Was versteht man unter einem double-bind? Ein double-bind entsteht auf Grund einer paradoxen Kommunikationssituation. Entstehung und Ablauf weisen oft schematisch vier Bedingungen auf (in Anlehnung an Bateson u. a. und Watzlawick u. a. 1967, dt. 1969):

  1. Mindestens zwei Personen haben eine intensive Beziehung zueinander, die für einen Partner physisch und/oder psychisch lebenswichtig ist.
  2. Gegenüber einer der beteiligten Personen wird eine verbale Mitteilung gemacht, die zumeist zu einer Handlung oder einem Verhalten auffordert, verbunden mit einer Strafandrohung (Inhaltsaspekt der Mitteilung).
  3. Eine zweite Mitteilung erfolgt auf einer außerverbalen (Gestik, Mimik usw.) oder paralinguistischen (Stimmlage, Sprechgeschwindigkeit) Mitteilungsebene und steht zu der ersten in unauflösbarem Widerspruch (Beziehungsaspekt der Mitteilung).
  4. Der Empfänger hat nicht die Möglichkeit (auf Grund der engen Beziehung), sich den paradoxen Handlungsaufforderungen zu entziehen: Er kann weder aus der Beziehung treten, noch kann es metakommunikativ die beiden Aufforderungen kritisieren oder den zwischen ihnen bestehenden Widerspruch thematisieren.

Die Theorie der Doppelbindung spielt in der Schizophrenieforschung sowie der Kommunikationstheorie eine wesentliche Rolle und wird in zunehmendem Maße für die Analyse und Beschreibung pathologischer Kommunikation und im gesellschaftlichen Bereich herangezogen.

(siehe uni-freiburg.de)

In dem Buch ‚Wege aus der Zwickmühle, Doublebinds verstehen und lösen‚ von Christiane und Alexander Sautter werden die Regeln in einem Double-bind System wie folgt beschrieben:

Die Regeln einer Beziehungsstruktur mit paradoxem Kommunikationsmuster sind weitgehend unbewusst. Die Existenz solcher Regeln, sollten sie bemerkt werden, können sogar vehement bestritten werden. Alle Mitglieder in dem System sind dem Muster gleichermaßen unterworfen. Während in gesunden Beziehungen je nach Kontext sich symmetrische und komplementäre Interaktionen abwechseln, werden in Double-bind Systemen symmetrische Beziehungsmuster gepflegt, negative Gefühle geleugnet und Unterschiede als Gefahr für den Frieden wahrgenommen. Z.B. dürfen Ehepartner nicht wahrnehmen, dass sie verschieden sind. Emotional können sie sich nicht wirklich auf einander einlassen. Rollenmodell sind festgelegt, stereotypisiert. Die Rollenstruktur bleibt unangetastet, egal wie sich die Mitglieder entwickeln. Es darf sich nichts verändern. Alles soll so bleiben wie es ist. In Familien wird die Familienlegende häufig nach außen heftig verteidigt (‚bei uns gibt es keinen Schwierigkeiten‘). In solchen Familien wird viel über andere geredet, die offene Auseinandersetzung jedoch vermieden. Wenn einer im System versucht eine eigenständige Position zu behaupten, wird diese nicht zur Kenntnis genommen oder derjenige zum Sündenbock erklärt. Er dient als Ventil für die Spannungen im System und sorgt so für ein Gleichgewicht. Auch psychische Symptome können eine Sündenbock Funktion übernehmen. Die Gleichheit (Symmetrie) im System muss aufrechterhalten werden. Um die eigene Autorität aufrecht zu erhalten, darf es niemals Bestätigungen geben, sondern stattdessen muss es immer etwas zu finden sein, was man am anderen (Sündenbock) aussetzen kann. Ein andere Regel ist, dass niemand das System verlassen darf. Außerdem ist es nicht erlaubt, über die verwirrende Kommunikation / unterschiedlichen Signale zu sprechen. Unstimmigkeiten werden geleugnet und die Verantwortung dem zu geschoben, der sie klären will. In erster Linie ist es wichtig die Kontrolle zu behalten (‚Du kannst es nie richtig machen, denn darum geht es gar nicht. Es geht ausschließlich darum, die Beziehung zu dir zu kontrollieren.‚).

In Double-bind Familien kann sich ein Kind nicht auf seine Gefühle verlassen. Es erhält die Botschaft “Wenn du so wärst, wie du nicht bist, dann wärst du genau richtig.” Das Kind versucht verzweifelt dieser unerfüllbaren Forderung nachzukommen, weil es danach strebt geliebt und angenommen zu werden. In dem es versucht so zu sein, wie es nicht ist, verstrickt es sich immer tiefer. Ein Mittel zu entgehen, wäre über die paradoxe Kommunikation zu reden, doch das in einer Double-bind Familie verboten. Kinder können je nach Temperament zwei Lösungsstrategien einsetzen: 1. sie versuchen das Ziel der Anerkennung mit erhöhtem Einsatz zu erreichen (oft sind dies später Erwachsene, die unglaubliches leisten, aber selbst nie zufrieden sind); 2. sie finden sich mit ihrer ‚Minderwertigkeit ab und sind überzeugt, keine Anerkennung zu verdienen (beispielsweise tun sie alles für ihre Eltern ohne je einen Dank zu erhalten und beweisen dabei eine enorme Leidensfähigkeit). Andere Lösungsstrategien betreffen die Kommunikation. Betroffene, die sich für den nonverbalen Aspekt der Kommunikation entschieden haben, bezeichnen sich selbst oft als ‚lebendige Antennen‚ und entwickeln eine hohe Empathie. Dem gesprochenen Wort hingegen vertrauen sie nicht, stellen es in Frage, bleiben bei ihrem Gefühl, auch wenn der Beurteilte anderer Meinung ist. Ein Kind kann sich auch für den verbalen Aspekt entscheiden. Jedes Wort des Gegenübers wird dann auf die Goldwaage gelegt, alle Äußerungen interpretiert (ohne Rückversicherung), eigene Beteiligung an Beschuldigungen ausgeschlossen usw. Andere Kinder versuchen den verwirrenden Botschaften mit absoluter Ehrlichkeit (ohne Rücksicht auf Verluste) zu begegnen, auch wenn sie sich dafür Schwierigkeiten einhandeln. Oder Kinder entscheiden sich dafür nicht zu wählen und sind im Alltag unentschlossen bis handlungsunfähig, verlieren sich bei der Gefahr einer möglichen Entscheidung in innere Welten und können die reale Umwelt vollständig vergessen.

Jeder, der in einer solchen Familie aufwächst, kommuniziert, ohne es zu wissen, ebenfalls paradox. Wenn die Eltern verstorben sind oder der Kontakt abgebrochen wurde, setzt sich das Spiel in anderen Kontexten fort (z.B. mit anderen Autoritäten). Auch in Partnerschaften kann dieses Muster fortgesetzt werden indem z.B. einerseits eine große Sehnsucht nach Nähe besteht aber dennoch auch eine Angst vor Nähe. Strategien können Affären mit verheirateten oder fest liierten Partnern sein, oder Fern-Beziehungen mit Menschen am anderen Ende der Welt (‚Nur in der Ferne bin ich dir nahe, doch in der Nähe bin ich dir fern.‘).

Auch in Organisationen können Doppelwirklichkeiten entstehen, die zur Belastung werden können und mit Burnout-Themen zusammenhängen können (siehe z.B. ‚Alles verknotet‚). In einem Kapitel aus dem gleichen Buch von Christiane und Alexander Sautter beschreiben Christel Kumbruck und Erika Kleestorfer, Doppelbindungen in der komplexen Wirklichkeit von Organisationen, die z.B. durch überlappende Regelwerke entstehen können.
Kulturell, durch Merger, durch das Auseinanderklaffen von Normen und Strukturen, durch doppelte Wirklichkeiten der offiziellen Regeln und dem tatsächlichem Handeln, durch Doppelsitzen auf gleicher hierarchischer Ebene (Matrixorganisation), Linien und Stabsfunktionen etc. Dabei kann sich das Individuum ohnmächtig in diesen Widersprüchen gefangen fühlen. Mitarbeiter sollen mit allen parallelen Wirklichkeiten umgehen können; immer wissen, in welcher sie sich gerade befinden; welche Regen gelten und was eine adäquate Reaktion ist. Insbesondere ist ein höchstes Maß an Flexibilität gefordert, denn auch eine Änderung der Spielregeln mitten im Spiel gehört dazu. Am besten die Mitarbeiter müssen überhaupt nicht darüber nachdenken, welches Spiel gerade gilt, sondern verhalten sich automatisch immer angemessen.

Grundsätzlich gilt aber: Double-binds sind erlernte Muster und können verändert werden!

Das Erkennen ist der erste Schritt. Ein installierter innerer Beobachter (eine Instanz in uns, die uns erlaubt ‚mit Abstand‘ zu beobachten) hilft. Oder das Führen eines ‚Trigger (Auslöser) Buches‘, reiten lernen oder einen Hund zu erziehen (in beiden Fällen muss man lernen kongruent / eindeutig zu sein). Belastende eigene Muster auf Grund von Doppelbindungen, denen man ausgesetzt war, lassen sich ändern.