber hinaus keinen hat (die fünfte Dimension des Leidens). Das Leben sei ein fortdauernd gehemmtes Sterben, ein aufgeschobener Tod. Jeder Mensch, so Schopenhauer, habe ein Bedürfnis nach einer umfassenden Sinnerklärung.

Wir geben allein schon durch den Gebrauch der Wörter ’sein‘ und ‚ist‘ den Dingen einen Sinn. Heidegger hat es so formuliert: ‚In allem Erkennen, Aussagen, in jedem Verhalten zu Seiendem .. wird von “Sein” Gebrauch gemacht .. Allein diese durchschnittliche Verständlichkeit .. macht offenbar, dass .. wir je schon in einem Seinsverständnis leben ..‚. Heidegger stellt auch die These auf, dass die meisten Menschen den Sinn ihres Lebens verfehlen, indem wir in der Regel nur das tun, was gerade angesagt ist und was ‚man‘ eben tut. Ein Verfallen-sein an ein anonymes ‚Man‘ Leben. Diese Lebensweise ist sehr bequem. Im Grunde ist sie Flucht aus der eigenen Verantwortung. Ähnlich wie Camus sagt Heidegger das es im Grunde einer existentiellen Krise bedarf, um uns daraus zu befreien. Die Stimmung der Angst vor dem ‚Nichts‘ in der unser ganzes bisheriges eben in Frage gestellt wird, die uns bedroht und erschüttert, eröffnet uns dennoch die Chance uns selbst zu finden. Dabei können wir mit unserem Dasein niemals ganz in der Gegenwart sein, weil wir nicht aufhören können uns um unsere Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu sorgen. Der Mensch plant ständig voraus und entwirft sein Dasein in jeder Sekunde auf die Zukunft hin. Er ist sich selbst vorweg. Ein Vorteil ist: wir können uns jederzeit neu entwerfen. Auch unsere Bewertung vergangener Geschichten und Lebenslinien kann neu entworfen werden (Es ist nie zu spät eine glückliche Kindheit zu haben, Fuhrmann). Nach Heidegger sind wir mit unserem Dasein existentiell schuldig, denn wir müssen permanent Entscheidungen treffen und dafür einstehen (siehe auch die ‚dreifache Verdammnis‘ nach Sartre).

Eine Flucht aus unserer Verantwortung beschreibt Nietzsche. Wir alle hätten zwar Gott Schritt für Schritt seine welterklärende Kraft entzogen (“Gott ist todt!”), aber wir hätten sogleich wieder neue Götter und Götzen geschaffen, die uns Orientierung geben, z.B. unsere Sucht nach Konsumgütern. Alle Werte würden dem Spiel von Angebot und Nachfrage untergeordnet, am Ende auch der Mensch selbst. Wir müssten selbst an die Stelle von Gott treten und werden wir sind (der Übermensch).

Alle vernuftsorientierten Interpretationen sind für Freud Unsinn. Es sei genau umgekehrt. Der Mensch ist ein Triebwesen (Der Mensch ist nichts anderes und nichts Besseres als die Tiere). Aber ein Tier könne nicht an einer neurotischen Störung leiden, da es den gesünderen Weg geht und keine moralischen Skrupel kenne. Die menschliche Psyche hat die erstaunliche Fähigkeit, Konflikten auszuweichen, zu leugnen und zu verdrängen und so lange ungelöst zu lassen, bis sie unter Umständen sogar krank machen: “Alle, die edler sein wollen, als ihre Konstitution es ihnen gestattet, verfallen der Neurose. Die Neurose verleugnet die Realität nicht, sie will nur nichts von ihr wissen; die Psychose verleugnet sie und sucht sie zu ersetzen”. Psychische Erkrankungen seien eine Folge davon, dass das ICH unter den Belastungen der Realität, den unbändigen Wünschen des ES oder den strengen Ansprüchen des ÜBER-ICH geschwächt ist und ggf. zusammenbricht.

Zusammenfassend…

Unser Leben, unser Dasein, bestimmt unser Bewusstsein. Wir leben eingebunden in ein Netzwerk von Wissen und Macht durch normierte Wahrheiten, in einem Zeitalter einer immerwährenden Überprüfung und selbstverständlicher Objektivierung. Einer Gesellschaftsform der Normierung durch Bewertung. Sprache ist immer auch ein Macht- und Herrschaftsanspruch. Sprache ist auch unser Käfig, aus dem es kein Entkommen gibt. Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt. Sprache ist aber auch ein hartnäckiger Ausdruck eines Anspruchs nach Verständigung. Kommunikation ist dabei nicht per se auf Konsens ausgelegt, auch nicht auf Dissens. Kommunikation ist Differenz. Information wird durch einen Beobachter konstruiert. Die Bedeutungen eines Wortes oder eines bestimmten Verhaltens kann dadurch konstruiert und erfunden werden, wie dieses Wort in einem spezifischen Kontext verwendet wird. Das sind unsere täglichen Sprachspiele. Wir alle spielen Theater, und erhalten damit die Sicherheit der sozialen Rolle, denn wir sind auf die Liebe, die Meinung und die Reaktionen der anderen Menschen im System existentiell angewiesen, um überhaupt ein Selbstgefühl oder eine Vorstellung von sich zu bekommen. Wir wollen von anderen zwar anerkannt werden, können uns dieser aber nie sicher sein, da die anderen Menschen prinzipiell frei sind und uns jederzeit ablehnen können. Wir befinden uns in einem ständigen Kampf um Anerkennung. Unsere Identität hängt zutiefst von den Anderen ab. Das Aushalten der permanenten Nicht-Identität und des Nicht-Identischen, ist schwierig für uns, denn der Mensch strebt nach Versöhnung und Identität. Allen unseren psychischen und sozialen Prozessen ist ein Sinnzwang auferlegt. Es wird immer nur gesagt und getan, weil man es für sinnvoll erachtet. Wir geben allein schon durch den Gebrauch der Wörter ’sein‘ und ‚ist‘ den Dingen einen Sinn. Der Mensch ist, ohne eine vorgegebene Antwort auf das Woher, Wohin oder Wozu, zu haben. Wir sind geworfen, in-die-Welt-geworfen und uns selbst verantwortet. Nichts kann diese Freiheit einschränken. Und davor haben wir Angst. Die Freiheit des Menschen ist eine dreifache Verdammnis: 1. werden wir in die Existenz als Freiheit hineingeworfen, 2. müssen wir ständig Möglichkeiten auswählen und 3. sind wir verurteilt für diese Auswahl gerade zu stehen und die Schuld auf uns zu nehmen. Eine Flucht ist das Verfallen-sein an ein anonymes, bequem ‚Man‘ Leben.



Narrative Therapie: Einmalige Resultate

Systemisch, Therapie Posted on Sa, August 11, 2018 09:02:06

Einmalige Resultate (unique outcomes) / (hilfreiche) Ausnahmen können im Klienten Gespräch mit den von Michael White untenstehenden Fragekategorien vertieft werden. Die Benennung einmaliger Resultate ist etwas völlig anderes als der Prozess, in dem man herausfindet, was einmalige Resultate darüber aussagen, was Menschen im Leben erreichen wollen und ihnen wichtig ist.

  1. Fragen, die eine erfahrungsnahe, besondere Definition des einmaligen Resultates aushandeln
  2. Fragen, die Auswirkungen des einmaligen Resultates kartieren
  3. Fragen, wie der Klient die Auswirkungen des einmaligen Resultates beurteilt
  4. Fragen, nach der Begründung der Beurteilung


Ebene der Bedeutsamkeit

Sprüche Posted on Sa, August 11, 2018 08:52:24

Obwohl das Leben eines Menschen reich an Erfahrungen ist, schaffen es nur wenige davon auf die Ebene der Bedeutsamkeit. Die Aspekte der Erfahrungen, denen wir Bedeutungen beimessen, sind solche, die wir in uns bekannten und vertrauten Erzähllinien unseres Lebens aufnehmen; und diese Aspekte werden höchst selektiv bedeutsam.
(Michael White)



Narrative Therapie: Definitionszeremonien

Systemisch, Therapie Posted on Di, August 07, 2018 20:11:07

Definitionszeremonien geben Klienten die Möglichkeit vor einem Publikum / außenstehende Zeugen Geschichten ihres Lebens zu erzählen. In diesem sozialen Prozess kann der Klient das Gefühl von Authentizität entwickeln in dem seine Ansprüche an die eigene Identität und Geschichte anerkannt werden (im Sinne einer kollektiven Selbstdefinition). Es können dichte Narrationen entwickelt werden, mit komplexen Gedanken über die Identität des Klienten. Positive Resultate können verstetigt und ausgeweitet werden. Einen ähnlichen Weg verfolgte Anderson mit seiner Arbeit im Reflektierendem Team. Ähnlichkeiten finden sich auch im Setting von Gruppentherapien. Die Struktur von Definitionszeremonien hat nach Michael White 3 Phasen:

  1. A) Erzählung des Klienten vor außenstehende Zeugen.
  2. B) Neuerzählung
  3. Ausdruck – Zeugen werden gebeten, das zu schildern, was ihnen am meisten aufgefallen ist, was ihre Aufmerksamkeit erregt hat oder ihre Vorstellungskraft geweckt hat. Zeugen unterhalten sich nur untereinander oder mit dem Coach / Therapeut, niemals mit dem Klienten. 2. Bilder – Die Zeigen werden dann gebeten, Bilder (oder Gefühle) zu beschreiben, die ihnen beim Zuhören gekommen sind und darüber nachzudenken, was diese Bilder mit dem Klienten zu tun haben können / was diese über ihn aussagen könnten was er im Leben will und was ihm wichtig ist. 3. Widerhall – Zeugen werden gefragt was sie persönlich angerührt hat / was eine Saite in ihrer persönlichen Geschichte angerührt haben könnte. 4. Bewegtsein – Sie werden gebeten zu schildern, inwieweit sie von der Geschichte berührt worden sind.
  4. C) Neuerzählung der Neuerzählung

Nach der Neuerzählung kehren die Zeugen in die Rolle des Publikums zurück und der Klient wird gefragt, was er aus der Neuerzählung herausgehört hat. Die erfolgt in dem gleichen Schema von Ausdruck, Bilder, Widerhall und Bewegtsein.

Der Klient wird gebeten Ausdrucksformen der außenstehenden Zeugen zu schildern, die ihm aufgefallen sind; welche Bilder oder Vorstellungen diese Ausdrucksformen bei ihm wachgerufen haben; seine persönlichen Erfahrungen, die diese Ausdrucksformen berührt haben; und seine Gedanken oder Vorstellungen seines eigenen Lebens und seine Handlungsoptionen daraus.



Narrative Therapie: Wiederherstellung von Zugehörigkeit

Systemisch, Therapie Posted on Di, August 07, 2018 20:09:27

Für Klienten mit isolierender Identitätsvorstellungen empfiehlt Michael White Gespräche, die von der Idee geleitet sind, dass die Identität des Klienten nicht auf einem Kernselbst beruht, sondern auf einem ‚Lebensverband‘ mit signifikanten Figuren und Identitäten aus der Vergangenheit, Gegenwart und projizierten Zukunft. Damit hat der Klient die Möglichkeit, die ‚Mitgliedschaften‘ dieser Figuren und Identitäten zu seinem Lebensverband auf- oder abzuwerten oder ganz zu revidieren. Die Normen unserer westlichen Kultur von Selbstbeherrschung, Selbstkontrolle, Eigenständigkeit, Selbstverwirklichung und Eigenmotivation könnten zu einem ‚eingekapseltem Selbst‘ führen. Diese Fragen könnten Klienten neue Möglichkeiten zur Rekonstruktion seiner Identität ermöglichen…

Fragen zum Beitrag der Person zum Leben des Klienten

Fragen zur Identität des Klienten aus Sicht der Person

Fragen zum Beitrag des Klienten zum Leben der Person

Fragen zu den Implikationen dieses Beitrages für die Identität der Person



Narrative Therapie: Neue Erzähllinien

Systemisch, Therapie Posted on Sa, August 04, 2018 11:54:11

Michael White (in Maps of narrative Practice, 2007) unterscheidet in ..

I (Identitätslandschaft), gekennzeichnet durch ..

– Intentionales Verständnis (Intentionalität = Fähigkeit des Menschen, sich auf etwas zu beziehen etwa auf reale oder nur vorgestellte Gegenstände, Eigenschaften oder Sachverhalte, oftmals als spezifisches Merkmal des Mentalen verstanden). Husserl: Durch Reflexion erfassen wir statt der Sachen, Zwecke, usw. die entsprechenden subjektiven Erlebnisse, in denen sie uns bewusst werden. Man bezeichnet sie auch als ‚Phänomene’. Ihr allgemeinster Wesenscharakter ist es, ‚Bewusstsein-von’, ‚Erscheinung-von’ den jeweiligen Dingen zu sein, sie sind ‚intentionale’ Erlebnisse. Kritik von Heidegger: Intentionalität kann sich nur auf als vorhanden vorgestellte Objekte richten. Heidegger spricht von um zu-Bezügen, von Zuhandenheit statt Vorhandenheit und von einem zuhandenen Zeug statt einem vorhandenen Ding. In diesem Zusammenhang erst ist der Hammer als solcher begreifbar: als ein Zeug, das zum Hämmern dient, um etwa ein Haus zu bauen. Das Beispiel zeigt, dass Dinge in einen Verweisungszusammenhang eingebunden sind und dieser nur zeitlich verstanden werden kann: der Hammer ist nur in Betracht auf einen zukünftigen Gebrauch zu verstehen. Diese Zukunft ist aber nicht “etwas”, kein Objekt in der Welt, auf das man gerichtet sein kann.

– Verständnis, wem oder was welcher Wert zugeschrieben wird (‚attaching a value to..’). Ein Werturteil drückt positive oder negative Auszeichnung aus, die in der Stellungnahme einer Person bezüglich eines mehr oder minder genau bestimmten Objekts enthalten ist. Sie geht häufig einher mit der mehr oder minder ausdrücklichen Erwartung und/oder Aufforderung an Dritte, dieselbe Wertung als hinreichend gerechtfertigte mit zu vollziehen.

– Verinnerlichendes Verständnis

– Realisierung, Erkenntnisse, Wissen (Wissen und Erkenntnisse können immer auch im Machtzusammenhang gesehen werden)

Beispiel-Fragen (durch den Gebrauch des Konjunktives gegenzeichnet):

Fallen Ihnen irgendwelche Geschichten über Aktionen von XY ein, aus denen hervorgeht, was für ihn wertvoll war / was er für wertvoll hielt? Fallen Ihnen irgendwelche Geschichten über ihn ein, denen ich entnehmen kann, woher Sie das über ihn wussten?

Sie haben gesehen, wie.. Was hat das aus Ihrer Sicht über ihn ausgesagt? Was erzählt Ihnen das darüber, was XY für wertvoll hält?

Fällt Ihnen noch eine Geschichte über XY ein, als er noch jünger war, die das bestätigt hätte, was Sie über ihn wussten? Was dazu passen würde, wie..

Wenn Sie zurückdenken an diese Ereignisse.., wie hat die Aktion.., Ihr Bild von ihm als Persönlichkeit geprägt?

Wie kommt es, dass du mit dem etwas verbindest, was du gerade gehört hast?

Ich weiß jetzt über Aktionen des .. und Aktionen des .. Das gehört alles zu deiner Lebensgeschichte. Nimmt man diese Aktionen zusammen, um was geht es da eigentlich?

Was sagt das aus Ihrer Sicht darüber, worauf XY seine Hoffnungen setzt?

Haben Sie einen Eindruck davon, wie das .. sich auf ihre Leben ausgewirkt hat? Vielleicht im Hinblick darauf wie sie sich gefühlt haben? Vielleicht im Hinblick auf neue Erkenntnisse über ihr Leben? Im Hinblick auf Ihre Beziehung zu ..?

Wie fühlen Sie sich bei dieser Art der Entwicklung?

Fällt Ihnen etwas dazu ein, warum Sie darüber glücklich sind? Irgendetwas, was mir helfen würde zu verstehen, warum Ihnen das wichtig ist?

H (Handlungslandschaft), gekennzeichnet durch..

– Ereignisse (beobachtbare Geschehen)

– Gegebenheiten (auch Tatbestand, auch Tatsächlichkeit oder Faktizität), im weiteren Sinne wird der Begriff auch für Sachverhalte verwendet, die sich nicht auf einzelne Taten (Handlungen) zurückführen lassen. Martin Heidegger: “Faktizität des Daseins” das als Geschichtliches in seine Existenz geworfen wurde.

– Sequenz (lineare Abfolge oder Reihenfolge)

– Zeit (Zwischen der subjektiv wahrgenommen Zeit und der objektiv messbaren bestehen oft deutliche Differenzen. In ereignisreichen Zeiten hat man viele Informationen eingespeichert, sodass dieser Zeitraum lange erscheint. Umgekehrt erscheinen ereignisarme Zeiten im Rückblick kurz, da kaum Informationen über sie gespeichert sind.)

– Plot (Handlung, in der Literaturtheorie eine “Abfolge von zusammenhängenden, [ursächlich] miteinander verketteten Ereignissen oder Vorgängen, die das dramatische Gerüst” bilden.)

Beispiel-Fragen:

Wie würden Sie diese Initiative von XY bezeichnen?

Welche Art von Aktion war das?

Können Sie diesem Schritt einen Namen geben, der ihm die Anerkennung gibt, die er verdient?

Was glaubst du, welche Möglichkeiten würde dir das geben? Was glaubst du, welchen Handlungsspielraum würde dir das geben? Welche Schritte könntest du gehen, die dazu passen würden?

Was für ein Schritt wäre das, wenn du ihn unternehmen würdest?

Haben Sie eine Vorstellung davon, was das.. möglich gemacht hat?

Haben Sie eine Vorstellung davon, was Sie getan haben könnten, das vielleicht den Weg für .. geebnet hat? Könnten Sie sich vorstellen, was zu diesem Schritt geführt haben könnte? Was dabei eine Rolle gespielt hat?

In grafischer Form kann man auf einer Landkarte der Entwicklung neuer Erzähllinien zwischen der Identitätslandschaft oben und der Handlungslandschaft unten, sowie auf der horizontalen Achse in “Ferne Vergangenheit, Entfernte Vergangenheit, Jüngste Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft” unterscheiden. Ein Zick-Zack-Kurs durch die Zeit ist typisch für Gespräche, in denen neue Erzähllinien entworfen werden. Keine Frage ist vorher festgelegt, sondern es wird spontan auf die Antworten des Klienten reagiert.

Oft können sich dabei untergeordnete (alternative) Erzähllinien im Status geändert ändern und ursprünglich dominante Erzähllinien das Leben des Klienten weniger bestimmen. Die Handlungslandschaft gewinnt an Dichte, wenn Klienten Ereignisse in eine Sequenz bringen. Die Identitätslandschaft gewinnt dadurch an Dichte, dass Klienten Ereignisse reflektieren und sich auf dieser Basis zum Leben und Identität äußern.



Narrative Therapie: Problemexternalisierung in Gesprächen

Systemisch, Therapie Posted on So, Juli 29, 2018 11:00:06

Eine Methode in der Narrativen Therapie, wie sie von Michael White vorstellt wurde (Maps of narrative Practice, 2007) ist die Problemexternalisierung in Gesprächen. Menschen sind oft überzeugt, dass ihre Lebensprobleme Spiegelbilder ihrer eigenen Identität oder der Identität von anderen Menschen sind. Ein Gespräch, das das Problem zum Problem macht (und nicht die Person) kann der Verobjektivierung der Klienten-Identität entgegenwirken und neue Handlungsoptionen aufzeigen. Dazu empfiehlt Michael White 4 Kategorien von Fragen. Neue Fragen werden dabei mit einem ‚Geleitwort‘, einer Zusammenfassung des vorher Gehörten, eingeleitet.

  1. Fragen, die eine erfahrungsnahe, besondere Definition des Problems aushandeln

Das Problem des Klienten (weswegen er gekommen ist) wird vom Klienten benannt und im Folgenden behandelt als sei es eine Person. So kann man nach der Wirkung der Herrschaft des Problems fragen, oder wie der Klient das Wesen / den Charakter des Problems beschreibt (konkret und nicht abstrakt / verallgemeinernd).

Wer ist PROBLEM? Welchen Charakter hat PROBLEM?

  1. Fragen, die Auswirkungen der Aktivitäten des Problems kartieren

Die Einflüsse des Problems in den einzelnen Lebensbereichen des Klienten werden erfragt, wobei die wichtigsten Konsequenzen der Aktivitäten und Arbeitswesen des Problems enthalten sein sollten.

Wie wirken sich die Handlungen von PROBLEM aus?

  1. Fragen, wie der Klient die Auswirkungen der Aktivitäten des Problems beurteilt

Die Arbeitsweisen und Aktivitäten des Problems sowie dessen stärkste Auswirkungen auf das Leben des Klienten werden von diesem beurteilt. Für viele Klienten ist das eine neue Frage, dass die Auswirkungen oft von anderen Menschen beurteilt werden. Konsequenzen sind durchaus nicht immer gänzlich negativ. Häufig ist die Haltung von Klienten gemischt.

Sind diese Aktivitäten für Sie in Ordnung? Wie schätzen Sie diese Entwicklungen ein? Wie ist Ihre Einstellung zu dem, was hier gerade sichtbar wird? Ist diese Entwicklung positiv, negativ, beides, weder noch oder in einem Zwischenbereich?

Wie beurteilen Sie die Handlungen von PROBLEM?

  1. Fragen, nach der Begründung des Urteils / der Bewertung

Klienten werden nach Geschichten gebeten, die beantworten, warum er eine bestimmte Beurteilung abgegeben hat. Dabei können Warum-Fragen eingesetzt werden, aber nicht im Sinne eines moralischen Urteils.

Ist es in Ordnung, wenn ich dazu weitere Fragen stelle? Können Sie mir eine Geschichte aus Ihrem Leben erzählen, die mir verstehen hilft, weshalb Sie zu dieser Entwicklung diese Position beziehen? Welche Geschichte aus Ihrem Leben würde xy (andere Person) erzählen, die verstehen hilft, weshalb Sie diese Entwicklung so beurteilen?

Ich möchte an dieser Stelle eine 5.te Fragenkategorie hinzufügen / vorschlagen, die den Einfluss des Klienten auf das das Leben des PROBLEMS erfragt. Viele Menschen könnten von einer solchen Frage überrascht sein, denn sie sehen sich selbst meist als passiv / Opfer und übersehen dabei, dass auch sie selbst und ihre Handlungen des Lebens von PROBLEM beeinflussen.

Welche Geschichten können Sie erzählen, bei denen Sie entweder das Leben von PROBLEM einmal so richtig schwer gemacht haben, oder ihn zumindest etwas in seinen Aktivitäten behindert haben? Was müssten Sie tun, damit PROBLEM ein richtig leichtes Spiel hat, sich ganz und gar austoben kann?



Lebens-Geschichten

Konstruktivistisch Posted on So, April 22, 2018 17:16:10

Der Mensch verleiht seinem Leben und seinen Beziehungen eine Bedeutung, indem er seine Erfahrungen erzählt (auch sich selbst) und er führt diese Lebens-Geschichten so aus, dass er sein Leben und seine Beziehungen entsprechend gestaltet.

Der Mensch ist so reicht an gelebter Erfahrung, dass er sich nur einen Teil der Erfahrung erzählen und ausdrücken kann und ein Großteil der gelebten Erfahrung unberücksichtigt bleiben muss. Dieser herausgefallene Aspekt bietet eine reichhaltige Quelle für die Verfassung oder Neufassung alternativer Geschichten. Die Überlebensfähigkeit dieser neuen Geschichten und deren Aneignung lässt sich verbessern, wenn man ein ‚externes‘ Publikum hinzunimmt.

Die Zusammenfassung von Erfahrungen oder Ereignissen zu Geschichten oder Erzählungen über sich selbst ist erforderlich, damit Menschen ihrem Leben einen Sinn verleihen und darin Kohärenz und Kontinuität erkennen können.

(frei nach ‚Die Zähmung der Monster‘ von Michael White und David Epston)

Ein gutes Beispiel der ‚Gefahr der einen einzigen Geschichte‘ finden Sie auf diesem ca. 18 Min. TED Vortrag (das Video im Link hat deutsche Untertitel)..

https://www.ted.com/talks/chimamanda_adichie_the_danger_of_a_single_story?language=de



Wissen, Macht und Identität

Sprüche Posted on So, April 22, 2018 17:14:43

“Unsere persönliche Identität bestimmt sich u.a. nach dem, was wir über uns ‚wissen‘ und wie wir uns als Persönlichkeiten beschreiben. Was wir über uns wissen, ist jedoch zum größten Teil festgelegt durch kulturelle Praktiken (des Beschreibens, Einordnen, Klassifizierung, der Bewertung, der Ausgrenzung, des Ausschließens usw.), in die wir eingebettet sind. Als sprachliche Wesen sind wir alle unsichtbaren sozialen ‚Kontrollen‘ mittels vorsprachlicher Praktiken und den darin enthaltenen soziokulturellen Koordinationsmuster unterworfen. .. Daher sind auf sozialem Gebiet Wissen und Macht untrennbar miteinander verbunden.”

(Karl Tomm im Vorwort zu ‚Die Zähmung der Monster‘ von Michael White und David Epston)



Macht durch normierte Wahrheiten

Philosophie Posted on So, April 22, 2018 17:13:08

‚Macht‘ wirkt sich gestaltend aus: Wir sind der Macht durch normierte Wahrheiten unterworfen (Wahrheiten im Sinne konstruierter Ideen, denen Wahrheitsgehalt zugeschrieben wird), die unser Leben und unsere Beziehungen formen. Diese Wahrheiten werden wiederum durch die Anwendung von Macht hervorgebracht. So sind Macht und Wissen untrennbar verbunden. Macht kann nur im Einklang mit einem bestimmten System ‚wahrer‘ Überzeugungen ausgeübt werden. Wir unterliegen der Produktion von Wahrheit durch Macht und wir können Macht nur durch die Produktion von Wahrheit ausüben. Wir sind gezwungen, in einem Netzwerk von Macht/Wissen zu handeln; darin unterliegen wir den Auswirkungen der Macht und üben diese gleichzeitig im Hinblick auf andere aus.

Im Zeitalter einer immerwährenden Überprüfung und selbstverständlicher Objektivierung haben wir eine Gesellschaftsform der Normierung geschaffen, in der die Folter/Bestrafung früherer Souveräner Macht durch Bewertung ersetzt wurde. Diese Form der Macht etabliert sich zwischen den Zeilen durch Bewertungen darüber was normal, was recht und unrecht ist. Eine Unterwerfung unter die besagten ‚Wahrheiten‘ (Normen) führt in der Regel zu einem Gefühl des Unvermögens gegenüber diesen Erwartungen. Menschen werden zu ‚fügsamen Körpern‘.

Wie bei dem Machtmechanismus eines Panoptikon ist wesentlich, dass die Quelle der Macht unsichtbar bleibt. Ein Mensch der immer sichtbar ist und dies auch weiß, übernimmt Verantwortung für die Zwänge der Macht; er macht sich spontan zu ihrem Spielball; er beteiligt sich an den Machtverhältnissen, wobei er gleichzeitig beide Rollen, die des Mächtigen und die des von der Macht Betroffenen, übernimmt; er wird zum Prinzip seiner eigenen Unterwerfung. Wie im Panoptikon, ist es die Tatsache, immer gesehen zu werden bzw. die Möglichkeit, ständig gesehen werden zu können, die den disziplinierte einzelnen in seiner Unterwerfung hält. Es ist eine Maschinerie, in der alle eingefangen sind: diejenigen, die die Macht ausüben ebenso, wie diejenigen, die ihr unterworfen sind.

(frei zusammengestellt nach Michel Foucault und Michael White)



Unternehmenskultur: Narrative Interviews als Mittel

Systemisch Posted on So, April 08, 2018 12:33:51

Als ich Michael Müller auf einer Coaching Konferenz kennen lernte, war ich von seiner vorgestellten Methode, narrativen Interviews in Unternehmen einzusetzen, fasziniert. Zum einen liefert eine Analyse ein Bild der zur Zeit gelebten Unternehmenskultur und zum anderen lassen sich fundierte Empfehlungen darüber abgeben, wie eine Unternehmenskultur tatsächlich verändert werden kann: welche Geschichten erzählt werden müssten, um die Vorstellung des Unternehmens im Kopf nachhaltig verändern zu können. Details finden Sie in dem Buch ‚Einführung in narrative Methoden der Organisationsberatung‘ von Michael Müller.

Der nachfolgende Text ist eine kurze (ausschnittsweise) Zusammenfassung der Grundlagen, erklärt in dem Buch ‚Narrative Medienforschung von Michael Müller, Petra Grimm‘.

Der Begriff des narrativen Interviews wurde Mitte der 70er von dem Soziologen Fritz Schütze geprägt. Erzählen ist immer ein Prozess der Konstruktion zum Zeitpunkt des Erzählens. Deswegen wird auch die vergangene Geschichte eines Unternehmens immer unterschiedlich erzählt, ja völlig anders strukturiert. Narrative Interviews sind nicht geeignet verlässliche Informationen darüber zu erhalten, was damals geschehen ist, sondern liefern Daten darüber, wie Erzähler die Vergangenheit jetzt konstruieren um ihrer Gegenwart einen Sinn zu geben; wie die Erzähler sich selbst erklären wie etwas (oder sie selbst) so geworden sind, wie sie heute sind. Es geht um das Unternehmen im Kopf. Es geht um die gebildeten Landkarten und Modelle der erzählten Welt, deren Transformationen, Grenzüberschreitungen und die Art und Weise wie erzählt wird. Erzählung in Unternehmen sind dabei weniger stark durch den Einzelnen als durch das System im Unternehmen geprägt.

Ablauf narrativer Interviews

Narrativ sind Interviews, wenn nicht nach Sachverhalten, sondern nach Erlebnissen, Erfahrungen und Abläufen gefragt wird und dabei nur Erzählimpulse gegeben werden. Erzählungen von Erlebnissen auf allgemeine Fragen sind in der Regel nicht willkürlich, sondern haben für den Erzähler eine besondere Bedeutung. Auch erhält man durch offene, allgemeine Fragen Hinweise zu neuen, nicht erwarteten Themenbereichen. Im Vorfeld werden Teilnehmer nicht weiter informiert, denn das würde zu großen Druck ausüben. Ein idealtypischer Ablauf eins narrativen Interviews startet mit biografischen Fragen (Wann sind sie zum ersten Mal .. Wie ist es weiter gegangen. Wie ist die Idee… entstanden. Wie kam es dazu, dass ..), geht über allgemeine episodische Fragen (Wie läuft ein typischer.. ab?, Erzählen Sie doch einmal von einem typischen.. Wenn Sie.., wie läuft das ab?) und endet mit spezifischen episodischen Fragen (Gestern.., wie lief das ab?, Wann waren Sie das erste/letzte mal.. erzählen Sie doch einmal wie das ablief/was passiert ist.). Dabei kann es sinnvoll sein, Fragen zirkulär zu stellen, wenn man Informationen über gegenseitige Einschätzungen und Vermutungen über Verhalten von Personen offensichtlich machen möchte. Narrative Interviews haben auch immer einen aufdeckenden Charakter.

Auswertung narrativer Interviews

In der Auswertung von Einzelinterviews auf Basis der Interview-Transkriptionen schaut man nach diesen Fragen: Welche (teil)biografischen Erzählungen kommen vor? Welche Klassifikation von Narrationen (Ausgangszustand, Ereignis, Endzustand) gibt es? Was sind die Zeitstrukturen, was die eingenommenen Perspektiven? (Point of Views: ist die Erzählebene innerhalb oder außerhalb der dargestellten Welt? Welche subjektive/nicht-subjektive Perspektive wird eingenommen? Werden die Erzählebene und Perspektiven gewechselt? Welche Perspektiven sind dominant?) Was sind die verwendeten Klassen von Personen und Figuren? Wiederholen sich Narrationen? Welche Typen von semantischen Räumen oder Grenzüberschreitungen gibt es?

Anschließend erfolgt die Ableitung von Folgerungen (z.B. für die einzelnen relevanten Wert- und Denksysteme) und die Zusammenfassung der Befunde aus den Einzelinterview-Stichproben.

Grundlagen-Begriffe

Beim Point of View geht es darum, wer informiert und wer nimmt etwas wahr. Das betrifft das Verhältnis von Erzähler und Figuren und damit die Erzählebene. In einer Figurenanalyse wird ermittelt, welche Aktanten repräsentiert werden und von welcher Figur welche Aktanten-Funktion erfüllt wird. Auch wenn zu erwartende Funktionen nicht erfüllt werden, oder zu erwartende Figuren nicht repräsentiert werden, ist das interessant.

Semiotik (vom griechischem Wort ‚sēmeĩon‘‚ für Zeichen) ist eine wissenschaftliche Grundlagentherorie, die sich auf Basis eines Zeichenbegriffs mit dem Funktionieren von Kommunikation beschäftigt. Soweit sich die Semantik (Bedeutungslehre von Zeichen) mit Zeichen aller Art befasst, ist sie ein Teilbereich der Semiotik.

Sogenannte semantischen Räume sind eine Menge von Objekten und Merkmalen, die untereinander korreliert sind. Es gibt konkrete Räume mit bestimmten Bedeutungsmerkmalen und abstrakte Räume, die nicht an Orten gebunden sind.

Eine Geschichte basiert auf einer statischen semantischen Raumstruktur mit einer Grenze und einer Handlung, die eine Dynamik verursacht. Es ist immer erst zu klären, ob eine Geschichte narrativ ist, d.h. die Minimalanforderungen erfüllt: es müssen verschiedene Zeitpunkte erzählt werden, es muss eine Situationsveränderung einer Bezugsgröße erzählt werden, und sich die Bezugsgröße nicht während der Transformation verändern, es muss mindestens eine alternative Möglichkeit bestehen und das Geschehen muss von der Normalität, d.h. von dem was zu erwarten gewesen wäre, abweichen.

Handlungsträger von vielen Geschichten ist der ‚Held‘, der die semantische Raumstruktur überwindet. Der Held bildet mit den Aktanten ein Beziehungsgefüge: Wunschobjekt, Helfer, Gegner, Auftraggeber und Nutznießer. Mehrere Aktanten können durch eine Figur besetzt sein, oder durch mehrere Figuren oder Aktanten können gar nicht repräsentiert werden.

Erzählungen finden immer vor dem Hintergrund eines kontextuellen Systems statt, das sind die externen Daten, auf die eine Erzählung explizit oder implizit verweist.

Bei der Analyse von semantischen Räumen ist zu klären, welche Räume in Opposition zu einander stehen. Es ist hilfreich diese Räume grafisch darzustellen.

Ereignisse können in einer Hierarchie eingeordnet werden. Je höher, je bedeutsamer: Raumtilgung geht vor Grenztilgung, vor Grenzverschiebung und diese vor Grenzüberschreitung. Bei einer Grenzverschiebung bewegt sich die Grenze selbst durch Expansion oder Kontraktion der semantischen Räume. Eine Raumtilgung ändert die dargestellte Welt fundamental. Bei einer Grenztilgung gibt es keine Opposition mehr zwischen den verschiedenen semantischen Räumen.



Anpassungsleistungen im Lebensverlauf

Psychologie Posted on Mi, März 21, 2018 07:03:23

Der Mensch ist eine physiologische Frühgeburt. Eigentlich bräuchte er ca. 18 Monate um zu reifen, dann wäre er aber zu groß um durch den Geburtskanal zu passen.

Die Schwangerschaft unserer weit zurückliegenden Vorfahren betrug ca. 21 Monate. Nach der Geburt erlebt der Mensch eine Phase der vollständigen Abhängigkeit. Urvertrauen und, das Gegenteil, Urmisstrauen werden geprägt. Bindungsverhalten ist angeboren. Bereits 42 Minuten nach der Geburt können Kinder das Gegenüber imitieren. Durch das Nachahmen der Mimik entsteht im Kind die gleiche Reaktion des Nervensystems, die das Vorbild hat. Kinder können mit ca. 6 Monaten die nahen Bezugspersonen von Fremden unterscheiden und entwickeln dann ein emotionales Erleben dieser Abhängigkeit. Ängste kommen auf, wenn die Bezugspersonen sich entfernen oder Fremde auftauchen. Die emotionale Präsenz und die Zugewandtheit der Bezugspersonen ist jetzt besonders wichtig. Sicherheit muss von und durch sie garantiert werden. In dieser Phase hat das Erleben von Abhängigkeit, Bindung, frühen Ängsten, Urvertrauen und Sicherheit nachhaltige Auswirkungen auf den späteren Erwachsenen. Das Gehirn erfährt einen Wachstumsschub von 400g bei der Geburt auf über 1000g im Alter von 12 Monaten. Beziehungs- und Erfahrungsprozesse prägen die strukturelle Ausformung der Nervenzellen (‚Der Körper vergisst nicht‘). In der frühen Kindheit wird Bindung kommuniziert: durch Mimik, Haltung, Geschwindigkeit in der Bewegung und Handlung. Ton und Volumen der Stimme, Muster und Geschwindigkeit der verbalen Kommunikation, sowie der Blickkontakt sind wesentliche Elemente die Botschaften transportieren. Die immer wiederkehrende Aufgabe der Beziehungsperson ist es, dem Kind zu ermöglichen aufsteigende Spannungen zu ertragen, aber rechtzeitig einzuschreiten um zu beruhigen, bevor es von Affekten überflutet wird. Fühlt sich das Kind müde, krank, unsicher oder allein, reagiert es mit Bindungsmustern indem es schreit, lächelt, anklammert, nachfolgt etc., was den Erwachsenen anspricht, so dass dieser mit Nähe reagiert, die wiederum die Spannung im Kind abbaut. Das Kind entwickelt ein erstes Bild von sich selbst indem es das Bilder einer nahen Bezugsperson in sich aufbaut (Identifikation). Dieser Prozess ist nicht vor Ende des dritten oder vierten Jahres abgeschlossen. Aus dem Zusammenwirken solcher Identifikationen, von Reifeprozessen und genetischer Vorgaben, bildet sich im Laufe der Zeit die innere Instanz, die wir Selbstbild nennen. Es ist das was wir als unsere Identität erleben und was uns von unserer Umwelt unterscheidbar macht. Das erste ‚Nein‘ tritt mit ca. 15 Monaten auf. Das Kind erfährt, dass es Leistungen vollbringen kann, die die Umwelt anerkennt. Der Prozess der Abgrenzung von der Umwelt setzt ein. Kinder lernen im Laufe des dritten Jahres sich nicht mehr mit dem Vornamen, sondern mit ‚ich‘ zu bezeichnen. Kinder erfahren eine Auseinandersetzung mit ihren aggressiven Bedürfnissen (z.B. das Beißen) und erhalten eine Vorstellung von Aggression, die prägend für den späteren Umgang damit ist. Mit der Entwicklung der Motorik wird das Erleben der Autonomie dominant. Trotz ist ein natürlicher Autonomieversuch, der von den Eltern bedrohlich erlebt werden kann. Das gerade erworbene Vertrauen in die Umwelt wird auf eine Probe gestellt. Autonomie steht gegen Scham und Zweifel. Die vorher symbiotische (Mutter-Kind Zwei-Einheit) Beziehung erfährt eine allmähliche Loslösung (Separation). Zu der Suche nach einem neuen inneren strukturellen Gleichgewicht gehört ein Abwechseln zwischen Befriedigungs- und Versagungserlebnissen, eine ‚optimale Frustration‘‚die die wachsende Autonomie des Ich unterstützt. Das Kind kann in dieser Zeit der Zerrissenheit zuweilen fast depressiv wirken. Im Vorschulalter wird der sog. triadische Konflikt Mutter, Vater, Kind erlebt. Ein Loyalitätskonflikt, der dadurch entsteht, dass das Kind beide Eltern liebt und von beiden Eltern geliebt werden will. Die Gehirnfunktonen der Jungen und Mädchen entwickeln sich in unterschiedlicher Reihenfolge und Geschwindigkeit. Auch der Einfluss einer Geschwisterbeziehung ist allein schon von ihrer Dauer prägend. Das Beziehungsgefüge zu Geschwistern und deren Rivalität ist immer eingebettet in die Beziehung zu den Eltern. Die Durchgangsphase von ’nicht Kind, nicht Erwachsener‘ (Adoleszenz) ist ein wichtiger Schritt für den Umgang mit dem eigenen Körper und der sozialen Umwelt. Das Erwachsenenalter ist hingegen durch das Erleben von Partnerschaft, sozialen Beziehungen und die Bewältigung von Leistungserwartungen geprägt.

(Zusammengestellt u.a. aus ‚Eva Rass, Bindung und Sicherheit im Lebenslauf‘, Hoffmann/Hochapfel, ‚Neurotische Störungen und Psychosomatische Medizin‘)



Das Recht der Kinder auf Liebe

Sonstiges Posted on Mi, März 21, 2018 07:02:23

Wir gehen heute wie selbstverständlich davon aus, dass Eltern ihre Kinder bedingungslos zu lieben hätten und dass Kinder ein Recht darauf hätten. Historisch ist das eine Illusion. Christiane Sautter hat in ihrem Buch ‚Eltern: Wunschbild – Feindbild‘ eine Entwicklung der letzten Jahrhunderte zusammengetragen: Züchtigung, unbedingter Gehorsam, Unterwerfung im völligen Dienst an den Eltern, waren normal, zumindest in der Zeit zwischen der Antike und dem 18. Jahrhundert.

Erst mit dem Aufkommen der romantischen Liebe als Ideal, der ersten sozialen Gesetzte 1839, die die Kinderarbeit unter 9 Jahren verbot und für die anderen Kinder die Arbeitszeit auf 10 Stunden am Tag, 6 Tage die Woche beschränkte, begann sich ein Wandel abzuzeichnen. Im Proletariat wurden die Kinder überwiegend allein gelassen oder ruhiggestellt, da niemand Zeit hatte sich um sie zu kümmern. Nur die Hälfte überlebte. Es wurde empfohlen, dass Mütter und Kinder nach der Geburt getrennt wurden, damit sich die Kinder nicht von den Müttern infizieren. Erst 1985 empfahl die WHO das Gegenteil. Erst Anfang des 19. Jahrhunderts kam die Idee des Förderns von Fähigkeiten auf. Auch in der Weimarer Republik und in der NS Zeit hatten Kinder kein Recht auf die Liebe der Eltern. Sie hatte dankbar zu sein durchgefüttert zu werden bis sie selbst für sich sorgen konnten. Der Staat entzog möglichst früh den Eltern den Einfluss auf die Kinder und übernahm die Prägung, denn Kinder waren die stille Reserve und sollten auf ihren künftigen Einsatz eingeschworen werden. Einer ganzen Generation wurde eingebläut ihre eigenen Schwächen zu hassen, persönliche Bedürfnisse zurückzustellen oder diese nicht wahr zu nehmen und die Kontrolle unter allen Umständen zu behalten. Erst mit dem Wirtschaftswunder hatten viele Familien eine sichere Lebensgrundlage, die Mütter konnten zu Hause bleiben und sich um die Kinder kümmern und die Väter begannen sich langsam für ihre Kinder zu interessieren. Historisch eine neue Entwicklung.



Vergessen was wir dazu getan haben

Sprüche Posted on Mi, März 21, 2018 07:00:52

Bei unserer Wahrnehmung von der Welt vergessen wir alles, was wir dazu getan haben, sie in dieser Weise wahrzunehmen.

(Francisco Varela)



Die Kraft der Bilder bei unseren Vorfahren

Psychologie Posted on So, Januar 21, 2018 10:47:39

In dem Buch ‚Heilzauberglaube unserer Altvorderen‘ untersucht der Psychologe Jürgen Kraft die schamanischen Heilmethoden Mittel- und Nordeuropas. Er stellt unter anderem fest..

Unsere Vorfahren haben in Entsprechungen und Analogien gedacht. Der Sympathieglauben ist ein Entsprechungsdenken. Man geht davon aus, dass zwischen äußerlich ähnlichen Dingen eine Verbindung besteht z.B., dass, das was mit dem Abbild einer Person geschieht, eine Rückwirkung auf die reale Person hat. Andere Beispiele für Entsprechungsdenken sind die Astrologie und die Homöopathie. Der Sympathieglauben war eine zentrale Vorstellung unserer Vorfahren. Der Wunsch des Menschen nach Kontrolle über ihre vorhersagbare Umgebung lässt Glaubensgebäude (auch Aberglaube) entstehen.

Der uralte evolutionäre Teil unseres Gehirn, dass schnell denkt, ohne Anstrengung, integrativ und vor-bewusst und ständig versucht Ursache-Wirkungsbeziehungen zu erfinden (siehe Schnelles Denken, Langsames Denken..) ist wahrscheinlich für Entsprechungsdenken und damit für unseren Sympathieglauben verantwortlich.

Dieses Denken kann im Sinne einer ’selbst erfüllenden Prophezeiung‘ psychologisch eingesetzt werden. Positive Vorstellungen unterstützen unser Immunsystem und wir verhalten uns automatisch so, dass wir eher unser Ziel erreichen. Innere Bilder werden im NLP (u.a. bei der NBG Methode) aber auch in Therapien wie der KIP oder der VT (Desensibilisieren) verwendet. Wir können im Rahmen unserer inneren Bilder probehandeln und positive Erfahrungen gewinnen, die in unser reales Leben übertragen werden, da unser Gehirn nicht zwischen realen und in der Vorstellung gemachten Erfahrungen unterscheiden kann.

Auch in der Schamanischen Arbeit (Jürgen Kraft s.o.) werden Bilder verwendet und Verhaltensänderungen unterstützt. So muss sich der Patient nach einer ‚Krafttierrückholdung‘ intensiv mit seinem Krafttier beschäftigen und auseinandersetzten. ‚Krafttiere‘ können verschwinden, wenn ein Mensch seinen Körper oder Geist vernachlässigt. In vielen schamanischen Kulturen wird von einer vielfachen Seele ausgegangen. Um traumatische Situationen zu ertragen, flüchtet ein Teil der Seele (Dissoziation in der Psychologie). Bei der Seelenrückholung geht es dann um eine Verhaltensänderung des Patienten, um den Seelenteil bei sich zu halten.



Schuld

Konstruktivistisch Posted on Sa, Januar 06, 2018 06:34:46

Bei vielen Klienten geht es beruflich oder privat irgendwann um Schuld.

Im Job schwingt oft mit, möglichst nicht schuldig gemacht zu werden, denn das ist gleichbedeutend mit Versagen. Privat, sich an Jemandem schuldig gemacht zu haben oder z.B. innerhalb der Familie, schuldig gemacht worden zu sein. Wir tragen Lasten auf unseren Schultern, die wir uns aufgeladen haben oder die uns von anderen aufgeladen wurden. Dabei können wir auch einmal in die Knie gehen.

Schuld entsteht immer nur im Vergleich gegen etwas. Es ist eine Bewertung, die wir oder andere auf Grund von Werten, Normen und Erwartungen treffen. Bewertungen ändern sich jedoch in der Zeit und sind auch nur in einem bestimmten Kontext gültig.

Auch wenn sich Fakten nicht ändern lassen, so können wir im Coaching an der Bewertung arbeiten, die wir den Dingen heute selbst geben. Wir sind nicht Opfer der Bewertungen anderer, denn wir haben zumindest die Freiheit und die Verantwortung für uns, wie wir damit umgehen wollen.



Wachstum und was es dazu braucht

Psychologie Posted on So, Dezember 24, 2017 15:04:26

Wir Menschen wollen und müssen wachsen. Über uns hinauswachsen, uns entwickeln. In der Kindheitsphase ist das offensichtlich, doch es hört unser ganzes Leben nicht auf. Unser Leben hat etwas prinzipiell Vorläufiges und Unvollendetes. Wir sind “geworfen” (in-die-Welt-geworfen) und uns selbst verantwortet (Sartre). Einige unserer Verhaltensweisen begünstigen ein solches Wachstum, andere behindern es. Wenn wir ‚festhängen’, schaffen wir es, uns in Sackgassen zu verrennen und uns selbst zu quälen (Neurosen). Unser Wachstum verläuft in typischen Phasen, deren Durchlaufen, so unangenehm es sein mag, dazu gehört. Darum wird es in diesem Artikel gehen.

Unser Denken ist stark polar geprägt. Sobald wir mit einem Begriff etwas beschreiben, müssen wir schon sein Gegenteil ebenfalls definieren. Geist und Leib (Psyche und Soma), Gut und Böse, krank und gesund, Licht und Dunkel, rechts und links, oben und unten; alles wird gespalten und zweigeteilt. Vielleicht ist das so, weil wir in unserer körperlichen Anlage ebenfalls symmetrisch / zweigeteilt sind und wir hätten eine andere Denkstruktur, wenn unsere Symmetrie eine andere wäre, mit 3 Armen zum Beispiel. Wir nehmen diese Polarität als völlig normal hin und hinterfragen sie nicht. Dabei sind diese Dimensionen immer unsere eigenen Festlegungen, Dogmen, Bewertungen; also nur unserer eigenes geschaffenes Abbild einer Realität, die durchaus andere Dimensionen und unendlich viele Zwischenstufen kennt, die wir aber in unserem Denkmuster ausblenden, weil wir unsere Aufmerksamkeit durch eine duale Brille zwängen.

Unglücklicherweise entscheiden wir uns oft dafür auf nur einer polaren Seite stehen zu wollen und die andere Seite in unseren Schatten zu verdrängen. Zwischenstufen und ein – sowohl als auch – werden der Einfachheit halber ganz ausgeblendet. Wir wollen zum Beispiel immer nur gut, erfolgreich und gesund sein und tendieren damit zu einem polaren Extrem. Ein gutes Rezept um sich früher oder später selbst unglücklich zu machen. Unsere Erwartungshaltung wird extrem, unser Denken starr und vergleichend. Wir vergleichen uns und Andere mit unserer einseitigen Erwartungshaltung und wollen uns oder Andere ändern, damit sie zu unserem Wunschbild passen. Wir versuchen oft jemand zu sein, der wir nicht sind, um unseren eigenen, extremen Erwartungshaltungen besser zu entsprechen.

In der Kommunikation mit uns und Anderen sind wir nicht bei uns und alles andere als gewaltfrei. Man kann auch sagen, dass wir unserer eigenen Erfahrung von Wirklichkeit, Gewalt antun. Wir “müssen” eine Menge und orientieren uns damit wieder vergleichend an einem Wunschbild. Damit sind wir weder bei uns, noch bei anderen Menschen, d.h. wir können nicht wirklich in Kontakt gehen. Wir sind nur an der Grenze von Dingen und Menschen in Kontakt, in Berührung, weil wir nur auf der Grenze von Innen und Außen (Gestalt) etwas gemeinsam haben. Nur auf der Grenze leben wir wirklich.

Wir schaffen auch eine fatale Polarität in der Zeit. Entweder ist etwas Vergangenheit, oder eine Vorstellung in der Zukunft. Das Jetzt verschwindet zu einem winzigen, infinitesimalen Moment dazwischen. Die Gegenwart verliert an Bedeutung, sie schrumpft gleichsam. Sie wird reduziert auf einen bloßen Umschlagpunkt zwischen Vergangenheit und Zukunft; hat keinen eigenen Raum, keine Dauer, keine Stabilität mehr (Luhmann).

Dabei, wenn etwas nicht stimmt, auch wenn es schon lange so geht, brauchen wir nicht in der fernen Vergangenheit nach Ursachen und Verantwortungen zu suchen, sondern es ist Jetzt Teil von mir und ich kann hinsehen, was es Jetzt mit mir machtWarum und Weil sind Schutzworte, die eine Übernahme unserer eigenen Verantwortung nur verhindern. Wenn wir stattdessen nach dem Wie fragen, wie es Jetzt ist, werden wir uns bewusst, was wir tun und können beginnen Verantwortung für unsere Weiter-Entwicklung zu übernehmen.

Wir verhalten uns als ob es die körperliche Erlebniswelt und die Ebene des Intellektes gibt. Die Ebene auf der wir, allein mit uns, ungestört grübeln und uns im Kreis drehen können, uns Katastrophen vorstellen können, uns selbst verletzten und jammern dürfen. Zerrissen in unserer Vorstellung, als ob wir nicht eine Einheit von Körper und Geist wären. Fast immer lässt uns unser Organismus wissen, was wichtig ist, doch wir sind routiniert darin, seine Signale zu unterdrücken, auszublenden und zu zensieren. Jedenfalls bis der Körper doch noch eine andere Art findet sich auszudrücken, durch Krankheit oder psychosomatische Symptome, die uns dann ganz plötzlich überfallen und die wir nur einfach weg haben wollen um mit unseren alten Mustern ungestört weiter machen zu können. Nur keine Entwicklung bitte. Lasst mich in meiner Komfortzone aus alten Mustern, denn die sind zumindest gewohnt und geben Sicherheit.

In diesem Verhalten schaffen wir es uns auf verschiedene Arten unser Leben schmerzhaft und mühsam zu machen. Einige davon sind diese Strategien (es gibt viele mehr..):

Wir schaffen uns einen Berg unerledigter Dinge, den wir so lange aufhäufen, bis es wirklich nicht mehr geht und alles zusammenbricht oder wir krank werden, was dann, bei so einem Berg ja wirklich einmal sein darf.

Wir sind unentschlossen, immer hin- und hergerissen, können uns nicht entscheiden, wissen nicht was wir eigentlich wollen. Unser Rhythmus stimmt nicht mehr, wir atmen nicht mehr richtig ein oder aus; können nicht mehr richtig schlafen oder werden nicht mehr richtig wach.

Wir schwanken zwischen zwei Extremen, die beide nicht möglich sind, tun so als gäbe es keine andere Wahl mehr und diese vermeintliche Sackgasse treibt uns fast in Wahnsinn.

Wir schaffen keine klare Grenzlinie zwischen uns und der Welt, können kein Gleichgewicht zwischen unseren eigenen Bedürfnissen und den Forderungen von außen finden.

Wir schlucken alles nur noch herunter (Introjektion), tun so als seien keine Konflikte da, stimmen jedem zu und brauchen uns damit auf nicht mehr verteidigen. Brauchen wir auch nicht mehr, da es uns selbst kaum noch gibt, denn wir haben bei dem ganzen Lagerhaus von verschluckten Urteilen, Ideen und Normen Anderer auch keinen Platz mehr für uns selbst.

Wir verschieben die Grenze zwischen uns und Anderen, in dem wir projizieren, regen uns über Eigenschaften, die wir an uns nicht mögen bei anderen auf (Schatten) jubeln Qualitäten Anderer hoch zu Idealbildern unserer Wunschvorstellungen. Wir sind immer Opfer der Umstände und verleugnen unser eigenes Tun, unsere Verantwortung. Anstatt zu sagen “Mir fällt es schwer mich anzunehmen wie ich bin.” sind es die Anderen, auf die ich das Positive und das Negative projiziere.

Wir verkriechen uns in uns selbst (Retroreflektion), ziehen zwar eine Grenze, aber leider nur durch das eigene Ich, was uns in der Teilung nicht weniger einsam macht. Wir halten uns selbst zurück, beißen die Zähne zusammen, pressen die Lippen fest auf einander, halten die Arme steif, runzeln die Stirn, halten den Kopf steif zwischen den Schultern, kauen an den Nägeln usw. Das alles kostet Energie, die wir nach außen nicht mehr haben.

Wir fließen mit der Umgebung zusammen (Konfluenz) und wissen nicht mehr wo unsere eigenen Grenzen verlaufen, aber wir gehören dazu und fühlen uns angenommen. Unterschiede werden nicht geduldet, Andersdenkenden sind wir unversöhnlich gegenüber und wir können zu den bekehrtesten (furchterregendsten) Mitgliedern einer Gemeinschaft werden (Kirche, Bewegung, Club u.a.). Der eigene Wert liegt nicht mehr bei einem selbst, sondern nur noch in der Bewegung / Gruppe. Was erwarten die anderen von mir, ist die wichtigste Frage. Wir bezahlen mit unserem Leben um dazu zu gehören.

All diese Strategien behindern unser freies Wachstum. Wir sind im Kern zur Freiheit verurteilt, weil wir nicht anders sein können, als ein Entwurf von uns selbst (Sartre). Übernehmen wir die Verantwortung für unsere Freiheit nicht, dann klären unsere Grenzen (unseren Entwurf von uns selbst / unsere Gestalt) nicht, sind nicht im Hier und Jetzt und nicht wirklich im Kontakt. Die drei typischen Wachstumsbremsen der Menschen sind Faulheit, Feigheit und Fixierung (Höfner). Unser Wachstum vollzieht sich in fünf Phasen oder Schichten (de Roeck nach Perls).

  1. Die Klischee-Phase: Wir leben nach vorgegebenen Mustern und Regeln. Das Verhalten ist vorhersagbar wie der Tod. Alles ist so, wie es sich gehört, aber wir haben kein echtes Engagement, kein Vertrauen, kein Risiko. Ein “Verfallensein” an ein anonymes “Man” (Heidegger)
  2. Die Als-Ob-Phase: Wir inszenieren uns, spielen Spielchen, betrügen uns in dem wir etwas darstellen, was wir nicht sind z.B. in dem wir immer lächeln (das Mona-Lisa Spiel); so tun als ob wir nicht verstehen, wenn uns etwas triff (der Naive); geben uns übertrieben bedauernswert (das Mitleid Spiel); erpressen andere (“Du bist der Einzige..”, “Wenn Du nicht..”); sagen “Du bist genauso wie..” (das Übertragungsspiel) “Du hast es leichter..” (Vergleichsspiel); “Warum bist du nicht..” (Vorwurfspiel). Wir spielen Theater (Goffman), haben zwar die Sicherheit der Rolle, aber bringen uns um die Chance zu echten Beziehungen.
  3. Die Ausweglosigkeits-Phase: So bald wir aus unseren Rollen herausgehen, die Scheinsicherheit verlassen, befinden wir uns in einer Sackgasse, eine angstvolle, dunkle Leere (Depression).
  4. Die Implosive-Phase: Die letzten Gegenkräfte einer Weiter-Entwicklung mobilisieren sich. Es fühlt sich an wie ein Stück zu sterben. Wir ziehen uns krampfhaft zusammen und versuchen doch noch etwas Kontrolle zu haben. Dennoch lohnt es sich loszulassen und dies auszuhalten – sterben um zu leben.
  5. Die Explosive-Phase: Wie neu geboren brechen echte Gefühle einer authentischen Persönlichkeit hervor. Es wird viel neue Energie frei. Neue Möglichkeiten und neue Fähigkeiten entdeckt.

Ich habe mehrere dieser Entwicklungsphasen vollständig durchlaufen. Einen Zyklus vom Beginn meiner Schulzeit bis zur Explosions-Phase nach der Schule. Dann einen neuen Zyklus über das erste Studium hinweg bis zur ersten Hälfte meiner Berufstätigkeit und einen zweiten Zyklus danach. Dass viele Wechsel mit Phasen meiner beruflichen Veränderung zusammenfallen, zeigt, wie stark ich mich auf den Beruf fixierte und meinen Wert darüber definierte. Die letzte Phase der Ausweglosigkeit und Implosion war mit einer schweren Depression heftig, aber seit einer ganzen Weile bin ich in einer neuen explosiven Phase und entdecke immer mehr. Auch wenn es mir schwer fällt es zu akzeptieren, gehören auch die dunklen Phasen zum Leben, zum Lebens- und Wachstumszyklus, dazu.



Ideale

Sprüche Posted on Do, Dezember 21, 2017 06:29:17

Elefanten versuchen nicht, Giraffen oder Schwalben zu werden. Radieschen versuchen nicht, Rote Beete zu werden. Aber wir versuchen zu sein, was wir nicht sind. Wir ersticken an den Idealen, die unerreichbar sind, oder die nur auf unsere eigenen Kosten erreichen werden können. Wir gehen auf Zehenspitzen, um nur ja nirgendwo anzustoßen, und werden anschließend ärgerlich auf unsere Zehen, wenn sie uns weh tun.

(Bruno-Paul de Roeck, aus ‚Gras unter meinen Füssen‘)



Delegieren der Sehnsucht nach Liebe an den Partner

Systemisch Posted on Di, Dezember 19, 2017 08:24:15

Für die meisten Menschen hängt Glück auch mit Partnerschaft zusammen, mit dem ‚richtigen‘ Partner, der ‚richtigen‘ Partnerin. Dabei können kindliche Wünsche an die Partner delegiert werden. Manche glauben, Partner hätten die Aufgabe, für Glück zu sorgen. Andere verlangen, dass Partner Bedürfnisse erspüren sollen.

Wir verlieben uns in Menschen, die ganz ähnliche Muster leben wie die, die wir aus unseren Familien kennen. Wir suchen uns Menschen, die uns entweder ähnlich behandeln wie unsere Eltern oder bei denen ähnliche Lösungsstrategien greifen. Das ist einerseits von Vorteil, wir kennen die Muster, andererseits, wenn unsere Kindheit nicht glücklich war, ein Nachteil, denn wir erleben das, was wir in unserer Kindheit erlitten haben auch in unseren Partnerschaften. Deshalb stimmt das Gefühl man würde sich schon ewig kennen.

Kinder aus Familien mit Suchtproblemen finden deshalb oft Partner mit Suchtproblemen. Kinder, die parentifiziert wurden, finden jemanden, dem sie helfen und für den sie sorgen können. Kinder, die traumatisiert wurden, treffen häufig traumatisierte Partner. Trigger Reaktionen können dabei als Beziehungskiller wirken. Kinder, die in Familien mit paradoxer Kommunikation aufwuchsen, finden oft Partner aus ähnlichen Systemen. Die Sehnsucht nach Eindeutigkeit und Nähe hält sich die Waage mit der Angst vor Vereinnahmung und Verlust der Identität.

(zusammengestellt aus ‚Eltern: Wunschbild – Feindbild‘ von Christiane Sautter)



Wirkfaktoren der KiP

Psychologie, Therapie Posted on Sa, Dezember 02, 2017 10:23:38

Gefördert durch die offenen Fragen, die imaginierte Scene in allen Details zu beschreiben, werden die katathymen Bilder der Wahrnehmung realer Szenen immer ähnlicher. Dies ist aber erst vollständig, wenn der Klient auch den Gefühlston der Scene wahrnehmen und verbalisieren kann.

Dadurch dass selbst “Ungeheuerlichkeiten” in der gleichen Art beobachtet, vergegenwärtigt und beschrieben werden, mit der man einen technischen Apparat untersuchen würde, werden Symbolisierungen Schritt für Schritt durch den Klienten (nicht durch den Therapeuten) intellektuell erfasst. Der Tagtraum wird entmystifiziert und wird zunehmend realitätsbezogen. Eine Entwicklung des Klienten ist durch einsetzende Wandlungsphänomene beobachtbar und kann positiv verstärkend angesprochen werden.

Die intensive Wahrnehmung von Gefühlen kann diese verstärken, wobei eine Freisetzung oder auch Abreaktion befreiend wirken kann. Dies ist aber nicht Selbstzweck, sondern die damit verbundene emotional-affektive Neutralisierung zur Gewinnung einer kognitiven Klarheit, insbesondere bei fixierten Bildern.

Konflikte, als Teil des eigenen konflikthaften Ich, werden nach Außen verlagert / projiziert, werden damit greifbar und lassen sich kritisch betrachten. Bildstrukturen können eingeordnet und auf ihren Gefühlston untersucht werden. Diese Betrachtungen und die Fokussierung auf Details haben eine unmittelbare Rückwirkung auf das Ich (z.B. Selbstheilungstendenz). Dabei kann der Prozess teils halb vor, halb unbewusst im Bildhaften stehen bleiben (“Im-Bild-stehen-lassen” von Metaphern in allen vielschichtigen Bedeutungen statt Entleerung durch Unterteilung in Begriffen), teils wird er zur Gewinnung von kognitiven Einsichten bewusst. Wichtig ist, dass die Auseinandersetzung emotional getragen ist.

Die Auseinandersetzung mit und die Bewältigung von Konflikten im Tagtraum kann durch die Probehandlungen Klienten-Ressourcen aktivieren und kann das Ich erheblich stärken.



Katathym-imaginative Psychotherapie (KiP)

Psychologie, Therapie Posted on Sa, Dezember 02, 2017 10:22:27

In ihrem Konzept geht das katathyme Bilderleben von der Tradition der europäischen Tiefenpsychologie aus und erfüllt alle Kriterien der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie. Beinahe alle Menschen können fantasiegetragenen Imaginationen entfalten (nicht nur im Nachttraum, sondern auch in Tagestraumfantasien) und somit sich in einen subtilen dialektischen Prozess treten. Im Gegensatz zum Nachttraum, bei der i.d.R. eine kritische Stellungnahme aufgehoben ist, bleibt es im Tagtraum klar, dass es sich nicht um reale Erscheinungen handelt. Mittels nicht interpretierenden (!) Interventionen kann der Therapeut auf Grund von empirischen Beobachtungen die Imaginationen sinnvoll nutzen (z.B. Versöhnen und Nähren). Nach der Einleitung einer kurzen Entspannungsphase werden vage Vorstellungsmotive vorgegeben und der Klient kann spontan auftretende Gefühle und Affekte entfalten und dabei verbalisieren. Eine emphatisch einfühlende Begleitung durch den Therapeuten ist wesentlich. Obwohl die Durchführung sehr einfach erscheint, ist KiP ein starkes therapeutisches Instrument (auch im Bereich der Kurzzeittherapien), das eine entsprechende Ausbildung und Erfahrung voraussetzt. In der Grundstufe werden weniger Symptomatiken direkt behandelt, sondern die unbewusste Psychodynamik. Durch die Art der Vorlagen / Strukturmotive werden keine Grenzen gesetzt. Projektionen können sich dabei trägheitslos wandeln (mobile Projektionen). Dabei kann KiP sowohl mit Klienten die stark intellektualisieren, als auch mit Klienten, die in Introspektion ungeübt oder auf ein operatives Denken eingeschränkt sind, erfolgreich eingesetzt werden. Der Klient wird gebeten über alle auftauchenden Inhalte fortlaufend zu berichten (dauerhafter Rapport). Der Therapeut stellt sich so ein, dass er alle Inhalte anerkennt und seine Fragen und Hinweise aus der quasi-realen Perspektive formuliert. Wichtig ist, dass der Klient lernt das Gefühlsmoment und die Stimmung wahrzunehmen. Zwischenfragen sollten deshalb vor allem der Klärung von Bilddetails und des Gefühltones dienen.

Skizze eines Ablaufes..
– “Blumentest” im Sitzen, ohne Ankündigung zur Verhinderung einer Erwartungsspannung

– Entspannung
– Einstellung eines Strukturmotives, in der Grundstufe: Wiese (spiegelt häufig die gegenwärtige Stimmung des Klienten wieder) – kann auch als Startpunk für Sitzungen dienen, Bachlauf (ergibt sich auch öfter aus dem Wiesenmotiv), Berg, Haus, Waldrand
– Zurücknehmen

I.d.R. erfolgen keine anschließenden Nachgespräche über die Inhalte. Ggf. Hausaufgabe ein Bild zu malen oder ein Protokoll zu schreiben (und Besprechung am Anfang der nächsten Sitzung).

Für eine Einleitung in die Grundstufe sei z.B. auf das Buch “Katathym-imaginative Psychotherapie (KiP)” von Hanscarl Leuner verwiesen.

Kontraindikationen sind ein IQ unter 85, Psychosen akuter oder chronischer Art oder psychosenahe Zustände, hirnorganische Syndrome, schwere depressive Verstimmung, mangelnde Motivation selbst für eine einfache, nicht aufdeckende Therapie.



Ich bin Ich

Sprüche Posted on Sa, November 11, 2017 21:18:53

Bedingungslose Liebe zu mir Selbst: Ich bin Ich

Ganz gleich, wie unvollkommen ich auch sein mag:
Ich liebe mich mit allem, was zu mir gehört,
mit meinen Stärken und mit meinen Fehlern.

Wenn ich mich hasse, weil ich nicht vollkommen bin,
blieb ich fixiert in meinen Schwächen.
Nur wenn ich meine Fehler liebe, kann ich stetig wachsen.

Indem ich meine Fehler liebe,
trag ich Verantwortung für meine Schwächen,
statt sie bei anderen zu kritisieren.

Auch die Fehler meiner Eltern darf ich nennen,
deren Wirkung ich noch heute spüre.
Wenn ich so tue, als sei nichts gewesen, bleib ich verletzt.

Verzeihen kann ich nur, wenn ich fühle.
Niemand kann verlangen, dass ich mich belüge.
Niemand weiß das besser als ich selbst.

Und doch kann ich werden wie die Eltern.
Ich nutze das, was sie mit mitgeliefert haben,
und ich verwerfe, was nicht zu mir und meinem Leben passt.

Ihre Fehler muss ich nicht noch einmal machen.
Ich kann aus ihnen lernen, einen anderen Weg beschreiten,
denn Ich bin Ich.

Ich bin die Einzige, die mich retten kann.
Ich bin der Einzige, der mich retten kann.
Und das will ich tun, von Herzen gern!

(Gesehen in ‚Eltern: Wunschbild – Feindbild‘ von Christiane Sautter)



Dramaturgie des Unbewussten

Psychologie Posted on Sa, November 11, 2017 20:44:05

Die Erfahrungen der Gegenwart werden immer durch die Brille der Erinnerungen an die Vergangenheit gesehen. Ein beträchtlicher Teil dessen, was in der Gegenwart durchzusichern scheint, ist in Wirklichkeit ein Sich-wieder-Entsinnen und Erneut-Erleben der Vergangenheit. Erinnerungen an Vergangenes haben einen direkten Einfluss auf gegenwärtiges Handeln und Interagieren. Erwartungen an die Zukunft basieren weitgehend auf Annahmen, die sich auf Erfahrungen in der Vergangenheit gründen.

aus ‚Dramaturgie des Unbewussten‘ von Albert Pesso



Wir alle spielen Theater

Sonstiges Posted on Di, Oktober 31, 2017 18:29:20

‚Wir alle spielen Theater’ ist der Titel eines Buches von Erving Goffman, dass dem Leser eine soziologische Perspektive darlegt, in der unser soziales Leben im Grunde aus vielen Theatervorstellungen besteht. Nicht umsonst kommt die ursprüngliche Bedeutung des Wortes Person von Maske (vgl. z.B. wissen.de, Person = Mensch aus lat. persona “Maske des Schauspielers; Bühnenrolle; Person, Persönlichkeit”). “In unseren Rollen erkennen wir einander, erkennen wir uns selbst. Unsere Maske ist das Bild, das wir uns selbst von uns geschaffen haben. Die Vorstellung unserer Rolle wird zu unserer zweiten Natur. Wir kommen als Individuen zur Welt, bauen einen Charakter auf und werden ‚Personen’. (nach E. Park)”

Wie in einer Theatervorstellung, bleiben viele Tatsachen oder Motivationen in unseren sozialen Interaktionen verborgen und nichts kann die Notwendigkeit ersetzen auf Grund von Schlussfolgerungen zu handeln. Jeder wird sich in einem für ihn günstigen Licht den anderen präsentieren. Die Art der Kontrolle, die der Einzelne dabei ausübt, schafft die Bühne für ein Informationsspiel, einen Kreislauf von Verheimlichung, Entdeckung, Enthüllung und Wiederentdeckung. Wir erwarten von jedem Teilnehmer, dass er seine unmittelbaren tieferen Gefühle unterdrückt, den seiner Ansicht nach die anderen am wenigsten akzeptieren können. Diese oberflächliche Übereinstimmung wird von allen aufrecht erhalten, wenn jeder seine wahren Bedürfnisse hinter der Verteidigung von Werten verbirgt, denen sich alle Anwesenden verpflichtet fühlen (Ebene der Arbeitsübereinstimmung).

Eine entscheidende Bedeutung kommt dabei den Informationen zu, die der Einzelne anfangs über seine Mitspieler hat, denn auf dieser Grundlage beginnt er die Situationen zu definieren und die Richtung seiner Handlungen auszubauen. Seine anfängliche Projektion verpflichtet ihn dabei auf das, was er behauptet, und zwingt ihn jeden Anspruch fallen zu lassen, etwas anderes zu sein.

Verteidigungsmanöver des Einzelnen sind Strategien und Taktiken, die er anwendet um seine Projektion zu sichern. Wenn sie dazu dienen, die Projektionen eines anderen zu bewahren wird das als Takt bezeichnet.

Das vorbestimmte Handlungsmuster, das sich während einer Darstellung (einer Reihe von Interaktionen) entfaltet, ist die gespielte Rolle. Viele soziale Rollen im Sinne der Ausübung von Rechten und Pflichten, sind mit einem Status verknüpft und können mehrere Teilrollen umfassen die vom Darsteller bei einer Reihe von Gelegenheiten vor gleichartigem Publikum dargestellt wird. Wenn der Einzelne eine Rolle spielt, fordert er gleichzeitig die Zuschauer auf, den hervorgerufenen Eindruck ernst zu nehmen. Ein Darsteller wird aufrichtig bezeichnet, wenn er an den Eindruck glaubt, den seine Vorstellung hervorrufen soll. Der Teil einer Darstellung, der regelmäßig dazu dient, die Situation für das Publikum zu bestimmen, ist die Fassade.

Zu der Fassade gehört das Bühnenbild (die Requisiten und Kulissen unseres Handelns: Rangmerkmale, Kleidung, Geschlecht, Alter, Rasse, Größe und Erscheinung, Haltung, Sprechweise, Ausdruck, Gestik etc.). Wir erwarten von der Fassade eine gewisse Übereinstimmung zwischen Bühnenbild, Erscheinung und Verhalten. Oft wird eine Vielzahl verschiedener Handlungen nur durch eine kleine Anzahl von Fassaden dargestellt. Auf Grund der stereotypen Erwartungen an die Fassade, können Erwartungen institutionalisiert werden, womit die Fassade eine eigene Bedeutung und Stabilität erhält. Die Fassade wird zur kollektiven Darstellung und zum Selbstzweck. Im Allgemeinen existieren bereits mehrere wohletablierte Fassaden, zwischen denen der Einzelne seine Wahl zu treffen hat. Auch Requisiten einer Fassade können für eine größere Anzahl verschiedener Rollen verwendet werden.

Für Anbietern von Dienstleistungen kann es z.B. schwer sein das ganze Geschehen mangels für den Kunden sichtbaren Bühne zu vermitteln, wodurch für die sichtbaren Leistungen oft mehr Geld verlangt wird.

Muss jemand bei seinen Darstellungen bestimmten Idealen gerecht werden, so muss er Handlugen die nicht damit übereinstimmen, unterlassen oder verbergen. Fehler in den Darstellungen werden oft verwischt, damit der wichtige Eindruck der Unfehlbarkeit aufrechterhalten werden kann. Auch kleine Fehler in der Darstellung können beim Publikum Empörung hervorrufen, nicht weil der einzelne Fehler so schwer wiegt, sondern weil die Darstellung von der vorher entworfenen Definition (Erwartung) abweicht, denn es gehört gerade zur Projektion, dass sie unter den gegebenen Umständen als die einzig mögliche akzeptiert werden kann. Die augenblickliche Darstellung und Beziehung zum Publikum wird betont und der Eindruck einer routinierten Vorstellung verschleiert. Es wird meistens unterschätzt wie stark die Darsteller vom Takt des Publikums abhängig sind (Regeln des Anstandes und der Höflichkeit).

Angehörige von sog. gehobenen Berufen (z.B. Arzte) erwecken gerne den Eindruck einer Überstimmung von Person und Aufgabe, auch, dass sie ideelle Motive dafür gehabt hätten ihre Rolle zu übernehmen. Um den Glauben an Ideale zu unterstützen werden gerne von Körperschaften Lizenzen erteilt, die eine lange und schwer zu beurteilende Ausbildung verlangen. Zum Teil soll wird damit ein Monopol geschaffen, aber auch der Eindruck der Unterscheidung von anderen Menschen bewusst forciert.

Wir neigen dazu “ehrliche” (d.h. mit den Erwartungen an die Rolle / Fassade kongruenten) Darstellungen so zu sehen als fänden sie ohne Absicht statt.

Bei dem Ausfüllen einer neuen Rolle in der Gesellschaft werden dem Einzelnen in der Regel nicht alle Einzelheiten mitgeteilt, sondern nur Stichworte / Regieanweisungen gegeben. Er muss dann die vielen spezifischen Details seiner Rolle selbst erlernen (Eingliederung) um mit den Erwartungen an seine neue Rolle gerecht zu werden. Ein Status, eine Stellung ist nicht etwas Materielles, sondern ein Modell eines kohärenten und klaren Verhaltens. Auf jeden Fall etwas das gespielt und dargestellt werden muss.

Ein Team (Ensemble) ist eine Gruppe von Individuen, die gemeinsame eine Rolle aufbauen. Alle Mitglieder eines Ensembles sind durch gegenseitige Abhängigkeit mit einander verbunden. Offene Meinungsverschiedenheiten vor einem Publikum können einen Missklang erzeugen, so dass Einmütigkeit nach Außen eine Bedingung ist. Eine Berufs-Etikette sind Sammlungen von Ritualen um vor Kunden die Einheitsfront des Berufes zu sichern. Kein Teilnehmer eines Ensembles darf an der Interaktion dem Darsteller- Ensemble und dem Publikum gleichzeitig angehören, wenn der Eindruck gewahrt werden soll. Kontrolle über das Bühnenbild hat den Vorteil, dass der Zugang von Informationen an das Publikum beeinflusst werden kann. Regisseure neigen dazu Vorstellungen danach zu beurteilen, wie glatt / reibungslos diese abgelaufen ist.

Regionen z.B. Vorder- und Hinterbühne sind dadurch definiert, dass sie durch Wahrnehmungsschranken begrenzt sind. Oft wird die Arbeit der Einzelnen hinter der Bühne nach technischen Maßstäben beurteilt, während auf der Vorderbühne die darstellerischen Fähigkeiten zählen.



Freiheit

Sprüche Posted on Di, Oktober 31, 2017 09:41:03

Freiheit bedeutet Verantwortung.
Das ist der Grund, warum die meisten Menschen sich vor ihr fürchten.
(Georg Bernhard Shaw)



Nichts

Sprüche Posted on Di, Oktober 31, 2017 09:36:32

Wir haben gar nicht genug Zeit, das ganze Nichts zu tun, was wir tun wollen.
(Bill Watterson)



Ein Experte

Sprüche Posted on Di, Oktober 31, 2017 09:32:59

Ein Experte ist ein Mensch, der auf einem eng begrenzten Feld alle nur denkbaren Fehler gemacht hat.
(Niels Bohr)



Gedanken entscheiden

Sprüche Posted on Sa, Oktober 21, 2017 13:19:34

Nicht unsere Stimmungen prägen unsere Gedanken. Unsere Gedanken entscheiden über unsere Stimmungen.
(Aaron T. Beck)



nicht Gutes oder Schlechtes

Sprüche Posted on Sa, Oktober 21, 2017 13:18:50

Es gibt nicht Gutes oder Schlechtes; erst die Gedanken machen es dazu.
(Hamlet)



schlimmsten Dinge

Sprüche Posted on Sa, Oktober 21, 2017 13:18:11

Einige der schlimmsten Dinge in meinem Leben sind mir gar nicht passiert.
(Mark Twain)



Denken glauben

Sprüche Posted on Sa, Oktober 21, 2017 13:17:04

Viele Leute glauben zu denken, dabei ordnen sie lediglich ihre Vorurteile neu.
(William James)



Denk-Richtung

Sprüche Posted on Sa, Oktober 21, 2017 13:15:52

Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann.
(Francis Picabia)



Was wir beobachten können

Sprüche Posted on Sa, Mai 06, 2017 07:36:51

Es ist durchaus falsch, zu versuchen, eine Theorie nur auf beobachtbaren Größen aufzubauen. In Wirklichkeit tritt gerade das Gegenteil ein. Die Theorie bestimmt, was wir beobachten können.

(Einstein zu Heisenberg in einem Gespräch 1926)



Nichtkontigenz

Konstruktivistisch Posted on Fr, Mai 05, 2017 17:37:37

Nichtkontigenz – oder: Die Entstehung von Wirklichkeitsauffassungen:

Sobald einmal das Unbehagen eines Desinformationszustands durch eine wenn auch nur beiläufige Erklärung gemildert ist, führt zusätzliche, aber widersprüchliche Information nicht (!) zu Korrekturen, sondern zu weiteren Ausarbeitungen und Verfeinerungen der Erklärung. Damit aber wird die Erklärung ’selbst-abdichtend‘, das heißt, sie wird zu einer Annahme, die nicht falsifiziert werden kann. (siehe z.B. Experimente wie der ‚vielarmige Bandit‘ von Wright an der Stanford Universität)

(aus ‚Wie wirklich ist die Wirklichkeit‘, Paul Watzlawick)



Kritik der Freien Assoziation

Psychologie Posted on Fr, Mai 05, 2017 17:36:42

Psychoanalyse: Bekanntlich liegt der Analysand auf einer Couch und muss sich einer besonderen Form der geistigen Konfusion*, dem freien Assoziieren, hingeben – das heißt all das wahllos ausdrücken, was immer ihm durch den Kopf geht. Der Analytiker sitzt hinter ihm, so dass ihn der Patient nicht sehen kann. Der wohlgemeinte Zweck dieses etwas ungewöhnlichen Kommunikationsarrangements ist es, dem Patienten den freien Fluss seiner Assoziationen, besonders aber die Erwähnung peinlicher Themen, dadurch zu erleichtern, dass er sich der Anwesenheit des Analytikers so weniger bewusst ist. In Wirklichkeit aber tritt genau das Umgekehrte ein. Um eine psychoanalytische Analogie zu verwenden: Was durch die Vordertüre hinausgeworfen wird, schleicht sich durch die Hintertür wieder ein. Statt die Gegenwarte des Analytikers zu vergessen, entwickelt der Patient ein besonderes scharfes Ohr für die minimalisierten Geräusche. All dies und vieles andere wird zu Signalen dafür, welche freien Assoziationen die ‚richtigen‘ sind und welche keine Billigung finden.

*Konfusion

Nach ursprünglicher Lähmung löst jeder Zustand der Konfusion eine sofortige Suche nach Anhaltspunkten aus, die zur Klärung der Ungewissheit und dem damit verbundenem Unbehagen dienen können. Erstens wird diese Suche, wenn erfolglos, auf alle möglichen und unmöglichen Bezüge ausgedehnt und wird unter Umständen die unbedeutendsten und abwegigsten Zusammenhänge einbeziehen. Zweitens neigt man in einem Zustand von Konfusion ganz besonders dazu, sich an die erste konkrete Erklärung zu klammern, die man durch den Nebel der Konfusion zu erkennen glaubt.

(aus ‚Wie wirklich ist die Wirklichkeit‘, Paul Watzlawick)



Das IFS (Internal Family Systems) Modell

Systemisch, Therapie Posted on Mo, Mai 01, 2017 16:22:32

Das von Richard C. Schwartz (nicht zu verwechseln mit dem Pseudonym ‚Richard Schwartz‘ eines deutschen SiFi Autors) vorgestellte IFS (Internal Family Systems) Modell erweitert die Methoden des intrapsychischen Prozesses und des systemischen Familienprozesses. IFS geht davon aus (wie im Coaching), dass die Menschen alle Ressourcen besitzen, die sie brauchen. Sie werden nur von polarisierten Beziehungen innerhalb ihrer selbst, als auch mit Mitmenschen, gehindert ihre Ressourcen zu nutzen. In der Zusammenarbeit mit dem Klienten, können Zwänge aufgelöst und Ressourcen freigelegt werden.

Statt die menschliche Psyche als eine Einheit zu betrachten, führt das Modell der Multiplizität (verschiedener Teile) zu einem System interagierender Bewusstseinsformen. Vorläufer des Modells der ‚Vielfalt der Psyche‘ waren z.B. Roberto Assagioli (Psychosynthese) und Carl Gustav Jung (aktive Imagination). Jeder hat nach Schwartz dabei neben seinen Teilen (Teilpersönlichkeiten) ein Selbst, das anderes als die Teile ist. Das Selbst verfügt über Klarheit und andere Eigenschaften, die zu einer effektiven Führung notwendig sind. Die Qualitäten des Selbst sind unter anderem: Ruhe (körperlich und geistig), Klarheit (fähig Situation ohne Verzerrung durch extreme Überlegungen oder Gefühle wahrzunehmen), Neugierde (ohne vorschnell zu urteilen, wie ein Kind in seiner Wissbegier), Mitgefühl, Zuversicht, Mut, Kreativität, Verbundenheit, Freude, Humor, Versöhnlichkeit und Dankbarkeit.

Menschliche Systeme streben nach Gleichgewicht, Harmonie, Führung und Entwicklung. Ein Mensch organisiert sich so, dass das Selbst um jeden Preis geschützt wird. Im Falle eines Traumas oder einer intensiven Emotion, trennen Teile das Selbst von den Gefühlen des Körpers ab (dissoziieren). Dadurch, dass die Teile das Selbst auf mehr oder weniger extreme Art schützen mussten, verlieren sie das Vertrauen in dessen Fähigkeit zur Führung und meinen, sie müssten selbst die Führung übernehmen. Menschen haben zu ihren Teilen so ziemlich dieselbe Beziehung, die ihre Eltern zu eben diesen Teilen hatten.

Systeme im Ungleichgewicht neigen zu Polarisierung. Jedes Mitglied der Polarisierung hat Angst, wenn es sich zurückzöge, gewänne das andere oder das System erleide Schaden. Je schlimmer und länger jemand verletzt wurde, desto polarisierter ist das System der Person gewöhnlich. Wie das Bild zweier Matrosen, die sich über beide Seiten des Bootes hinauslehnen um es zu stabilisieren: je mehr sich der eine über Bord lehnt, desto mehr muss der andere es kompensieren. Beide sind in ihren Positionen stark eingeschränkt und keiner mag eigentlich seine Extremposition, dennoch würde das Boot kentern, wenn nur eine der beiden Positionen verlassen würde, während das Boot allein, ohne die extremen Bemühungen es zu stabilisieren, ziemlich stabil wäre. Die einzige Lösung wäre, wenn sie sich beide gleichzeitig nach innen bewegen würden. Da sie aber kein Vertrauen zu einander haben, muss ein Dritter helfen. Ein Dritter (Kapitän), dem sie beide vertrauen und der ihnen versichert, dass der jeweils andere seine Position aufgibt.

Menschliche Systeme organisieren sich dabei in drei Gruppen: die Manager (schützend, strategisch, kontrollierend, um Sicherheit bemüht), die Verbannten (sensibel, evtl. verletzt oder wütend) und die Feuerbekämpfer (heftig und automatisch reagierend, wenn die Verbannten aufgeregt sind, versuchen sie die Gefühle zu unterdrücken oder zu besänftigen). Die meisten Menschen, selbst die, die nie ernstlich verletzt wurden, sind innerlich in diesen drei Gruppen organisiert, da wir sozialisiert wurden, verschiedene Teile zu verbannen, was dann auch die Rollen der Manager und Feuerbekämpfer notwendig macht.

Erwachsene reagieren auf verletzte Gefühle eines Kindes auf die gleiche extreme Art, wie sie auf die verletzten Teile ihres eigenen inneren Kindes reagieren: mit Ungeduld, Verleugnung, Kritik, heftiger Erregung oder Abscheu. Manager-Teile lernen diese Haltungen zu übernehmen und halten das Selbst davon ab, sich um die jüngeren Teile zu kümmern. Wie jede unterdrückte Gruppe werden Verbannte immer extremer und verzweifelter und suchen nach Gelegenheiten auszubrechen und ihre Geschichten zu erzählen. Überdies können Verbannte zu Auffangstellen für Gefühle werden, die andere Teile nicht haben wollen (z.B. die Teile – die Manager – die das Leben lenken müssen). Wenn die Verbannten die Kontrolle übernehmen, bringen sie den Menschen oft in Gefahr. Z.B. können sie nach einem Befreier suchen, welcher der Person ähnelt, die sie ursprünglich zurückgewiesen hat. Unter Umständen bezahlen sie selbst für kleine Mengen an Liebe, Annahme, Schutz einen hohen Preis für die Hoffnung gehört und befreit zu werden. Wenn die Verbannten vollkommen die Führung übernehmen, können wir handlungsunfähig werden, besessen sein, unfähig zu schlafen oder uns zu konzentrieren, ständig aufgeregt oder depressiv. Es gibt noch andere Gründe unsere Verbannten zu fürchten. Sie lassen uns in einer Weise fühlen und handeln, die von anderen geringgeschätzt oder ausgenutzt wird. Für Männer z.B. bedeutet Verletzlichkeit in der typischen westlichen Sozialisierung, Demütigung. In unserer Kultur muss ein Mann in der Lage sein, sich sehr schnell von jeglichen schmerzlichen Gefühlen abzuschneiden, ihre verletzbaren Teile zu verbannen. Es ist kein Wunder, dass Männer ihre Verzweiflung für sich behalten

Manager leben in der Furcht, dass die Verbannten ausbrechen, fliehen könnten und vermeiden Situationen, die die Verbannten aktivieren könnten und versuchen deren Gefühle, Empfindungen oder Erinnerung nicht in das Bewusstsein vordringen zu lassen. Manager können höchst intellektuell sein und wirkungsvoll Probleme lösen aber auch davon besessen sein, Gefühle von sich zu weisen. Als Streber, Kontrolleur, Kritiker und strenger Zuchtmeister sind sie häufig perfektionistisch. Ein anderer Type Manager, als passiver Pessimist, kann Leistungen sabotieren und das Selbstvertrauen zerstören, oder als Sorgenmacher und Wachposten nur die schlimmsten Möglichkeiten aufzeigen und so den Menschen vor Risiken schützen. Andere mögliche Manager Werkzeuge sind Zwänge, Zwangsvorstellungen, Zurückgezogenheit, emotionale Distanz, Phobien, Angstanfälle, somatische Beschwerden, depressive Episoden, Überwachsamkeit oder Alpträume. Immer ist es Ziel, das die gefürchteten Gefühle und Gedanken nicht nach außen dringen, sodass das System sicher bleibt und der Mensch im Leben funktionieren kann. Manager kontrollieren, überprüfen fortwährend auf Risse in ihren Masken von Unverzichtbarkeit, Freundlichkeit oder Perfektion. Auf der Grundlage der Reaktion aus der Außenwelt, aber auch, um ihren schützenden Zwecken zu dienen, entwickeln sie Überzeugungen von ‚Ich bin..‘. Eine nette Person schickt beispielsweise ihre ärgerlichen oder aggressiven Teile in die Verbannung; jemand, der hart arbeitet, gibt seinen verspielten Teilen nicht viel Zeit und eine starke Person versteckt ihre verletzlichen Teile. Manager erschaffen ihre Wirklichkeit. Sie sind für Internalisierung in unserem System zuständig und glauben unser Überleben hänge von der Gnade der äußeren Welt ab. Sie wollen die Welt verändern, damit sie vorhersagbarer und weniger bedrohlich ist und haben Angst vor den Konsequenzen, wenn sie ihre Macht abgeben.

Sollten trotzt größter Anstrengungen der Manager, Verbannte einmal drohen auszubrechen, werden automatisch die Feuerbekämpfer aktiviert. Sie nehmen der Person die Kontrolle, sind impulsiv, gedankenlos, reaktiv. Ihre Maßnahmen umfassen oft sich betäubende Aktivitäten (Selbstverstümmelung, unmäßiges Essen, schützende Wut, Drogen oder Alkoholmissbrauch, den Trost von Selbstmordgedanken, exzessive Masturbation, oder Geschlechtsverkehr mit wechselnden Partnern ohne dauerhafte Bindung), ohne Rücksicht auf Gefahren für den Menschen. Ihre Absicht ist schützend, auch wenn die Handlungen, die sie begehen, selbst destruktiv sind. Feuerbekämpfer sind reaktiv. Sie werden aktiv, sobald die Verbannten aufgewühlt sind und Feuer aufflammt. Ihre Dringlichkeit macht sie auf impulsive Art gleichgültig gegenüber den Konsequenzen. Es sind die Teile, die uns dick, abhängig, feindselig, angeberisch, kränklich, unsensibel und impulsiv machen können.
Zusätzlich können Teile Lasten, extreme Gefühle, Gedanken, Verhaltensweisen oder Gefühle übernehmen, die im Leben von einer Person abgeleitet wurden. Insbesondere junge Teile sind dafür empfänglich.

Tatsächlich ist der Vorgang, sich auf sich oder auf einen Teil von sich zu konzentrieren und ihn zu bitten ‚zurück zu treten‘ einer Form der Meditation ähnlich. Therapeut oder Coach arbeiten mit dem Selbst des Klienten zusammen als wäre er Ko-Therapeut/Ko-Coach. Oft erledigen die Klienten einen Großteil der inneren Arbeit zwischen den Sitzungen.

(aus IFS – das Innere Familien System und IFS – Das System der Inneren Familie. Ein Weg zu mehr Selbstführung)



Das Geheimnis der Götter von Frieden und Freude

Sprüche Posted on Mo, Mai 01, 2017 15:32:09

Laut einer alten Legende überlegten die Götter vor langer Zeit, wo sie das Geheimnis von Frieden und Freude verstecken sollten. Sie wollten nicht, dass die Menschen es fänden, bevor sie bereit wären, es auch zu schätzen. Ein Gott sagte, lasst es uns auf dem höchsten Berg verstecken. Ein anderer sagte, nein, dort würde es zu leicht und zu schnell gefunden werden. Ein weiterer Gott schlug vor, es tief im dichtesten Wald zu verstecken, aber dieser Ort wurde aus demselben Grund abgelehnt. Nach vielen weiteren Vorschlägen und Ablehnungen sagte der weiseste Gott: ‚Versteckt es im menschlichen Herz, das ist der letzte Platz, an dem sie suchen werden.‘. Die Götter stimmten alle zu und so geschah es. Bis heute suchen wir überall sonst: in Beziehungen, Karrieren, Einkäufen, Reisen, bei Gurus und in der Gnade Gottes. Nur nicht, in uns selbst.

(aus IFS, Ein Weg zu mehr Selbstführung; Richard C. Schwartz)



Kulturelle Prägung des Wesens der Menschen

Philosophie Posted on Mo, Mai 01, 2017 15:23:32

Die Vorstellung, dass Sie in Ihrem Wesen reine Freunde und vollkommener Friede sind, läuft allem zuwider, was Sie über sich gelernt haben. Es gibt in unserer Kultur verschiedene Aussagen zum Wesen der Menschen und keine ist besonders erhebend. Die offensichtlichste ist die Doktrin über die Erbsünde, die von einem großen Teil der westlichen Christenheit getragen wird. Wegen des Sündenfalls (Adam und Eva übertreten das göttliche Gebot) wurde die Menschheit verdammt in Sünde geboren zu werden und eine niedrige Veranlagung zu haben. Unsere Leidenschaften sind der Beweis unseres Lebens in Sünde. Wir müssen unsere leidenschaftlichen Gefühle und Impulse ständig unter Kontrolle halten und erinnern uns dadurch ein Leben lang an unsere grundsätzliche Sündhaftigkeit. Einen weiteren Einfluss hat Darwins Evolutionstheorie gehabt. Er postulierte, dass unsere selbstsüchtige Natur das Produkt unserer Gene sei, die uns dazu programmiert hätten, in einer feindlichen, von Wettbewerb geprägten Umwelt um unser Überleben zu kämpfen (’selbstsüchtige Gen‘). Dies hat sich auch in einigen Richtungen der Psychologie niedergeschlagen, die lehren, dass alles was wir tun, dazu dient, unser Vergnügen zu maximieren oder unseren Genpool zu erweitern (Freud’sche Psychoanalyse; Verhaltens- und Evolutionspsychologie). Die Entwicklungspsychologie, die Basis der Lerntheorien, die unser Erziehungssystem dominiert ist der Ansicht, dass wertvolle Eigenschaften, wie Moral, Einfühlungsvermögen und Respekt quasi von außen in uns hineingepumpt werden müssen, weil wir nichts in uns tragen, dass diesen Werten entspricht. All das lehrt uns nach außen zu schauen, um zu bekommen, was wir brauchen, statt es in uns selbst zu finden.

(nach IFS, Ein Weg zu mehr Selbstführung; Richard C. Schwartz)



Sichtweise der Persönlichkeit

Sprüche Posted on Fr, April 21, 2017 23:36:27

Die Sichtweise der Persönlichkeit als einheitliche führt zu allen möglichen Arten unnötiger Verzweiflung.

(Richard C. Schwartz in ‚Systemische Therapie mit der inneren Familie‘)



Persönlichkeitspsychologie

Psychologie Posted on Fr, April 14, 2017 13:22:26

In der Persönlichkeitspsychologie (früher Charakterkunde) wurden zahlreiche Persönlichkeitstheorien entwickelt, was zeigt, wie vorläufig diese Entwürfe sind..

..als Eigenschaftstheorie (anschließend an die frühere Charakterkunde)
Costa und McCrae et al. (2005) fünf grundlegende Persönlichkeitseigenschaften, die als “Big Five” bezeichnet

..als Typenlehre mit Eigenschaften als theoretische Dimensionen bei Muster von zusammengehörigen Merkmalen gebildet werden.
Diesem liegt die Auffassung zugrunde, dass sich Persönlichkeitsmerkmale in der Sprache niederschlagen; d.h. also, alle wesentlichen Unterschiede zwischen Personen werden bereits im ‚Wörterbuch‘ durch entsprechende Begriffe repräsentiert. Die Skalen sind: Offenheit für Erfahrungen (Aufgeschlossenheit), Gewissenhaftigkeit (Perfektionismus), Extraversion (Geselligkeit), Verträglichkeit (Rücksichtnahme, Kooperationsbereitschaft, Empathie) und Neurotizismus (emotionale Labilität und Verletzlichkeit).

..Psychodynamische Theorien (Freud) und daraus hervorgegangenen zahlreiche Richtungen (weitgehend von unbewussten Kräften und Verarbeitungsweisen überzeugt) als psychodynamische (tiefenpsychologische) Orientierung zusammengefasst (Komplexe Psychologie Carl Gustav Jungs, Alfred Adlers analytische Psychologie, die stärker sozialpsychologisch und gesellschaftskritisch ausgerichtete Psychologie Erich Fromms, die Theorie der Identitätsentwicklung Erik H. Erikson, psychoanalytische Selbsttheorien u. a. von Heinz Kohut)

.. Lerntheoretisch-verhaltenswissenschaftliche Theorien (Watson und Skinner) bei dem Verhaltensweisen nach dem Prinzip der Konditionierung, nach dem Prinzip des operanten Lernens und dem Prinzip des Lernens durch Beobachtung erworben werden. Neuere lerntheoretische Ansätze (Bandura, Mischel, Kanfer) berücksichtigen stärker die kognitiven und sozialen Bedingungen des Lernens sowie auch die Möglichkeiten der Selbstkontrolle.

..Biografisch orientierte Theorien, die das das ‚Individuum in seiner Welt‘ zu erfassen versuchen, jedoch mit einheitlichen Begriffen und Methoden um die Formen der individuellen Auseinandersetzung mit den Lebensaufgaben vergleichen zu können.

..Interaktionistische Persönlichkeitstheorien, da sie der wechselseitigen Beeinflussung und Formung von Persönlichkeit und Situation (Interaktionismus) größte Bedeutung einräumen, statt die relativen Anteile von Persönlichkeit, Situation und Wechselbeziehung statistisch beschreiben zu wollen. Einerseits provozieren bestimmte Lebenssituationen, individuelle Verhaltensreaktionen, andererseits bevorzugen Individuen bestimmte Situationen, sie schaffen soziale Beziehungen und verändern aktiv ihre Umwelt.

..Kognitive Persönlichkeitstheorien und Selbsttheorien, z.B. George A. Kelly‘s Theorie, wobei persönlichen Konstrukte eines Menschen individuelle Schemata zur Erfassung der Welt bezeichnen. Aber auch Carl Rogers bei dem es um Konzepte geht, die sich ein Mensch der eignen Person, von anderen Menschen und von seiner Umwelt macht.

..Biopsychologische Persönlichkeitstheorien, gehen von der Überzeugung aus, dass alle Persönlichkeitsmerkmale wie auch andere psychische Funktionen (Wahrnehmung, Kognition, Bedürfnisse und Emotionen) eine biologische Grundlage in der Struktur und Funktion des Gehirns haben (z.B. Hans Jürgen Eysenck).

..Entwicklungsorientierte Persönlichkeitstheorien. Die menschliche Psychogenese führt zu ereignisabhängigen und strukturellen Veränderungen der Persönlichkeit über die gesamte Lebensspanne. Verschiedene Stadien werden vom Menschen im Laufe seines Lebens durchschreitet. Jedes Stadium ist mit speziellen Entwicklungsaufgaben bzw. Lebenskrisen verbunden, die durch die die adaptiven Qualitäten der Persönlichkeit neu gemeistert werden.

Das Selbstkonzept als zentrales Persönlichkeitsmerkmal

Das Selbstkonzept wird durch Erfahrungen mit Anderen gebildet. Es ist das Bild, das jemand von sich selbst hat (bewusst oder nicht bewusst). Der Mensch strebt tendenziell danach sein Selbstkonzept zu erhalten und zu stabilisieren. Sein Selbstkonzept beeinflusst seine Wahrnehmung und das Verhalten und Erleben eines Menschen. Siehe auch ‚Das Sein und das Nichts‚.



Motivation und Bedürfnis

Psychologie Posted on Fr, April 14, 2017 13:20:57

Motivation
Motivation in der Psychologie ist ein von Bedürfnissen gesteuerter Prozess des Angetriebenseins welcher andauert bis das Ziel erreicht ist.

Bedürfnis
Bedürfnis wird definiert als Zustand oder Erleben eines Mangels, verbunden mit dem Wunsch diesen zu beheben. Bedürfnisse können eingeteilt werden nach.. der Art der Befriedigung (individual, kollektiv), der Dringlichkeit (Grundbedürfnisse, Existenzbedürfnisse, Luxusbedürfnisse, Kulturbedürfnisse), nach Rangordnung (primär, sekundär, Maslowsche Bedürfnisspyramide), nach Abfolge (Komplementärbedürfnisse), nach Konkretheit (materiell, immateriell), nach Bewusstsein (latent, verdeckt).



Emotionen in der Psychologie

Psychologie Posted on Fr, April 14, 2017 13:20:10

Eine präzise wissenschaftliche Definition für den Begriff “Emotion” gibt es nicht. Emotionen können beschrieben werden als aktuelle Zustände, die kurz aufleben und wieder abklingen (Affekt) und auf ein Ereignis bezogen sind. Während oft Emotionen mit Gefühlen gleichgesetzt wird, differenziert z.B. Damasio vor dem Hintergrund der modernen Neurobiologie: Emotionen sind demnach komplexe, größtenteils automatisch ablaufende, Programme für Handlungen. Sie bestehen vorwiegend aus Vorgängen, die in unserem Körper ablaufen. Gefühle von Emotionen dagegen sind zusammengesetzte Wahrnehmung dessen, was in unserem Körper und unserem Geist abläuft, wenn wir Emotionen haben. Was den Körper betrifft, so sind Gefühle nicht die Abläufe selbst, sondern Bilder von Abläufen.

Emotionen sind von Stimmungen (längerfristiger emotionaler Hintergrund unseres Erlebens) und von Gefühlsneigungen (relativ stabile Persönlichkeitsmerkmalen) abzugrenzen.

Nach Lückert (1994) haben Emotionen die Funktion zu motivieren (unser Verhalten zu aktivieren und zu steuern), uns auszudrücken (Mimik, Gestik), uns zu regulieren (Körperfunktion im Ungleichgewicht anzeigen), zu werten (zeigen uns was wir bevorzugen oder ablehnen) und zu selektieren (selektive Wahrnehmung).

Es gibt einige Klassifizierungssysteme z.B. Plutchiks Rad der Emotionen (ursprünglich auf einem Kegel angeordnet), welches acht Basisemotionen mit drei bzw. vier Abstufungen benennt.



Denken in der Psychologie

Psychologie Posted on Fr, April 14, 2017 13:19:33

Denken in der Psychologie ist ein Prozess der Informationsverarbeitung und Problemlösung. Es werden darunter alle Vorgänge zusammengefasst, die aus einer inneren Beschäftigung mit Vorstellungen, Erinnerungen und Begriffen eine Erkenntnis zu formen versuchen. Denken wird allgemein von Wahrnehmung und Intuition unterschieden.

Im Problemlösungsprozess wird durch inneres Probehandeln (Versuch und Irrtum) nach einer Lösung gesucht. Brainstorming, das Bilden von Analogien (z.B. Metaphern) und lautes Denken sind nützliche Strategien. Nach Dörner (1989) werden diese Schritte durchlaufen: Definition des Ziels (dies ist bereits eine wesentliche Intervention, z.B. im Coaching), Analyse der Ausgangssituation, Analyse der Entwicklungstendenzen, Planung-Entscheidung-Durchführung von Aktionen, Überprüfung und Bewertung der Lösung.



Gedächtnis – Mehrspeichermodell

Psychologie Posted on Fr, April 14, 2017 13:18:43

Mehrspeichermodell des Gedächtnisses (1968, Atkinson und Shiffrin)

Das Drei-Stufen-Modell ist ein Übergangsmodell zu den heutigen Ansichten. Dennoch ist es immer noch ein grundlegendes Modell der Gedächtnisforschung, da es den Prozess der Erinnerungsbildung auf anschaulich darlegt.

Sensorisches Gedächtnis: Informationen werden 0,5 – 2 Sekunden festgehalten und verfallen, wenn nicht an das Kurzzeitgedächtnis weitergegeben. Unterkategorien: ikonische Gedächtnis (zuständig für visuelle Eindrücke, schafft für nur wenige Zehntelsekunden eine Momentaufnahme des Gesehenen), Echogedächtnis (kurzzeitiges sensorisches Gedächtnis für auditive Reize).

Kurzzeitgedächtnis: Informationen werden 20 Sekunden bis 20 Minuten (max. 1 Stunde) festgehalten. Begrenzte Kapazität (7 +/- 2 Informationen). Beispiele: Ein kurz sichtbares Bild kann analysiert werden, obwohl es nicht mehr sichtbar ist; eine Melodie besteht für uns nicht aus einzelnen Tönen, sondern erscheint als ein Ganzes. Wir können Kopfrechnen und einen Text lesen und verstehen, ohne ihn auswendig zu können.

Langzeitgedächtnis: unbegrenzt aufnahmefähig und zeitüberdauernder Speicher. Unterkategorien: deklaratives Langzeitgedächtnis (explizites Gedächtnis), beinhaltet nur Erinnerungen, auf welche der Mensch in vollem Bewusstsein, also explizit, zugreifen kann; non-deklarative Gedächtnis (prozedurales Gedächtnis), implizites Gedächtnis oder Fertigkeitsgedächtnis genannt. Unterschiedliches Verschlüsseln / Verknüpfen von Informationen hilft dabei einen einfacheren Zugang zu den Informationen zu erhalten. Vier Prozesse helfen Informationen in das Langzeitgedächtnis aufzunehmen: Kodierung (Eselsbrücken, Informationen werden verändert und umgewandelt und zu einer sinnvollen Einheit zusammen gefasst), Organisation (Stichpunkte, Gliederung Schaubilder, MindMap), Wiederholung (laut oder in Gedanken), Elaboration (intensive Beschäftigung, schon vorhandene Inhalte werden neu aktiviert und verknüpft).



Schweigespirale

Psychologie Posted on Fr, April 14, 2017 13:17:30

Schweigespirale nennt sich ein Teil der in den 1970er-Jahren von Elisabeth Noelle-Neumann formulierten Theorie der öffentlichen Meinung. Demnach hängt die Bereitschaft vieler Menschen, sich öffentlich zu ihrer Meinung zu bekennen, von der Einschätzung des Meinungsklimas ab. Widerspricht die eigene Meinung der als vorherrschend betrachteten Meinung, so gibt es Hemmungen, sie zu äußern, und zwar umso stärker, je ausgeprägter der Gegensatz wird.



Kategorisierung und Kognitive Dissonanz

Psychologie Posted on Fr, April 14, 2017 13:16:50

Kategorisierung und Stereotype

Um nicht überfordert mit der großen Anzahl an Informationen unserer sozialen Umwelt zu sein, werden viele Informationen ignoriert und in Kategorien vereinfacht. In der Kategorisierung werden ähnliche Objekte unter einem Oberbegriff zusammengefasst. Der Prozess der Kategorienbildung ist uns meistens nicht bewusst. Gebildete Kategorien werden nur dann verändert, wenn neue Informationen das alte System unbrauchbar machen. Kategorien mit sozialen Wertungen (gut/schlecht, gut/böse) sind schwer veränderbar.

Kognitive Dissonanz

Kognitive Dissonanz ist ein unangenehm empfundenen Gefühlszustand, der dadurch entsteht, dass ein Mensch mehrere Kognitionen hat – Wahrnehmungen, Gedanken, Meinungen, Einstellungen, Wünsche oder Absichten -, die nicht miteinander vereinbar sind. Derartige Zustände werden als unangenehm empfunden und erzeugen im Menschen Spannungen, die nach Überwindung drängen. Der Mensch befindet sich im Ungleichgewicht und setzt alles daran, wieder einen konsistenten Zustand, ein Gleichgewicht zu erreichen (Leon Festinger). Grundannahmen im Konsonanz Modell: Die durch Erfahrung entstandenen, komplexen Vorstellungen des Menschen (kognitive Landkarten) zu einzelnen Themen, die sich hierarchisiert aus Werten, Einstellungen und Meinungen zusammensetzen, streben nach Konsonanz (Ausgleich, Harmonie und Übereinstimmung). Die selektive Aufnahme von Informationen folgt in erster Linie der Verstärkung bestehender Einstellungen. Ausgewählt, verarbeitet und erinnert werden konsonante, passende Informationen, die problemlos in bestehende Landkarten eingebaut werden können. Unpassende (inkongruente, dissonante) Informationen werden gemieden, ignoriert, vergessen oder kongruent umgedeutet (Rechtfertigungen), um Widersprüche zu vermeiden. Falls Inkonsistenzen zwischen verschiedenen Elementen kognitiv nicht zu überbrücken sind, bricht die Landkarte an der schwächsten Stelle (d. h. die Kognition, die sich am leichtesten verändern lässt, wird neu in Richtung auf Kongruenz geordnet). Findet auf der emotionalen und persönlich-sozialen Ebene eine Veränderung oder Verunsicherung statt, werden neue (passende, kongruente) Informationen gesucht. Widersprüche zwischen Kognition und Emotion können balanciert werden durch Verdrängung, Sublimierung und Umdeutung.

Anwendungsgebiete im Marketing / Verkauf: Konsumenten nehmen vor Kaufentscheidungen Informationen sehr selektiv wahr. Dadurch entstehen kognitive Dissonanzen, die beim Konsumenten eine Diskrepanz zwischen dem erwarteten und tatsächlichen Nutzen des Produktes verursachen. In Konsumwahlexperimenten wurde bestätigt, dass im Nachkaufverhalten eine kognitive Umbewertung des gekauften Produktes stattfindet, um die Dissonanz zu reduzieren. Beispiel: ‚Mein neues Auto hat noch mehr Vorzüge, als ich dachte.‘ Low-Ball-Verkaufstaktik: Zuerst ein günstiges Angebot machen und dann Zusatzkosten berechnen. Der Käufer willigt im Normalfall ein, um nicht gegen seine Kaufentscheidung zu handeln. Foot-in-the-door: Nach dem Kauf passende Zusatzartikel anbieten, die die meisten Kunden kaufen, um konsistentes Verhalten zu zeigen.

Dies gilt auch für Konsequenzen von Taten: Wenn wir jemandem nicht helfen oder sogar schaden, wird das Opfer von uns abgewertet (vgl. Opfer-Abwertung und Entmenschlichung). Eine freundliche Handlung macht unsere Einstellung freundlicher, was weitere freundliche Handlungen wahrscheinlicher macht; für unfreundliche Handlungen gilt dasselbe: ein Rückkopplungsprozess wird in Gang gesetzt.



Soziale Wahrnehmung

Psychologie Posted on Fr, April 14, 2017 13:15:00

Hypothesentheorie der sozialen Wahrnehmung (Brunner):

Nach Bruner beginnt jeder Wahrnehmungsvorgang mit einer Hypothese, die Vorhersagen darüber beinhaltet, welche Ereignisse eintreffen werden. In einem zweiten Schritt der Wahrnehmung kommen Informationen durch die Umwelt hinzu. Die Erwartungen aus der Anfangshypothese werden mit den Informationen aus der Umwelt verglichen. Wenn die Hypothese widerlegt wird, beginnt der Prozess aufs Neue, ansonsten ist der Vorgang abgeschlossen. Weil die Hypothese darüber entscheidet, worauf sich die Aufmerksamkeit beziehen soll, wird nicht nur das, was gesehen wird, sondern auch die Interpretation des Wahrgenommenen durch die Hypothese beeinflusst. Deshalb bestimmen Hypothesen in maßgeblicher Weise Selektions- sowie Inferenzprozesse und sind sogar bis zu einem gewissen Grad handlungsleitend. Die Hypothesen sind in kognitive Landkarten integriert und setzen sich aus Erfahrungen und früheren Wahrnehmungen zusammen.

Die stärkste Hypothese bei der jeweiligen Wahrnehmungssituation wird herangezogen und verdrängt schwache Hypothesen:

– Je stärker eine Hypothese ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie aktiviert wird (priming) und sich dispositiv auf die Verhaltensweisen auswirkt.

– Je stärker eine Hypothese ist, desto geringer ist die zur Bestätigung notwendige Menge an unterstützenden Reizinformationen.

– Je stärker eine Hypothese ist, desto größer muss die Anzahl widersprechender Stimulus-Informationen sein, damit die Hypothese verworfen wird (Änderungsresistenz).

Wodurch wird die Stärke einer Hypothese bewirkt?

– Je häufiger eine Hypothese bestätigt wurde, desto stärker wird sie.

– Je größer die Anzahl verfügbarer Alternativhypothesen in der Wahrnehmungssituation ist, desto schwächer ist die Anfangshypothese.

– Je größer die motivationale Unterstützung für eine Hypothese ist, desto stärker ist sie.

– Je größer die kognitive Unterstützung der Hypothese ist, desto stärker ist sie.

– Je stärker die soziale Unterstützung (Affirmation) für eine Hypothese ausfällt, desto gefestigter ist sie.



Wahrnehmung

Psychologie Posted on Fr, April 14, 2017 13:14:03

Unsere Wahrnehmung ist ein aktiver und selektiver Prozess. Beim Wahrnehmungsprozess konstruieren wir ein Wahrnehmungsbild und interpretieren die Informationen subjektiv entsprechend unserer Erwartungen und Vorstellungen. Auch unsere Persönlichkeitsmerkmale, Bedürfnisse, Gefühle, Ziele und Vorwissen spielen bei der Interpretation eine wichtige Rolle.

Eine gestalttheoretische Erklärung (Gestaltpsychologie: Fähigkeit Strukturen und Ordnungsprinzipien in Sinneseindrücken auszumachen) der Wahrnehmungsorganisation ist:

– Grundregel: ‚Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile‘. Die Wahrnehmung eines Teils eines Reizmusters wird von seinen anderen Teilen beeinflusst.

– Prägnanz: ‚Jedes Reizmuster wird so gesehen, dass die resultierende Struktur so einfach wie möglich ist‘

– Ähnlichkeit: ‚ähnliche Dinge erscheinen zu zusammengehörigen Gruppen geordnet‘

– (gestaltgerechte) Linienfortsetzung: ‚Punkte, die als gerade oder sanft geschwungene Linie gesehen werden können, wenn man sie verbindet, werden als zusammengehörig wahrgenommen. Linien werden tendenziell so gesehen, als folgten sie dem einfachsten Weg‘

– Nähe: ‚Dinge, die sich nahe beieinander befinden, erscheinen als zusammengehörig‘

– gemeinsame Bewegung: ‚Dinge, die sich in die gleiche Richtung bewegen, erscheinen als zusammengehörig‘

– Bedeutung / Vertrautheit: ‚Dinge bilden mit größerer Wahrscheinlichkeit Gruppen, wenn die Gruppen vertraut erscheinen oder etwas bedeuten‘

Fehler bei der Wahrnehmung (Beispiele)

– Primäreffekt (der erste Eindruck, den ein Mensch von einem anderen gewinnen kann, ist so stark, dass andere Eigenschaften einer Person nicht gesehen oder übersehen werden)

– Halo Effekt (Einzelne Eigenschaften einer Person erzeugen einen Gesamteindruck, der die Wahrnehmung weiterer Eigenschaften der beurteilten Person überstrahlt)

– Erster und letzter Eindruck (diese prägen sehr stark unser Gesamturteil)

– Kontrasteffekt / Vergleichsmaßstab (nachfolgende Objekte werden am ersten Objekt gemessen und eingeordnet)

– Projektion (idealische- und Schatten-Projektion, eigene Wünsche und Bedürfnisse werden in andere Personen projiziert)

– Soziale Stereotypen (durch Zuordnung von Eigenschaften zu Personengruppen werden Mitgliedern ähnliche Eigenschaften zugeschrieben)

– Subjektive Persönlichkeitstheorie (eigene Theorien über Eigenschaften die zusammengehören)

siehe auch ‚Urteilsheuristiken

siehe auch ‚Stellen Sie sich vor, unser Denken wird von diesen zwei kognitiven Systemen gestaltet..



Kognition

Psychologie Posted on Fr, April 14, 2017 13:13:14

Zu den kognitiven Fähigkeiten eines Menschen zählen die Wahrnehmung, die Aufmerksamkeit, die Erinnerung, das Lernen, das Problemlösen, die Kreativität, das Planen, die Orientierung, die Imagination, die Argumentation, die Introspektion, der Wille, das Glauben und einige mehr. Auch Emotionen haben einen wesentlichen kognitiven Anteil. In der Psychologie bezeichnet Kognition die mentalen Prozesse und Strukturen eines Individuums wie Gedanken, Meinungen, Einstellungen, Urteile, Wünsche und Absichten. Kognitionen können als Informationsverarbeitungsprozesse verstanden werden, in denen Neues gelernt und Wissen verarbeitet wird. Kognitionen beinhalten, was Individuen über sich selbst, ihre (soziale) Umwelt, ihre Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft denken. Kognitionen können Emotionen (Gefühle) beeinflussen und/oder durch sie beeinflusst werden. Man kann demzufolge festhalten, dass Kognitionen all die internen Vorstellungen sind, die sich ein Individuum von der Welt (subjektive Realität) und sich selbst konstruieren kann (im Sinne des Radikalen Konstruktivismus).

siehe auch ‚Wirklichkeit wird konstruiert
siehe auch ‚Konstruktivismus als Konstruktion



Psychologie – Definition und Disziplinen

Psychologie Posted on Fr, April 14, 2017 13:12:37

Definition

Obwohl Psychologie wörtlich übersetzt ‚Die Wissenschaft von der Seele‘ heißt, wird heute die Definition ‚Lehre vom Verhalten und Erleben des Menschen‘ verwendet und das Thema Seele in den Bereich der Theologie verschoben. Verhalten inkludiert das verdeckte Verhalten, also auch sich etwas vorzustellen (Denkmuster). Entgegen der Alltagspsychologie (gesunder Menschenverstand) ist die in den akademischen Institutionen betriebene und gelehrte Psychologie eine streng empirische Wissenschaft in der Theorien und daraus abgeleitete Modelle, Hypothesen, Annahmen für die Beantwortung einer konkreten Fragestellung empirisch geprüft werden (experimentelles oder quasi-experimentellem Vorgehen mit Mathematik als wichtigem Werkzeug, insbesondere die Deskriptive Statistik, Stochastik, statistische Testverfahren etc.). Modelle, die in 60%-70% der Fälle zutreffen, sind bereits sehr starke Modelle.

Disziplinen

Vielfach wird innerhalb der Psychologie zwischen Grundlagen-, Anwendungs- und Methodenfächern (Handwerkszeug des psychologischen Erkenntnisgewinns) unterschieden. Teil der Grundlagendisziplinen sind u.a. die Persönlichkeitspsychologie, Entwicklungspsychologie (Veränderung des Erlebens und Verhaltens im Laufe des Lebens, z.B. im Stufenmodell der psychosozialen Entwicklung von Erik H. Erikson), Sozialpsychologie und der Allgemeinen Psychologie (Kognition, Wahrnehmung, Emotion, Motivation, Gedächtnis, Wissen).

Unter den Anwendungsdisziplinen befindet sich die Klinische Psychologie, die sich mit Modellen psychischer Störungen und klinischen Interventionsverfahren (Psychotherapie) beschäftigt. Psychologie ist also nicht mit Psychotherapie, Psychiatrie oder Psychoanalyse zu verwechseln oder gleich zu setzen.



Focussing

Sonstiges Posted on So, März 12, 2017 16:31:28

Focusing (lateinisch focus “Mittelpunkt, Brennpunkt”) wurde von dem amerikanischen Psychotherapeuten und Philosophen Eugene T. Gendlin im Rahmen der Klientenzentrierten Psychotherapie (Carl Rogers) seit den 1960er Jahren entwickelt. Es ist eine Technik der Selbsthilfe bei der Lösung persönlicher Probleme.

Das Verständnis des Focussing passt ausgezeichnet zu dem des Coachings: Die eigentliche Arbeit leistet nicht der Therapeut, sondern der Klient. Nach Gendlin besitzt der Klient bei der Lösung seiner persönlichen Probleme die alleinige Autorität, die alleinige Kompetenz und das alleinige Wissen. Aus dem Klienten wird der Focuser, der den Prozess autonom beginnt, steuert und beendet. Der Therapeut wird zum Begleiter. Ein Abhängigkeitsverhältnis entsteht nicht. Eine Übertragung findet nicht statt. Focussing sieht den Menschen als Prozess, nicht als Krankheitsfall.

Philosophie: Nur das Klare zählt in unserer Gesellschaft. Alles was nicht passt, muss man sofort wegstecken. Doch das Unklare, noch nicht Sagbare, aber schon Gespürte, hat seinen eigenen Wert. Menschen haben sich immer mehr in Sprachschablonen ausgedrückt. Das emotionale Erleben wurde typisiert und etikettiert. Sie dürfen sich die Erlaubnis geben, nicht alles erklären und beweisen zu müssen, was sie fühlen. Die Umwelt will nicht wissen, was uns behindert oder frustriert. Wir haben uns einfach richtig zu verhalten. Die innere Komplexität, die uns behindern, aber auch besser, interessanter und kreativer machen kann, ist nicht gefragt. Wir sollten aber lernen, in unser Inneres zu sehen. Die Wahrheit liegt nicht im Denken allein. Durch Spüren des Unklaren, kann man alle möglichen Konzepte ausprobieren, ohne an ein bestimmtes Denkmuster gebunden zu sein.

Jedes Erleben mit bedrohlichem Hintergrund ruft körperliche Reaktionen hervor. Während die auslösenden Ereignisse oft vergessen oder verdrängt werden, bleiben die Körpersignale erhalten, so dass man auf sie fokussieren kann. Die körperlichen Empfindungen sind der Pfad, auf dem man der Lösung des Problems näherkommt. Focussing eignet sich zur Aufhebung von Blockaden und kann ermöglichen, festzustellen, wo das eigene Leben festgefahren, verkrampft und eingeengt ist. Es weckt eine neue Art der inneren Aufmerksamkeit auf das, was man zunächst nur unklar gefühlt hat. Immer ist die innere Haltung eine fragende, nicht eine wissende. Ihre Gefühle liegen nicht ‚in‘ Ihnen z.B. wie giftige Schlangen in einem Käfig. Sie sind ein Prozess und Ihre Gefühle sind ein Teil dieses Prozesses.

Die sechs Prozessschritte in Kurzform (die Schritte dienen der Orientierung, man kann sie später z.T. auch überspringen oder in umgekehrter Reihenfolge durchlaufen, wenn es z.B. leichter fällt mit Worten zu beginnen und dann zum ganzen Thema zurück zu gehen):

  1. Vorbereitung

Kleine, äußere Irritationen beseitigen. Nicht ganz vertraute Orte können helfen. Eine positive Ausgangslage schaffen. Man kann in kurzen Wartezeiten Focussing betreiben. Es dauert 10, evtl. 15 Minuten, vielleicht sogar 30 Minuten, aber nicht länger. Focussing in Gegenwart einer anderen Person ist leichter, selbst wenn beide nicht sprechen. Es ist nicht immer möglich ein Problem in einer Sitzung zu lösen, es kann auch mehrere Monate in Anspruch nehmen.

  1. Freiraum schaffen

Wie fühle ich mich? Was hindert mich daran, mich gut zu fühlen? (nicht antworten, sondern dem Körper die Zeit geben, selbst zu antworten; dazu braucht es ungefähr 30 Sekunden; nicht eindringen; alles willkommen heißen, was kommt). Innerlich einen Schritt zurücktreten und aus einer Distanz betrachten.

  1. Einen ‚Felt Sense‘ kommen lassen

Ein Problem / Anliegen herausgreifen (oft sind es mehrere; wenn nichts kommt, irgendetwas auswählen) und im Körper spüren, wenn all das, was damit zusammenhängt, in Erinnerung gerufen wird. Das Problem als Ganzes fühlen. Auf das umfassende Gefühl achten (so wie die Ausstrahlung einer Person und nicht bestimmte Teilaspekte davon). Der ‚Felt Sense‘ ist das umfassende, unklare Gefühl, das das ganze Problem auslöst. Der ‚Felt Sense‘ ist dort, wo wir ohne Worte etwas wissen und empfinden.

  1. Den ‚Felt Sense‘ beschreiben: einen ‚Griff‘ finden

Der ‚Felt Sense‘ ist eine Art körperlichen Bewusstseins (ein physisches Erfahren, keine geistige; ein Körpergefühl mit einer Bedeutung dahinter) , das so wenig beachtet wurde, das es dafür keinen Namen gab. Gendlin hat dafür den Begriff ‚Felt Sense‘ erfunden. Der ‚Felt Sense‘ ist keine reine Emotion. Wichtig ist eine Beobachterhaltung (‚Ich bin nicht der Felt Sense‘, konkrete Disidentifikation).

Was ist die Eigenschaft des ‚Felt Sense‘? Welsche Wort, Sätze, Bilder kommen hervor? Welches Eigenschaftswort passt? Nicht das Problem analysieren. Nach dem Kern suchen (evtl. ein sanfter Versuch mit nur einem Wort). Treten eine leichte Entspannung und Lockerung beim Aussprechen der Worte / Vorstellen der Bilder ein, ist dies das Signal für den ‚Griff‘.

  1. Vergleichen

Im Wechsel zwischen dem ‚Felt Sense‘ und dem Wort/Bild hin-und hergehen. Passen beide zusammen? Immer wieder zum ‚Felt Sense‘ zurückkehren. Er muss gefühlt werden. Wenn der ‚Felt Sense‘ sich ändert, diesem mit der Aufmerksamkeit nachspüren. Spüren wie er jetzt ist. Wenn ‚Felt Sense‘ und Wort/Bild zusammenpassen, dieses Gefühl mehrfach aufkommen lassen. Es tritt eine erneute spürbare Entspannung ein (‚Body Shift‘). Bei der richtigen Übereinstimmung für eine Minute auskosten.

  1. Fragen

Den ‚Griff‘ nutzen, um den ‚Felt Sense‚ wieder und wieder lebendig werden zu lassen. In das Problem / Anliegen fragen: Was ist es an diesem ganzen Problem, das mich so .. macht? Was ist das Schlimme an diesem Gefühl?

In die Lösung fragen: Was braucht es, damit es besser wird? Was sollte geschehen? Was wäre es für ein Gefühl, wenn alles in Ordnung wäre? Was steht im Wege?

Offene Fragen stellen, darauf verzichten diese im Denkprozess zu beantworten, abwarten.

  1. Annehmen und schützen

Alles willkommen heißen was kommt. Dankbar für eine Antwort des Körpers sein. Die Antwort vor kritischen (inneren) Stimmen beschützen und diese unterbrechen. Später ggf. zu dem Gefühl zurückkehren. Es ist nicht das letzte Wort. Es können andere Antworten folgen. Die müssen die Antwort nur annehmen.

Focussing ist keine Arbeit. Es ist eine angenehme Zeit, die sie in ihrem Körper verbringen. Trotzdem sollte es nicht eine einfache Methode sein, sich besser zu fühlen und dadurch nicht die Aktionen in Angriff zu nehmen, die das Problem / Anliegen lösen. Hierzu sind andere unterstützende Methoden hilfreich. Focussing wird neben Hakomi und der Systemischen Therapie mit der Inneren Familie, als drittes achtsamkeitszentriertes Verfahren bezeichnet (obwohl Gendlin selbst das Wort Achtsamkeit nicht verwendet hat).

Zusammenstellung aus dem Buch ‚Focussing‘ (Eugene T. Gendlin); https://de.wikipedia.org/wiki/Focusing; ‚Wirkfaktoren der Achtsamkeit‘ (Harrer, Weiss); ‚Focussing alone‘ https://www.youtube.com/watch?v=kHMmH11GLXE



Innere Kinder

Sonstiges, Therapie Posted on So, Februar 26, 2017 14:09:05

Ein Trauma ist ein Ereignis, das den Menschen unvorbereitet und meist plötzlich überfällt, ohne dass der Betroffene etwas dagegen tun kann. Er wird von der Situation überfordert und fühlt sich ausgeliefert. Sein Leben ist (objektiv oder nach seiner subjektiven Einschätzung) in Gefahr. Außer traumatischen Einzelereignissen (z.B. Gewaltverbrechen, Unfälle, plötzliche Todesfälle), kann es auch mehrfache (z.B. Zivilbevölkerung im Krieg) und serielle Traumaerfahrungen (z.B. Abwertung in der Familie, aber auch Mobbing) geben oder kollektive Traumatisierungen wie bei Katastrophen. Ursachen können Naturkatastrophen, durch Menschen direkt oder indirekt verursachte Katastrophen/ Gewalttaten; sexuelle Gewalt und ihre Vermarktung oder Katastrophen innerhalb der Familien (z.B. Trennung, Sucht, schwere Erkrankungen etc.).

‚Traumatisierte Patienten berichten oft, sie hätten ein eingefrorenes Zeitgefühl oder ihre innere Uhr sei mit dem Datum der Traumatisierung stehen geblieben‘ (Bohleber, 2012). Die emotionale Wucht und Not kann nicht durch (erwachsene) Anteile aufgefangen und kompensiert werden. In dieser Not übernehmen andere (kindliche) Anteile die Aufgabe, die verletzten inneren Anteile zu schützen und andererseits zu bändigen, um der Gesamtperson zu ermöglichen, weiterzuleben und nach außen zu funktionieren. Es kommt zu einer Abspaltung (Dissoziation) um als Ganzes weiter leben zu können.

Die Teile in uns, die uns vor Schmerz schützen wollen, sind unsere Wächter. Das Modell des Innere Kindes (Innere Kinder) gehört zu einer modellhaften Betrachtungsweise innerer Erlebniswelten und bietet so eine verständliche, nachvollziehbare und handhabbare Beschreibung innerer Prozesse. Auch unsere Wächter, die verletzten inneren Anteile schützen, sind innere Kinder. Zwei der Wächter sind der Innere Kritiker und der Rebell sein, die im nachfolgenden charakterisiert werden.

Der Teil, in den wir durch die Spaltung als erstes rutschen, ist das Kind, das sich an die Erwartungen unserer Bezugspersonen anpasst und sie zu erfüllen versucht. Es stellt uns etwas Statisches hin, eine Idealvorstellung, und sagt: So musst du sein, sonst bist du nichts wert! Der Druck, den dieser Teil aufbaut, ist existentiell. Es interessiert ihn ausschließlich, dass wir das Richtige hervorbringen und leisten, egal wie. Härte, Disziplin, hart gegen sich selbst zu sein, kämpfen, Erfolg erringen, das ist seine Devise. Dieser Teil ist zwar Kind, spricht aber in der Stimme eines autoritären Erwachsenen mit uns. Wir sind aus seiner Sicht ein Objekt, das man verändern kann und muss, und zwar mit Druck.

Auf diesen Druck ‚Ändere dich oder stirb!‘ reagiert der innere Rebell mit Wut, Empörung und Trotz. Folgen wir ihm, sind wir für einen Moment vom Druck des Inneren Kritikers befreit. Dann veranstalten wir Exzesse, tun Verbotenes, und wollten nur eines, nämlich dem Inneren Kritiker Hohn spotten. Die Reaktion darauf sind Schuldgefühle, was nichts anderes ist, als die Rückkehr des Inneren Kritikers.

Wenn wir mit unseren Wächtern identifiziert sind, zensieren wir, was wir von uns preisgeben; überlegen wir, was wir sagen, um nicht verletzt zu werden, aber auch nicht von anderen für blöd gehalten zu werden. Unsere Aufmerksamkeit ist ganz nach Außen gerichtet. Wir sind voller Angst, aber merken nicht, dass sie in uns ist. Wir spüren unseren Körper kaum, haben keinen Kontakt zu unserem Bauch, atmen flach im Brustkorb; sind mit unserer Energie oberhalb des Zwerchfells, die Schultern angespannt oder verspannt, ganz im Kopf. Definitiv glauben wir, was wir denken. Wir haben keinen Abstand zu unseren Gedanken. Wir haben keine Präsenz. Wir sind eng, unser Bick eingeschränkt ohne Kontakt zu unseren wirklichen Gefühlen. Wir konstruieren stattdessen unsere Gefühle, oben, im Kopf, meist vermischt mit Deutungen und Schuldzuweisungen. Wir können dabei vermeintlich Schuldige dehumanisieren. Deswegen ist jedes Mittel recht, sich gegen ihn zu wehren. Wir sind in einem Kampf ums Überleben und für alles andere blind. Was wir anderen in dem Glauben vorwerfen, völlig im Recht zu sein, trifft, noch während wir es aussprechen, auf uns selbst zu. Wir haben in unserer Kindheit gelernt so zu reagieren. Es ist eine konditionierte Reaktion. Diese automatische Abwehrreaktion springt an, wenn wir verletzt werden oder verletzt werden könnten. Als wir Kind waren, stimmte das auch. Das wir heute zum Kind werden, das ist die Regression. In dieser Regression reagieren wir also nicht auf die Gegenwart, sondern auf die Vergangenheit, wir reagieren nicht auf das wirkliche Gegenüber, sondern auf eine Person in unserer Vergangenheit. Unsere Wächter wollen um jeden Preis vermeiden, dass wir in den Kontakt mit unseren Schmerzen gehen. Dabei können sie sogar konstruieren, wie es wäre, wenn wir in diesen Kontakt gehen würden. Im Wächter wird über den Kontakt mit den Gefühlen geredet und scheinbar tiefsinnig erörtert, dabei wird aber nur so getan, als habe man diesen Kontakt. Der Kontakt ist konstruiert und wird vom Wächter simuliert. Im Körper allerdings passiert nichts. Das mag sich verkopft anhören, und genau das ist es auch. Sind wir identifiziert mit dem inneren Kritiker, verlieren wir den Kontakt zum Lebendigen.

Zusammengestellt aus

‚Wenn die Seele verletzt ist‚, Christiane Sautter
‚Traumaheilung durch Radikale Erlaubnis‘, Mike Hellwig
‚Das Innere Kind in der Psychotherapie‘, Dagmar Kumbier



Das Unvollkommenheitsgefühl

Sonstiges Posted on So, Februar 26, 2017 10:31:04

Ist es nicht so, dass immer irgendetwas nicht stimmt? Mal weniger, mal mehr, aber bohrt nicht immer etwas in uns herum, und sagt, dies musst du in Ordnung bringen, jene Termine musst du schaffen, das und das musst du regeln – dieser Teil in uns, der die Perfektion anstrebt, der möchte, dass alles rund läuft.. Dieser Teil ersehnt ein Paradies, er unterhält die Heilsfantasie, dass es einmal eine Zeit geben wird, wo wir unser Leben genießen, ohne etwas leisten zu müssen. Besser, genussvoller als heil sein zu wollen, ist es hingegen, nicht mehr heil sein zu wollen und anzuerkennen, dass etwas in uns nicht und nie repariert werden kann. Das ist der Ausstieg aus der unbewussten Identifizierung mit der kindlichen Heilsfantasie. Wenn wir nicht mehr ganz und heil sein wollen, können wir uns ganz unserer Unvollkommenheit hingeben. Dann, es geht gar nicht anders, kommt der Humor ins Spiel.. kommt das Lachen – das Lachen darüber, wie ernst wir uns nehmen und welches Drama wir aufführen. Diese Nummer, in Ordnung zu kommen und heil sein zu müssen, ist eine Trance, ein Wahnzustand, eine kollektiv halluzinierte Hölle, Sich selbst und sein Leben immer zu einem Objekt zu machen, an dem herumgedoktort wird, um es zu verbessern und perfekt zu machen, das ist ein Wahnsinn, der so kollektiv betrieben wird, dass er selbstverständlich erscheint. Dies ist die Konditionierung schlechthin: heilsein zu wollen und sich zu einem optimierbaren Objekt zu machen. Kennzeichen dieser Konditionierung .. ist Druck. Wenn wir das Leben verpassen, herrscht immer Druck. Nun werden mache sagen, ich stehe aber dauernd unter Druck. Dann arbeite ich also ständig gegen das Lebendige in mir an? Exakt! Je mehr Druck, desto toter sind wir. Und nur so, indem wir uns beständig abtöten und unter Druck stehen, können wir funktionieren. Funktionieren können, der Irrglaube, funktionieren zu müssen, ist der Abgesang an das Leben, an das Kind in uns.

(aus ‚Traumaheilung durch Radikale Erlaubnis‘, Mike Hellwig)



Erlebtes trennen

Konstruktivistisch Posted on So, Februar 12, 2017 23:41:56

Unterscheidungen zu treffen ist eine der grundlegenden Möglichkeiten, ein Problemerleben vom Ich-Erleben zu trennen, sodass es weniger oder gar nicht mehr als Problem erlebt wird.

Auszug aus ‚Therapie zwischen den Zeilen‘ von Stefan Hammel. Beispiele Erlebtes sprachlich zu trennen:

“Wir können die Vergangenheit nicht ändern, aber das brauchen wir auch nicht. Vergangenheit ist Erinnerung. Alle Erinnerung findet jetzt statt, und wir können sie neu einfärben. Wir können sie in neuen Zusammenhängen sehen, sie neu deuten.”
(Trennung der Vergangenheit von der Erinnerung)

“Was für die Zukunft halten, ist in Wirklichkeit nur Erwartung. Keiner war in der Zukunft. Keine Erwartung ist je genauso eingetroffen, wie wir sie uns ausgemalt haben. Es gibt keine Zukunft: Sobald sie da ist, ist sie weg.”
(Trennung der Zukunft von der Erwartung)

“Es ist wichtig, unschöne Ereignisse unserer Vergangenheit nicht als Erwartung in die Zukunft zu projizieren. Es könnte passieren, dass man das bekommt, was man erwartet. Ich schlage Ihnen vor, ab jetzt zu sagen: >bisher war es bei mir so<.”
(Trennung von Vergangenheit / Erinnerung und Zukunft)

“Das ist alles ein Trickfilm und ihr Gehirn ist der Regisseur! Die Sackgasse ist in Ihnen, Ihr Gehirn hat sie Ihnen ausgemalt. Wir könnten Ihr Gehirn bitten, sie zu verändern. Sie brauchen glücklicherweise nicht die Wirklichkeit zu ändern, sondern nur Ihren inneren Film davon.”
(Trennung der Wirklichkeit vom inneren Film)

“Ihr Vater, von dem Sie sprechen, ist ja eigentlich >Ihr Vater in Ihnen<, also Ihr Bild vom Vater. Es macht nichts, dass wir den realen Vater nicht ändern können. Ihr Gehirn kann sein inneres Bild vom Vater ändern und diesem Bild Vorrang geben. Das genügt.”
(Trennung realer Mensch vom inneren Bild von ihm)

“Ihre Seele kann alles Stärkende, was Ihr Eltern zu Ihnen gesagt und für Sie getan haben, sammeln wie ein erfahrenden Pilzsammler, der nur die guten Speisepilze mit nach Hause bringt und die ungenießbaren und giftigen draußen im Wald stehen lässt.”
(Trennung der destruktiven und konstruktiven Teile)

Weitere mögliche Dissoziationen sind (Beispiele)..

– in die Zeit (Vergangenheit): bisherig; früher; damalig; gehabt; hatte; hatte gehabt … (“Ihr Ex-Freund von damals, der Sie vor Jahren … hatte.”)

– in die Zeit (Zukunft): Stellen Sie sich vor..

– in den Raum: Dortig, stellenweise; punktuell; so ein; dieses; ein so geartet; derartig.. (“Nun sind Sie weg von.. und hier in .. Ihr Freund, der Sie in .. “)

– in dem Raum mit Personifizierung: Der, der Sie sind; wenn dort drüben der sitzt, als der Sie Angst haben..

– in dem Raum mit Verdinglichung: Wenn Sie die Angst einmal in den Schirmständer stellen..

– in den Bereich der Zitate und Meinungen: Sogenannt; man könnte nennen; was Sie X nannten; angeblich.. (“Das, was Sie meinten, als Sie von .. gesprochen haben..”; “Sie sagen also, Sie haben..”; “Irgendjemand käme daher und würde die Behauptung aufstellen..”)

– in die Unwahrscheinlichkeit: Eventuell; etwaig; potenziell; möglich; vorstellbar; würde; wäre; könnte..

– in Abstraktionen: diese Symptomatik; akustische Wahrnehmungsphänomene..

– in Kontexte: das, was Ihr.. erzeugt; das, was mit Ihrem.. zu tun hat.. (“das, was Ihnen weh tut”)

– in die dritte Person: ein Teil von Ihnen; Ihre Seele; Ihr Körper; Ihr Gehirn; Ihr Ich..



In Beziehungen heilen

Sprüche Posted on So, Februar 12, 2017 19:46:45

Menschen können nur in Beziehungen leben, sie werden in Beziehungen zu anderen und anderem verwundet und können nur in Beziehungen heilen.
(Stefan Hammel, in ‚Therapie zwischen den Zeilen‘)



Doppelbindung (double-bind)

Systemisch Posted on Do, Februar 09, 2017 23:31:15

Was versteht man unter einem double-bind? Ein double-bind entsteht auf Grund einer paradoxen Kommunikationssituation. Entstehung und Ablauf weisen oft schematisch vier Bedingungen auf (in Anlehnung an Bateson u. a. und Watzlawick u. a. 1967, dt. 1969):

  1. Mindestens zwei Personen haben eine intensive Beziehung zueinander, die für einen Partner physisch und/oder psychisch lebenswichtig ist.
  2. Gegenüber einer der beteiligten Personen wird eine verbale Mitteilung gemacht, die zumeist zu einer Handlung oder einem Verhalten auffordert, verbunden mit einer Strafandrohung (Inhaltsaspekt der Mitteilung).
  3. Eine zweite Mitteilung erfolgt auf einer außerverbalen (Gestik, Mimik usw.) oder paralinguistischen (Stimmlage, Sprechgeschwindigkeit) Mitteilungsebene und steht zu der ersten in unauflösbarem Widerspruch (Beziehungsaspekt der Mitteilung).
  4. Der Empfänger hat nicht die Möglichkeit (auf Grund der engen Beziehung), sich den paradoxen Handlungsaufforderungen zu entziehen: Er kann weder aus der Beziehung treten, noch kann es metakommunikativ die beiden Aufforderungen kritisieren oder den zwischen ihnen bestehenden Widerspruch thematisieren.

Die Theorie der Doppelbindung spielt in der Schizophrenieforschung sowie der Kommunikationstheorie eine wesentliche Rolle und wird in zunehmendem Maße für die Analyse und Beschreibung pathologischer Kommunikation und im gesellschaftlichen Bereich herangezogen.

(siehe uni-freiburg.de)

In dem Buch ‚Wege aus der Zwickmühle, Doublebinds verstehen und lösen‚ von Christiane und Alexander Sautter werden die Regeln in einem Double-bind System wie folgt beschrieben:

Die Regeln einer Beziehungsstruktur mit paradoxem Kommunikationsmuster sind weitgehend unbewusst. Die Existenz solcher Regeln, sollten sie bemerkt werden, können sogar vehement bestritten werden. Alle Mitglieder in dem System sind dem Muster gleichermaßen unterworfen. Während in gesunden Beziehungen je nach Kontext sich symmetrische und komplementäre Interaktionen abwechseln, werden in Double-bind Systemen symmetrische Beziehungsmuster gepflegt, negative Gefühle geleugnet und Unterschiede als Gefahr für den Frieden wahrgenommen. Z.B. dürfen Ehepartner nicht wahrnehmen, dass sie verschieden sind. Emotional können sie sich nicht wirklich auf einander einlassen. Rollenmodell sind festgelegt, stereotypisiert. Die Rollenstruktur bleibt unangetastet, egal wie sich die Mitglieder entwickeln. Es darf sich nichts verändern. Alles soll so bleiben wie es ist. In Familien wird die Familienlegende häufig nach außen heftig verteidigt (‚bei uns gibt es keinen Schwierigkeiten‘). In solchen Familien wird viel über andere geredet, die offene Auseinandersetzung jedoch vermieden. Wenn einer im System versucht eine eigenständige Position zu behaupten, wird diese nicht zur Kenntnis genommen oder derjenige zum Sündenbock erklärt. Er dient als Ventil für die Spannungen im System und sorgt so für ein Gleichgewicht. Auch psychische Symptome können eine Sündenbock Funktion übernehmen. Die Gleichheit (Symmetrie) im System muss aufrechterhalten werden. Um die eigene Autorität aufrecht zu erhalten, darf es niemals Bestätigungen geben, sondern stattdessen muss es immer etwas zu finden sein, was man am anderen (Sündenbock) aussetzen kann. Ein andere Regel ist, dass niemand das System verlassen darf. Außerdem ist es nicht erlaubt, über die verwirrende Kommunikation / unterschiedlichen Signale zu sprechen. Unstimmigkeiten werden geleugnet und die Verantwortung dem zu geschoben, der sie klären will. In erster Linie ist es wichtig die Kontrolle zu behalten (‚Du kannst es nie richtig machen, denn darum geht es gar nicht. Es geht ausschließlich darum, die Beziehung zu dir zu kontrollieren.‚).

In Double-bind Familien kann sich ein Kind nicht auf seine Gefühle verlassen. Es erhält die Botschaft “Wenn du so wärst, wie du nicht bist, dann wärst du genau richtig.” Das Kind versucht verzweifelt dieser unerfüllbaren Forderung nachzukommen, weil es danach strebt geliebt und angenommen zu werden. In dem es versucht so zu sein, wie es nicht ist, verstrickt es sich immer tiefer. Ein Mittel zu entgehen, wäre über die paradoxe Kommunikation zu reden, doch das in einer Double-bind Familie verboten. Kinder können je nach Temperament zwei Lösungsstrategien einsetzen: 1. sie versuchen das Ziel der Anerkennung mit erhöhtem Einsatz zu erreichen (oft sind dies später Erwachsene, die unglaubliches leisten, aber selbst nie zufrieden sind); 2. sie finden sich mit ihrer ‚Minderwertigkeit ab und sind überzeugt, keine Anerkennung zu verdienen (beispielsweise tun sie alles für ihre Eltern ohne je einen Dank zu erhalten und beweisen dabei eine enorme Leidensfähigkeit). Andere Lösungsstrategien betreffen die Kommunikation. Betroffene, die sich für den nonverbalen Aspekt der Kommunikation entschieden haben, bezeichnen sich selbst oft als ‚lebendige Antennen‚ und entwickeln eine hohe Empathie. Dem gesprochenen Wort hingegen vertrauen sie nicht, stellen es in Frage, bleiben bei ihrem Gefühl, auch wenn der Beurteilte anderer Meinung ist. Ein Kind kann sich auch für den verbalen Aspekt entscheiden. Jedes Wort des Gegenübers wird dann auf die Goldwaage gelegt, alle Äußerungen interpretiert (ohne Rückversicherung), eigene Beteiligung an Beschuldigungen ausgeschlossen usw. Andere Kinder versuchen den verwirrenden Botschaften mit absoluter Ehrlichkeit (ohne Rücksicht auf Verluste) zu begegnen, auch wenn sie sich dafür Schwierigkeiten einhandeln. Oder Kinder entscheiden sich dafür nicht zu wählen und sind im Alltag unentschlossen bis handlungsunfähig, verlieren sich bei der Gefahr einer möglichen Entscheidung in innere Welten und können die reale Umwelt vollständig vergessen.

Jeder, der in einer solchen Familie aufwächst, kommuniziert, ohne es zu wissen, ebenfalls paradox. Wenn die Eltern verstorben sind oder der Kontakt abgebrochen wurde, setzt sich das Spiel in anderen Kontexten fort (z.B. mit anderen Autoritäten). Auch in Partnerschaften kann dieses Muster fortgesetzt werden indem z.B. einerseits eine große Sehnsucht nach Nähe besteht aber dennoch auch eine Angst vor Nähe. Strategien können Affären mit verheirateten oder fest liierten Partnern sein, oder Fern-Beziehungen mit Menschen am anderen Ende der Welt (‚Nur in der Ferne bin ich dir nahe, doch in der Nähe bin ich dir fern.‘).

Auch in Organisationen können Doppelwirklichkeiten entstehen, die zur Belastung werden können und mit Burnout-Themen zusammenhängen können (siehe z.B. ‚Alles verknotet‚). In einem Kapitel aus dem gleichen Buch von Christiane und Alexander Sautter beschreiben Christel Kumbruck und Erika Kleestorfer, Doppelbindungen in der komplexen Wirklichkeit von Organisationen, die z.B. durch überlappende Regelwerke entstehen können.
Kulturell, durch Merger, durch das Auseinanderklaffen von Normen und Strukturen, durch doppelte Wirklichkeiten der offiziellen Regeln und dem tatsächlichem Handeln, durch Doppelsitzen auf gleicher hierarchischer Ebene (Matrixorganisation), Linien und Stabsfunktionen etc. Dabei kann sich das Individuum ohnmächtig in diesen Widersprüchen gefangen fühlen. Mitarbeiter sollen mit allen parallelen Wirklichkeiten umgehen können; immer wissen, in welcher sie sich gerade befinden; welche Regen gelten und was eine adäquate Reaktion ist. Insbesondere ist ein höchstes Maß an Flexibilität gefordert, denn auch eine Änderung der Spielregeln mitten im Spiel gehört dazu. Am besten die Mitarbeiter müssen überhaupt nicht darüber nachdenken, welches Spiel gerade gilt, sondern verhalten sich automatisch immer angemessen.

Grundsätzlich gilt aber: Double-binds sind erlernte Muster und können verändert werden!

Das Erkennen ist der erste Schritt. Ein installierter innerer Beobachter (eine Instanz in uns, die uns erlaubt ‚mit Abstand‘ zu beobachten) hilft. Oder das Führen eines ‚Trigger (Auslöser) Buches‘, reiten lernen oder einen Hund zu erziehen (in beiden Fällen muss man lernen kongruent / eindeutig zu sein). Belastende eigene Muster auf Grund von Doppelbindungen, denen man ausgesetzt war, lassen sich ändern.



Systemischer Leitsatz

Sprüche Posted on Sa, Februar 04, 2017 10:59:07

In Abwandlung des kantischen Imperativs:

Handle stets so, dass sich die Summe deiner Möglichkeiten vergrößert.
Niemand kann uns daran hintern, im Sinne der Zukunft zu handeln, die wir uns schaffen wollen.

(Heinz von Foerster)



8 Kommunikationsstile

Kommunikation Posted on Fr, Februar 03, 2017 17:52:36

Friedemann Schulz von Thun unterscheidet in “Miteinander reden: 2 (Differentielle Psychologe der Kommunikation)” nachfolgende Kommunikationsstile, die ich insbesondere unter dem Aspekt der Teufelskreise (Schema nach Thomann u. Schulz von Thun, 1988) und Entwicklungsquadrate (Helwig, 1967) zusammenfassen möchte.

Bei den acht Kommunikations- und Interaktionsstilen:

bedürftig-abhängig,
helfend,
selbst-los,
aggressiv-entwertend,
sich beweisend,
bestimmend-kontrollierend,
sich distanzierend,
mitteilungsfreudig-dramatisch,

..handelt es sich um bestimmte Arten und Weisen, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, zu sprechen und die Beziehung zu gestalten. Alles steckt in jedem, jede Strömung ist in jedem Menschen angelegt. Dennoch gilt, dass bei bestimmten Menschen diese oder jede Strömung (Stil)‚ ein besonders breites oder tiefes Flussbett hat. So sehr wir uns von einigen Strömungen distanzieren mögen, sollten wir nicht vergessen: alles steckt in jedem.
„Der Weg zur Humanität wird nicht in weißen Westen zurückgelegt, sondern verlangt die Selbsterkenntnis ungeliebter Anteile, deren Annahmen und Integration.“ Andernfalls droht die Abspaltung dieser Anteile und gegebenenfalls ihre, mit großer moralischer Entrüstung vollzogene, Wiederentdeckung im Anderen.

  1. Bedürftig-abhängiger Stil

Axiom des bedürftig-abhängiger Stil ist ”Ich bin schwach und hilflos – allein bin ich dem Leben nicht gewachsen”. Da die nach außen zugewandte Kontaktseite ‚schwach’ heißt, passt sie gut zu Menschen, deren nach außen zugewandte Kontaktseite ‚stark’ ist, also z.B. zu Menschen mit helfendem Stil. Hieraus können sich zwei typische Teufelskreise ergeben..

Bild Teufelskreis 1 und Teufelskreis 2

Beide Teufelskreise können in ein und derselben Beziehung wirksam werden, zum Beispiel wenn der Partner zunächst fürsorglich reagiert, aber irgendwann, wenn er sich verausgabt hat, in die distanzierende Strömung kippt.

Menschen mit stark ausgeprägtem bedürftig-abhängiger Stil neigen dazu, sich selbst als passiv und abhängig zu erleben, als Opfer des Geschehens. So kommt es auch in ihrer Sprache zum Ausdruck, in der Passiv-Konstruktionen und Betonung der Fremdbestimmung das eigene Mitwirken verleugnet wird. In der “Sprache der Verantwortung” (Gestalttherapie) werden Klienten angehalten statt “Ich kann nicht..” “Ich will nicht” und statt “Ich muss..” “Ich entscheide mich für..” alternativ zu versuchen. Eine weitere Übungsrichtung ist, schrittweise seinen Stil zu verändern: spezifischer, mehr aktiv regieführend und offener und deutlicher zu kommunizieren.

Die Entwicklungsrichtung des bedürftig-abhängiger Stils geht in Richtung “Autonomie und Verantwortung”, während die des helfenden Stils in Richtung “Bewusstsein von Bedürftigkeit und Schwäche” geht.

Bild Wertequadrat 1

  1. Helfender Stil

Axiom des helfenden Stiles ist ”Für mich ist es eine Katastrophe, schwach (ratlos, traurig, verzweifelt) und bedürftig zu sein”. Als geduldige Zuhörer und Ratgeber sind sie allzeit bereit sich für die Schwachen einzusetzen. Diese Haltung ist insbesondere in den sozialen Berufen verbreitet (siehe auch “Helfersyndrom”, Studie von Schmidbauer). Aber auch in Familiensystemen bei älteren Geschwister (Tochter), die als Hilfserzieher für die jüngeren Geschwister einspringen und dafür zwar liebevolle Anerkennung erhalten, jedoch ihre eigene kindlich-bedürftige Seite aus ihrem Selbsterleben ausblenden und ein Kontaktmuster “kleine Erwachsene” annehmen.
Dabei ist der Helfende immer in Gefahr, zum heimlichen Komplizen des Symptoms des Anderen zu werden, da er diesem erspart, sich mit den realen Folgen seines Verhaltens auseinander zu setzen (Co-Verhalten, Symptompfleger).
Es kann schnell zu einem doppelten Teufelskreis kommen, wobei zum offiziellen, äußeren Teufelskreis von Fürsorge und Dankbarkeit, sich ein innerer Teufelskreis von Enttäuschung und Kränkung dazu kommt. Der Schützling spürt dann neben der Erleichterung, die ihm der Helfer verschafft, auch eine Kränkung über seine eigene Bedürftigkeit und darüber das der Helfer diese “auskostet”, d.h. sein eigenes Selbstgefühl darauf baut (“Du sollst nicht glauben, du könntet alles besser und wärest so großartig.”). Dies kann beim Helfer zur Frustration (“Ich habe ja nur versucht, dir zu helfen.”) und zum Verdoppeln seiner Anstrengungen führen. Entwicklungsrichtung weg von diesem “hineingezogen sein” ist eine stärkere Abgrenzung (grüner Pfeil Abbildung unten).

Bild Wertequadrat 2

Allerdings kann eine überbetonte äußere Abgrenzung (roter Pfeil) (“Da musst Du selbst sehen, wie Du damit fertig wirst.”) zu einem “herzlosen” und zynischem Verhalten führen (“Machen Sie doch mal bei der Niere auf 18 ein EKG.”)

Der Teufelskreis des helfenden Stils mit dem bedürftig-abhängiger Stil wurde ja davor schon aufgezeigt (Bild Teufelskreis 1). Die eben angesprochene Ambivalenz (innerer und äußerer Teufelskreis) wird später auch Teufelskreis selbstloser Stil vs. Aggressiv-abwertender Stil (Bild Teufelskreis 3) gezeigt.

  1. Selbstloser Stil

Der selbstlose Stil ist dem helfenden Stil ähnlich, jedoch ist sein Axiom ein anderes ”Ich selbst bin unwichtig – nur im Einsatz für dich und für andere kann ich zu etwas nütze sein”. Charakteristisch ist die Aufwertung des Anderen und die Abwertung des Selbst. Im Extrem ist die Selbstkundgabe “Ich bin nichts.”, wodurch er sich ständig klein macht und entwertet (“Erst durch die Bürde ein Minimum an Würde”). Der Grundapell an Andere ist “Sag, wie Du mich haben willst”. Das Motto des selbstlosen Stils ist “Harmonie um jeden Preis”, was seine Konfliktscheu und Aggressionshemmung erklärt. Selbst-lose bringen es fertig, Aggression in Selbstanklagen zu verwandeln (“Was habe ich nur falsch gemacht, dass ..”). Allerdings hat dieses Verhalten auch einen heimlichen Wirkungsaspekt, denn wer würde sich nicht einem solchem Menschen verpflichtet fühlen, so dass ein Selbst-loser auf seine Art sein zartes Netz aus Verpflichtungen weben kann, in dem Andere sich gefühlsmäßig gefangen fühlen (Bsp. die selbst-lose Mutter, die ihre Kinder mittels Schuldgefühlen steuert).

Auch hier kann der Teufelskreis aus “erhebt den Partner, macht sich klein”, “Partner: fühlt sich erhaben und überlegen > zeigt sich von seiner besten Seite und verhält sich entsprechend” und “Zufriedenheit über den Partner aber auch unterlegen, dennoch sicher” z.B. auf Seite des Partners umschlagen, wenn dieser sich durch die ständige Selbstentwertung genervt fühlt und dann mit abweisender Distanz reagiert, was den Selbst-losen an seinem wunden Punkt der Verlustangst trifft, worauf er sich noch kleiner macht, was beim Partner sogar Wut, Verachtung und Ekel auslösen kann (siehe Bild Teufelskreis 3).

Bild Teufelskreis 3

Das erste wichtige zu lernende Wort für Selbst-lose ist “Ich” und das zweite lautet “Nein”.

  1. Aggressiv-entwertender Stil

Die Strömung des aggressiv-entwertenden Stils entdeckt das Fehlerhafte, Erbärmliche und Schändliche in Anderen und behandelt es entsprechend herabsetzend und entwertend. Die Lebensgleichung heißt ”Ich oder Du”. Was nach Außen so aussieht, hat nach Innen eine verletzliche und verzweifelte Seite. Das Axiom lautet ”Ich bin nicht in Ordnung, mache alles falsch. Wehe, jemand merkt es! Dann werde ich untergebuttert und gnadenlos verachtet”. Das Minderwertigkeitsgefühl verbindet sich hier mit der Angst “runtergemacht” zu werden, in eine unterlegene Position zu kommen.

Techniken der “Oberhandsicherung” dieses Stils verfolgen häufig diese Muster:

– Man hört das, was der Andere sagt mit dem “Selbstkundgabe-Ohr” (also das was der Andere mit der Mitteilung über sich, oft unterbewusst, aussagt) ..

– filtert diesen Aspekt heraus und dreht dem Anderen einen Strick daraus,

– indem z.B. aus der Fülle aller möglichen Messlatten / Normen solche herausgesucht werden, bei welcher der Andere schlecht aussieht.

– Das somit ausgemachte Defizit mit anschließend kommentiert und dem Anderen vorgeworfen,

– und zwar so geschickt, dass sie ihrerseits wenig Selbstkundgabe enthält, um dem Anderen / Gegner keine Ansatzpunkte zu bieten. Dies lässt sich zum Beispiel mit Ironie oder durch Fragen erreichen.

– Der Gegner bleibt unterlegen, selbst wenn er versucht aus diesem Spiel auszusteigen. Antwortet er nicht, wird ihm das vorgehalten (“Tja, darauf wissen Sie nichts mehr zu sagen!”). Stellt er seinerseits eine Frage, wird ihm vorgehalten “Ich stelle fest, dass Sie auf meine Frage nicht antworten können oder wollen. Ist sie Ihnen so unangenehm?”).

– Sollte der Andere es dennoch schaffen unbequem zu werden, wird sofort die Ebene gewechselt. Z.B. auf die Ebene der Körpersprache (“Warum werden Sie plötzlich so laut?”, “Deswegen brauchen Sie doch nicht gleich rot zu werden.”, “Wie stehen Sie denn überhaupt da?”). Auch ein Nachäffen des Tonfalls ist ein Ebenenwechsel.

– Sollte der Andere mit einem Gegenmanöver gefährlich werden, kann man ihn ironisch als immerhin “tapfer” würdigen und Auffordern “noch mehr Derartiges (Witze) zu bieten”.

Aber Entwertung geht auch unspektakulärer z.B. in dem man oft unterbricht, keinen Blickkontakt gewährt, ignoriert und auf anderen Themen übergeht etc.

Manche Bereiche des gesellschaftlichen Lebens sind stärker von einer aggressiv-entwertenden Kommunikation geprägt, wie die Politik, Gerichtsverhandlungen, Erziehung, z.T. im Beruf (nach unten treten, nach oben buckeln). Ein möglicher Teufelskreis wurde schon aufgezeigt (siehe Bild Teufelskreis 3). Systemisch kann sich die Kommunikation spiegelbildlich leicht zu einer Eskalation aufschaukeln (“A: herabsetzend, beschuldigend”, “B: fühlt sich angegriffen, verletzt, wütend”, “B: herabsetzend, beschuldigend”, “A: fühlt sich angegriffen, verletzt, wütend”).

Psychologen sind sich nicht einig, ob Streiten eine fundamentale Bedeutung für die seelische Gesundheit hat (‚Streiten verbindet‘, Bach und Wyden) oder nicht. Jedenfalls kann aufkommende Aggression als Signal für eine Selbsterkundung genommen werden. Vielleicht sind wir gar nicht so sehr darauf aus den Anderen zu überzeugen, sondern ihn für seinen ‚falschen‘ Standpunkt zu bestrafen? Allerdings ist die Kunst hinter die eigenen Kulissen zu schauen, unter einer aggressiv-entwertenden Strömung, schwach entwickelt.

Die Entwicklungsrichtung geht zu der “Fähigkeit Respekt zu erweisen” und zu einer mehr “akzeptierenden Grundhaltung”.


Bild Wertequadrat 3 a,b,c

  1. Sich beweisender Stil

Die Grundbotschaft des sich-beweisenden Stils lautet “Ich bin ohne Fehl und Tadel”. Der Sich Beweisende steht unter permanentem Druck, sich nach Außen vollkommener zu geben, als ihm innerlich zumute ist, was viel psychische Kraft kostet. Sein Axiom ist ”Ich selbst bin nicht (liebens)wert – nur in dem Maße, wie ich gut bin, verdiene ich Liebe und Anerkennung”. Ein Sich-Beweisender neigt in seiner Selbsteinschätzung zu extremen Schwankungen, von der Euphorie der Größte zu sein, bis zum Katzenjammer einer gescheiterten Existenz, wobei Durchschnittlichkeit oder Mittelmäßigkeit im Selbstbild nicht vorkommt. Seine Devise könnte lauten “Wenn schon nicht der Größte, dann wenigstens der größte Versager”. An das empfindliche Beziehungs-Ohr des Sich Beweisende gelangen insbesondere die Töne, die seine Selbstzweifel anrühren, was ihn verleitet “mehr von demselben” zu machen (Rechtfertigungen, Erklärungen, erweiterte Selbstdarstellungen .. um zu beweisen “Ich bin ohne Fehl und Tadel”).

Sind Menschen in seinem System, die ebenfalls hohe Ansprüche an sich haben, kann es schnell zu einem symmetrischem Teufelskreis kommen (“A: fühlt sich unter Druck sich zu beweisen und verhält sich entsprechend angestrengt.”, “B: fühlt sich dadurch a) unter Druck mit zu halten b) wetteifert – ‚Ich werde es dir schon zeigen‘ und verhält sich entsprechend”, “A: fühlt sich dadurch unter Druck sich zu beweisen ..”).

Um konstruktiv zu bleiben, müsste der Sich Beweisende mehr zur geistigen und muskulären Ruhe und Entspannung kommen.

Seine Weiterentwicklung besteht darin, seine Negativseite wahrzunehmen und anzunehmen (“ja, so bin ich auch mit meinen Blößen und Mängeln”, “Ich kann groß und klein – vollkommen unvollkommen sein”).

  1. Bestimmend-kontrollierende Stil

Menschen mit diesem Stil haben Angst vor Überraschungen, spontanen Veränderungen, Chaos – vor Kontrollverlust. Ihre Selbstkundgabe lautet “Ich weiß, was richtig ist!”. In seiner Beziehungsbotschaft übermittelt er “Du kannst es nicht richtig – wenn man dich dir selbst überlassen würde, dann kann es nicht gut gehen.”. Er will Andere nicht herabsetzen, sondern ändern, formen und kontrollieren (“Man muss..”, “Du solltest..”, “Du kannst nicht einfach..”). Der bestimmend-kontrollierende Stil kombiniert sich gerne mit dem aggressiv-entwertendem Stil und ergibt dann ‚autoritäres Verhalten‘. Vielleicht hat der Bestimmende Anlass sich selbst in den Griff kriegen zu müssen, dass all seine als Bollwerk errichteten Prinzipien und Reglementierungen sich gegen unberechenbare Teile seiner Innenwelt richten, die nur darauf warten ein Schlupfloch zu finden. Sein Axiom könnte lauten ”Ich bin voll von chaotischen, sündhaften, unvernünftigen Impulsen – nur wenn ich strenge Regeln halte, kann ich mich in der Gewalt haben und ein anständiger Mensch bleiben”. Da es eine menschliche Eigenschaft zu sein, innere Kriegsschauplätze nach außen zu verlagern, werden die Mitmenschen als leibhaftige Träger verbotener Regelungen ausgemacht, und die strenge Kontrolle auf sie ausgedehnt.

Teufelskreise bilden sich z.B. schnell bei Lehrer / Schüler oder Manager / Mitarbeiter oder Eltern / Jugendlicher (“A: will bestimmen und kontrollieren und verhält sich entsprechend ‚Die Musik kommt von vorn. Alles hört auf mein Kommando‘, “B: fühlt sich erleichtert von der Last der Verantwortung (aber abhängig) und verhält sich entsprechend ‚Du musst sagen wo es lang geht‘ “, “A: fühlt sich dadurch zuständig, maßgebend, mächtig und verhält sich entsprechend bestimmend..”).

Eine Weiterentwicklung für den Bestimmenden kann das Erlernen eines nicht-direktiven Gesprächstils sein (z.B. nach Carl Roger), bei der er der Landkarte des Anderen folgt und Wachstum zulässt. Auch der zulassen / erlernen einer Flexibilität im Prozess (Improvisation) ist eine mögliche Entwicklungsrichtung. Er muss sich letztlich seiner Angst stellen, was passieren könnte, wenn er loslässt.

  1. Sich-distanzierender Stil

Andere Menschen dürfen jemandem in einer distanzierenden Strömung nicht zu nahekommen. Eine ‚Wand‘ sorgt dafür, dass der gebührende Abstand eingehalten wird (sichtbar z.B. auch in Schreib/Konferenztischen; Vorzimmern; Bevorzugung des Schriftverkehrs etc.). Sich-Distanzierende werden leicht als arrogant und abweisend wahrgenommen. Man wird nicht richtig warm mit ihnen. Im Gespräch bleiben sie teilnahmslos, mechanisch und innerlich abweisend. Grundsätzlich ist dieses Kontaktmuster ist in unserer Gesellschaft eher für Männer üblich. Die große Angst des Sich-Distanzierenden vor Abhängigkeit befähigt ihn allerdings auch, für sich allein zu sorgen.

Sein Axiom ist ”Wenn ich mich öffne und jemand ganz an mich heranlasse, begebe ich mich in große Gefahr: Ich könnte in eine solche Abhängigkeit geraten, dass ich jeder Verletzung preisgegeben bin und mich selbst in der Gefangenhaft der Verschmelzung verliere”.

Die Distanz und Zurückweisung kann schnell zu einem Teufelskreis führen bei dem der Sich-Distanzierende “A: sich zum Mitmenschen abgrenzt, reserviert bleibt, sich kühl verhält”; “B: sich der Mitmensch dadurch abgewiesen und verletzt fühlt und sich entsprechend zurückhaltend und feindselig verhält ‚Mit so einem wie dir möchte ich nichts zu tun haben‘ “; und sich “A dadurch unwillkommen, gemieden und unwohl im Kontakt fühlt und sich entsprechend verhält..”. Ein Teufelskreis von Nähe und Distanz. Ein ‚Nähe-Partner‘ bleibt mit einem Sich-Distanzierende nicht nur in seinen Bedürfnissen unerfüllt, er hört auch die Botschaft stark mit dem Beziehungsohr (abgestellt, abgewiesen, abgelehnt). Dass der Sich-Distanzierende “noch nicht einmal darüber reden will” macht es für ihn schwer. Allerdings bedeutet “darüber reden” ja bereits Kontakt und Nähe. Durch einen ‚Nähe-Partner‘ kann sich der Distanzierende bedrängt, verfolgt, ausgesaugt, belagert und angebunden fühlen.

Wenn der sich der Distanzierende über Rollenbeziehungen und Grenzen klar wird, muss er im Kontakt nicht fortwährend seinen Rückzug sichern und seine Reviergrenzen verteidigen. Er könnte auch über die unbequemen Punkte mit seinem Partner reden und schildern wie er sie erlebt. Seine Entwicklungsrichtung besteht darin, die überscharfe Abgrenzung zum anderen zu überwinden und sich einzulassen ohne in symbiotische Verschmelzung zu geraten (praktisch die überkreuzte Entwicklungsrichtung des Selbst-losen Stils).

  1. Mitteilungsfreudig-dramatisierenden Stil

Unter dieser Strömung sind wir außerordentlich mitteilungsfreudig, genießen es von Publikum umringt zu sein, bringen ‚Leben in die Bude‘ und sind spontan (wer improvisieren kann, braucht nicht so viel zu organisieren). Die Selbstkundegabe sagt “Hört, hört, so bin ich”. Die Kommunikation hat ihren Inhalt / Text verloren und wird zum Mittel der Selbstvergewisserung. Der Grundapell ist “Wende dich mir zu und bestätige meine Selbstdarstellung”. Das Axiom lautet ”Ich bin unwichtig. Wie mir wirklich zumute ist, interessiert niemanden. Nur wenn ich mich geschickt oder mit starken Mitteln in den Vordergrund spiele, werde ich beachtet”. Hinter der Redseligkeit steckt die Angst unbemerkt zu verwelken.

Im Fall einer Redseligkeit ohne Punkt und Komma, ohne die Möglichkeit für den Gegenüber einzuharken, mag die unbewusste Zielsetzung der vollständigen Kontrolle über die Situation zu bekommen. Tatsächlich gilt der Mitteilungsfreudig-dramatisierenden Stil als einer der eher weiblichen Stile. Ein Teufelskreis kann sich schnell bilden, wenn der Partner sich angeregt und fasziniert fühlt, sich entsprechend verhält und applaudiert oder gebannt an den Lippen hängt, wodurch sich der Mitteilungsfreudig-Dramatisierende beachtet und anerkannt fühlt und ‚so richtig aufdreht‘. Bis der Partner sich genervt fühlt, sich entsprechend verhält und sich abwendet, was beim Mitteilungsfreudig-Dramatisierenden dazu führt sich unbeachtet und links liegen gelassen zu fühlen und sich entsprechend zu verhalten in dem er ‚noch mehr aufdreht‘ (was den Partner noch mehr nervt etc.).

Die Entwicklungsrichtung des Mitteilungsfreudig-Dramatisierenden ist die Zurückhaltung / ‚Schweigseligkeit‘, Pausen bewusst auszuhalten, die dialogische Partnerbezogenheit zu suchen.



Das kleine 1×1 der Kommunikation

Kommunikation Posted on Mo, Januar 23, 2017 18:39:03

– Jeder hat seine Wahrheit.
– Sie können nicht nicht kommunizieren.
– Kommunikation besteht aus 55% Körpersprache, 38% Stimme und 7% Worten.
– Kongruenz bedeutet Körpersprache, Stimme und Worte haben dieselbe Botschaft.
– Unterscheiden Sie Signal und Bewertung.
– Der (Kommunikations)”Eisberg” besteht aus 20% Sachebene und 80% emotionaler Ebene.
– Achten Sie auf Ihre Gedanken. Sie bestimmen ihre Worte, Taten und Gefühle.
– Machen Sie sich Ihre Gefühle bewusst und sprechen Sie sie an!

(aus ‚Wenn die Masken fallen‘, C. und A. Sautter)



GfK im Coaching

Kommunikation Posted on Mi, Dezember 21, 2016 18:48:01

Ich habe mir die Frage gestellt ‚Wie kann ich GfK (Gewaltfreie Kommunikation nach Rosenberg) im Rahmen einer Coaching Sitzung unterstützend einsetzen?‘

Folgende Klienten Anliegen bieten sich meiner Erachtens an (Beispiele)..
– Zwischenmenschliche Konflikte oder Kommunikationsprobleme (offen oder verdeckt, d.h. intrinsisch);
– Feedback geben, welches vom Anderen besser angenommen werden kann;
– Umgang mit (verbalen) Angriffen;
– Entkopplung von eigenen automatisch ablaufenden Reiz/Reaktions-Mustern;
– Vorbereitung von schwierigen Gesprächen;
– In-Handlung-kommen durch Übernahme von Verantwortung;
– Verbesserung der eigenen Empathie

GfK Prozessschritt (vgl. Rosenberg) Coaching Prozessschritt (vgl. Whitmore) Kommentar
Gefühl
bin ich..
– keine Beurteilung
– ohne Interpretation
– nur ‚echte‘ Gefühle in der GfK Klassifikation positiv und negativ
gRow
Realität erkennen
– Eigene emotionale Landkarte verstehen
– Perspektivenwechsel durch Trennung echte und unechte Gefühle als Kategorisierung in positiv und negativ
– neue GfK Sprache im Gegensatz zur Alltagssprache forciert ein Umdenken / setzt Sprachgewohnheiten außer Kraft
Bedürfnis
..weil mir ..wichtig ist
– keine Schuldzuweisungen
– keine Angriffe
– mögliche Kategorien.. Verbindung, körperliches Wohl, Ehrlichkeit, Spiel, Sinn / Bedeutung, Autonomie
Grow
Ziel definieren
– Kategorien und Beispiele echter Bedürfnisse in der GfK Definition helfen zu erkennen was eigentlich benötigt wird / was für den Klienten da (mehr) sein soll
– Beispiele sind automatisch positiv formuliert
– Nicht wissendes und nachhaltiges Hinterfragen bringt Klärung
Bitten
Kannst du bitte.. OK?
(offene Frage, darf auch mit Nein beantwortet werden)
– Kontakt (mir sagen wie es dir geht, wenn du das hörst?, mir sagen wie du das / die Situation wahrnimmst?) – oder Handlungsbitte (dies oder das bis zum .. tun?, konkret, verständlich, realistisch)
grOW
Optionen generieren und konkrete Handlung prüfen
 

Im Coaching könnten wir einen Konfliktdialog mit dem leeren Stuhl inszenieren, wobei der Perspektivenwechsel tatsächlich durch das (Um)Setzen auf den anderen Stuhl durchgeführt wird und beide Dialoge (mit Anleitung des Coaches) im GfK Schema vom Klienten gesprochen werden.
Stille GfK Übungen könnten als mögliche Hausaufgaben gegeben werden z.B. Achtsamkeit der Trennung von sachlicher Beobachtung und Interpretation; oder Achtsamkeit der Gefühle; oder Reflektion der Bedürfnisse (jeweils der eigenen und / oder der des Anderen).

Hilfreiche Listen findet ihr unter .. https://www.lichtkreis.at/wissenswelten/gfk-sprache-des-lebens/gfk-listen-wort%C3%BCbungen/

 



Gegenteil von schlecht

Sprüche Posted on Di, Dezember 20, 2016 13:43:00

Das Gegenteil von schlecht muss nicht gut sein – es kann noch schlechter sein.

(Paul Watzlawick)



Konstruktivismus als Konstruktion

Konstruktivistisch Posted on Di, Dezember 20, 2016 13:38:53

Der radikale Konstruktivismus begreift sich selbst als Konstruktion und nicht als die letzte Wahrheit, er ist eine Möglichkeit, die Dinge zu sehen. Für mich ist allein die Frage ausschlaggebend, welche Konstruktion sich als die nützlichste und menschlichste erweist.

(Paul Watzlawick)
siehe auch Wirklichkeit wird konstruiert



Konstruktivismus – zwei Konsequenzen

Konstruktivistisch Posted on Di, Dezember 20, 2016 13:37:39

Aus der Idee des Konstruktivismus ergeben sich zwei Konsequenzen. Erstens die Toleranz für die Wirklichkeiten anderer – denn dann haben die Wirklichkeiten anderer genauso viel Berechtigung als meine Eigene. Zweitens ein Gefühl der absoluten Verantwortlichkeit. Denn wenn ich glaube, dass ich meine eigene Wirklichkeit herstelle, bin ich für diese verantwortlich, kann ich sie nicht jemandem anderen in die Schuhe schieben.

(Heinz von Förster)



Wohlbefinden

Sprüche Posted on Di, Dezember 20, 2016 13:34:54

Noch niemals sah ich einen Menschen, der wirklich die Wahrheit sucht. Jeder der sich auf den Weg gemacht hatte, fand früher oder später was ihm Wohlbefinden gewährte. Und dann gab er die weitere Suche auf.

(Mark Twain)



Wahrnehmung – aktive Inszenierung

Konstruktivistisch Posted on Di, Dezember 20, 2016 13:33:07

Wahrnehmung, so der Kognitions-Forscher Francisco Varela, ist keine widerspiegelnde Repräsentation, sondern aktive Inszenierung.

Der Physiker David Bohm hat es so ausgedrückt: ‘Raum und Zeit werden von uns zu unserer Bequemlichkeit konstruiert […] es sind Konventionen.’ Keine starren Naturgesetze, sondern Konventionen – Gewohnheiten des Bewusstseins, Realitäts-Tunnel.

(Eberhard Sens zitiert Francisco Varela und David Bohm in ‚Am Fluss des Heraklit‘)



Paranoia

Konstruktivistisch Posted on Di, Dezember 20, 2016 13:26:02

Es liegt im Wesen des Begriffs der Paranoia, dass sie sich auf eine für absolut wahr gehaltene Grundannahme stützt, die, da axiomatisch, den Beweis ihrer Wahrheit nicht erbringen kann und auch nicht zu erbringen braucht. Aus dieser Grundannahme werden dann streng logische Ableitungen gemacht und damit eine Wirklichkeit erschaffen, in der alle Fehlschläge immer nur in den Ableitungen, niemals aber in der Prämisse gesucht werden.

(Paul Watzlawick, Die erfundene Wirklichkeit)



Tatsachen, keine Probleme

Sprüche Posted on Di, Dezember 20, 2016 13:23:14

Ein gesperrtes Konto und ein verstopftes Abflussrohr sind Tatsachen, keine Probleme. Das, was eine Tatsache für uns zum Problem macht, sind die Gefühle, die diese Tatsache in uns auslöst.

(Safi Nidiaye, Das Tao des Herzens)



Wirklichkeit

Konstruktivistisch Posted on Di, Dezember 20, 2016 13:13:06

1. Ich bin frei, denn ich bin einer Wirklichkeit nicht ausgeliefert, sondern kann sie gestalten.

2. Jeder meint, dass seine Wirklichkeit die wirkliche Wirklichkeit ist.

(Paul Watzlawick)



Das Leben, das ich selbst gewählt

Sprüche Posted on Di, Dezember 20, 2016 13:06:20

Eh’ ich in dieses Erdenleben kam,
ward mir gezeigt, wie ich es leben würde.
Da war die Kümmernis, da war der Gram,
da war das Elend und die Leidensbürde.
Da war das Laster, das mich packen sollte,
da war der Irrtum, der gefangen nahm.
Da war der schnelle Zorn, in dem ich grollte,
da waren Hass und Hochmut, Stolz und Scham.

Doch war da auch die Freude jener Tage,
die voller Licht und schöner Träume sind,
wo Klage nicht mehr ist und nicht mehr Plage,
und überall der Quell der Gaben rinnt;
wo Liebe dem, der noch im Erdenkleid gebunden,
die Seligkeit des Losgelösten schenkt,
wo sich der Mensch, der Menschenpein entwunden,
als Auserwählter hoher Geister denkt.

Mir ward gezeigt das Schlechte und das Gute,
mir ward gezeigt die Fülle meiner Mängel,
mir ward gezeigt die Wunde, draus ich blute,
mir ward gezeigt die Helfertat der Engel.
Und als ich so mein künftig’ Leben schaute,
da hört’ ein Wesen ich die Frage tun:
Ob dies zu leben ich mich traute,
denn der Entscheidung Stunde schlüge nun.

Und ich ermaß noch einmal alles Schlimme –
„Dies ist das Leben, das ich leben will“,
gab ich zur Antwort mit entschloss’ner Stimme
und nahm auf mich mein neues Schicksal still.
So ward geboren ich in diese Welt,
so war’s, als ich ins neue Leben trat.
Ich klage nicht, wenn ‘s oft mir nicht gefällt,
denn ungeboren hab’ ich es bejaht.

Hermann Hesse, ‚Das Leben, das ich selbst gewählt‘



Recht haben

Sprüche Posted on Di, Dezember 20, 2016 13:02:46

Willst du recht haben oder glücklich sein?

Frei nach Marshall Rosenberg



Sein und Zeit

Philosophie Posted on So, Dezember 18, 2016 19:10:28

In dem Artikel “Das Sein und das Nichts“ hatte ich die Seinsphilosophie Heideggers als eine wichtige Grundlage für Sartre erwähnt. Was kann Heidegger uns außerdem noch mitgeben? Die zentrale Frage in seinem Werk “Sein und Zeit” lautete ‚Was ist der Sinn vom Sein?’ Vereinfacht: Der Mensch ist ein Lebewesen, dem es sich in seinem Leben um dieses selbst geht. In seiner phänomenologischen Betrachtungsweise (die er von Husserl übernommen hat) hat sich Heidegger unser Alltagsverständnis von Sinn angesehen (“Alltäglichkeit deckt sich nicht mit Primitivität. Alltäglichkeit ist vielmehr ein Seinsmodus des Daseins ..”).

Er stellt fest, dass, wenn die Menschen “ist” sagen oder “ist” denken, sie den Dingen und sich selbst bereits einen Sinn geben. Wir interpretierend die Welt in jeder Sekunde auf irgendeine Art und Weise.

Heidegger stellt dabei die These auf, dass die meisten Menschen den Sinn ihres Lebens verfehlen, da wir in der Regel nur das tun, was “man” gerade tut, was modern usw. Wir würden uns so sehr von fremden Interessen leiten lassen, dass wir oft nicht mehr Wir sind, sondern die Anderen. Ein “Verfallensein” an ein anonymes “Man”. Diese Lebensweise sei sehr bequem und deshalb weit verbreitet. Dennoch sei es eine Flucht. Obwohl der Sorgecharakter unseres Daseins verlangt, dass wir für uns selbst sorgen, überlassen wir uns im Modus des Verfallenseins die Ausgestaltung der Welt Anderen, der Mehrheitsmeinung, den allgemeinen Regeln und Konventionen und somit letztlich an “Allen und Niemandem”.

Es bedürfe in der Regel einer existentiellen Krise, in der die Man-Welt zusammenbricht und wir eine Chance bekommen uns zu befreien und eine Möglichkeit zu spüren, unser eigenes Selbstseinkönnen zu ergreifen. Eine solche Krise / Stimmung, ist die Stimmung der Angst, die uns unser ganzes bisheriges Leben in Frage stellen lässt, uns in unseren tiefsten Fundamenten erschüttert. Heidegger unterscheidet dabei im gleichen Sinn wie Sartre zwischen Angst (unbestimmt) und Furcht (bestimmt). Doch gerade diese Angst, eröffnet uns eine Chance uns selbst zu finden (“Freisein für die Freiheit des Sich-selbst-wählens und -ergreifens.”). Diese Angst, sei eine Art Lebensangst. Der Sorgencharakter des Daseins selbst wird dann zur Bedrohung. Aus dieser Stimmung der Angst (in einem Spätwerk ergänzt er, auch aus einer Stimmung der “Gelassenheit” heraus..) haben wir die Wahl wieder in die scheinbare Sicherheit des anonymen ‚man’ zurückzukehren, uns selbst zu finden oder radikal die Nicht-Übernahme des In-der-Welt-seins durch Suizid (‚äußerste Möglichkeit der Freiheit’). Wenn wir, angesichts des “Nichts” uns dafür entscheiden, leben zu wollen, erst dann, übernehmen wir Verantwortung für unser Leben uns unsere Entscheidungen. Außerdem empfiehlt uns Heidegger, der Gewissheit des Todes nicht einfach auszuweichen (zu verdrängen) sondern uns mit der Tatsache unseres Ablebens vertraut zu machen (siehe auch ‚Tod und Trauer‚).

Heutzutage würden wir Gefahr laufen, von einer rein technischen Wahrnehmung der Welt überrollt zu werden und dabei unsere Offenheit für den Sinn vom Sein zu verlieren. Wir sehen die Natur, die Welt und uns selbst nicht mehr unvoreingenommen, sondern nur noch unter dem Aspekt der Machbarkeit (Wie kann man das möglich machen? Wie können wir noch erfolgreicher und effizienter werden?). Diese Art nennt Heidegger ‚stellen’. Wir geben allem und jedem eine bestimmte Ausrichtung, mit der Gefahr, selbst unter das “Ge-stell” der Technik zu geraten und zu “Ge-stellten” zu werden, die dann ihre Welt und Mitmenschen nur noch funktional begreifen können. Das technisch-naturwissenschaftliche Denken (letztlich das Rechnen) hat sich als einzig anerkanntes Denken etabliert. Das berechnende Denken beherrscht nicht nur den Umgang mit der Natur, sondern auch den Umgang mit den Menschen. Nichts ist ohne Grund. Für alles und jedes muss es einen Grund geben. Jede Idee muss rational begründet werden. Alles muss berechenbar und nachvollziehbar sein. Wir wachsen auf mit dem Satz “Nichts ist ohne Grund.” (Nihil est sine ratione) . Heidegger empfiehlt eine Abkehr von diesem Denken, die sogenannte “Kehre” und ein besinnliches Denken, das wieder das Ganze in den Blick nimmt.



Das Sein und das Nichts

Philosophie Posted on Do, Dezember 15, 2016 12:15:18

Der nachfolgende Artikel resultiert aus meiner Auseinandersetzung mit Sartre, Das Sein und das Nichts. Ich möchte diesen als eigenständigen Artikel belassen, damit ich mich darauf in nachfolgenden Artikeln beziehen kann. Als einer der ersten Philosophen überhaupt erforschte Sartre die Struktur der zwischenmenschlichen Beziehungen.

Der Mensch (und auch unsere Klienten) stellt sich die Frage nach dem Sein. Der Existentialismus weißt dem Sein eine herausragende Rolle zu (gleichwohl wird der Sein-Begriff in der modernen analytischen Philosophie als sinnlos kritisiert). Sartre übernimmt Heideggers Konzeption, dass das Sein des Menschen, Dasein genannt, als ein “In-der-Welt-sein”, jedoch ist das Bewusstsein für ihn von zentraler Bedeutung. “In-der-Welt-sein” ist ein “Bewusstsein-davon-zu-haben, in-der-Welt-zu-sein”. Überhaupt übernimmt Sartre viel von Heidegger, was ihm auch den Vorwurf einbrachte, von Heideggers Hauptwerk “Sein und Zeit” abgeschrieben zu haben.

Weder Erbanlagen, noch die Umwelt, noch frühkindliche Erfahrungen bestimmen vollständig die Individualität, sondern des Menschen Autonomie des freien Entwurfes. Der Entwurf ist veränderlich. Die Stellung des Menschen in der Welt ist so, dass er selbst die Wahl treffen muss und deswegen diese Wahl widerrufen kann. Wenn die Wahl bewusst ist, so bedeutet das keineswegs, dass sie auch erkannt ist. Sartre unterscheidet zwei Grade des Bewusstseins: das präreflexive (das weder das Unbewusste im Sinne Freuds ist, noch die bewusste Erkenntnis im Sinne Descartes) und das reflexive Bewusstsein. Das präreflexive Bewusstsein kann am besten mit dem Wort Erlebnis beschrieben werden. Wille taucht erst auf der Ebene des reflexiven Bewusstseins auf. In der Einheit des Bewusstseins ist also eine fundamentale Differenzierung vorzunehmen: das Bewusstsein als Erlebnis und das Bewusstsein als Erkenntnis. Es ist ein Kennzeichen des Erlebnisses, unreflektiert zu sein. Das präreflexive Bewusstsein ist folgendermaßen gekennzeichnet: Es ist ein direktes, bedeutungsvolles und gestimmtes Bewusstsein von den Dingen und ein Bewusstsein (von) sich selbst in der Einheit eines Bewusstseins.

Nach Sartre sind Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft eine untrennbare Einheit und nicht wie in der Physik einfach eine Abfolge von Zeitpunkten mit Kausalbeziehungen. Besonders die Zukunft, auf die hin sich der Mensch entwirft. Der Mensch ist, ohne eine vorgegebene Antwort auf das Woher, Wohin oder Wozu zu haben. Er ist “geworfen” und sich selbst verantwortet. Die Zukunft ist kein bloßes Noch-nicht-sein, sondern der Mensch ist dieses Noch-nicht-sein. Unser Leben hat etwas prinzipiell Vorläufiges und Unvollendetes. In jeder Sekunde planen wir uns neu und bestimmen, in welche Richtung wir gehen wollen. Allein der Realismus wäre richtig, wenn es nur die Vergangenheit gäbe, wenn die Welt als reine Faktizität betrachtet werden könnte. Aber das Bewusstsein involviert auch die Zukunft, den Entwurf von Möglichkeiten und diese Entwürfe transzendieren die Welt. Aus diesem Grunde kann das Bewusstsein nicht als realer Teil der Welt betrachtet werden. Wir sind sogar gegenüber der Vergangenheit frei, denn ihr Sinn kommt ihr aus der Zukunft zu. Auch wenn historische Ereignisse längest vorbei sind, wird die Geschichte ständig neu geschrieben.

Der Umgang des Menschen mit den Dingen seiner Umwelt ist ein verstehender und gestimmter Umgang. Es ist nicht so, dass für den Menschen zuerst ein bloßes Ding vorhanden wäre, sondern das Ding trägt von Anfang an Bedeutungen und ist schon immer in den verstehenden Umgang der Menschen eingegliedert.

Der Mensch ist im Kern seines Seins Freiheit, denn er ist Mangel an Identität. Wegen dieses Mangels muss er seine eigene Identität entwerfen, ohne dass er diesen Entwurf rechtfertigen oder begründen könnte (“Das Leben hat a priori keinen Sinn. Bevor Sie leben, ist das Leben nichts, es ist an Ihnen ihm einen Sinn zu geben.”). Er ist also zur Freiheit verurteilt, weil er nicht anders sein kann, als ein Entwurf von sich selbst zu sein. Der Mensch ist grundlegende Begierde, Gott zu sein (in dem Sinn ein Selbstentwurf in Identität, Reinheit und Permanenz zu sein). An der Quelle des Bewusstseins liegt die Freiheit. Man könnte bis zu einem gewissen Grad sagen, dass die Quelle des Bewusstseins die Freiheit ist. Da wir faktisch frei sind, sind wir auch schuldig. Schuldig nicht in einem moralischen Sinn, aber jedes Ergreifen von Möglichkeiten bedeutet auch den Verzicht auf andere Möglichkeiten. Wir können zwar wählen nicht zu wählen, aber auch damit haben wir eine Wahl getroffen. Da wir zu jedem Zeitpunkt die volle Verantwortung für unsere Ziele haben, haben wir eine Schuld uns selbst gegenüber. Jeder ist für sein Leben, d.h. was er daraus unter den gegebenen Umständen macht, selbst verantwortlich. Ein herausreden auf determinierende Fakten (z.B. Anlagen, Umstände, Milieu, Zufälle) ist reine Unaufrichtigkeit (“mauvaise foi”). Die Freiheit des Menschen ist eine dreifache Verdammnis: 1. werden wir in die Existenz als Freiheit hineingeworfen, 2. müssen wir ständig Möglichkeiten auswählen und 3. sind wir verurteilt für diese Auswahl gerade zu stehen und die Schuld auf uns zu nehmen.

Ein anderer Mensch tritt in mein Zimmer. Ich erlebe, wie dieser Mensch seine Welt organisiert, in dem er mich registriert. Ich erfasse intuitiv, dass der Andere einen Aspekt meines Seins erlebt, der mir entgeht. Er erfasst mein äußeres Sein, das ich nicht erfassen kann. Das ist das “Mitten-in-der-Welt-sein”. Der Andere trägt mein äußeres Sein. Er wird mein “Für-mich-sein” mit gewissen Qualitäten versehen, mich irgendwie objektivieren und mich zu einem “An-sich-sein” erstarren lassen. Ich erlebe den Blick des Anderen. Ich empfinde Unbehagen. Alles in mir sträubt sich gegen seine Zuweisung. Ich bin und will mehr sein. Wenn ich mich erkannt fühle, schäme ich mich. In meiner Scham offenbart sich der Vorgang des Wiedererkennens des eigenen Selbst im Blick des Andren. Meine Beziehung zum anderen ist prekär. Er trägt mein äußeres Sein und er kann mir als Spiegel dienen. Insofern ist er notwendig für meine eigene Identitätsfindung. Das Urteil des Anderen dient mir als Spiegel. Dessen Urteil ist hingegen frei, so dass mein Spiegelbild niemals gesichert ist. So ist meine Lage hinsichtlich des Anderen permanent gefährdet (“Die Hölle, das sind die Anderen”). In anderen Worten, die Menschen sind auf die Liebe, die Meinung und die Reaktionen der anderen Menschen existentiell angewiesen, um überhaupt ein Selbstgefühl oder eine Vorstellung von sich zu bekommen. Wir wollen von anderen zwar anerkannt werden, können uns dieser aber nie sicher sein, da die anderen Menschen prinzipiell frei sind und uns jederzeit ablehnen können. Wir befinden uns in einem ständigen Kampf um Anerkennung. Unsere Identität hängt zutiefst von den Anderen ab.

Das menschliche Sein findet keineswegs mit dem Tod ein Ende. Vielmehr erstarrt mit dem Tode mein Sein zu einem bloßen Sein-für-Andere. Der Andere trägt nun mein Sein als Ganzheit; er kann mich beurteilen und bewerten. Für ihn bin ich ein Objekt mit Identität.

Das “An-sich-sein” steht für die Kategorie der Identität. Das Sein des Subjektes ist im “An-sich-sein” fundiert und nicht umgekehrt. Ich bin intuitiv sicher, dass das Ding ist, unabhängig davon, ob ich es wahrnehme oder nicht. Weil wir eine Intuition von diesem “An-sich-sein” der Dinge haben, ist das “An-sich-sein” des Dinges im Ding-Phänomen stets anwesend. Das “An-sich-sein” ist transphänomenal, obwohl es die stets anwesende Grundlage der Phänomene ist. Das Bewusstsein eines Subjektes würde ins Nichts stürzen, wenn es nicht im “An-sich-sein” der Dinge seine Stütze fände. Das Bewusstsein wäre ohne das Sein der Dinge ohne Stütze im Sein.

Das Nichts ist keineswegs nur ein leerer Begriff, sondern für die Menschen von existentieller Wichtigkeit. Es gibt nichts, dass unsere Freiheit einschränken kann und deshalb gibt es auch nichts, was uns hilft unser Leben zu bewältigen. Am Ende sogar nichts, das uns sagt, warum wir überhaupt Leben sollen. Die Entscheidung für das Leben muss daher immer wieder neu getroffen werden. Das Nichts offenbart sich uns in der Stimmung der Angst. Dabei ist der Begriff der Furcht von dem der Angst zu trennen. Während Furcht sich auf etwas Konkretes bezieht, hat Angst keinen konkreten Gegenstand. Im Kern ist es die Angst, dass der Mensch das Leben nicht mehr bewältigen kann (“Wir sind Angst.”). Im Alltag sind viele Entscheidungen routiniert, so dass wir uns der Dimension des Nichts gar nicht bewusst werden.

Ein faszinierendes Problem ist die Möglichkeit des Menschen sich selbst anzulügen (siehe auch Unsere Lügen – Lehrbeispiele unserer System-Konstruktionen). Die Lüge besteht ja darin, dass der Lügner die Wahrheit kennt und sie dennoch entstellt. Wie kann es dann möglich sein, dass Lügner und Belogener eine Person sind? Phänomene wie “logische Fehlschlüsse” und “Selbsttäuschungen” können nicht einfach deshalb ignoriert werden, wie sie im Sinne der Analytischen Logik unsinnig sind. Menschen leben mit Widersprüchen, wobei die einzelnen Konzepte als auch deren Widersprüchlichkeit durchaus bewusst sind. Dennoch wird der Widerspruch nicht realisiert. Es kommt nicht zu einer Synthese von Widersprüchen im Sinne einer korrekten Koordinierung (Unaufrichtigkeit als eine unkorrekte Koordinierung von Faktizität und Transzendenz).

Überwiegend frei zusammengestellt aus Alfred Dandyk, “Unaufrichtigkeit – Die existentielle Psychoanalyse Sartres im Kontext der Philosophiegeschichte“)



Unsere Lügen – Lehrbeispiele unserer System-Konstruktionen

Philosophie Posted on Mo, Dezember 05, 2016 23:11:18

Bei meiner Recherche zum Thema Lügen in einer philosophischen Betrachtung (motiviert durch die Beschäftigung mit Unaufrichtigkeit / Sartre) hatte ich viel weniger Literatur gefunden als erwartet. Ist das Thema Lügen etwas mit dem wir uns nicht gerne auseinandersetzen? Dabei lügen wir doch fast jeden Tag und werden jeden Tag angelogen.

In einer Gesellschaft nimmt das Thema Lügen einen ganz besonderen Platz ein. Eine Gesellschaft in deren Mitglieder nicht Lage wären, wahre von lügnerischen Botschaften zu unterscheiden würde zusammenbrechen. Niemand könnte sich zu irgendeinem Zeitpunkt auf irgendeine Botschaft verlassen ohne unabhängige Bestätigungen (und selbst dann können auch diese falsch sein, wenn wir es nicht selbst beobachtet haben).

Was ist eine Lüge überhaupt? Ist es eine Lüge, wenn wir etwas behaupten was nicht die Wahrheit ist und wir es nicht besser wissen? Unabhängig davon, dass es die eine, letzte Wahrheit gar nicht gibt, sondern wir eher die Wahrheit meinen, die in unserem sozialen System gemäß seinen Regeln als Wahrheitskonstruktion anerkannt wird. Ich meine Lügen in der Definition, dass wir vorsätzlich eine trügerische Botschaft ausdrücken.

Ist eine Lüge oder Täuschung bereits Gewalt? Lügen vergrößern die Macht des Lügners und Schwächen die des Angelogenen. Ferner verschleiern und vertuschen wir die Lüge und trachten danach den Eindruck der Normalität zu erwecken, um unsere Lüge glaubhafter zu machen. Mit denjenigen, die sie täuschen, teilen Lügende den Wunsch, nicht getäuscht zu werden. Sie wurden das Lügen (die Macht) gerne für sich reservieren. Sollten wir aus ethischer Sicht nicht immer die Auswirkungen von Lügen auf alle Betroffenen betrachten? Sollten wir nicht möglichst immer im Vorfeld Nutzen und Schaden öffentlich abwägen?

Lügen ist durch alle Zeiten hinweg gefeiert worden – wenn es “heldenhaft” zur Täuschung von Feinden oder zur Eroberung eingesetzt wurde.

Drei Hauptstrategien das Verbot von Lügen (vgl. Augustinus, Enchiridon) zu umgehen sind 1. die Einstufung als verzeihliche Lügen (vgl. Strukturmuster von Thomas von Aquin), 2. das Abstreiten von Unwahrheiten (nur vom Hörer falsch interpretiert; z.B. auch die sog. Mentalreservation bei der man zwar etwas Irreführendes sagt, aber in Gedanken eine Einschränkung hinzufügt um die Aussage wahr zu machen), und die Behauptung, dass diese Unwahrheiten als Lügen eingestuft werden dürfen.

Im Gegensatz dazu gibt es die Extremposition, alle Formen von Lügen zu verbieten (vgl. Kant, Kategorischer Imperativ “Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne.”). Doch auch Kant war von seiner Position tief von seinem Glauben beeinflusst, wie die meisten Beweise von Moralisten für eine Rechtmäßigkeit letztlich auf religiösen Überzeugungen beruhen. Letztlich sind zwei Überzeugungen dominant: dass Gott Lügen verbietet und dass er die bestrafen wird, die lügen. Selbstverständlich können diese Glaubenssätze weder bewiesen noch widerlegt werden. Gewissensprobleme können nicht in einem moralischen Vakuum untersucht werden.

Im Utilitarismus verfährt man so, als sei eine Lüge und eine wahrheitsgemäße Aussage, solange sie den gleichen Nutzen erbringt, gleichwertig. Eine solche Risiko-Nutzen Kalkulation wird gerne von denen akzeptiert, die ihre eigenen Interessen begünstigen wollen und die Folgen für andere niedrig einschätzen.

Welche Kategorien von Lügen sind verbreitet? Zunächst einmal die kleinen Alltagslügen, die in dem Sinn harmlos sind, als das niemand verletzt werden soll und die Lüge nur vergleichsweise wenig moralisches Gewicht hat. “Wie nett Sie zu sehen.” “Mit freundlichen Grüßen” etc. – Höflichkeitsfloskeln, die man eigentlich so nicht meint, die aber üblich und akzeptiert sind. Oder man sagt, man könne etwas nicht tun, meint in Wirklichkeit aber man will es nicht tun (man möchte die Gefühle des anderen nicht verletzen). Der Einsatz von Placebos in der Medizin ist eine vermeintlich harmlose Form von Lüge. Etwas zu übertreiben oder abzuschwächen, weil man nicht die Zeit und Lust hat, Details zu diskutieren, ist eine schnelle Gelegenheitslüge. Unangenehme Fakten werden gezuckert, traurige Nachrichten abgemildert oder verschwiegen, täuschende Propaganda und irreführende Werbung in Hülle und Fülle, ein Loblied in einer Empfehlung über einen Kollegen, dem man einen Gefallen tun will, etc. etc.

Gibt es Umstände die das Lügen entschuldigen? Überhaupt scheint das Thema Ent-Schulden im Sinne von, die Schuld einer Lüge abzugeben, ein wichtiges Thema zu sein. Einfach, scheint nur das Thema Lügen zur direkten Selbstverteidigung, als Mittel zum Überleben, zu sein. Was für Entschuldigungen für Lügen gibt es sonst noch? Zunächst kann man die Schuldhaftigkeit grundsätzlich abstreiten, man kann auch die Verantwortung für die Schuld ablehnen, oder man kann gute Gründe anführen, warum man in Wirklichkeit keine Schuld trage. Bei dem letztgenannten Punkt werden häufig die folgenden Strategien verwendet: man wollte Schaden vermeiden, man tue Gutes, es sei nur gerecht oder es sei wahrhaft.

Auch die Berufung auf die Pflicht zur Verschwiegenheit (Pfarrer, Rechtsanwalt, Arzt..) ist eine weiteres Feld von Entschuldigungen. Oder eine Loyalität, die Kollegen Schutz gewährt (Politiker, Ärzte, Polizisten, Anwälte etc.), da man implizit zur Verschwiegenheit verpflichtet ist. Was verleiht solchen Versprechen eine solche Macht? Die Gehorsamkeitsexperimente von Stanley Milgram 1963 in Yale zeigen eine Verpflichtung zu einer vermeintlichen Obrigkeit, die Menschen dazu brachten, anderen (vermeintlich) lebensgefährliche Elektroschocks zu verabreichen. Interessanterweise fachten diese Experimente auch Diskussionen an, ob es richtig sei zum Wohle der Forschung Menschen zu belügen (obgleich Täuschungen in der Medizin eine lange Tradition haben).

Auch die Art der Beziehung zwischen Lügner und Belogenen spielt eine Rolle bei der Entschuldigung von Lügen (Freunde, neutral, Feinde). So sind Lügen bei Feinden leicht entschuldbar (da “exterritorial”, außerhalb des Geltungsbereiches der eigenen Gesellschaft), bei Freunden können sie umso schwerer ins Gewicht fallen.

Die Mächtigen lügen, weil sie glauben, dass sie besser als andere wüssten worum es geht. Ohnehin seien die anderen nur begrenzt (oder gar nicht) urteilsfähig. Öffentliche Amtsträger reagieren dabei gerne ungehalten auf den Versuch, die Ethik solcher Täuschungspraktiken in Frage zu stellen.

Lügen gegenüber Kindern oder anderen Abhängigen, zu deren Wohl sind paternalistische Lügen. Dabei wird gelogen, damit andere sich konform verhalten und ihr Verhalten anpassen. Lügen zum Schutz dieser Bindungen gelten als besonders angemessen und selbstverständlich.

Doch die Angelogenen sind über die “guten Gründe” häufig nicht begeistert. Zum Teil liegt das daran, dass sie keine Möglichkeit haben zu erkennen, ob das, was man ihnen sagt, nun wahr ist oder nicht; zum Teil auch daran, dass sie aus ihrer eigenen Erfahrung als Lügner wissen, wie leicht es ist zu lügen und wie einfach überzeugende Gründe zu finden. Interessant ist auch ein Szenario der gegenseitigen Täuschung, bei der jeder weiß, der der andere lügt, man jedoch vorzieht betrogen zu werden, statt der ungeschminkten Wahrheit ins Gesicht zu sehen. Z.B. bei Freundschaften oder in der Familie, wo die (Lügen)Form gewahrt wird um Illusionen zu bewahren oder unangenehme Erfahrungen zu unterdrücken. Andere Beispiele sind der Umgang mit chronisch Kranken oder Sterbenden, die wir mit “es wird schon” trösten, oder bei Verhandlungen im Geschäftsleben das Manipulieren von Zahlen. Machiavelli gestattete zum Beispiel auch das Lügen auf Grund von vorgreifenden Überlegungen. Die Voraussage oder Annahme von künftigen Wortbrüchen der anderen ist als Grund bereits hinreichend. Anders als Mark Twain, der empfiehlt “Bist du im Zweifel, dann sagt die Wahrheit. Das wird deine Feinde verwirren und deine Freunde erstaunen.”

Lügen sind wie Wahrheiten sozial konstruierte Phänomene und meines Erachtens ein hervorragendes Lehrstück um die verstecken Regeln in Systemen zu verstehen. Lasst uns mehr auf unsere großen und kleinen Lügen im Leben schauen und auch Klienten nach den Lügen in ihrem Leben fragen. Die Antworten könnten ganz interessante neue Perspektiven zu Tage fördern.

(Inhalt zum Teil zusammengestellt aus “Lying: Moral Choice in Public and Privat Life” von Sissela Bok; siehe auch DVD „Experimenter – Die Stanley Milgram Story“)



Feige

Sprüche Posted on Fr, November 25, 2016 20:33:20

Es stirbt der Feige oftmals, eh‘ er stirbt.

William Shakespeare, (1564 – 1616), englischer Dichter, Dramatiker, Schauspieler und Theaterleiter



Dogma

Sprüche Posted on Fr, November 25, 2016 20:30:43

Ein Dogma ist das ausdrückliche Verbot, selbst zu denken.

Ludwig Feuerbach, (1804 – 1872), deutscher Philosoph



Unaufrichtigkeit – eine typische Fixierung?

Philosophie Posted on Fr, November 25, 2016 20:22:36

Das Bewusstsein der Freiheit, so Sartre, und die damit verbundene Beliebigkeit und Ungesichertheit sind für den Menschen eine Quelle latenter Angst (siehe auch Das Sein und das Nichts). Um ihr zu entkommen, versucht er sich davon zu überzeugen, dass er in Wahrheit ein Ding sei, d.h. ein festgelegtes, determiniertes Wesen. Das So-geworden-Sein, die eigene biologische Natur, der Charakter, die biographische Vergangenheit, aber auch äußere Umstände, Anforderungen und Sachzwänge – all dies wird mobilisiert, um die eigene Situation als festgelegt zu erweisen und die Verleugnung der Freiheit zu rechtfertigen. Die Flucht in die Selbstverdinglichung und vermeintliche Determiniertheit ist der primäre Abwehrmechanismus des Menschen, der von seinem Dasein überfordert ist. Und diese Überforderung gilt in besonderem Maß für das Individuum der Postmoderne, das sich dem ständigen Druck zur Selbsterschaffung und zur Konstruktion seines eigenen Lebens ausgesetzt sieht. Allerdings bedeutet die Flucht aus der Verantwortlichkeit, so schließt Sartre, im Grunde eine Unaufrichtigkeit sich selbst gegenüber. Denn am Ende vermag sie doch nichts gegen die Evidenz der Freiheit, mit der wir fortwährend konfrontiert sind, ob wir wollen oder nicht.

Ist dann nicht die Unaufrichtigkeit eine typische Fixierung und eine unserer Wachstumsbremsen?



Wachstumsbremsen – die 3 großen F (Feigheit, Faulheit, Fixierung)

Sonstiges Posted on Fr, November 25, 2016 20:17:18

Wachstumsbremsen sind emotionale Strategien, Angst zu vermeiden, denn sie warnen uns heftig vor jedem möglichem Risiko. Die wichtigsten Angstvermeidungsstrategien sind Feigheit (Angst vor neuen Herausforderungen, die objektiv gesehen, nicht gefährlich sind), Faulheit (zu faul etwas Anstrengendes anzugehen, vor allem wenn es unerfreulich ist) und die Fixierung (‚Ich bin jemand, der ..‚).

nach ‚Glauben Sie ja nicht, wer Sie sind!‘ von E. Noni Höfner



Dekonstruktion zum Aufzeigen neuer Perspektiven im Coaching?

Sprachkritik Posted on Fr, November 25, 2016 19:45:12

Im Poststrukturalismus wird die Beziehung von Zeichen und Bezeichnetem wird nicht als starr, willkürlich und die der Zeichen zueinander nicht absolut distinkt aufgefasst. Sprache ist mehrdeutig und offen, weil die sprachlichen Zeichen sich nicht in ihrer konkreten Bezeichnungsfunktion erschöpfen, sondern miteinander kommunizieren und ein Gewebe bilden. Die sprachlichen Zeichen führen ein Eigenleben, sie sind mehr, als der Sprecher/Schreiber intendiert, sie streuen, hinterlassen Spuren und entziehen sich vollständiger Kontrollierbarkeit.

Einige dekonstruktivistische Grundaussagen in der Literaturtheorie sind:
– Kritik soll Spannungen und Widersprüche im Text verdeutlichen.
– Ziel ist es, der Gegenläufigkeit von Inhalt und Form nachzugehen.
– Es geht nicht um eine abschließende Deutung, sondern um die Erkundung von
Deutungsmöglichkeiten.
– Es geht nicht um die Botschaft eines Textes, sondern darum, was der Text tut, wie es zu Bedeutungen kommt.
– Jeder Text trägt die Spuren vieler anderer Texte in sich.

Hauptvertreter in der Wissenschaft waren der französische Philosoph
Jacques Derrida, der französische Philosoph und Historiker Michel Foucault,
der französische Psychoanalytiker Jacques Lacan, der amerikanische Literaturwissenschaftler Paul de Man.

Jacques Derridas nennt seine Methode Dekonstruktion.

Eine Irritation bezüglich erfolgter Sinnzuweisungen kann z. B. durch folgende Operationen initiiert werden:
– Ambiguität von Wörtern erarbeiten
– Ersatzproben oder Wortfeldübungen
– Umstellproben
– Widersprüche aufzeigen
– Fragen an den Text stellen
– Diskursanalyse: genealogisches Verfahren, das die Bezüge eines Textes mit anderen Texten und Diskursen offenlegt. Kulturelle, politische, soziale, institutionelle Hintergründe für Interpretationen werden aufgedeckt.
– Textnahes, verzögertes Lesen
– Handlungs-und produktionsorientierte Verfahren

Können wir diese Techniken auch im Coaching z.B. zur Dekonstruktion von einschränkenden Glaubenssätzen verwenden? Zweifel wecken, Irritationen auslösen und neue Perspektiven für den Klienten aufzeigen?



Bedeutung und Sinn von Namen / Bezeichnungen

Sprachkritik Posted on Mo, November 21, 2016 14:49:03

Nach Bertrand Russel ist die Referenz eines Ausdrucks seine Bedeutung. Gottlob Freges Rätsel legt nahe, dass die Bedeutung eines Names nicht allein in seiner Referenz, sondern auch seinem Sinn liegt, wobei Sinn die bestimmte Gegebenheitsweise ist, durch die es ein Individuum es herausgegriffen hat. Logiker wie Saul Kripke meinen, dass Namen überhaupt keinen Sinn haben, sondern die Referenz eines Namens durch eine Kette bestimmt wird, deren Verwendung seit der ersten Benennung festgelegt wird.

In jedem Fall können wir nicht a priori von einer bestimmten Bedeutung oder Sinn ausgehen, sondern müssen immer die individuelle Bedeutung oder Sinnbesetzung unseres Klienten in Erfahrung bringen.



Glaubenssätze und Axiome

Konstruktivistisch Posted on Mo, November 21, 2016 14:26:27

Sind unsere Glaubenssätze als konstruktivistische Grundannahmen die Axiome unseres Denkens (wenn man unser Denken als ‚hinreichend stark‘ annimmt)? Gilt dann in Analogie auch Gödels Unvollständigkeitstheorem, das besagt, dass grundsätzlich in allen Axiomensystemen einige Wahrheiten unbeweisbar bleiben und verursachen nicht damit unsere Glaubenssätze gleichzeitig unsere ‚Blind-Spots‚ als eine Art unvermeidbare Konsequenz aller Glaubenssätze?



Firma als große Familie

Systemisch Posted on Sa, November 05, 2016 18:09:18

Die Firma als große Familie ist eine Illusion, die nicht nur in Familienbetrieben für Spannungen sorgt und dazu führt, das Angestellte ausbrennen. Von ihnen wird nämlich erwartet, sich für die Firma aufzuopfern, unbezahlte Überstunden zu leisten und alles für das Wohlergehen des Betriebes zu tun, wie man es selbstverständlich ja auch für die Familie tun würde. Sollte der Arbeitnehmer jedoch wagen, eines der Rechte in Anspruch zu nehmen, die einem Familienmitglied zustünden, indem er zum Beispiel die eigene Befindlichkeit in den Vordergrund rückt, um früher Schluss zu machen, stößt er rasch an die Grenzen des Modelles. Arbeitskollegen sind auch keine Geschwister, die wie Pech und Schwefel zusammenhalten. Immer noch gilt in der Arbeitswelt, dass derjenige Karriere macht, der sich durchzusetzen versteht, was im krassen Widerspruch zur verordneten Teamfähigkeit steht.

(aus ‚Aufstellen – systemisch richtig!‘ C. und A. Sautter)



Familien-Konstrukte

Sprüche Posted on Sa, November 05, 2016 17:59:58

Menschen tragen die Konstrukte ihrer Familien in sich. Menschen kämpfen mit ihren Konstrukten, nicht mit dem realen Vater oder der realen Mutter. Was verändert werden muss, ist die Interpretation ihrer Erfahrung.

(Virgina Satir, 1995)



..auch ein Weg

Sprüche Posted on Sa, November 05, 2016 17:56:33

Am Arsch vorbei geht auch ein Weg.
Wie sich dein Leben verbessert, wenn du dich endlich locker machst.

(Buchtitel)



Wir werden, was wir denken

Sprüche Posted on Di, November 01, 2016 08:19:05

Beachte deine Gedanken, sie werden zu Worten.
Beachte deine Worte, sie werden zu Handlungen.
Beachte deine Handlungen, sie werden zu Angewohnheiten.
Beachte deine Gewohnheiten, sie werden zu deinem Charakter.
Beachte deinen Charakter, der wird zu deinem Schicksal.
Wir werden, was wird denken!

(Charles Reade)



Schiff

Sprüche Posted on Di, November 01, 2016 08:14:39

Ein Schiff im Hafen ist sicher,
aber dafür ist es nicht gebaut.

(William G. T. Shedd)



Dummes Genie

Sprüche Posted on Mo, Oktober 31, 2016 12:10:46

Jeder ist ein Genie. Aber wenn Du einen Fisch nach seiner Fähigkeit beurteilst, auf einen Baum zu klettern, wird er sein Leben lang glauben, dass er dumm und nutzlos ist.

(Albert Einstein)



Tod und Trauer

Sonstiges Posted on So, Oktober 23, 2016 07:28:20

Tod und Trauer gehören zu den großen Tabu-Themen unserer Zeit. Verfall und Sterben haben in unserer Jugend-Gesellschaft wenig Raum. Wir werden nicht gerne daran erinnert, eventuell weil viele von uns dann erkennen würden einer Illusion nachzujagen? Es muss aber nicht immer der Tod sein. Trauer kann auch durch große Entscheidungen wie Umzug, Hausverkauf oder Stellenkündigung ausgelöst werden.

Eine gewisse Trauerzeit – in der Regel ein paar Tage – wird den meisten zwar zugestanden. Dann aber bitte schön soll derjenige doch loslassen, das Leben geht schließlich weiter. Der Weg durch die Trauer bis zu einem neuen seelischen Gleichgewicht dauert bei den meisten Menschen zwischen drei und fünf Jahren!
Die Stadien der Trauerbewältigung sind..

Phase des Nicht-Wahrhaben-Wollens und der Verleugnung:
Wir wollen nicht wahrhaben, dass der uns so sehr am Herzen liegende Mensch gestorben ist und uns für immer verlassen hat. Wir stehen wie unter einem Schock oder bewegen uns wie in Trance.

Phase der aufbrechenden Gefühle:
Diese Phase ist die schmerzlichste und schwierigste Phase. Wie verspüren den vollen Schmerz und die Verzweiflung. Wir leiden unter Gefühlsschwankungen, fangen aus heiterem Himmel an zu weinen. Unser Körper ist aus dem Gleichgewicht. Wir können nicht mehr schlafen oder kommen kaum noch aus dem Bett. Wir können nicht ruhig sitzen oder uns kaum noch von der Stelle bewegen. Wir schlingen wahllos Essen in uns hinein oder bekommen keinen Bissen hinunter. Wir haben an nichts mehr Freude. Wir glauben, nie wieder glücklich sein zu können. Wir hadern mit dem Schicksal. Wir beneiden andere, reagieren vielleicht gereizt, wenn uns jemand sein Beileid ausspricht, Mitgefühl und Anteilnahme zeigt.

Phase der langsamen Neuorientierung:
Wir können uns zeitweise wieder konzentrieren, auch mal an etwas erfreuen. Trauer und Hadern lassen langsam nach und sind nicht mehr so intensiv. Jedoch haben wir noch Stimmungsschwankungen.

Phase des neuen Gleichgewichts:
Wir sind zu einem neuen körperlichen und seelischen Gleichgewicht gelangt. Es erfüllt uns bisweilen immer noch mit Wehmut, an die Vergangenheit zu denken, doch wir sehen vertrauensvoll in die Zukunft.

Warum sollten wir uns ‚rechtzeitig‘ mit dem Tod beschäftigen?

Der Gedanke an den Tod verstärkt das Leben. Er lädt uns ein, jetzt im Augenblick intensiv zu leben. Wer nicht bereit ist, sich mit dem Tod zu beschäftigen, der lebt unbewusst ständig in der Angst vor dem Tod.

Wer ab der Lebensmitte nicht bereit ist, sich mit dem Tod auseinanderzusetzen, der erstarrt innerlich.

In der Auseinandersetzung mit dem Tod begegnet man den eigenen Ängsten. Dabei geht es vor allem darum, rechtzeitig sprachfähig zu werden, sich ausdrücken zu können, Worte zu finden, statt stumm zu bleiben.

Wenn wir uns im Alltag bewusst sind, wie leicht der Tod uns das Liebste rauben kann, gehen wir mitfühlender und freundlicher miteinander um. Der Gedanke an den Tod inspiriert uns, das Leben wirklich zu schätzen und in unserer kurzen Lebensspanne klare Prioritäten zu setzen. Müssen wir erst sterbenskrank werden, damit wir unsere besten Eigenschaften zum Blühen bringen?

Wie können wir mit unserer Trauer umgehen?

Hilfreich ist es auf jedem Fall einen Weg zu finden, dass, was in uns ist, herauszulassen. Was wir dauerhaft unterdrücken, macht krank. Rituale haben etwas Tröstliches, denn Symbole haben eine große Wirkung auf uns. Was sollten unseren Schmerz zulassen und uns klar machen, dass es um das Loslassen und Verabschieden geht. Wir können den Abschied auf unsere ganz persönliche Art inszenieren.

Mit am schmerzlichsten kann die ewige Frage nach dem Warum sein. “Warum musste er oder sie sterben?” Wir können ein Blatt Papier nehmen und alle vermeintlichen Gründe aufschreiben, die uns auf die Frage nach dem Warum einfallen – so abstrus es vielleicht klingen mag. Durch das Aufschreiben bringen wir unsere Gedanken heraus, was sehr befreiend wirken kann. Am Ende der Übung, die Blätter fortwerfen oder verbrennen.

Viele Trauernde fühlen sich verlassen und einsam. Um weiterzumachen, müssen wir Trost finden. Wir können Dinge aufschreiben, die uns ganz persönlich trösten und dann verschiedene dieser Möglichkeiten umsetzen.

Wie können wir mit Trauernden umgehen?

Wir können viel tun, indem wir dem Trauernden signalisieren, dass der Schmerz, die Gefühle und Tränen für in Ordnung sind – und das unabhängig davon, wie weit der tatsächliche Verlust zurück liegt. Wir sollten nicht versuchen, mit Ablenkung oder Aufmunterung den anderen aus seiner Trauer holen zu wollen, sondern den Schmerz des anderen akzeptieren. Wir müssen dabei für uns selbst sehen, wie viel Auseinandersetzung wir mit der Trauer eines anderen Menschen aushalten können.

Fragen, die wir uns stellen könnten..

Welchen Platz gebe ich dem Tod und dem Leben? Wenn ich in der Mitte stehe, wo stehen die Beiden dann? Was wäre für Beides ein Symbol, dass ich wählen würde? Welche physiologischen Reaktionen verspüre ich wo, wenn ich an den Tod denke? Wenn diese Reaktionen sprechen könnten, was würden Sie mir sagen wollen? ..

„Ich bin Millionen Jahre tot gewesen vor meiner Geburt und habe nicht darunter gelitten“ (Mark Twain)



Impact Techniken

Metaphern Posted on Mo, Oktober 10, 2016 19:33:50

Impact Techniken im Coaching, Beratung und Therapie.

Prinzipien:
Multi-sensorisch, konkret statt abstrakt, an Bekanntes anknüpfen, Emotionen auslösen, Interesse wecken, Spaß, einfach halten, wiederholen ohne Zwang

Menschen können sich an 10% erinnern was sie schon einmal gehört haben, aber 70%, wenn Sie es praktisch gemacht haben.

Beispiele:

Blatt Papier Beziehung zwischen Personen (glatt sauber = ok; zerknittert, Flecken = ungünstig ) Zerknittern und emotional Doppeln; glattstreichen und entschuldigen, Was halten Sie davon?
Geheime Dinge durch Mehrfachfaltung verstecken So wie Du es versteckst ist es schwierig.., könntest Du Dir vorstellen es etwas zu öffnen? Schon immer so versteckt? Jemandem versprochen nichts zu verraten?
Knete mehrfarbig Mischen. Teile der Vergangenheit. Deine Identität. Kugel aus versch. farbiger Knete entsteht. Man sieht Dich ja noch kaum. Braucht Zeit..
Tod, Trauer, Belastungen / Schuld. Ein Teil für Wut. Ein Teil für .., ein Teil Resttrauer, die niemand nehmen kann. Dieser Teil sollte nicht verhindern, dass Sie ihr Leben genießen können.
Kassette / Videoband Band als Aufzeichnung des Lebens. Zeit Kassette einmal aufzuräumen (teil rausschneiden und wegwerfen). Eine Seite noch unbespielt. Du entscheidest. In X-Jahren könnte.. aber Deine Entscheidung. Diese Kassette hast Du Dein Leben lang gehört. Zufriedenheit 1-10? Notieren Zahl auf Kassette. Von wem stammen diese Aufnahmen? Wie kommt es das Du diese Aufnahmen als Wahrheit darauf behälst?
Filter Informationen selektieren Klares Wasser eingießen (gut), trinken. Dreck eingießen (z.B. wütende, kranke Menschen..), emotional Doppeln. Verdauungsprobleme sind klar. Muss gefiltert werden.
Geldschein Selbstwert, Selbstvertrauen, Stopp Selbst-Abwertung Nach wert Schein fragen. Zerknittern. Drauftreten. Wieder nach Wert fragen (was ist jetzt Wert?, wenn ich damit im Supermarkt bezahle).
Bindfaden Zündschnur der Geduld Kurzer Faden = leicht aufregbar, langer Docht = geduldig.
Spielkarten Karten im Spiel des Lebens (insbes. ältere Klienten haben Verknüpfungen mit Kartenspielen) Sich die guten Karten raussuchen. Unfair. Widerspruch anregen. Hole mir nur die Karte, die ich brauche um zu gewinnen. Versuche Ihnen gute Karte zu geben, aber Sie lehnen ab. Dabei weiß ich, dass Sie gute Karten im Spiel haben. Anregen gute Karte aktive zu besorgen.
Emotional von andren abhängig sein Findest Du es gut Dein Spiel von jemand anderen spielen zu lassen?
Harmoniespiel Herz = Liebe, Pik = unangenehm, Kreuz = nonverbal, Karo = verbale Kommunikation
Kunststoffbecher Behälter für Selbstbewusstsein. Gute SWG = Becher ist heil. Dann mit Löchern (nie genug Wasser, permanent das Bedürfnis von anderen nettes zu hören um eigenen Wert zu spüren. Löcher erodieren, werden grösser mit der Zeit. Wie sieht Becher in 10, 20 Jahren aus? Einmal selbst in die Form bringen. Wie sah der Becher zum Zeitpunkt x aus? Was gemacht um vom 2ten zum 3ten Becher zu kommen?
Je ein Becher für eine Person – deren Persönlichkeit, Werte, Ideen, Bedürfnisse, Identität. Vornamen darauf schreiben lassen. Gute Beziehung, Aufmerksamkeit .. Waser einschütten Schlechte Beziehung – Becher zerknüllen, dabei verletzende Aussagen machen. Später auf den Zustand der Becher beziehen. Becher anbieten mitzugeben.
Klebezettel Statement für Selbstbehauptung, 1. Vom Klienten geschrieben, 2. Warmherzige Wünsche an den Klienten als Beistand. Zettel unter Kleidung als unterstützenden Anker tragen
Tasche / Aktentasche Ansammlung im Leben Skala und Zeitraum auf Tasche schreiben (Klebezettel). Inventur machen. Tasche neu packen statt die alte weiter zu benutzen?
Gummibänder Stress oder Vertrauen in Beziehung aufzeigen Gespannt = angespannt. Spannung sichtbar machen. Zum Streit beigetragen? Also ziehen Sie weiter am Band. Verstehen Sie warum es sich bisher nicht bessern konnte? Angst heute sichtbar machen. Wenn es Dir gelänge.. wie groß ist Deine Angst dann. Zeig’ mir bitte einmal mit dem Gummiband.. Gummiband in 10 Jahren vorstellen..
Schachfiguren Kommunikation, Zug um Zug Weiß = angemessene Kommunikation, schwarz = problematische Kommunikation (z.B. schmollen). Beim Ziehen, verbalisieren als Klienten-Selbstgespräch.
Flasche mit Kohlensaure haltigen Getränk (z.B. Cola) Kontrolle 2 Flaschen. Eine wird vom Klienten heftig geschüttelt. Bitte / Überrede ihn diese zu öffnen (Übung draußen?). Noch einmal der gleiche Prozess mit der 2ten Flasche mit der Bitte dieses so zu öffnen, dass nichts herausspritzt. Analogie zur Kontrolle / Gedanken kontrollieren, so dass weniger Druck entsteht.
Behälter mit überraschenden Inhalten Konstruktiver Umgang Nur ansehen. Was ist hier drin? Dann schütteln. Überraschung. Analogie – wie der Kontakt mit Dir: was draufsteht, ist nicht das, was drin ist. Kann den Inhalt nicht erraten. Helfen kann ich nur, wenn Du den Deckel öffnest und mich teilhaben lässt an dem was innerlich los ist.
Stühle Neutraler Stuhl (z.B. zusätzlich zur eigenen Position / Stuhl, Jemand von außen, sehr rational, der die Situation beurteilen kann ohne sich einzumischen.. Ein Stuhl ist neutral. Klient wird gebeten sich darauf zu setzen und beide Optionen spürend zu vergleichen.
Leere Stühle für jede abwesende, im Gespräch genannte, Person Anwesenheit wird gespürt
Repräsentation
bestimmter Personen
Angenommen, dieser Stuhl repräsentiert .. was würdest Du ihm gerne sagen? Setze Dich auf Seinen Platz und antworte ..(Deinem Stuhl). Usw
Stühle für ein schlimmes Ereignis und heute Wann war das (Ereignis)? Stuhl beschriften. Welches Datum haben wir heute? Einen Stuhl beschriften. Auf welchem Stuhl sitzen Sie?
Etwas verheimlichen Co-Therapeuten Position. Wir werden versuchen.. (Klienten leerer Stuhl) zu helfen. Was halten Sie von..?
Zeitprogression Ein Stuhl vor und nach einem (belastendem) Ereignis. Vorher.. Eigenschaften auf Zettel schreiben und auf Stuhl legen. Nachher ebenfalls. Ggf. Zettel in einen Umschlag legen. Welche Eigenschaften von ..(Klient) können wir von dem einem auf den anderen Stuhl herübernehmen? Umschlag öffnen und Zettel nehmen. Sie gehören zu Ihnen. Viel zu lange nur auf dieses Blatt geschaut (Beschriftung Ereignis nachher) anstatt das Ganze zu sehen.
Realität und Fantasie Stuhl Realität 2+2=4, nur Fakten. Stuhl Fantasie 2+2=9, dass was Klient sich vorgestellt / ausgemalt hat.
Nachdenkende Stuhl und der mit immer den gleichen Geschichten Auf welchem Stuhl möchtest du sitzen? Auffordern den anderen Stuhl symbolisch aus dem Raum zu tragen.
Angst vor Veränderung Versuchen sich auf den neuen (Ziel) Stuhl zu setzten aber gleichzeitig den andern Stuhl festzuhalten. Altes Verhalten muss vorher losgelassen werden.
Stuhl als Streitobjekt (z.B. Sorgerecht) Wer.. am meisten verdient hat, nimmt den Stuhl. Gegenseitig aus den Händen reißen. Wie glauben Sie, fühlt sich.. (Repräsentant Stuhl) dabei?
In Bezug zu .. aufstellen Im Raum positionieren Klienten sollen sich in Bezug auf Ihre Beziehung im Raum zu einander aufstellen / positionieren
Fortschritt und Position Skalierung sichtbar machen Am Rande des Raumes.. ist der Anfangspunkt. Gegenüber dem Ziel. Wo stehst Du heute? Noch einen Schritt weiter gehen.. worin besteht dieser Schritt? Wann werden Sie diesen Schritt tun? Nehmen Sie die Körperhaltung ein, wenn Sie diesen Schritt vollzogen haben.
Ecke Depression Aufforderung mit dem Gesicht zur Ecke zu stellen. Ist es das wie Du Dich fühlst? Wie geht es Dir? Eine Idee wie Du das rauskommst?
Bedürfnis Pyramide Bedürfnisse erkennen. Karten für Maslowsche Hierarchie auslegen, fuß breiter Abstand. Erklärung. Aufforderung sich an den Platz zu stellen an dem er sich nach dieser Reihenfolge in bestimmten Lebensphasen befunden hat.
Hindernisse Hindernisse in den Weg zum Ziel stellen Erkennen worin diese bestehen und wie beseitigen oder überwinden.
Im Kreis drehen Kein Fortschritt Gemeinsame im Kreis drehen während des Sprechens. Was gefühlt? Darüber nachgedacht den Kreis zu verlassen? ..

Frei zusammengestellt nach “Danie Beaulieu, Impact-Techniken für die Psychotherapie”



Problem und Fortschritt – ein sozial konstruiertes Phänomen

Konstruktivistisch Posted on Di, September 27, 2016 13:43:06

Ein Problem wird aus folgender Zusammenwirkung konstituiert ..

– Einer Selektionsleistung von einer oder mehreren Personen, die einen Zustand beschreiben,
– beobachtet von einer oder mehreren Personen, die diesen Zustand entdecken und beschreiben,
– bewertet als unerwünscht oder veränderungsbedürftig von einem oder mehreren Beobachtern,
– und zumindest ein Beteiligter glaubt daran, dass dieser Zustand änderbar sein (anderenfalls ist es Schicksal oder eine Restriktion).
(nach von Schlippe / Schweizer 1996)

Das Problem ‚etwas ist nicht in Ordnung‘ wird von mind. einem Beobachter entdeckt (man kann auch sagen erfunden). Diese Idee verbreitet und verfestigt sich in der Kommunikation mit anderen. Es wird eine Erklärung für das Problem gesucht und ‚ausgehandelt‘, die oft einerseits plausibel ist, aber auch so, dass es keinen einfachen Ausweg gibt (Beispielerklärungen: Die Vergangenheit ist Schicksal; Schuld sind die Eigenschaften von..; wir können nichts machen / sind hilflos). Die Beteiligten verhalten sich so, als wenn es keinen Ausweg gäbe und stabilisieren so das Problem. Der gefundenen sprachlichen Beschreibung kommt dabei eine besondere Bedeutung zu.

Nicht nur ein Problem, auch ein Fortschritt ist ein sozial konstruiertes Phänomen. ‚Wenn Fortschritt eintreten soll, muss zuerst jemand da sein, der ihn bemerkt und mit anderen darüber spricht.‘ (Fuhrman u. Ahola, 1995).

Lesen Sie weiter.. Die Art wie wir über ein Problem sprechen, bestimmt die Qualität eines Problems



Kooperationsverweigerung als Lösungsverhalten

Systemisch Posted on Di, September 27, 2016 13:37:55

Kooperationsverweigerung kann man als ein Lösungsverhalten ansehen. So kann es zum Beispiel ein Hinweis sein, dass die Problemdefinition einer anderen Person abgelehnt wird. In der Verweigerung kann viel Kraft und der Schlüssel zum Selbstwertgefühl liegen, was eine wichtige Ressource für den Betroffenen darstellt.
(Conen M.-L., 1999, 2005)



Erziehung

Sprüche Posted on So, September 18, 2016 11:29:11

Ein Mensch wird schon als Kind erzogen
Und, dementsprechend, angelogen.
Erhört die wunderlichsten Dinge,
Wie, dass der Storch die Kinder bringe,
Das Christkind Gaben schenk zur Feier,
Der Osterhase lege Eier.
Nun, er durchschaut nach ein paar Jährchen,
Dass all das nur ein Ammenmärchen.
Doch andre, weniger fromme Lügen
Glaubt bis zum Tod er mit Vergnügen.

(Eugen Roth)



Problem Beschreibungen

Sprüche Posted on Di, September 13, 2016 07:14:11

Die Art wie wir über ein Problem sprechen, bestimmt die Qualität eines Problems, ja ob es überhaupt ein Problem ‚ist‘ oder nicht. Unsere Beschreibungen des Problems sind nicht harmlose ‚Abbilder‘, sondern sie greifen in das Beschriebene ein.

(aus ‚Systemische Interventionen‚, Arist von Schlippe, Jochen Schweitzer)

Lesen Sie weiter.. Menschen sind unverbesserliche und geschickte Geschichtenerzähler..



Weiter »