Wir leben heute in einer industriellen Welt, einer Welt der gegenseitigen wirtschaftlichen Abhängigkeit. Arbeitsteilung steigert die Produktivität und sorgt für einen größeren Wohlstand. Die Theorie der ‚unsichtbaren Hand‘ nach Adam Smith ist bis heute die Philosophie des kapitalistischen Marktmodelles. Die unsichtbare Hand im freien Spiel von Angebot und Nachfrage, die den Menschen und der Gesellschaft, getrieben durch Egoismus, Wohlstand generiert. Ein Gegen-Entwurf stammt von Karl Marx, der im freien Spiel von Angebot und Nachfrage langfristig Krisen und Zusammenbruch sah und deshalb empfahl Privateigentum gänzlich abzuschaffen. Eine Forderung, die auch Rousseau erhob, der im Eigentum die Hauptursache aller modernen Laster sah. Marx betonte, dass uns unsere Arbeit prägt: Wir sind das was wir tun und wie wir es tun. Alles was in unser Köpfen vorgeht sei tatsächlich nur die Widerspiegelung der jeweiligen materiellen Produktionsverhältnisse. Nicht das Bewusstsein bestimmt das Leben, sondern das Leben bestimmt das Bewusstsein.

Tatsächlich sind sozial Wissen und Macht untrennbar miteinander verbunden. “Als Wesen sind wir alle unsichtbaren sozialen ‚Kontrollen‘ mittels vorsprachlicher Praktiken und den darin enthaltenen soziokulturellen Koordinationsmuster unterworfen.” (Karl Tomm)

Michel Foucault hat Macht durch normierte Wahrheiten eindrucksvoll z.B. in seinem Machtmechanismus des Panopticon demonstriert, eine Maschinerie, in der alle eingefangen sind: diejenigen, die die Macht ausüben ebenso, wie diejenigen, die ihr unterworfen sind. Macht wirkt sich gestaltend aus: Wir sind der Macht durch normierte Wahrheiten unterworfen (Wahrheiten im Sinne konstruierter Ideen, denen Wahrheitsgehalt zugeschrieben wird), die unser Leben und unsere Beziehungen formen. Diese Wahrheiten werden wiederum durch die Anwendung von Macht hervorgebracht. Damit sind auch Macht und Wissen untrennbar verbunden. Macht kann nur im Einklang mit einem bestimmten System ‚wahrer‘ Überzeugungen ausgeübt werden. Wir unterliegen der Produktion von ‚Wahrheit‘ durch Macht und wir können Macht nur durch die Produktion von ‚Wahrheit‘ ausüben. Wir sind gezwungen, in einem Netzwerk von Macht/Wissen zu handeln; darin unterliegen wir den Auswirkungen der Macht und üben diese gleichzeitig im Hinblick auf andere aus.

Im Zeitalter einer immerwährenden Überprüfung und selbstverständlicher Objektivierung haben wir eine Gesellschaftsform der Normierung geschaffen, in der die Folter und Bestrafung früherer souveräner Macht durch Bewertung ersetzt wurde. Diese Form der Macht etabliert sich zwischen den Zeilen durch Bewertungen darüber was normal, was recht und unrecht ist. Eine Unterwerfung unter die besagten ‚Wahrheiten‘ (Normen) führt in der Regel zu einem Gefühl des Unvermögens gegenüber diesen Erwartungen. Menschen werden zu ‚fügsamen Körpern‘.

Marx hebt hervor, dass die jeweiligen Produktionsweisen einer Gesellschaft eine entsprechende Ideologie hervorbringen, die das Herrschaftssystem rechtfertigt und damit nur einem kleinen Teil der Bevölkerung wirklich nützt. In Religion sah er lediglich eine Trostfunktion, die dadurch der Verbesserung im Jetzt im Weg steht. Gesellschaftliche Entwicklung und die ganze Geschichte der Menschen, sah Marx als Konflikte zwischen Herrschenden und Beherrschten (Klassenkampf). Die Entfremdung von der Arbeit (das fertige Produkt gehört dem Arbeiter nicht) führt zu einer Spaltung, in der der Arbeiter sich nicht mehr in der Arbeit, sondern nur noch in der Freizeit verwirklicht und versucht zu leben. Für ihn beginnt das Reich der Freiheit dort, wo das Arbeiten, bestimmt durch äußere Zweckmäßigkeit, aufhört.

Aber Adam Smith hat nicht nur den freien Wettbewerb gefordert. Für ihn war der gesunde Egoismus des Menschen auch dafür verantwortlich, für sich selbst zu sorgen! Der Staat sollte nicht nur den freien Wettbewerb schützen, sondern auch all die Funktionen wahrnehmen, die notwendig sind, aber keinen ausreichenden Gewinn abwerfen. Er wünschte sich großzügige Ausgaben für Jugend-Bildungseinrichtungen, aber auch für ‚jedes Alter‘.

Was ist, wenn nicht entweder oder richtig sind, Kapitalismus oder Marxismus, sondern beide gleichzeitig? Z.B. Kapitalismus zusammen mit einem Grundeinkommen? Was ist, wenn nicht nur eine Geschichte wahr ist, sondern beide und auch weitere Geschichten? So, wie im Konstruktivismus nicht nur eine Landkarte eines Menschen, sondern auch alle anderen gleichzeitig wahr sind und all das eben auch zu den Fakten in dieser Welt gehört (Wittgenstein).

Wittgenstein stellte Sprache in den Mittelpunkt seiner Philosophie. Sprache als unser Käfig aus dem es kein Entkommen gibt. Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt. Mehr noch, er beschrieb im Tractatus wie Erkenntnisse der Welt einzig zu beschreiben seinen, womit er im Grunde nur noch wissenschaftliche Aussagen über die Welt zuließ (Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen). Deshalb kann man moralische Sätze auch nicht überprüfen. Für ihn war alle Philosophie nur Sprachkritik. Erst in seinem späten Werk ‚Philosophische Untersuchungen‘ ging es ihn nicht mehr um die logisch korrekte Formulierung von Sätzen, sondern um die Sprache in unserem alltäglichen Gebrauch.

Nach Wittgenstein betreiben wir täglich ‚Sprachspiele‘, die unser Denken und Wahrnehmung zutiefst beeinflussen und prägen. In diesem Sprachspiel erzeugen wir eine eigene Wirklichkeit. Wörter bekommen ihre Bedeutung erst durch den jeweiligen Gebrauch innerhalb dieser Sprachspiele. Systemisch-konstruktivistisch würden wir sagen ‚Im (sozialem) System werden Informationen (Tatsachen) konstruiert und deren Bedeutung und Bewertungen verhandelt (ebenfalls konstruiert)‘. Sprachspiele müssen dauerhaft in einer Gesellschaft angewendet werden um dort verankert zu bleiben und um weiter gespielt werden zu können. Mit der Geburt sind wir existentiell in bestimmte Sprachspiele eingebunden. “Die Bedeutungen eines Wortes oder eines bestimmten Verhaltens kann dadurch konstruiert und erfunden werden, wie dieses Wort in der sozialen Interaktion – in einem spezifischem Kontext – verwendet wird.” ( Steve de Shazer)

Nach Wittgenstein gibt es nicht keine, auch noch so private Vorstellung, die nicht in ein Sprachspiel und deren Regeln eingebunden ist. Wir alle spielen Theater (siehe auch gleichnamiges Buch von Erving Goffman), haben damit zwar die Sicherheit der sozialen Rolle, aber bringen uns um die Chance zu echten Beziehungen.

Umgekehrt kann auch ein neues Sprachspiel eine Veränderung der Wirklichkeit nach sich ziehen. Mächtige haben zu allen Zeiten versucht das Sprachspiel ihrer Untertanen zu kontrollieren und zu beeinflussen (auch eindrucksvoll im Roman 1984 als Neusprech beschrieben).

Wenn unser Leben für uns problematisch oder unbefriedigend ist, müssen wir die (Sprach)Form ändern: Die Sprache der Lösungsentwicklung ist eine andere als die, die zur Problembeschreibung notwendig ist (Steve de Shazer).

Auch für Adorno ist Sprache keine harmlose Zuordnung von Wörter und Begriffen, sondern kann zu einem gefährlichem Organ der Herrschaft werden, denn in Wörtern und Begriffen steckt bereits, ohne dass wir es merken, ein Macht- und Herrschaftsanspruch. Von Geburt an bewegen wir uns so in einer manipulierten Welt. Nach ihm, müssen wir uns diesem Zusammenhang bewusst sein und uns einer Art permanenter Selbstkritik am eigenen Denken unterziehen. Philosophie ist für ihn, anderes als für Wittgenstein, der permanente, aber auch verzweifelte Versuch, das zu sagen, was sich nicht sagen lässt. Adorno kritisiert auch die Naturwissenschaft wegen ihrer eingeschränkten Sichtweise, die nur das als wahr gelten lässt, was sich messen und in Experimenten wiederholen lassen kann. Außerdem würden sich Naturwissenschaftler sich selbst nicht eingestehen, dass auch sie unter einem bestimmten Machtzwang stehen. Für ihn ist die moderne kapitalistische Gesellschaft auf Abwegen, weil sie zwar Wohlstand hat, aber gleichzeitig den Sinn für die Natur und ihr eigene Liebesfähigkeit verloren hat. Zwischenmenschliche Beziehungen würden verdinglicht und die natürliche Anteilnahme am anderen schwindet. Jeder kämpft für sich allein. “Jeder Mensch heute, ohne jede Ausnahme, fühlt sich zu wenig geliebt, weil jeder zu wenig lieben kann.” Ähnliches hatte der Dalai-Lama in seinem Buch ‚Das Buch der Menschlichkeit: Eine neue Ethik für unsere Zeit‘ kritisiert.

Wo Sprache für Adorno Verblendung und eine fast unlösbare Aufgabe sich nicht dumm machen zu lassen ist, ist sie für Habermas ein hartnäckiger Ausdruck eines Anspruchs nach immer besserer Verständigung zwischen den Menschen. Verständigung sei als Ziel in jeder Sprache angelegt. Wenn wir etwas sagen, dann unterstellen wir, dass das Gesagte eine Chance hat, auch gehört und verstanden zu werden. Damit sei in jeder Sprache ein Vernunftsanspruch nach Verständlichkeit, Wahrheit, Wahrhaftigkeit und Richtigkeit angelegt. Im Idealfall können wir im Gespräch diese Ansprüche einlösen, wenn es angstfrei und unabhängig von Macht geführt wird (im herrschaftsfreien Diskurs). Er empfiehlt diesen Grundsatz dem kategorischen Imperativ von Kant zum ethischen Handeln hinzuzufügen.

Habermas sah Verständigung als angelegten Sinn in der Sprache. Nach Niklas Luhmann ist allen psychischen und sozialen Prozessen ein ‚Sinnzwang‘ auferlegt. Sinn kann man weder vermeiden noch verneinen. Sinn steuert Selektionen z.B. in der Kommunikation. Es wird immer nur gesagt und getan, weil man es für sinnvoll erachtet. Es geht nicht anders! Das bedeutet, dass Sinn nicht in der Welt steckt, sondern von Operateuren und Beobachtern zugeschrieben wird. Sinn wird immer zugewiesen, er wird ‚konstruiert‘. Dabei ist nach Luhmann der Sinn von Kommunikation keinesfalls eine erfolgreiche inhaltliche Verständigung. Kommunikation sei nicht auf Konsens ausgelegt, auch nicht auf Dissens. Kommunikation ist Differenz. Erfolgreiche Kommunikation ist fortgesetzte Kommunikation; Kommunikation ist erfolgreich, wenn sie erfolgt und weiter erfolgt. “Kommunikation hat keinen Zweck. Sie geschieht, oder geschieht nicht – das ist alles was man dazu sagen kann”. Kommunikation in der soziologischen Systemtheorie von Luhmann besteht nicht aus zwei, sondern drei Aktionen (1) Selektion der Information, (2) Selektion der Mitteilung und (3) Selektion der Annahme, des Verstehens. Kommunikation ist eine Einheit, die Mitteilen, Information und Verstehen auf mehreren Seiten einschließt. Kommunikation beginnt deshalb logisch mit dem Verstehen und nicht, wie oft angenommen wird, mit einer Mitteilung. Information wird durch einen Beobachter konstruiert. Erst durch einen selektiven Akt der Aufmerksamkeit und Zuschreibung von Bedeutung wird etwas zur Information gemacht. Ein Beobachter trifft eine Unterscheidung, er kreiert eine Differenz zwischen dem, was er als Information ansieht, und allem anderen. Auch eine Mitteilung ist immer eine Selektion: eine Entscheidung für eine bestimmte Information, gegen eine andere mögliche. Eine weitere Selektion bedeutet zu verstehen, dass es sich um eine Mitteilung handelt; nicht etwa etwas ‚richtig‘ zu verstehen. Nach Luhmann ist es nicht die Mitteilungsabsicht eines Senders, sondern die Interpretation als Mitteilung durch einen Empfänger die darüber entscheidet, ob Kommunikation vorliegt oder nicht.

Zurück zu dem Thema Sinn, dass insbesondere Heidegger und Sartre beschäftigten. Was ist der Sinn vom Sein? Der Mensch ist, ohne eine vorgegebene Antwort auf das Woher, Wohin oder Wozu, zu haben. Wir sind geworfen, in-die-Welt-geworfen und uns selbst verantwortet. Es gibt am Ende nichts, das uns sagt warum wir überhaupt leben sollen. Laut Sartre gründet sich das menschliche Dasein im Kern auf Nichts, weshalb wir dazu verdammt sind unsere Entscheidungen selbst zu treffen. Nichts kann diese Freiheit einschränken. Und davor haben wir Angst (“Wir sind Angst.”). Ein Herausreden auf determinierende Fakten wie Erziehung, Erbanlagen, Milieu oder Zufälle sei reine Unaufrichtigkeit. Der Mensch ist im Kern seines Seins Freiheit, denn er ist Mangel an Identität. Wegen dieses Mangels muss er seine eigene Identität entwerfen, ohne dass er diesen Entwurf rechtfertigen oder begründen könnte (“Das Leben hat a priori keinen Sinn. Bevor Sie leben, ist das Leben nichts, es ist an Ihnen ihm einen Sinn zu geben.”). Er ist also zur Freiheit verurteilt, weil er nicht anders sein kann, als ein Entwurf von sich selbst zu sein. Die Freiheit des Menschen ist eine dreifache Verdammnis: 1. werden wir in die Existenz als Freiheit hineingeworfen, 2. müssen wir ständig Möglichkeiten auswählen und 3. sind wir verurteilt für diese Auswahl gerade zu stehen und die Schuld auf uns zu nehmen.

Als einer der ersten Philosophen überhaupt erforschte Sartre die Struktur der zwischenmenschlichen Beziehungen: Ein anderer Mensch tritt in mein Zimmer. Ich erlebe, wie dieser Mensch seine Welt organisiert, in dem er mich registriert. Ich erfasse intuitiv, dass der Andere einen Aspekt meines Seins erlebt, der mir entgeht. Er erfasst mein äußeres Sein, das ich nicht erfassen kann. Das ist das “Mitten-in-der-Welt-sein”. Der Andere trägt mein äußeres Sein. Er wird mein “Für-mich-sein” mit gewissen Qualitäten versehen, mich irgendwie objektivieren und mich zu einem “An-sich-sein” erstarren lassen. Ich erlebe den Blick des Anderen. Ich empfinde Unbehagen. Alles in mir sträubt sich gegen seine Zuweisung. Ich bin und will mehr sein. Wenn ich mich erkannt fühle, schäme ich mich. In meiner Scham offenbart sich der Vorgang des Wiedererkennens des eigenen Selbst im Blick des Andren. Meine Beziehung zum anderen ist prekär. Er trägt mein äußeres Sein und er kann mir als Spiegel dienen. Insofern ist er notwendig für meine eigene Identitätsfindung. Das Urteil des Anderen dient mir als Spiegel. Dessen Urteil ist hingegen frei, so dass mein Spiegelbild niemals gesichert ist. So ist meine Lage hinsichtlich des Anderen permanent gefährdet (“Die Hölle, das sind die Anderen”). In anderen Worten, die Menschen sind auf die Liebe, die Meinung und die Reaktionen der anderen Menschen im System existentiell angewiesen, um überhaupt ein Selbstgefühl oder eine Vorstellung von sich zu bekommen. Wir wollen von anderen zwar anerkannt werden, können uns dieser aber nie sicher sein, da die anderen Menschen prinzipiell frei sind und uns jederzeit ablehnen können. Wir befinden uns in einem ständigen Kampf um Anerkennung. Unsere Identität hängt zutiefst von den Anderen ab.

Adorno fordert von uns, die permanente Nicht-Identität und das Aushalten des Nicht-Identischen, was schwierig ist, denn der Mensch strebt nach Versöhnung und Identität. Wir sollten uns in der Nicht-Identität die Offenheit bewahren und allein durch diesen Widerstand einen Schritt in Richtung ‚richtiges‘ Leben machen, ohne davon irgendeine konkrete Vision zu haben.

Camus beantwortete die Frage nach dem Sinn des Lebens wie folgt: Es gibt keinen. Das Leben ist absurd: ‚In diesem Zustande des Absurden muss man leben‘. Das Gefühl der Absurdität erlebt der Mensch im Erkennen der Unvereinbarkeit seines inneren Strebens nach Ordnung und einer irrationalen, nicht zu kontrollierenden Welt. Wir könnten dies besonders dann wahrnehmen, wenn unsere (normale) Welt zusammenbricht. In der Regel vermeiden die Menschen die Wahrnehmung des Absurden indem sie versuchen ihrem Leben einen Sinn zu geben und sie sich an Routinen festhalten. Das ist das menschliche Drama: einerseits müssen wir die Suche nach dem Sinn unternehmen, andererseits ist diese zu Scheitern verurteilt. Unsere Aufgabe sei es, uns mit dem Absurden abzufinden, es zu akzeptieren.

Schopenhauer meint, dass unser Dasein letztlich die leidvolle Erfahrung macht, dass unser einziger Lebenssinn in der mühevollen Erhaltung desselben besteht und es darüber hinaus keinen hat (die fünfte Dimension des Leidens). Das Leben sei ein fortdauernd gehemmtes Sterben, ein aufgeschobener Tod. Jeder Mensch, so Schopenhauer, habe ein Bedürfnis nach einer umfassenden Sinnerklärung.

Wir geben allein schon durch den Gebrauch der Wörter ’sein‘ und ‚ist‘ den Dingen einen Sinn. Heidegger hat es so formuliert: ‚In allem Erkennen, Aussagen, in jedem Verhalten zu Seiendem .. wird von “Sein” Gebrauch gemacht .. Allein diese durchschnittliche Verständlichkeit .. macht offenbar, dass .. wir je schon in einem Seinsverständnis leben ..‚. Heidegger stellt auch die These auf, dass die meisten Menschen den Sinn ihres Lebens verfehlen, indem wir in der Regel nur das tun, was gerade angesagt ist und was ‚man‘ eben tut. Ein Verfallen-sein an ein anonymes ‚Man‘ Leben. Diese Lebensweise ist sehr bequem. Im Grunde ist sie Flucht aus der eigenen Verantwortung. Ähnlich wie Camus sagt Heidegger das es im Grunde einer existentiellen Krise bedarf, um uns daraus zu befreien. Die Stimmung der Angst vor dem ‚Nichts‘ in der unser ganzes bisheriges eben in Frage gestellt wird, die uns bedroht und erschüttert, eröffnet uns dennoch die Chance uns selbst zu finden. Dabei können wir mit unserem Dasein niemals ganz in der Gegenwart sein, weil wir nicht aufhören können uns um unsere Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu sorgen. Der Mensch plant ständig voraus und entwirft sein Dasein in jeder Sekunde auf die Zukunft hin. Er ist sich selbst vorweg. Ein Vorteil ist: wir können uns jederzeit neu entwerfen. Auch unsere Bewertung vergangener Geschichten und Lebenslinien kann neu entworfen werden (Es ist nie zu spät eine glückliche Kindheit zu haben, Fuhrmann). Nach Heidegger sind wir mit unserem Dasein existentiell schuldig, denn wir müssen permanent Entscheidungen treffen und dafür einstehen (siehe auch die ‚dreifache Verdammnis‘ nach Sartre).

Eine Flucht aus unserer Verantwortung beschreibt Nietzsche. Wir alle hätten zwar Gott Schritt für Schritt seine welterklärende Kraft entzogen (“Gott ist todt!”), aber wir hätten sogleich wieder neue Götter und Götzen geschaffen, die uns Orientierung geben, z.B. unsere Sucht nach Konsumgütern. Alle Werte würden dem Spiel von Angebot und Nachfrage untergeordnet, am Ende auch der Mensch selbst. Wir müssten selbst an die Stelle von Gott treten und werden wir sind (der Übermensch).

Alle vernuftsorientierten Interpretationen sind für Freud Unsinn. Es sei genau umgekehrt. Der Mensch ist ein Triebwesen (Der Mensch ist nichts anderes und nichts Besseres als die Tiere). Aber ein Tier könne nicht an einer neurotischen Störung leiden, da es den gesünderen Weg geht und keine moralischen Skrupel kenne. Die menschliche Psyche hat die erstaunliche Fähigkeit, Konflikten auszuweichen, zu leugnen und zu verdrängen und so lange ungelöst zu lassen, bis sie unter Umständen sogar krank machen: “Alle, die edler sein wollen, als ihre Konstitution es ihnen gestattet, verfallen der Neurose. Die Neurose verleugnet die Realität nicht, sie will nur nichts von ihr wissen; die Psychose verleugnet sie und sucht sie zu ersetzen”. Psychische Erkrankungen seien eine Folge davon, dass das ICH unter den Belastungen der Realität, den unbändigen Wünschen des ES oder den strengen Ansprüchen des ÜBER-ICH geschwächt ist und ggf. zusammenbricht.

Zusammenfassend…

Unser Leben, unser Dasein, bestimmt unser Bewusstsein. Wir leben eingebunden in ein Netzwerk von Wissen und Macht durch normierte Wahrheiten, in einem Zeitalter einer immerwährenden Überprüfung und selbstverständlicher Objektivierung. Einer Gesellschaftsform der Normierung durch Bewertung. Sprache ist immer auch ein Macht- und Herrschaftsanspruch. Sprache ist auch unser Käfig, aus dem es kein Entkommen gibt. Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt. Sprache ist aber auch ein hartnäckiger Ausdruck eines Anspruchs nach Verständigung. Kommunikation ist dabei nicht per se auf Konsens ausgelegt, auch nicht auf Dissens. Kommunikation ist Differenz. Information wird durch einen Beobachter konstruiert. Die Bedeutungen eines Wortes oder eines bestimmten Verhaltens kann dadurch konstruiert und erfunden werden, wie dieses Wort in einem spezifischen Kontext verwendet wird. Das sind unsere täglichen Sprachspiele. Wir alle spielen Theater, und erhalten damit die Sicherheit der sozialen Rolle, denn wir sind auf die Liebe, die Meinung und die Reaktionen der anderen Menschen im System existentiell angewiesen, um überhaupt ein Selbstgefühl oder eine Vorstellung von sich zu bekommen. Wir wollen von anderen zwar anerkannt werden, können uns dieser aber nie sicher sein, da die anderen Menschen prinzipiell frei sind und uns jederzeit ablehnen können. Wir befinden uns in einem ständigen Kampf um Anerkennung. Unsere Identität hängt zutiefst von den Anderen ab. Das Aushalten der permanenten Nicht-Identität und des Nicht-Identischen, ist schwierig für uns, denn der Mensch strebt nach Versöhnung und Identität. Allen unseren psychischen und sozialen Prozessen ist ein Sinnzwang auferlegt. Es wird immer nur gesagt und getan, weil man es für sinnvoll erachtet. Wir geben allein schon durch den Gebrauch der Wörter ’sein‘ und ‚ist‘ den Dingen einen Sinn. Der Mensch ist, ohne eine vorgegebene Antwort auf das Woher, Wohin oder Wozu, zu haben. Wir sind geworfen, in-die-Welt-geworfen und uns selbst verantwortet. Nichts kann diese Freiheit einschränken. Und davor haben wir Angst. Die Freiheit des Menschen ist eine dreifache Verdammnis: 1. werden wir in die Existenz als Freiheit hineingeworfen, 2. müssen wir ständig Möglichkeiten auswählen und 3. sind wir verurteilt für diese Auswahl gerade zu stehen und die Schuld auf uns zu nehmen. Eine Flucht ist das Verfallen-sein an ein anonymes, bequem ‚Man‘ Leben.