In unserer westlichen Zivilisation haben wir die Erwartungshaltung entwickelt, frei von Leiden zu sein. Wir nehmen eine „gesunde Normalität“ zum Maß der Dinge, beruhend auf der Annahme, dass ein Mensch im „natürlichen Gleichgewicht“ automatisch gesund und glücklich ist. Selbst, wenn wir alles haben, alles besitzen, uns es gut gehen sollte, kann es sein, dass es uns nicht genügt. Nichts, was von außen kommt, sichert uns letztlich eine Freiheit vom Leiden.

Wir definieren Gesundheit als Fehlen von Krankheit (gemessen und definiert an einer bestimmten Anzahl und Symptomen, die wir als Abweichung vom Normalen definiert haben). Unsere moderne Medizin hat uns überzeugt, dass Heilung die Ursache von Gesundheit ist. Wir blenden dabei aus, dass Gesundheit mehr als die bloße Abwesenheit von Krankheit sein kann. Über Jahre und Jahrzehnte haben wir die Tendenz, immer mehr Abweichungen vom „Normalen“ zu definieren und so immer mehr Störungen festzustellen. Wir pathologisieren dabei wahrscheinlich zunehmend „normale Lebensprozesse“ wie Kummer, Trauer oder Furcht. Dennoch scheint der Ansatz der letzten Jahrzehnte selten zu mehr Glück und Lebensqualität zu führen. Alle Menschen „leiden“. Es ist geradezu normal „abnormal“ zu sein. Allerdings Leiden manche Menschen mehr als andere. Manche Menschen können, selbst unter ähnlich widrigen Umständen, sich anpassen, sind resilienter und haben mehr Qualität im Leben als andere.

Das, was uns als Menschen so besonders macht, die Quelle unseres Fortschritts, unsere Fähigkeit zu kategorisieren, zu bewerten, zu urteilen, Situationen bewusst einzuschätzen, Vergleiche mit anderen Situationen anzustellen, Beziehungen zwischen vergangenen und gegenwärtigen Situationen vorherzusagen ist unser Denken. Denken ist nichts anderes als zu sich zu sprechen. Menschlicher Fortschritt war so immer auch mit der Entwicklung unserer Sprache verbunden. Leider schaffen die gleichen Funktionen, die uns so besonders machen auch eine Grundlage für das Potential Stress, selbst bei Abwesenheit unmittelbarer Reizauslöser, zu empfinden. Das menschliche Leiden besteht hauptsächlich aus einer Fehlanwendung ansonsten positiver psychischer Problemlösungsprozesse. Um diese Fehlanwendungen zu vermindern und die Qualität in unserem Leben zu verbessern, müssen wir lernen unsere Sprache und unser Denken zu gebrauchen, ohne von ihr vereinnahmt zu werden. So, wie ein Hammer auch nicht für alles taugt, ist auch unsere Alltagssprache nicht für alle Zwecke geeignet. Leiden entsteht insbesondere dann, wenn Menschen so stark an den wörtlichen Inhalt ihrer Gedanken glauben, dass sie mit ihren Kognitionen vollständig oder überwiegend eins werden (verschmelzen, ‚become fused‘). Im Zustand dieser Fusion wird der Wunsch den „richtigen“ Gefühlszustand zu erreichen dominant und Ziel eines ständigen Kampfes.

Ziel sollte es stattdessen sein, diese Menschen von solchen Gedanken zu „entflechten“, ihnen wieder die Unterscheidungsfähigkeit beizubringen, um ihnen ein „besseres“ Leben zu ermöglichen. Der Ansatz von ACT (Akzeptanz- und Commitmenttherapie, oder auch „Accept, Choose and Take action“) ist weniger sich „gut zu fühlen“, als darin „gut zu fühlen“, denn es ist durchaus gesund auch unangenehme Gedanken und Gefühle zu haben. Wir alle haben eine natürliche Tendenz unangenehmen Dingen auszuweichen, negative Erlebnisse zu vermeiden. Dabei wird in unserer sozialen Gemeinschaft die Tendenz zur Erlebnisvermeidung oft verstärkt. Wir bewerten häufig (z.B. Kinder) positiver, wenn sie die Fähigkeit zeigen, negative (aversive) emotionale Zustände besser zu kontrollieren und zu beherrschen, d.h. nicht nach außen zu zeigen. Gefühle, Emotionen und auch viele Gedanken lassen sich aber nicht willentlich kontrollieren und je mehr wir dies direkt versuchen, desto stärker werden sie. Unsere emotionalen Reaktionen sind Echos unserer eigenen Geschichte. Einmal gemachte Erfahrungen können aber nicht aus unserem Gehirn gelöscht werden. Um unerwünschte emotionale Reaktionen sicher zu vermeiden, müssen wir so unser Leben verfälschen, dass wir den Kontakt mit unserer Lebensgeschichte verlieren. Eine zu häufige Erlebnisvermeidung führt oft zu einem Mangel an positiven Emotionen (weniger empfundenes Glück). Um solche, nicht hilfreichen, Folgen zu vermeiden, brauchen wir die Bereitschaft den Kontakt mit unseren Erlebnissen zu ermöglichen und aufrechtzuerhalten und zusätzlich die psychische Akzeptanz einer offenen und nicht bewertenden Haltung. Akzeptanz ist dann nicht Resignation oder ein Hinnehmen, sondern ein aktiver Prozess. Diese (neue) Haltung muss erst einmal erlernt werden, denn sie kann nicht durch einfache Instruktionen erzwungen werden. Bei der Gestaltung des Lebens sind (persönliche) Werte nützlich, denn sie helfen zwischen Alternativen zu wählen. Handlungen zur Erreichung von Zielen im Leben sollten deshalb besser wertegeleitet sein. Das erfordert ein Bewusstsein der eigenen Werte als Basis für ein engagiertes Handeln.