‚Wir alle spielen Theater’ ist der Titel eines Buches von Erving Goffman, dass dem Leser eine soziologische Perspektive darlegt, in der unser soziales Leben im Grunde aus vielen Theatervorstellungen besteht. Nicht umsonst kommt die ursprüngliche Bedeutung des Wortes Person von Maske (vgl. z.B. wissen.de, Person = Mensch aus lat. persona “Maske des Schauspielers; Bühnenrolle; Person, Persönlichkeit”). “In unseren Rollen erkennen wir einander, erkennen wir uns selbst. Unsere Maske ist das Bild, das wir uns selbst von uns geschaffen haben. Die Vorstellung unserer Rolle wird zu unserer zweiten Natur. Wir kommen als Individuen zur Welt, bauen einen Charakter auf und werden ‚Personen’. (nach E. Park)”

Wie in einer Theatervorstellung, bleiben viele Tatsachen oder Motivationen in unseren sozialen Interaktionen verborgen und nichts kann die Notwendigkeit ersetzen auf Grund von Schlussfolgerungen zu handeln. Jeder wird sich in einem für ihn günstigen Licht den anderen präsentieren. Die Art der Kontrolle, die der Einzelne dabei ausübt, schafft die Bühne für ein Informationsspiel, einen Kreislauf von Verheimlichung, Entdeckung, Enthüllung und Wiederentdeckung. Wir erwarten von jedem Teilnehmer, dass er seine unmittelbaren tieferen Gefühle unterdrückt, den seiner Ansicht nach die anderen am wenigsten akzeptieren können. Diese oberflächliche Übereinstimmung wird von allen aufrecht erhalten, wenn jeder seine wahren Bedürfnisse hinter der Verteidigung von Werten verbirgt, denen sich alle Anwesenden verpflichtet fühlen (Ebene der Arbeitsübereinstimmung).

Eine entscheidende Bedeutung kommt dabei den Informationen zu, die der Einzelne anfangs über seine Mitspieler hat, denn auf dieser Grundlage beginnt er die Situationen zu definieren und die Richtung seiner Handlungen auszubauen. Seine anfängliche Projektion verpflichtet ihn dabei auf das, was er behauptet, und zwingt ihn jeden Anspruch fallen zu lassen, etwas anderes zu sein.

Verteidigungsmanöver des Einzelnen sind Strategien und Taktiken, die er anwendet um seine Projektion zu sichern. Wenn sie dazu dienen, die Projektionen eines anderen zu bewahren wird das als Takt bezeichnet.

Das vorbestimmte Handlungsmuster, das sich während einer Darstellung (einer Reihe von Interaktionen) entfaltet, ist die gespielte Rolle. Viele soziale Rollen im Sinne der Ausübung von Rechten und Pflichten, sind mit einem Status verknüpft und können mehrere Teilrollen umfassen die vom Darsteller bei einer Reihe von Gelegenheiten vor gleichartigem Publikum dargestellt wird. Wenn der Einzelne eine Rolle spielt, fordert er gleichzeitig die Zuschauer auf, den hervorgerufenen Eindruck ernst zu nehmen. Ein Darsteller wird aufrichtig bezeichnet, wenn er an den Eindruck glaubt, den seine Vorstellung hervorrufen soll. Der Teil einer Darstellung, der regelmäßig dazu dient, die Situation für das Publikum zu bestimmen, ist die Fassade.

Zu der Fassade gehört das Bühnenbild (die Requisiten und Kulissen unseres Handelns: Rangmerkmale, Kleidung, Geschlecht, Alter, Rasse, Größe und Erscheinung, Haltung, Sprechweise, Ausdruck, Gestik etc.). Wir erwarten von der Fassade eine gewisse Übereinstimmung zwischen Bühnenbild, Erscheinung und Verhalten. Oft wird eine Vielzahl verschiedener Handlungen nur durch eine kleine Anzahl von Fassaden dargestellt. Auf Grund der stereotypen Erwartungen an die Fassade, können Erwartungen institutionalisiert werden, womit die Fassade eine eigene Bedeutung und Stabilität erhält. Die Fassade wird zur kollektiven Darstellung und zum Selbstzweck. Im Allgemeinen existieren bereits mehrere wohletablierte Fassaden, zwischen denen der Einzelne seine Wahl zu treffen hat. Auch Requisiten einer Fassade können für eine größere Anzahl verschiedener Rollen verwendet werden.

Für Anbietern von Dienstleistungen kann es z.B. schwer sein das ganze Geschehen mangels für den Kunden sichtbaren Bühne zu vermitteln, wodurch für die sichtbaren Leistungen oft mehr Geld verlangt wird.

Muss jemand bei seinen Darstellungen bestimmten Idealen gerecht werden, so muss er Handlugen die nicht damit übereinstimmen, unterlassen oder verbergen. Fehler in den Darstellungen werden oft verwischt, damit der wichtige Eindruck der Unfehlbarkeit aufrechterhalten werden kann. Auch kleine Fehler in der Darstellung können beim Publikum Empörung hervorrufen, nicht weil der einzelne Fehler so schwer wiegt, sondern weil die Darstellung von der vorher entworfenen Definition (Erwartung) abweicht, denn es gehört gerade zur Projektion, dass sie unter den gegebenen Umständen als die einzig mögliche akzeptiert werden kann. Die augenblickliche Darstellung und Beziehung zum Publikum wird betont und der Eindruck einer routinierten Vorstellung verschleiert. Es wird meistens unterschätzt wie stark die Darsteller vom Takt des Publikums abhängig sind (Regeln des Anstandes und der Höflichkeit).

Angehörige von sog. gehobenen Berufen (z.B. Arzte) erwecken gerne den Eindruck einer Überstimmung von Person und Aufgabe, auch, dass sie ideelle Motive dafür gehabt hätten ihre Rolle zu übernehmen. Um den Glauben an Ideale zu unterstützen werden gerne von Körperschaften Lizenzen erteilt, die eine lange und schwer zu beurteilende Ausbildung verlangen. Zum Teil soll wird damit ein Monopol geschaffen, aber auch der Eindruck der Unterscheidung von anderen Menschen bewusst forciert.

Wir neigen dazu “ehrliche” (d.h. mit den Erwartungen an die Rolle / Fassade kongruenten) Darstellungen so zu sehen als fänden sie ohne Absicht statt.

Bei dem Ausfüllen einer neuen Rolle in der Gesellschaft werden dem Einzelnen in der Regel nicht alle Einzelheiten mitgeteilt, sondern nur Stichworte / Regieanweisungen gegeben. Er muss dann die vielen spezifischen Details seiner Rolle selbst erlernen (Eingliederung) um mit den Erwartungen an seine neue Rolle gerecht zu werden. Ein Status, eine Stellung ist nicht etwas Materielles, sondern ein Modell eines kohärenten und klaren Verhaltens. Auf jeden Fall etwas das gespielt und dargestellt werden muss.

Ein Team (Ensemble) ist eine Gruppe von Individuen, die gemeinsame eine Rolle aufbauen. Alle Mitglieder eines Ensembles sind durch gegenseitige Abhängigkeit mit einander verbunden. Offene Meinungsverschiedenheiten vor einem Publikum können einen Missklang erzeugen, so dass Einmütigkeit nach Außen eine Bedingung ist. Eine Berufs-Etikette sind Sammlungen von Ritualen um vor Kunden die Einheitsfront des Berufes zu sichern. Kein Teilnehmer eines Ensembles darf an der Interaktion dem Darsteller- Ensemble und dem Publikum gleichzeitig angehören, wenn der Eindruck gewahrt werden soll. Kontrolle über das Bühnenbild hat den Vorteil, dass der Zugang von Informationen an das Publikum beeinflusst werden kann. Regisseure neigen dazu Vorstellungen danach zu beurteilen, wie glatt / reibungslos diese abgelaufen ist.

Regionen z.B. Vorder- und Hinterbühne sind dadurch definiert, dass sie durch Wahrnehmungsschranken begrenzt sind. Oft wird die Arbeit der Einzelnen hinter der Bühne nach technischen Maßstäben beurteilt, während auf der Vorderbühne die darstellerischen Fähigkeiten zählen.