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für systemisch, konstruktivistisch arbeitende Coaches, Berater, Therapeuten und alle Interessierten

Kognitive Verhaltenstherapie (eine Blog-Artikel Zusammenstellung)

Therapie Posted on Sa, März 21, 2020 17:14:05

Überblick der Kognitiven Verhaltenstherapien
KVT nach Aaron T. Beck:



Einordnung der Kognitiven Verhaltenstherapien

Konstruktivistisch, Psychologie, Therapie Posted on Sa, März 21, 2020 16:53:20

Die kognitive Verhaltenstherapie ist eine Form der Verhaltenstherapie, die auf der Lerntherorie basiert und besagt, dass störungsbedingtes Verhalten erlernt wurde und deshalb auch wieder verlernt werden kann. Hauptströmungen der Lerntherorie sind der Behaviorismus, der Kognitivismus und der Konstruktivismus.

In der Anfangsphase des Behaviorismus (John B. Watsons) sollte die Psychologie als Naturwissenschaft neu begründet werden, indem alles Verhalten in Reiz und Reaktion zerlegt wurde. Innere psychische Vorgänge waren für Behavioristen uninteressant. Im sogenannten „radikalen“ Behaviorismus (B. F. Skinner) wurden innerpsychische Prozesse bei der Erforschung von Verhalten nicht mehr ausgeschlossen. Dennoch wurden sog. ’nicht-naturwissenschaftliche‘ Einflüsse auf das Verhalten z.B. von „Kultur und Tradition“ in Studien ignoriert, wenn sie nicht als Umwelteinflüsse und Verhalten definiert werden konnten. Ab den 1960er und 1970er Jahren wurde der Behaviorismus zunehmend vom Kognitivismus als vorherrschendem Ansatz in der Psychologie abgelöst.

Beim Kognitivismus steht die individuelle Informationsverarbeitung mit den Denk- und Verarbeitungsprozessen des Lernenden im Fokus (Tolman, Lewin, Bruner). Die Erkenntnisse des Kognitivismus stammen aus der Kognitionspsychologie, die interdisziplinär ist und Ideen aus Philosophie, Psychologie und Linguistik aufnimmt. Zum Begriff der Kognition gehören: Wahrnehmung, Informationsverarbeitung, Geist, Denkpsychologie (Denken), Emotion und Handeln, Intelligenz, Sprache, Kreativität, Verstehen, Urteilen (Psychologie) sowie Urteil (Logik), Werturteil (Bewerten), Vorstellungen, Lernen und Gedächtnis.

Die kognitive Verhaltenstherapie entwickelte sich seit den 60er Jahren aus dem Kognitivismus. Zu den Begründern und namhaftesten Vertretern der kognitiven Verhaltenstherapie zählen Albert Ellis (Rational-Emotive Verhaltenstherapie – REVT / RET), Aaron T. Beck (kognitive Therapie – KT / KVT) und Donald Meichenbaum (Stressimpfungstraining).

(Quelle: Wikipedia und ‚Kognitive Umstrukturierung‘ von Einsle / Hummel)



KVT – Sitzungsablauf (Einzelsetting)

Therapie Posted on Di, März 17, 2020 20:42:00

Die Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) folgt einigen Grundprinzipien: Sie versteht Therapie als Teamwork und legt großen Wert auf die aktive Mitarbeit des Klienten. Der Fokus der Betrachtung liegt (insbesondere anfangs) auf der Gegenwart (dem Hier-und-Jetzt). Sie ist zielgerichtet, d.h. immer am konkreten Problem orientiert und hat den Anspruch zeitlich begrenzt zu sein (i.d.R. 6- 14 Sitzungen; anfangs wöchentlich, dann z.B. 14-tägig / monatlich mit 3-monatlichen Auffrischungssitzungen). Die Sitzungen sind stark strukturiert und edukativ, d.h zielen darauf ab, den Klienten zum eigenen Therapeuten zu machen. Der Klient lernt seine dysfunktionalen Gedanken und Überzeugungen zu erkennen, zu überprüfen und darauf zu reagieren. Zur Veränderung von Denken, Stimmung und Verhalten können dabei eine Vielzahl von Methoden eingesetzt werden.

Wie in anderen Therapien muss schon ab der ersten Begegnung eine tragfähige therapeutische Beziehung aufgebaut werden. Der Therapeut entwickelt bereits in der ersten Sitzung das individuelle Fallkonzept (worum geht es?: Relevante Informationen aus der Kindheit; Grundannahmen; Bedingte Annahmen; Bewältigungsstrategien in verschiedenen Situationen die Automatischen Gedanken, deren Bedeutung, die ausgelösten Emotionen und das Verhalten des Klienten), welches ständig auf Grund neuer Informationen überarbeitet wird. Die Inhalte des Fallkonzeptes werden mit den Klienten besprochen und es wird um Feedback gebeten (Ordnung nach Wichtigkeit; Passung der Hypothesen für den Klienten – auch emotional). Am Anfang erklärt der Therapeut die Grundstruktur der Sitzungen (i.d.R. 45-50 Minuten).

Erste Sitzung:

  • Anfang – Agenda / Tagesordnung festlegen; Stimmungseinschätzung; Veränderung seit der Eingangsdiagnostik besprechen; Diagnose besprechen und Psychoedukation.
  • Mitte – Probleme aufdecken und Ziele setzen; Edukation über das kognitive Modell; Bearbeitung eines Problems.
  • Ende – Zusammenfassung der Sitzung; Hausaufgaben festlegen; Bitte um Feedback.

Weitere Sitzungen:

  • Anfang – Stimmungseinschätzung; Agenda / Tagesordnung festlegen; Veränderungen / Aktualisierung des Wissensstandes; Besprechung der Hausaufgaben; Ordnung der Agendapunkte nach Wichtigkeit.
  • Mitte – Bearbeitung eines konkreten Problems unter Beibringung der kognitiven Fähigkeiten; ggfs. Unklarheiten besprechen; entsprechende Hausaufgaben besprechen; ein weiteres Problem bearbeiten.
  • Ende – Zusammenfassung der Sitzung; neue Hausaufgaben festlegen; Bitte um Feedback

Die Arbeitsblätter des Buches sind unter www.beltz.de frei herunterzuladen. An dieser Stelle möchte ich gerne darauf hinweisen, dass es sich lohnt dieses Buch zu kaufen und unabhängig von meinen kurzen Zusammenfassungen zu lesen.

(Quelle: Praxis der Kognitiven Verhaltenstherapie, Beck)



KVT – Hausaufgaben als unverzichtbarer Therapie-Teil

Therapie Posted on Di, März 17, 2020 20:07:00

Das Durchführen von Hausaufgaben hilft dabei, schnellere Fortschritte zu machen, da der Klient die ganze Zeit zwischen den Sitzungen Anregungen zur Veränderungen seiner Kognitionen erhält. Sie maximieren den Lernerfolg der Therapie und verbessern die erlebte Selbstwirksamkeit des Klienten. Bei dem Aufgeben von Hausaufgaben muss der Therapeut die individuellen Fähigkeiten und Präferenzen, sowie praktische Einschränkungen (z.B. Zeit) des Klienten berücksichtigen. Es ist wichtig, dass die Hausaufgaben auch gemacht werden. Daher sind lieber etwas zu einfache als zu schwierige Aufgaben zu geben (gestufte Aufgaben). Die Aufgaben sind dem Klienten zu erklären / zu begründen, damit dieser versteht warum er sie machen sollte. Die Bereitschaft zur Erledigung sollte in einer Sitzung abgefragt werden („Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie diese Hausaufgabe machen – auf einer Skala von 0 bis 100 Prozent?“). Nach und nach, sollte der Klient dazu angeleitet werden, in den Sitzungen seine eigenen Hausaufgaben zu entwerfen. Auch aus dem Nicht-Schaffen von Aufgaben können für die Therapie wertvolle Informationen gewonnen werden. Wenn möglich, sollte der Klient die Aufgaben bereits am Ende einer Sitzung beginnen, da eine angefangene Aufgabe einfacher zu erledigen ist. Der Klient sollte sich selbst (z.B. durch Notizzettel oder Kopplung an eine andere Handlung) an die Erledigung der Hausaufgaben erinnern. Auch das Ankreuzen der Erledigung auf einer täglichen Checkliste kann helfen. Vor jeder Sitzung sollte der Therapeut sich die Mitschriften der letzten Sitzung anschauen und sich notieren, welche Hausaufgaben vereinbart waren. Die Sitzungen sollten mit der Nachbesprechung der Hausaufgaben begonnen werden.

Typische fortlaufende Hausaufgaben sind:

  • Verhaltensaktivierung. Insbesondere depressive Klienten sollten zu Aktivitäten bewegt werden. Die Aufstellung eines Aktivitätenplans kann dabei helfen.
  • Festhalten von Automatischen Gedanken. Bei Stimmungsänderungen sollten Klienten sich selbst die Frage stellen „Was geht mir gerade durch den Kopf?“. Das Überwachen von Automatischen Gedanken kann auch zu einer höheren Belastung des Klienten führen.
  • Nachlesen der Sitzungsmitschriften. Das (Neu)Bewerten seiner Gedanken wird verbessert, wenn der Klient auch zwischen den Sitzungen die Mitschriften nachliest.
  • Problemlösen. Es hilft Klienten sich Lösungen für Probleme auch zwischen den Sitzungen zu überlegen und diese anzugehen.
  • Fertigkeiten. Ggfs. muss der Klient neue Fertigkeiten erlernen, die dann in den Hausaufgaben ausprobiert werden können.
  • Verhaltensexperimente. Das Durchführen von vorbereiteten Experimenten im ‚wirklichen Leben‘ des Klienten kann sehr effektiv zur Überprüfung von verzerrten Kognitionen eingesetzt werden.
  • Bibliotherapie. Das Verständnis von wichtigen Begriffen und Grundlagen kann verbessert werden, wenn der Klient diese zuhause noch einmal nachliest.
  • Vorbereitung auf die nächste Sitzung. Klienten sollten sich bereits zuhause überlegen, was wichtig ist, dass es in der nächsten Sitzung besprochen wird.

Unterstützende Arbeitsblätter: Aktivitätenplan; Arbeitsblatt zur Vorbereitung der nächsten Sitzung; Gedankenprotokoll Arbeitsblatt (zur Festhaltung von Situation, Automatischer Gedanken, Gefühle, Reaktion und Ergebnis); Arbeitsblatt zur Überprüfung von Gedanken; Arbeitsblatt Grundannahmen.

(Quelle: Praxis der Kognitiven Verhaltenstherapie, Beck)



KVT – Grundannahmen, die innersten Überzeugungen (Schemata)

Konstruktivistisch, Therapie Posted on Mo, März 16, 2020 21:10:00

Grundannahmen (Schemata) sind die innersten Überzeugungen eines Menschen. Sie bleiben meist unausgesprochen. Die meisten Menschen können größtenteils relativ positive Grundannahmen über sich und ihre Umwelt aufrechterhalten. Negative Grundannahmen werden nur in Zeiten großer psychischer Belastung überwiegend. Positive Erfahrungen ‚prallen‘ in diesen Zeiten einfach ab, werden nicht wahrgenommen oder abgewertet und damit nicht integriert. Dies ist keine Absicht. Es passiert automatisch. Wie schwierig das Erkennen und Verändern von Grundannahmen ist, hängt vom Klienten ab. Im Allgemeinen fällt es Klienten mit starken emotionalen Belastungen leichter als anderen.

Beck schlägt die Kategorisierung in drei Typen von Grundannahmen vor: 1. Grundannahmen der Hilflosigkeit (Ich bin unfähig / unzulänglich; mache alles falsch; bin machtlos / schwach; ich bin ein Opfer / Verlierer / Versager); 2. Grundannahmen des Nicht-liebenswert-Seins (Ich bin anders / schlecht / nicht in Ordnung / nicht gut genug / unattraktiv / unerwünscht; Ich werde immer zurückgewiesen / verlassen) und 3. Grundannahmen der Wertlosigkeit (Ich bin wertlos / schlecht / böse / überflüssig; Ich verdiene es nicht zu leben).

Grundannahmen sind Vorstellungen. Als solche kann man sie überprüfen, denn sie können auch ganz oder teilweise falsch sein. Grundannahmen haben ihre Wurzeln in der Kindheit. Als der Klient sie gebildet hat, waren sie möglicherweise richtig. Sie werden durch Schemata aufrechterhalten, die stützenden Informationen sofort akzeptieren, aber widersprüchliche Informationen ignorieren oder abwerten.

Ein Therapeut identifiziert die Art / Kategorie der dysfunktionalen Grundannahmen und versucht sie zusammen mit dem Klienten in der zuvor beschrieben Art zu verändern (siehe Veränderung von Annahmen). Seine (ständig verfeinerten) Hypothesen zu den Grundannahmen diskutiert er mit dem Klienten und bittet ihn um Zustimmung oder Widerruf. Er unterstützt den Klienten bei der Formulierung und Verstärkung neuer, angemessener Grundannahmen. Dabei ist eine halbwegs positive neue Grundannahme für die meisten Klienten einfacher zu akzeptieren als eine extrem positive Annahme (Bsp. „Ich bin überhaupt nicht liebenswert“ > „Im Allgemeinen bin ich schon liebenswert.“; „Ich bin schlecht.“ > „Ich bin okay.“; „Ich bin machtlos.“ > „Über die meisten Dinge habe ich schon Kontrolle.“; „Ich bin nicht in Ordnung.“ > „Ich bin normal und habe sowohl Stärken als auch Schwächen.“).

(Quelle: Praxis der Kognitiven Verhaltenstherapie, Beck)



KVT – Veränderung von Annahmen

Konstruktivistisch, Therapie Posted on So, März 15, 2020 15:31:35

Es gibt verschiedene Techniken, mit denen man bedingte Annahmen und Grundannahmen ändern kann. Der Therapeut sollte den Klienten dabei immer wieder fragen, wie stark er augenblicklich an die Annahme glaubt (Skalenfrage). 0 Prozent sind dabei i.d.R. weder möglich noch unbedingt erstrebenswert. In der Regel ist die Annahme dann schwach genug (< 30%), wenn es wahrscheinlich ist, das der Klient sein dysfunktionales Verhalten ändert. Einige Methoden können auch zur Modifikation von automatischen Gedanken verwendet werden.

Sokratische Fragen: Diese Technik hilft, die Logik der eigenen Gedanken kritisch zu hinterfragen und Fehler oder Inkonsistenzen in dieser Logik auf nichtkonfrontative Weise aufzuzeigen. Gundmuster sind:

  1. Klärendes Denken und Verstehen (Können Sie mir ein Beispiel geben? Könnten Sie das weiter erklären? Meinten Sie X? Was ist das Problem, das Sie zu lösen versuchen?).
  2. Anspruchsvolle Annahmen (Ist das immer so? Setzen Sie X voraus? Stimmen Sie dem X zu? Wenn das für ein X gilt, gilt das für alle X?).
  3. Untersuchen von Beweismitteln und Gründen (Warum sagen Sie das? Woher wissen Sie das? Welche Daten unterstützen dies? Warum?).
  4. Berücksichtigung alternativer Standpunkte und Perspektiven (Gibt es Alternativen? Wie sieht die andere Seite des Arguments aus? Was macht Ihre Sichtweise besser? Was würde X dazu sagen? Können Sie an Fälle denken, in denen das nicht stimmt?).
  5. Berücksichtigung von Folgen und Konsequenzen (Was wären die Folgen? Gibt es irgendwelche Nebenwirkungen? Was, wenn Sie falsch liegen? Wie können wir es herausfinden? Wenn das wahr ist, bedeutet das, dass X auch wahr ist? Was sollten wir dazu noch überlegen?).
  6. Meta-Fragen (Was denken Sie, warum ich diese Frage gestellt habe? Was bedeutet das? Was könnte ich sonst noch fragen?)

Verhaltensexperimente: Die Richtigkeit von Annahmen (und automatischer Gedanken) kann mit Verhaltensexperimenten überprüft werden. Richtig geplant und ausgeführt, können diese Verhalten nachhaltiger als verbale Methoden beeinflussen. Bsp. „Es wäre eine Katastrophe, wenn ich zu spät zur Arbeit kommen würde.“. Nach Vorbereitung: Aufgabe 5 Minuten zu spät zur Arbeit zu kommen. Verhalten gegenüber Kollegen und Vorgesetzten vorher einüben.

Kognitives Kontinuum: Diese Methode eignet sich insbesondere bei polarisiertem Denken (Alles-oder-nichts; Schwarz-Weiß). Auf einer linearen Skala werden durch erfragte Beispiele Zwischenpunkte eingeführt.

Rational-emotionales Rollenspiel: Dieses Rollenspiel eignet sind insbesondere dann, wenn der Klient beschreibt, dass er zwar mit dem Kopf erkennt, dass die Annahme nicht zutreffend ist, es sich aber im Bauch trotzdem richtig anfühlt. Der Klient übernimmt zunächst die Rolle des emotionalen Teils, der stark an die dysfunktionale Annahme glaubt, während der Therapeut den rationalen Teil spielt. Beide sprechen in der Ich-Form. Im zweiten Teil werden die Rollen getauscht. Der Therapeut benutzt dieselben emotionalen Argumente wie der Klient und versucht auch die Worte des Klienten zu wiederholen.

Andere Personen als Bezugsgröße: Wenn Klienten über die Annahmen von anderen nachdenken, gewinnen Sie oft Distanz zu ihren eigenen dysfunktionalen Annahmen („Wenn ein Freund/Freundin in dieser Situation wäre und diesen Gedanken hätte, was würden Sie ihm raten?). Oft können Klienten, mit eigenen Kindern (real oder vorgestellt) als Bezugsgröße, Abstand gewinnen.

So tun, als ob: Veränderungen von Annahmen führen oft zu entsprechenden Verhaltensänderungen – aber auch umgekehrt. Sobald der Klient beginnt sein Verhalten zu ändern, wird seine Annahme geschwächt. Die So-tun-als-ob-Technik kann so wohl bei bedingten Annahmen als auch der Grundannahmen eingesetzt werden.

(Quelle: Praxis der Kognitiven Verhaltenstherapie, Beck)



KVT – Bedingte Annahmen und Grundannahmen

Konstruktivistisch, Therapie Posted on So, März 15, 2020 08:48:20

Bedingte Annahmen (Einstellungen, Regeln, Grundsätze) und Grundannahmen können erkannt werden, wenn..

  • eine Annahme als automatischer Gedanke formuliert wurde (Bsp. „Was ist Ihnen durch den Kopf gegangen?“ „Ich hätte besser sein sollen. Ich kann nie etwas richtig machen. Ich bin so unfähig.“, Grundannahme);
  • der erste Teil eines Grundsatzes vorgegeben wird (Bsp. „Sie dachten also Sie müssen .. “ „Ja, dann habe ich nicht mein Bestes getan. Ich habe versagt.“);
  • direkt eine Regel oder Einstellung erfragt wird (Bsp. „Haben Sie eine Regel dazu?“);
  • bei einem (angenommenen) ‚entscheidenden‘ automatischen Gedanken wiederholt nach der Bedeutung dieses Gedankens gefragt wird, was oft eine oder mehrere bedingte Annahmen aufdeckt; oder danach zu fragen, was das über den Klienten aussagt, welches die Grundannahme aufdecken kann (die sog. „Pfeil-abwärts Technik“);
  • die automatischen Gedanken des Klienten auf gemeinsame Themen überprüft werden, z.B.durch eine direkte Frage nach gemeinsamen Themen oder der Formulierung einer versuchsweisen Annahme und Frage nach Überprüfung durch den Klienten;
  • der Klient direkt danach gefragt wird;
  • ein Fragebogen zu Annahmen ausgefüllt und ausgewertet wird (Bsp. DAS – Skala dysfunktionaler Einstellungen, Hautzinger et al).

Der Therapeut muss Hypothesen aufstellen, wie zentral eine Annahme ist und ob sie vorrangig verändert werden muss. Dazu ist es auch hilfreich den Klienten zu fragen, wie stark er an die Annahme glaubt (Skalenfrage). Wichtig ist die Psychoedukation des Klienten über Annahmen (Erlerntes kann auch wieder verlernt und anderes erlernt werden..). Bei Annahmen ist es hilfreich die Vorteile und Nachteile von Annahmen mit dem Klienten zu explorieren. Bei dysfunktionalen Annahmen, können dann die Vorteile in Zweifel gezogen und die Nachteile betont werden. Bei der Formulierung einer neuen Annahme stellt sich die Frage, welche Annahme für den Klienten funktionaler wäre. Der Therapeut versucht für sich eine weniger starre Annahme zu formulieren, die thematisch mit der dysfunktionalen Annahme zusammenhängt und zu einer größeren Zufriedenheit des Klienten führen könnte. Kooperativ leitet er die gemeinsame Formulierung einer neuen Annahme (sokratische Fragen).

(Quelle: Praxis der Kognitiven Verhaltenstherapie, Beck)



KVT – Automatische Gedanken

Konstruktivistisch, Therapie Posted on Mi, März 04, 2020 20:02:41

Automatische Gedanken sind oft recht kurz, wie ‚in Steno‘. Sie existieren neben dem offensichtlichen Gedankenstrom, tauchen spontan auf und basieren nicht auf Nachdenken. Oft sind die damit zusammenhängenden Gefühle deutlicher bewusst. Automatische Gedanken können in verbaler oder visueller Form oder in beiden Formen auftreten.

Bsp.: ‚Oh, nein.‘ – Klienten können dann auf Nachfrage in der Regel leicht formulieren, welche Bedeutung dieser automatische Gedanke für sie hatte.

Die Grundfrage für Klienten bei dem Aufdecken von automatischen Gedanken ist: „Was ist mir gerade durch den Kopf gegangen?“

Alternativ kann nach den gerade empfundenen Gefühlen gefragt werden (und wo im Körper diese gespürt werden); einem Bild (ggfs. ein Bild vorschlagen); der detaillierten Beschreibung der problematischen Situation; nach der Bedeutung der Situation; es können Gedanken vorgeschlagen werden, die gegenteilig zu denen sind, die man bei dem Klienten vermutet, oder es kann ein Rollenspiel vorgeschlagen werden (z.B. bei zwischenmenschlichen Problemen).

Einige Klienten haben ein eingeschränktes Vokabular für Gefühle. Andere können diese zwar intellektuell benennen, aber haben Schwierigkeiten ihre spezifischen Emotionen auszudrücken. Eine ‚Gefühlskarte‘ kann bei der Benennung helfen. Es ist auch wichtig, Gefühle nicht nur zu benennen, sondern auch ihre Stärke einzuschätzen (Skalenfrage).

Nach dem Berichten des ersten Gedankens ist es wichtig weiter zu fragen (‚Und was noch? Und dann?‘). Interessant sind die konkreten Worte oder Vorstellungen, nicht Interpretationen (wie ‚ich denke..‘, ‚ich glaube..‘).

Oft sind automatische Gedanken von Klienten negativer Natur. Menschen mit psychischen Störungen interpretieren neutrale oder sogar positive Situationen falsch, d.h. ihre automatischen Gedanken sind verzerrt. Die Kognitive Verhaltenstherapie lehrt Klienten, ihr dysfunktionales Denken zu erkennen, zu überprüfen und zu verändern.

Wir haben jeden Tag Tausende von Gedanken, aber in einer Sitzung lassen sich nur wenige (oder nur einer) davon überprüfen. Deshalb muss der Klient unterstützt werden, die am meisten belastenden Gedanken zu identifizieren. Die Automatischen Gedanken selbst werden nicht in Frage gestellt, da sie selten völlig falsch sind. Der Therapeut hilft dem Klienten dabei: die Gültigkeit eines automatischen Gedankens herauszufinden; mögliche alternative Interpretationen oder Sichtweisen zu entdecken; zu erkennen, inwieweit der Klient dem Gedanken Glaube schenkt; Abstand vom Gedanken zu gewinnen oder die ersten Schritte zur Problemlösung anzugehen. Beispiel Fragen sind:

  • Welche Anhaltspunkte sprechen für / gegen diesen Gedanken?
  • Welche alternativen Erklärungen gibt es?
  • Was ist das Schlimmste, das passieren könnte? Wenn es eintreten würde, wie würden Sie damit umgehen? Was ist das Beste, was passieren könnte? Was ist das realistischste Ergebnis?
  • Welchen Effekt hat es, wenn Sie diesen Gedanken glauben / nicht glauben?
  • Was würden Sie einem Freund in dieser Situation raten?

Typische Denkfehler sind: Alles-oder-nichts Denken (Schwarz/Weiß); Katastrophisieren; Positives ausschließen oder abwerten; Emotionales Schlussfolgern; Etikettierung; Vergrößerung / Verkleinerung; Mentaler Filter; Gedankenlesen; Übergeneralisieren; Imperative Aussagen; Tunnelblick. Sollte ein automatischer Gedanke hingegen zutreffen, sollte man sich auf das Lösen des Problems oder der Akzeptanz konzentrieren.

(Quelle: Praxis der Kognitiven Verhaltenstherapie, Beck)



KVT – Das kognitive Modell

Konstruktivistisch, Psychologie, Therapie Posted on Mo, März 02, 2020 22:03:57

Das kognitive Modell der Kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) besagt vereinfacht: Nicht die Situation an sich beeinflusst die Gefühle einer Person, sondern die Art und Weise, wie die Person die Situation interpretiert. Gefühle und Verhalten werden durch die Wahrnehmung von Ereignissen beeinflusst.

Situation / Ereignis >> Automatische Gedanken >> Reaktion (emotional, Verhalten, körperlich)

Jeder Mensch entwickelt von Kindheit an bestimmte Annahmen (beliefs) über sich, andere Menschen und seine Umwelt. Seine innersten, tief verwurzelten Grundannahmen, die Dinge, die „nun einmal so sind“, werden nicht hinterfragt und oft nicht einmal ausgesprochen (auch nicht sich selbst gegenüber). Er hält diese Annahmen für absolut wahr. Diese Grundannahmen bilden die unterste Ebene der Annahmen. Sie sind situationsunabhängig, starr und übergeneralisiert. Die Gedanken, die jemanden in bestimmten Situationen automatisch durch den Kopf gehen, basieren auf den Grundannahmen. Sie werden automatische Gedanken genannt. Dazwischen liegt die Kategorie der sog. ‚bedingten Annahmen‘ (intermediate beliefs).

Grundannahmen >> Bedingte Annahmen (Einstellungen, Regeln, Grundsätze) >> Automatische Gedanken

Zusammen genommen sieht das kognitive Modell wie folgt aus:

Grundannahmen >> Bedingte Annahmen (Einstellungen, Regeln, Grundsätze) >> Situation / Ereignis >> Automatische Gedanken >> Reaktion (emotional, Verhalten, körperlich)

Ein mögliches Beispiel:

Grundannahme: „Ich bin unfähig.“ >> Bedingte Annahmen: Einstellung „Es ist schrecklich, zu versagen.“, Regel „Lieber aufgeben, wenn die Herausforderung zu groß ist.“, Grundsätze „Wenn ich etwas Schwieriges versuche, werde ich versagen“ und „Wenn ich dies vermeide, ist alles in Ordnung.“ >> Situation / Ereignis: „Lesen eines schwierigen Textes.“ >> Automatische Gedanken: „Das ist einfach zu schwierig. Ich bin so dumm. Ich verstehe das nie.“ >> Reaktion: emotional „Entmutigung“, Verhalten „Weitere Beschäftigung mit dem Text vermeiden. Statt dessen andere Aktivität.“, körperlich „Körper fühlt sich schwer an.“

Bedingte Annahmen sind einer Veränderung leichter zugänglich als die Gundannahmen. Obwohl die Grundannahmen nie offen ausgesprochen wurden, beeinflussen sie Denken und Verhalten. Wir entwickeln bestimmte Verhaltensmuster um mit unseren Grundannahmen (z.B. von eigenen ‚Defiziten‘) umzugehen.

In der kognitiven Verhaltenstherapie bildet das sog. Kognitive Fallkonzept den Rahmen für das therapeutische Verständnis und den daraus abgeleiteten Therapieschritten. Welche Probleme hat der Klient im Moment? Wie sind diese entstanden und wie werden sie aufrechterhalten? Welche dysfunktionalen Gedanken und Annahmen sind mit diesen Problemen verknüpft? Wie sieht der Klient sich selbst, seine Umwelt, seine Zukunft? Was sind die zugrundelegenden Annahmen (einschließlich der Einstellungen, Erwartungen und Regeln)? Wie geht der Klient mit seinen (dysfunktionalen ) Kognitionen um? Welche Stressoren tragen zur Aufrechterhaltung bei bzw. stören deren Auflösung? Die Hypothesen des Therapeuten über die innere Landkarte des Klienten sind das Kognitive Fallkonzept. Die Therapie ist eine gemeinsame Reise auf den Wegen dieser inneren Landkarte mit dem Ziel an einem vom Klienten bestimmten Ziel anzukommen. Ein gründliches Fallkonzept d.h. ein möglichst genaues Bild der inneren Landkarte hilft eine Reiseroute festzulegen. Das Fallkonzept ist immer in Bewegung und unterliegt ständigen Änderungen. Jede neue Information bestätigt, verwirft oder modifiziert Hypothesen. Ein Fallkonzept ist dann zutreffend, wenn der Klient bestätigt, dass es sich ‚richtig anfühlt‘.

(Quelle: Praxis der Kognitiven Verhaltenstherapie, Beck)



Systemische Therapie mit Erwachsenen (2)

Systemisch, Therapie Posted on Do, Februar 27, 2020 21:19:23

Ich möchte das Bild der Systemischen Therapie mit Hilfe des Buches ‚Systemische Therapie in der Praxis‘ (Hrsg. von Sydow / Borst) etwas ergänzen. Nach einem Kapitel ‚Grundlagen‘ über Erstgespräch, Auftrags- und Zielklärung, Diagnostik, Indikationen/Kontraindikationen und Qualitätssicherung, werden kurz systemische Basisinterventionen beschrieben: Ressourcenaktivierung / Umdeutung, Genogrammarbeit, Systemisches Fragen, Skulptur/Aufstellung, Psychoedukation, Hausaufgaben, Zeitlinienarbeit, Rituale, Reflektieren, Arbeit mit inneren Anteilen, Mentalisieren, Externalisierung von Problemen, Internalisierung von Lösungen. Es werden verschiedene Settings (Einzel, Paar, Familie, Gruppen) erläutert und folgende störungsspezifische Therapie Empfehlungen für Erwachsene gegeben:

F2 Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen

Allgemeines Ziel ist die Inklusion (Alltag als Therapie). Bei Rückzug und ‚Ausstieg aus der Realität‘ die ‚Wiedereinführung in die Kommunikation‘. Im Bereich der Kooperation, das Verhandeln über Krankheitskonzepte und Behandlung, sowie in Familienbeziehungen, Psychoedukation und Gespräche ohne Konfliktvermeidung (offener Dialog). Chronifizierung ist durch Rückfallprophylaxe zu vermeiden (jede Krise neu betrachten). Ein günstiges Familienmilieu hat eine hohe, fast vollständige protektive Wirkung (auch bei hohem genetischem Risiko). Studien zeigen, dass die Kombination von systemischer Therapie mit anti-psychotischer Medikation wirksamer ist als Medikation alleine, insbesondere bei der Reduktion von Abbrüchen, Rückfällen, Symptomreduktion, Compliance und Lebensqualität. Weitere Therapieoptionen sind: Kognitive Verhaltenstherapie, Pharmakotherapie, Kunsttherapie (vor allem bei Negativ-Symptomatiken).

F3 Affektive Störungen / F32 depressive Episoden

Allgemeine Ziele sind: positive Erfahrungen zu vermehren (Verhaltensaktivierung und Sport); im Gespräch zu ermutigen, Probleme zu lösen (sokratischer Dialog, lösungsorientierte syst. Therapie, Psychoedukation). In akuten Krisen über suizidale Gedanken zu sprechen (bei F32 immer eine Suizidanamnese durchführen). Aufmerksamkeitslenkung (hypnosystemisch) zur Ressourcenaktivierung (negatives Denken und Fühlen reduzieren). Neues Verhalten zur Erhöhung der Selbstwirksamkeit einführen, sowie die Interventionen Externalisierung, Reframing und inneres Team. Bei interaktionellen Problemen IPT zur Verbesserung der Interaktionen. Biografieorientierte syst. Therapie um Sinn und Bedeutung von depressiven Krisen im Biografieverlauf zu verstehen. Weitere Therapieoptionen sind: Kognitive Verhaltenstherapie, Pharmakotherapie, Gesprächspsychotherapie. Die Beziehungsgestaltung sollte auf einem mittleren bis leicht erhöhten Aktivitätsbereich erfolgen. Zu aktiv oder zu träge ist ebenso wenig förderlich wie zu wenig oder zu viel Empathie. Bei einer affektiven Störung sind viele andere Menschen betroffen, insbesondere Familienangehörige. Bei depressiven Störungen müssen sie zeitweise die Energie aufbringen, die dem Betroffenen fehlt.

F4 Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen

Angststörungen: Laut S3 Richtlinie (Bandelow) sollten bei spezifischen Phobien expositionsorientierte Kognitive Verhaltenstherapie angeboten werden. Bei anderen Phobien und anderen Angststörungen ist Psychotherapie und /oder Pharmakotherapie zu empfehlen. In der systemischen Therapie sind folgende evidenzbasierten Ansätze gut beschrieben: Ressourcen- und lösungsorientierte Kurzzeittherapie; Symptomverschreibungen;

Zwangsstörungen: Intrapsychisch führt die Zwangsstörung dazu, dass sich der Klient mit seinen Zwangsgedanken und -handlungen beschäftigt, statt sich den anstehenden Herausforderungen zu stellen (Aufrechterhaltung des Ist-Zustandes), während er interpersonell seine Bezugspersonen in seine Zwangsstörung einbindet und unterordnet. In der Therapie soll der Klient die Prinzipien verstehen und den Fokus auf die eigentlichen Problembereiche lenken. Ein Expositionstraining mit Reaktionsverhindung reicht in der Regel allein nicht aus. Neben einer Psychoedukation sollten die Fragen nach einer symptomfreien Zukunft erfolgen und relevante Systemmitglieder mit eingebunden werden (Anteil der Mitglieder an der Aufrechterhaltung der Symptomatik). Weitere Therapieoptionen sind Kognitive Verhaltenstherapie, Pharmakotherapie (SSRI), ACT.

Belastungs- und Anpassungsstörungen: Normale Trauerreaktionen sollten nicht pathologisiert werden. Trauer hilft, belastende Ereignisse zu integrieren. Sicherheit ist eine der wichtigsten Rahmenbedingungen nach einer traumatischen Erfahrung. Zur Behandlung von Anpassungsstörungen gibt es kaum evidenzbasierte Vorgehensweisen, da die Auslöser alltäglich und individuell sind (zusätzlich sind Anpassungsstörungen Ausschlussdiagnosen). Weil sich Therapeuten / Berater oft überlastet mit Traumata fühlen, wird der Ruf nach psychotraumatologisch geschulten Fachleuten laut. Dabei ist es vielmehr wichtig, dass die Helfer Ruhe bewahren und Sicherheit ausstrahlen. Psychoedukation ist in der Regel hilfreich. Symptome wie Flashbacks, Alpträume, erhöhte Vigilanz oder dissoziative Symptome sind normale Reaktionen auf außergewöhnliche Ereignisse. Zuviel Aktivismus in einer akuten Phase ist nicht hilfreich. Guidelines (NICE) empfehlen ‚Watchful Waiting‘ über mind. 4 Wochen (auch 3-6 Monate). Weitere Therapieoption ist die Pharmakotherapie (symptomorientiert). Entspannungsverfahren haben sich bisher als nicht wirksam erwiesen, können aber als Zusatzbehandlung Anwendung finden.

Psychosomatik: Psychosomatische Störungen können im Zusammenspiel der drei Systeme Kommunikation (Bindungsgeschichte und Bindungsstil, Familienstil, aktuelle Bindungssituation, soziale Stressoren), Psyche (Selbstregulation, Einführung der Erlebnisebene) und Soma (der Körper kann im inneren Parlament oder symbolisch zur Sprache kommen) verstanden werden. Weitere (nicht Reden) Therapieoptionen sind körperbezogene, achtsamkeitsbasierte Verfahren (Selbstregulationsfähigkeit des Körpers) wie Meditation, Yoga, Qi Gong, PMR und Fokussing (Gendlin).

F6 Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen / F60.3 Emotional instabile Persönlichkeitsstörung insbesondere F60.31 Borderline-Typ

Systemische Therapeuten nehmen oft eine kritische Haltung bezüglich der Diagnose von Persönlichkeitsstörungen (PS) ein. Die Trennschärfer der PS Diagnostik ist schwach und es bestehen viele Komorbiditäten. In dem Buch ‚Systemische Therapie in der Praxis‘ wird die Borderline PS nur zusammen mit ‚komplexen Traumafolgestörungen‘ betrachtet. Es wird empfohlen Dissoziative Symptome, die häufig vorhanden aber nicht spontan berichtet werden, zu explorieren. Als Therapieziele werden beschrieben: Überleben, vermeiden von Therapiegefährdungen, Stabilisierung der Lebensgrundlagen, Verringerung der Impulsivität / Erhöhung der Selbststeuerung, Klärung von Beziehungen, verstehen und verständlich machen (Entwicklung eines kohärenten Narrativ), Eröffnung konstruktiver Lebensperspektiven. Als empirisch belegte manualisierte Verfahren werden benannt: DBT (Dialektisch-Behaviorale Therapie), Übertragungsfokussierte Psychotherapie, MBT (Mentalisierungsbasierte Therapie), Schematherapie.



Systemische Therapie mit Erwachsenen (1)

Konstruktivistisch, Systemisch, Therapie Posted on Fr, Februar 21, 2020 13:51:14

Nachfolgend eine ausschnittsweise Zusammenfassung von Betrachtungen und Ansätzen einer Systemischen Therapie mit Erwachsenen bei bestimmten Störungen (Quelle: Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung II, Schweitzer / Schlippe):

F1 Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen

In einer systemischen bio-psycho-sozialen Betrachtung sind Leben, Bewusstsein und Kommunikation selbstorganisierte Systeme, die zwar strukturell gekoppelt sind, aber zwischen denen es keine kausalen Bezüge gibt. Für Abhängigkeiten heißt das: Es gibt biologisch die Dynamik der ‚Selbstmedikation der Nebenwirkungen der Selbstmedikation‘ durch Toleranzentwicklung, d.h. organische Gegenreaktionen zur Reduktion der Drogenwirkung. Nach einer gewissen Zeit wird das Suchtmittel als fester Bestandteil der Oganismusfunktionen eingebaut – mit der Folge einer physischen Abhängigkeit. Auf der Ebene des Bewusstseins gibt es, je öfter die Erlebens-Sucht-Choreographie durchlaufen wird, immer weniger alternative Optionen. Die Suchthandlung stabilisiert sich auf der psychischen Ebene selbst. Sie besteht, weil sie besteht und sie wird durch das Muster aufrechterhalten, durch das sie selbst gebildet wurde. Auf der Ebene der Kommunikation gibt es keine Sucht/Abhängigkeit an sich. Abhängiges Verhalten ist gleichzeitig ein Netzwerk aus Beobachtungen und Zuschreibungen, die von Beobachtern vorgenommen werden. Verhalten und Reaktionen sind eng sozial verflechtet (z.B. Ko-Abhängigkeit). Störungen durch psychotrope Substanzen sind höchst stabil zwischen den jeweiligen Systemebenen verkettet. Bei einer Entstörung ist insbesondere das Auftragskarussell zu beachten: Der Kostenträger möchte die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit durch vollständige Abstinenz. Der Arbeitgeber möchte schnelle Resultate sehen. Die Angehörigen erwarten oft eine Stabilisierung, ohne dass sich innerhalb des Familiensystems zu viel verändert. Die Mehrzahl der Klienten hält sich selbst nicht für süchtig und strebt keine Abstinenz an. Der Therapeut möchte i.d.R. mit größtmöglicher Ergebnisoffenheit und Neutralität unterschiedliches Konsumverhalten betrachten (Unterschiede einführen). Deshalb ist eine konsequente Klienten-Anliegenorientierung besonderes wichtig.

F2 Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen

Ver-rückte Komunikationsformen gedeihen besonders gut in einem Umfeld, in dem sog. weiche Wirklichkeitskonstruktionen vorherrschen. In einem Umfeld, in dem sich die Kommunikationsteilnehmer möglichst wenig festlegen, was sie ausdrücken wollen. In denen Beschreibungen vage und unbestimmt bleiben, Unterschiede und Gegensätze zwischen Bedeutungsinhalten kaum noch erlebbar sind oder verschwimmen, z.B. in dem nahezu gleichzeitig vollkommen unterschiedliche Impulse ausgedrückt werden (Ich liebe dich! – Komm mir nicht zu nahe!). In der Literatur z.B. beschrieben als: Mystifikation (Laing), bei der ein anderer definiert was sein Gegenüber denke, wolle etc., auch wenn es der Betroffene gar nicht so sieht; als kommunikative „Double-Bind“ Zwickmühle (Bateson) oder als „high expressed emotions“ (Vaughn / Neff) bei dem kritische, entwertende und zugleich sehr emotionale Bewertungen in engen Beziehungen an der Tagesordnung sind. Bei einer Plussymptomatik zeigt der Klient zu viel nicht erwartete Verhaltensweisen, bei einer Minussymptomatik keine oder zu wenige. Beides kann dazu führen, dass seinen Verhaltensweisen, von anderen, kein verstehbarer Sinn mehr zugesprochen wird, der Klient quasi aus der regulären (sinnvollen) Kommunikation ausgestoßen wird (Exkommunikation). Eine systemische Entstörung beinhaltet eine Wiedereinführung des Exkommunizierten, in dem mit dem Klienten normal und vernünftig gesprochen wird, immer annehmend, dass dieser gute und verständliche Gründe habe, sich aktuell unverständlich zu äußern und zu Verhalten, auch wenn diese von der sozialen Umwelt derzeit noch nicht verstanden werden. Die Absicht wird wertgeschätzt, auch wenn der Inhalt nicht verstehbar scheint. Auch ver-rücktes Reden wird als Kompetenz angesehen. Ein wesentliches Element ist die Psychoedukation. Ein rigides Krankheitskonzept der F2 soll aufgeweicht oder aufgelöst werden. Den Beteiligten sollten Chronifizierungsstrategien verdeutlicht werden, d.h. wie bislang und künftig alle Beteiligten zur Chronifizierung beitragen (Harmonie in der Familie auf Kosten einer Chronifizierung), welche guten Gründe es für eine Chronifizierung und welche Ausstiegsmöglichkeiten es aus einem Chronifizierungsprozess gibt (Pro und Kontra). System (Familien)-Mitgleider werden befragt, was sie tun müssten, damit ein symptomatisch-schizophrenes Verhalten wieder auftritt (Vorwegnahme des Vermeidbaren). Die Exploration und Markierung von Unterschieden während und zwischen Rückfällen soll die Wahrnehmung von Veränderungen ermöglichen (die in der Regel ausgeblendet werden). Das beinhaltet die Exploration von negativen Konsequenzen ausbleibender Rückfälle.

F3 Affektive Störungen / F32 depressive Episoden

Eine negative Sicht der Welt, der eigenen Person und der Zukunft (kognitive Triade) ist ein typisches dysfunktionales kognitives Schema (Beck). Aus ungeprüften Ableitungen früherer Erfahrungen (unterstützend sind hohe Ansprüche an sich und die Welt und idealisierte Grundüberzeugungen) wird ‚Hilflosigkeit gelernt‚ (Seligmann). Der Klient macht sich durch solche Selbstsuggestionen (Schmidt) quasi selber depressiv. Die Erfahrungen des immer wieder verlorenen inneren Kampfes verstärken Hoffnungslosigkeit und Selbstabwertung (Teufelskreis). In Beziehungen kann depressives Verhalten systemerhaltend wirken (den Partner binden), eine Aufforderung zum Engagement des Partners sein, oder eine Bindung (Loyalität) an Vergangenes symbolisieren (Schicksale, Erinnerung an Verstorbene etc.). Kollektive, im sozialen System gemeinsam geteilte, Ideen von ‚Man muss immer alles richtig machen‘, erhöhen den Druck.

Eine Entstörung beinhaltet die ressourcenorientierte Suche nach Hypothesen zu ‚den guten Gründen‘ (wofür ist das depressive Verhalten ein Lösungsversuch). Die Beziehungsgestaltung erfolgt angekoppelt an Tempo, Energieniveau und Stimmung. Die Depression kann als ‚Besucher‘ externalisiert werden (White / Epston). Verschiedene intrapsychische Persönlichkeitsanteile, die miteinander in Konflikt sind, können mit dem IFS Modell (Internal Family System, Schwarz) oder der inneren Familienkonferenz (Schmidt) in Einklang gebracht werden. Bei resignierten Klienten können Verschlimmerungsfragen hilfreicher als Lösungsfragen (z.B. die Wunderfrage) sein.

F4 Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen

Angst und Panikstörungen wurden häufiger bei Erleben eines geringen familiären Zusammenhaltes und chronischen Konflikten zwischen den Eltern beobachtet. Ebenfalls bei frühen oder dramatischen Verlusten im eigenen Leben und bei Situationen, die ein frühes Erwachsenwerden erforderlich machten (häufig mit Überforderung). Panikattacken können das Resultat einer symmetrischen Eskalation zwischen Wut auf den Partner und Angst vor den Konsequenzen dieser Wut sein. Die Eskalation der Wut wird durch die Panikattacke gestoppt und die Aggression und Wut wird dissoziiert. Die Fehlinterpretation von Wut als Angst kann so zur Vermeidung von Konflikten beitragen. Angstsymptomatiken können ein Mittel der Nähe-Distanz Regulierung sein. Bei einer Entstörung kann zunächst die Symptomatik im Vordergrund stehen. Es geht aber auch darum herauszufinden, womit der Klient sich beschäftigen würde, wenn die Erkrankung nicht mehr da wäre. Vermeidungsverhalten und negative Befürchtungen (Defizitchor) können zu einer Art ‚Reformstau‘ in der Bewältigung von Konflikten geführt haben. Es gilt die Klienten bei der Erarbeitung von Lösungen zu unterstützen und ihnen ein geeignetes Erklärungsmodell (z.B. Teufelskreise der Angst; Redewendungen bei Zusammenhängen von Angst und körperlichen Veränderungen; erstmalige Bobachtung der Angst und konstruierte Bezeichnung; Reaktion und Umgang der anderen) zur Verfügung zu stellen. Oft liegt bei Angststörungen eine einseitige Orientierung auf die Zukunft vor (wie in der Zeit eingefroren; Nichts-Neues Syndrom), die sich in sich selbst verewigenden Erzählformen zeigt. Es gilt dann, die verdichtete Situation zu verflüssigen, indem ein Nacheinander / Danach eingeführt wird. In einer Art Desensibilisierung können Schritt für Schritt das Danach der katastrophalen Vorstellungen durchgespielt werden. Die Wunderfrage kann einsetzt werden, um ein Leben ohne Angst im Detail auszumalen. Partner und andere Systemmitglieder sollten zumindest über zirkuläre Fragen einbezogen werden. Skalenfragen können helfen die Angst sprachlich zu kontextualisieren. Unterschiedsfragen können positiv sensibilisieren für Ereignisse, die von den bisherigen Erwartungshaltungen abweichen. Zur Auflösung der Problemtrance kann durch Humor und Provokation eine Dekonstruktion der Wirklichkeitslandschaft erfolgen. Ebenfalls können Ängste externalisiert (White / Epston) oder mit dem IFS Modell (Schwarz) gearbeitet werden.

Zwänge sind eine Pseudokompensation und dienen dem Schutz vor negativer Befindlichkeit. Sie können die Beziehung regulieren (zu sich selbst bei Defiziten des Selbstwertgefühls oder anderen nahen Bezugspersonen). So lassen sich 75% der Eltern in die Zwangsrituale ihrer Kinder mit hineinziehen. Oft wird der Partner eng in die Störung mit einbezogen. Die Störung kann dabei auch ein Ersatz für etwas Drittes (z.B. Kinder oder gemeinsame Projekte) werden. Die Paardynamik kann ggfs. mit der Rolle der Flasche eines Alkoholikers verglichen werden. Zwangsstörungen führen auch zu Kommunikationsstörungen, die wiederum zu Zwängen oder ihrer Aufrechterhaltung beitragen können. Zur Unterstützung einer Entstörung von Zwängen können ebenfalls Rituale eingesetzt werden (eine ‚mehr desselben‘ Intervention passt aber nicht bei allen Klienten). Ein Ritual allein löst die Zwangsstörung nicht auf, kann aber, wie eine Musterunterbrechung (z.B. Unterlassungsintervention), kreativen Raum für Neues öffnen, welches oft Unsicherheit und Ungewissheit bei allen Beteiligten hervorruft (inkl. Therapeut).

Bei Belastungsstörungen (z.B. PBTS) ist es aus systemischer Sicht weniger wichtig was das Problem ist, sondern wer es definiert, welche sozialen Prozesse beteiligt sind und was dann als Problem benannt wird (‚Betonierung der Opferrolle‚). Zusätzlich gilt es eine Vielzahl von Methoden zu kombinieren (z.B EMDR, Kunsttherapie, Soziogramm, Psychodrama, Psychopharmakologie).

Der Körper wird bei somatoformen Störungen in die Erfahrung und Erzeugung von Wirklichkeiten einbezogen. Krankheit an kritischen Punkten eines Familienzyklus kann dafür sorgen, dass sich Dinge nicht zu schnell verändern, weil zunächst Fürsorge und Rücksicht gefragt sind. Eine erhöhte Aufmerksamkeit gegenüber körperlichen Befindlichkeiten kann von einer Ignoranz gegenüber emotionalen Befindlichkeiten ablenken. Insbesondere somatoforme Schmerzstörungen können mangelnde Fähigkeiten zur Modellierung der eigenen Emotionen (z.B. bei Gewalt oder sexuellem Missbrauch) kompensieren. Somatisierende Angehörige haben oft wenig oder keine Sprache für emotionale Erfahren entwickelt. Wenn zwei Partner gemeinsam somatisieren, schenkt ihnen das eine gemeinsame Sprache für alles Unbehagliche. Systemisch ist die Ursachenattributierung innerhalb des Systems (Familie) sehr bedeutsam. Bei einer Entstörung geht es zunächst darum behutsam eine neue Sprache einzuführen und die Symptome als zunächst sinnhafte Konstruktion anzuerkennen. Dabei können neurobiologische Modelle hilfreich für die Akzeptanz einer neuen Sprache sein. Es gilt alle Personen, die eine bedeutsame Perspektive auf das Geschehen haben, zu verbinden und alle Symptome als bio-psycho-sozial zu verstehen.

F5 Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren / F50 Essstörungen

Aus systemischer Sicht ist es wichtig, dass es keine einheitliche Ursache von Anorexie gibt. Familien mit anorektischen Mitgliedern sind deswegen weder automatisch dysfunktional, noch Schuld. Die Störung setzt allerdings (spätestens bei Lebensbedrohlichkeit) alle Familienmitglieder unter eine hohe emotionale Anspannung. Es kann innerhalb der Familie Muster geben, die eine Somatisierung fördern, z.B. Verstrickungen (interpersonale Grenzen oder Grenzen von Familiensubsystemen sind unklar oder gehen verloren), Überfürsorglichkeit, Starrheit, Konfliktvermeidung, Konflikt-Umleitung (die Symptomatik des Kindes als Beziehungsregulator der Eltern). In Familien, in denen sich ein Mitglied bulimisch verhält, kann man oft eine lustvollere Norm und Lebensweise vorfinden, wobei aber an der Lust ein Haken ist, der das Genießen nur im Kombipack mit Selbstquälungen erlaubt. Die Impulshandlung des Erbrechens ist ein Bewältigungsversuch des ungeschehen machen. Es beseitigt in autonomer Weise unangenehme Spannungen und verbrigt Mangelhaftes und vermeidet Konflikte mit anderen Familienangehörigen. In einer Entstörungsbegleitung wird zwischen einer Stabilisierungs-, Konfliktbearbeitungs-, und Reifungs-Phase unterschieden.

F6 Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen / F60.3 Emotional instabile Persönlichkeitsstörung insbesondere F60.31 Borderline-Typ

Menschen mit Borderline-Störung werden oft so beschrieben, dass sie sich als tief entfremdet von ihrer Familie wahrnehmen und empfinden. Eine respektvolle Exploration der familiären Beziehungsmuster kann deswegen eine hilfreiche Intervention sein. In der Literatur werden zwei Familientypen beschrieben: die vernachlässigende, emotional missbrauchende Familie und die chaotisch-instabile Familie mit ständigen Krisen. Die Borderline-Störung ist eine besondere Form der Organisation von Ambivalenz. Eine ressourcenorientierte Sicht ist, dass Klienten vielfältige Möglichkeiten der Nähe-Distanz Regulierung haben; nach dem Motto leben ‚Das Konstante ist der Wandel‘; entgegengesetzte Bedürfnisse ausleben; auf der kognitiven und emotionalen Ebene die Fähigkeit haben schnell zu alternieren; sich abgrenzen, Grenzen öffnen und Grenzen überschreiten; zu testen ‚Wer hält mich aus, so wechselnd, wie ich bin?‘. Die Leitfrage des therapeutischen Arbeitens ist ‚Wie würde man mit dem Klienten arbeiten, wenn es die Diagnose nicht gebe?‘ (Weglassen der Stigmatisierung). Symptome werden weniger als Defizit und mehr als kreative Lösung betrachtet. Es wird mehr mit dem Klienten erörtert (als Experte für sein System) und weniger trainiert. Der Therapeut nimmt eine neutrale Position und Funktion ein, was auch dabei hilft sich nicht in die Inszenierung des Klienten verstricken zu lassen. Eine tragende Supervisionsgruppe (insbesondere bei eingesetzten Suiziddrohungen) kann sehr hilfreich sein. Mit positiver Konnotation und Humor können sich Interventionen zunächst auf das beobachtbare Verhalten konzentrieren und erst später eine umdeutende Kontextualisierung und die Entwicklung weniger schmerzhafter Verhaltensalternativen.



Was heißt ‚Systemik‘ in Therapie und Coaching?

Konstruktivistisch, Philosophie, Psychologie, Systemisch, Therapie Posted on So, Februar 02, 2020 15:11:09

Regeln in sozialen Systemen erkennt man an Einschränkungen von Verhaltensoptionen der Systemmitglieder und daran, welche Bedeutungen den Dingen zugewiesen werden und welches Verhalten als möglich und unmöglich angesehen wird. Bei diesem (oft nicht bewussten) Aushandeln der Regeln ist wichtig, dass wir in der Lage sind, uns in andere Menschen hineinzuversetzen, in dem wir den anderen ein Bewusstsein unterstellen, das unserem ähnlich ist. Wir handeln auf Grund unserer Erwartungen darüber, was die Erwartungen der anderen sind (Erwartungs-Erwartung). Aber natürlich können wir über das Verhalten der anderen nicht sicher sein, denn unsere Erwartungen können falsch sein und so kommt es zu nicht vorhersehbaren Überraschungen. Regeln werden autonom innerhalb des Systems ausgehandelt. Sie werden gemeinsam konstruiert. Die Philosophie des Konstruktivismus ist damit die erkenntnistheoretische Grundlage einer systemischen Haltung und Denkens. Ein System definiert sich selbst. Man kann auch sagen, ein System ‚ist‘ die Differenz zwischen sich und seiner Umwelt (Luhmann). Systeme erschaffen und erhalten sich selbst (sind ‚autopoietisch‘). Die sozialwissenschaftliche Theorie sozialer Systeme stammt von Niklas Luhmann, dessen Bücher bis heute kaum in andere Sprachen, insbesondere Englisch, übersetzt wurden. Dennoch haben seine Grundlagen die Theorie der systemischen Therapie im deutschsprachigen Raum stark geprägt. In der Medizin und insbesondere Psychologie, ist heute das allgemeine Verständnis, das alles Geschehen, insbesondere bei Störungen, bio-psycho-sozial zu betrachten ist. Luhmann schlug vor, für das Verständnis menschlicher Wirklichkeit, drei Klassen von autopoietischer Systeme zu unterscheiden: biologische Systeme (Leben), psychische Systeme (Bewusstsein) und soziale Systeme (Kommunikation). Dass diese drei Systeme in relativ starker Unabhängigkeit von einander arbeiten, hat für eine systemische Sicht einer Therapie und Coaching weitreichende Konsequenzen:

  • Unabhängigkeit Psyche und Kommunikation: Menschen können sich grundsätzlich nicht gegenseitig durch Kommunikation verstehen. Kommunikation regt, als ‚Umwelt‘ des Systems Psyche, lediglich Prozesse an.
  • Unabhängigkeit des Systems Kommunikation: Im System Kommunikation entwickeln sich, durch das ‚Eigenleben‘ im System Kommunikation, Muster, die anders ablaufen, als es sich die Beteiligten wünschen.
  • Unabhängigkeit des Systems Psyche: Gefühle sprechen nicht. In der Therapie kann deshalb lediglich mit der Kommunikation über den Umgang mit Gefühlen gearbeitet werden.
  • Unabhängigkeit Kommunikation vs. Psyche und Biologie: Die Kommunikation im Coaching und Therapie kann nicht direkt auf Pyche oder die Biologie einwirken, sondern als ‚Umwelt‘ lediglich Prozesse anregen.

In einem konstruktivistischen Verständnis gehen wir davon aus, dass wir als Menschen niemals eine objektive Wahrheit (sollte es diese jemals geben) erkennen können. Unsere Sensorik nimmt lediglich Reize wahr. Die Beurteilung dieser Reize, unsere Kognition, ist es, die diesen einen Sinn verleiht. Wir konstruieren einen Sinn. Sinn ist nicht allein in der Welt vorhanden. Er wird von uns als Beobachter erschaffen und erhalten. Im sozialen Konstruktivismus gibt es nicht Menschen die miteinander sprechen, sondern es gibt Geschichten (Narrationen), die eine Wirklichkeit, unabhängig von den einzelnen Menschen, erschaffen. Systemik in Therapie und Coaching heißt damit auch, die Kraft einer Perspektivenvielfalt zu nutzen und den Umgang mit Bedeutungen von Narrationen (z.B. durch Metaphern) neu zu verhandeln, in einem ‚Tanz der Bedeutungen‘.

Die Kongruenz des Systems ‚Sozial‘ mit ‚Kommunikation‘ hat ebenfalls weitreichende Bedeutung. Unsere Geschichte, also die Beobachtung und Definition unserer gesellschaftlich akzeptierten Wahrheit, durch die Unterdrückung alternativer Geschichten mit Hilfe der Massenmedien, ist immer auch mit sozialer Macht verbunden. Geschichte schreiben immer die Sieger. Aber auch die Sprache selbst, als einer der wichtigsten Kommunikationsmittel, war schon immer mit Macht und Machtausübung verbunden (vergl. Foucault und Derrida – Macht durch normierte Wahrheiten).

In einer systemischen Sicht ist die Welt nicht einfach kausal, schon gar nicht linear kausal, sondern ein komplexes Geschehen. Sie ist nicht so ‚ordentlich‘ und berechenbar wie wir sie gerne hätten (denn das gibt uns Sicherheit). Stabilität und Ordnung sind eher Konstruktionsleistungen eines oder mehrerer Beobachter. Kausale Beschreibungen können in Systemen problematische Folgen nach sich ziehen, die bei einem systemischen Arbeiten in Coaching und Therapie in Frage gestellt werden. ‚Probleme‘ lassen sich systemisch als Kommunikation verstehen, die etwas als unerwünscht und veränderbar bewertet. Ein Problem wird aus folgender Zusammenwirkung konstituiert: Einer Selektionsleistung von einer oder mehreren Personen, die einen Zustand beschreiben; beobachtet von einer oder mehreren Personen, die diesen Zustand entdecken und beschreiben; bewertet als unerwünscht oder veränderungsbedürftig von einem oder mehreren Beobachtern; und zumindest ein Beteiligter glaubt daran, dass dieser Zustand änderbar sei (anderenfalls ist es Schicksal). Probleme werden aus systemischer Sicht erfunden und entdeckt (konstruiert). Ein Problem erschafft auch ein System (problemdeterminierendes System) in dem die kollektive Aufmerksamkeit auf ein Problem gelenkt wird, eine Erklärung für das Problem erfunden (konstruiert) und diese verfestigt und aufrechterhalten wird. Sie werden erzeugt und aufrechterhalten, weil sie nützlich im System sind. Probleme in systemischer Sichtweise erfüllen eine Funktion (z.B. Aufrechterhaltung einer Stabilität/Gleichgewicht in einem System). Aus Sicht der systemischen Therapie sind Krankheiten Probleme, die differenziert, aus bio-psycho-sozialer Perspektive betrachtet werden sollten. So gibt es z.B. im Englischen für das deutsche Wort Krankheit gleich drei Wörter, mit unterschiedlichen Bedeutungen: disease (bio-medizinisch), illness (psycho-erlebte) und sickness (sozial anerkannt).



Hierarchie sorgt für Unsicherheitsabsorption

Kommunikation, Systemisch Posted on So, Februar 02, 2020 14:16:39

Hierarchie entlastet Mitarbeiter, weil es jemandem gibt, dem die Verantwortung für eine Entscheidung zurechnet werden kann. Eine formale Hierarchie kann alleine dadurch, dass es sie gibt, konfliktpräventiv wirken. Sie gibt Mitarbeitern Orientierung, in dem sie einen Rahmen setzt. Ausserdem kann sie Kommunikation beschleunigen.

(Luhmann, 2000)



Wissen nicht, dass sie glücklich sind

Sprüche Posted on So, Februar 02, 2020 14:08:44

Viele Menschen wissen, dass sie unglücklich sind.
Aber noch mehr Menschen wissen nicht, dass sie glücklich sind.
(Albert Schweitzer)



Gedanken formen

Sprüche Posted on So, Februar 02, 2020 14:07:32

Unser Leben ist so, wie unsere Gedanken es formen.
(Marc Aurel)



Lyotard und das Ende der großen Metaerzählungen

Philosophie Posted on So, Februar 02, 2020 14:04:27

Jean-François Lyotard (‚Das Postmoderne Wissen‘, 1979) entwickelte die These, dass wir Menschen den Meta-Erzählungen der Vergangenheit keinen Glauben mehr schenken. Diese seien: Aufklärung, Idealismus und Historismus. Sie würden den heutigen Menschen keine Orientierung mehr bieten. Deshalb seinen wir anfälliger für Zerstreuung und Totalitarismus geworden.