Friedemann Schulz von Thun unterscheidet in “Miteinander reden: 2 (Differentielle Psychologe der Kommunikation)” nachfolgende Kommunikationsstile, die ich insbesondere unter dem Aspekt der Teufelskreise (Schema nach Thomann u. Schulz von Thun, 1988) und Entwicklungsquadrate (Helwig, 1967) zusammenfassen möchte.

Bei den acht Kommunikations- und Interaktionsstilen:

bedürftig-abhängig,
helfend,
selbst-los,
aggressiv-entwertend,
sich beweisend,
bestimmend-kontrollierend,
sich distanzierend,
mitteilungsfreudig-dramatisch,

..handelt es sich um bestimmte Arten und Weisen, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, zu sprechen und die Beziehung zu gestalten. Alles steckt in jedem, jede Strömung ist in jedem Menschen angelegt. Dennoch gilt, dass bei bestimmten Menschen diese oder jede Strömung (Stil)‚ ein besonders breites oder tiefes Flussbett hat. So sehr wir uns von einigen Strömungen distanzieren mögen, sollten wir nicht vergessen: alles steckt in jedem.
„Der Weg zur Humanität wird nicht in weißen Westen zurückgelegt, sondern verlangt die Selbsterkenntnis ungeliebter Anteile, deren Annahmen und Integration.“ Andernfalls droht die Abspaltung dieser Anteile und gegebenenfalls ihre, mit großer moralischer Entrüstung vollzogene, Wiederentdeckung im Anderen.

  1. Bedürftig-abhängiger Stil

Axiom des bedürftig-abhängiger Stil ist ”Ich bin schwach und hilflos – allein bin ich dem Leben nicht gewachsen”. Da die nach außen zugewandte Kontaktseite ‚schwach’ heißt, passt sie gut zu Menschen, deren nach außen zugewandte Kontaktseite ‚stark’ ist, also z.B. zu Menschen mit helfendem Stil. Hieraus können sich zwei typische Teufelskreise ergeben..

Bild Teufelskreis 1 und Teufelskreis 2

Beide Teufelskreise können in ein und derselben Beziehung wirksam werden, zum Beispiel wenn der Partner zunächst fürsorglich reagiert, aber irgendwann, wenn er sich verausgabt hat, in die distanzierende Strömung kippt.

Menschen mit stark ausgeprägtem bedürftig-abhängiger Stil neigen dazu, sich selbst als passiv und abhängig zu erleben, als Opfer des Geschehens. So kommt es auch in ihrer Sprache zum Ausdruck, in der Passiv-Konstruktionen und Betonung der Fremdbestimmung das eigene Mitwirken verleugnet wird. In der “Sprache der Verantwortung” (Gestalttherapie) werden Klienten angehalten statt “Ich kann nicht..” “Ich will nicht” und statt “Ich muss..” “Ich entscheide mich für..” alternativ zu versuchen. Eine weitere Übungsrichtung ist, schrittweise seinen Stil zu verändern: spezifischer, mehr aktiv regieführend und offener und deutlicher zu kommunizieren.

Die Entwicklungsrichtung des bedürftig-abhängiger Stils geht in Richtung “Autonomie und Verantwortung”, während die des helfenden Stils in Richtung “Bewusstsein von Bedürftigkeit und Schwäche” geht.

Bild Wertequadrat 1

  1. Helfender Stil

Axiom des helfenden Stiles ist ”Für mich ist es eine Katastrophe, schwach (ratlos, traurig, verzweifelt) und bedürftig zu sein”. Als geduldige Zuhörer und Ratgeber sind sie allzeit bereit sich für die Schwachen einzusetzen. Diese Haltung ist insbesondere in den sozialen Berufen verbreitet (siehe auch “Helfersyndrom”, Studie von Schmidbauer). Aber auch in Familiensystemen bei älteren Geschwister (Tochter), die als Hilfserzieher für die jüngeren Geschwister einspringen und dafür zwar liebevolle Anerkennung erhalten, jedoch ihre eigene kindlich-bedürftige Seite aus ihrem Selbsterleben ausblenden und ein Kontaktmuster “kleine Erwachsene” annehmen.
Dabei ist der Helfende immer in Gefahr, zum heimlichen Komplizen des Symptoms des Anderen zu werden, da er diesem erspart, sich mit den realen Folgen seines Verhaltens auseinander zu setzen (Co-Verhalten, Symptompfleger).
Es kann schnell zu einem doppelten Teufelskreis kommen, wobei zum offiziellen, äußeren Teufelskreis von Fürsorge und Dankbarkeit, sich ein innerer Teufelskreis von Enttäuschung und Kränkung dazu kommt. Der Schützling spürt dann neben der Erleichterung, die ihm der Helfer verschafft, auch eine Kränkung über seine eigene Bedürftigkeit und darüber das der Helfer diese “auskostet”, d.h. sein eigenes Selbstgefühl darauf baut (“Du sollst nicht glauben, du könntet alles besser und wärest so großartig.”). Dies kann beim Helfer zur Frustration (“Ich habe ja nur versucht, dir zu helfen.”) und zum Verdoppeln seiner Anstrengungen führen. Entwicklungsrichtung weg von diesem “hineingezogen sein” ist eine stärkere Abgrenzung (grüner Pfeil Abbildung unten).

Bild Wertequadrat 2

Allerdings kann eine überbetonte äußere Abgrenzung (roter Pfeil) (“Da musst Du selbst sehen, wie Du damit fertig wirst.”) zu einem “herzlosen” und zynischem Verhalten führen (“Machen Sie doch mal bei der Niere auf 18 ein EKG.”)

Der Teufelskreis des helfenden Stils mit dem bedürftig-abhängiger Stil wurde ja davor schon aufgezeigt (Bild Teufelskreis 1). Die eben angesprochene Ambivalenz (innerer und äußerer Teufelskreis) wird später auch Teufelskreis selbstloser Stil vs. Aggressiv-abwertender Stil (Bild Teufelskreis 3) gezeigt.

  1. Selbstloser Stil

Der selbstlose Stil ist dem helfenden Stil ähnlich, jedoch ist sein Axiom ein anderes ”Ich selbst bin unwichtig – nur im Einsatz für dich und für andere kann ich zu etwas nütze sein”. Charakteristisch ist die Aufwertung des Anderen und die Abwertung des Selbst. Im Extrem ist die Selbstkundgabe “Ich bin nichts.”, wodurch er sich ständig klein macht und entwertet (“Erst durch die Bürde ein Minimum an Würde”). Der Grundapell an Andere ist “Sag, wie Du mich haben willst”. Das Motto des selbstlosen Stils ist “Harmonie um jeden Preis”, was seine Konfliktscheu und Aggressionshemmung erklärt. Selbst-lose bringen es fertig, Aggression in Selbstanklagen zu verwandeln (“Was habe ich nur falsch gemacht, dass ..”). Allerdings hat dieses Verhalten auch einen heimlichen Wirkungsaspekt, denn wer würde sich nicht einem solchem Menschen verpflichtet fühlen, so dass ein Selbst-loser auf seine Art sein zartes Netz aus Verpflichtungen weben kann, in dem Andere sich gefühlsmäßig gefangen fühlen (Bsp. die selbst-lose Mutter, die ihre Kinder mittels Schuldgefühlen steuert).

Auch hier kann der Teufelskreis aus “erhebt den Partner, macht sich klein”, “Partner: fühlt sich erhaben und überlegen > zeigt sich von seiner besten Seite und verhält sich entsprechend” und “Zufriedenheit über den Partner aber auch unterlegen, dennoch sicher” z.B. auf Seite des Partners umschlagen, wenn dieser sich durch die ständige Selbstentwertung genervt fühlt und dann mit abweisender Distanz reagiert, was den Selbst-losen an seinem wunden Punkt der Verlustangst trifft, worauf er sich noch kleiner macht, was beim Partner sogar Wut, Verachtung und Ekel auslösen kann (siehe Bild Teufelskreis 3).

Bild Teufelskreis 3

Das erste wichtige zu lernende Wort für Selbst-lose ist “Ich” und das zweite lautet “Nein”.

  1. Aggressiv-entwertender Stil

Die Strömung des aggressiv-entwertenden Stils entdeckt das Fehlerhafte, Erbärmliche und Schändliche in Anderen und behandelt es entsprechend herabsetzend und entwertend. Die Lebensgleichung heißt ”Ich oder Du”. Was nach Außen so aussieht, hat nach Innen eine verletzliche und verzweifelte Seite. Das Axiom lautet ”Ich bin nicht in Ordnung, mache alles falsch. Wehe, jemand merkt es! Dann werde ich untergebuttert und gnadenlos verachtet”. Das Minderwertigkeitsgefühl verbindet sich hier mit der Angst “runtergemacht” zu werden, in eine unterlegene Position zu kommen.

Techniken der “Oberhandsicherung” dieses Stils verfolgen häufig diese Muster:

– Man hört das, was der Andere sagt mit dem “Selbstkundgabe-Ohr” (also das was der Andere mit der Mitteilung über sich, oft unterbewusst, aussagt) ..

– filtert diesen Aspekt heraus und dreht dem Anderen einen Strick daraus,

– indem z.B. aus der Fülle aller möglichen Messlatten / Normen solche herausgesucht werden, bei welcher der Andere schlecht aussieht.

– Das somit ausgemachte Defizit mit anschließend kommentiert und dem Anderen vorgeworfen,

– und zwar so geschickt, dass sie ihrerseits wenig Selbstkundgabe enthält, um dem Anderen / Gegner keine Ansatzpunkte zu bieten. Dies lässt sich zum Beispiel mit Ironie oder durch Fragen erreichen.

– Der Gegner bleibt unterlegen, selbst wenn er versucht aus diesem Spiel auszusteigen. Antwortet er nicht, wird ihm das vorgehalten (“Tja, darauf wissen Sie nichts mehr zu sagen!”). Stellt er seinerseits eine Frage, wird ihm vorgehalten “Ich stelle fest, dass Sie auf meine Frage nicht antworten können oder wollen. Ist sie Ihnen so unangenehm?”).

– Sollte der Andere es dennoch schaffen unbequem zu werden, wird sofort die Ebene gewechselt. Z.B. auf die Ebene der Körpersprache (“Warum werden Sie plötzlich so laut?”, “Deswegen brauchen Sie doch nicht gleich rot zu werden.”, “Wie stehen Sie denn überhaupt da?”). Auch ein Nachäffen des Tonfalls ist ein Ebenenwechsel.

– Sollte der Andere mit einem Gegenmanöver gefährlich werden, kann man ihn ironisch als immerhin “tapfer” würdigen und Auffordern “noch mehr Derartiges (Witze) zu bieten”.

Aber Entwertung geht auch unspektakulärer z.B. in dem man oft unterbricht, keinen Blickkontakt gewährt, ignoriert und auf anderen Themen übergeht etc.

Manche Bereiche des gesellschaftlichen Lebens sind stärker von einer aggressiv-entwertenden Kommunikation geprägt, wie die Politik, Gerichtsverhandlungen, Erziehung, z.T. im Beruf (nach unten treten, nach oben buckeln). Ein möglicher Teufelskreis wurde schon aufgezeigt (siehe Bild Teufelskreis 3). Systemisch kann sich die Kommunikation spiegelbildlich leicht zu einer Eskalation aufschaukeln (“A: herabsetzend, beschuldigend”, “B: fühlt sich angegriffen, verletzt, wütend”, “B: herabsetzend, beschuldigend”, “A: fühlt sich angegriffen, verletzt, wütend”).

Psychologen sind sich nicht einig, ob Streiten eine fundamentale Bedeutung für die seelische Gesundheit hat (‚Streiten verbindet‘, Bach und Wyden) oder nicht. Jedenfalls kann aufkommende Aggression als Signal für eine Selbsterkundung genommen werden. Vielleicht sind wir gar nicht so sehr darauf aus den Anderen zu überzeugen, sondern ihn für seinen ‚falschen‘ Standpunkt zu bestrafen? Allerdings ist die Kunst hinter die eigenen Kulissen zu schauen, unter einer aggressiv-entwertenden Strömung, schwach entwickelt.

Die Entwicklungsrichtung geht zu der “Fähigkeit Respekt zu erweisen” und zu einer mehr “akzeptierenden Grundhaltung”.


Bild Wertequadrat 3 a,b,c

  1. Sich beweisender Stil

Die Grundbotschaft des sich-beweisenden Stils lautet “Ich bin ohne Fehl und Tadel”. Der Sich Beweisende steht unter permanentem Druck, sich nach Außen vollkommener zu geben, als ihm innerlich zumute ist, was viel psychische Kraft kostet. Sein Axiom ist ”Ich selbst bin nicht (liebens)wert – nur in dem Maße, wie ich gut bin, verdiene ich Liebe und Anerkennung”. Ein Sich-Beweisender neigt in seiner Selbsteinschätzung zu extremen Schwankungen, von der Euphorie der Größte zu sein, bis zum Katzenjammer einer gescheiterten Existenz, wobei Durchschnittlichkeit oder Mittelmäßigkeit im Selbstbild nicht vorkommt. Seine Devise könnte lauten “Wenn schon nicht der Größte, dann wenigstens der größte Versager”. An das empfindliche Beziehungs-Ohr des Sich Beweisende gelangen insbesondere die Töne, die seine Selbstzweifel anrühren, was ihn verleitet “mehr von demselben” zu machen (Rechtfertigungen, Erklärungen, erweiterte Selbstdarstellungen .. um zu beweisen “Ich bin ohne Fehl und Tadel”).

Sind Menschen in seinem System, die ebenfalls hohe Ansprüche an sich haben, kann es schnell zu einem symmetrischem Teufelskreis kommen (“A: fühlt sich unter Druck sich zu beweisen und verhält sich entsprechend angestrengt.”, “B: fühlt sich dadurch a) unter Druck mit zu halten b) wetteifert – ‚Ich werde es dir schon zeigen‘ und verhält sich entsprechend”, “A: fühlt sich dadurch unter Druck sich zu beweisen ..”).

Um konstruktiv zu bleiben, müsste der Sich Beweisende mehr zur geistigen und muskulären Ruhe und Entspannung kommen.

Seine Weiterentwicklung besteht darin, seine Negativseite wahrzunehmen und anzunehmen (“ja, so bin ich auch mit meinen Blößen und Mängeln”, “Ich kann groß und klein – vollkommen unvollkommen sein”).

  1. Bestimmend-kontrollierende Stil

Menschen mit diesem Stil haben Angst vor Überraschungen, spontanen Veränderungen, Chaos – vor Kontrollverlust. Ihre Selbstkundgabe lautet “Ich weiß, was richtig ist!”. In seiner Beziehungsbotschaft übermittelt er “Du kannst es nicht richtig – wenn man dich dir selbst überlassen würde, dann kann es nicht gut gehen.”. Er will Andere nicht herabsetzen, sondern ändern, formen und kontrollieren (“Man muss..”, “Du solltest..”, “Du kannst nicht einfach..”). Der bestimmend-kontrollierende Stil kombiniert sich gerne mit dem aggressiv-entwertendem Stil und ergibt dann ‚autoritäres Verhalten‘. Vielleicht hat der Bestimmende Anlass sich selbst in den Griff kriegen zu müssen, dass all seine als Bollwerk errichteten Prinzipien und Reglementierungen sich gegen unberechenbare Teile seiner Innenwelt richten, die nur darauf warten ein Schlupfloch zu finden. Sein Axiom könnte lauten ”Ich bin voll von chaotischen, sündhaften, unvernünftigen Impulsen – nur wenn ich strenge Regeln halte, kann ich mich in der Gewalt haben und ein anständiger Mensch bleiben”. Da es eine menschliche Eigenschaft zu sein, innere Kriegsschauplätze nach außen zu verlagern, werden die Mitmenschen als leibhaftige Träger verbotener Regelungen ausgemacht, und die strenge Kontrolle auf sie ausgedehnt.

Teufelskreise bilden sich z.B. schnell bei Lehrer / Schüler oder Manager / Mitarbeiter oder Eltern / Jugendlicher (“A: will bestimmen und kontrollieren und verhält sich entsprechend ‚Die Musik kommt von vorn. Alles hört auf mein Kommando‘, “B: fühlt sich erleichtert von der Last der Verantwortung (aber abhängig) und verhält sich entsprechend ‚Du musst sagen wo es lang geht‘ “, “A: fühlt sich dadurch zuständig, maßgebend, mächtig und verhält sich entsprechend bestimmend..”).

Eine Weiterentwicklung für den Bestimmenden kann das Erlernen eines nicht-direktiven Gesprächstils sein (z.B. nach Carl Roger), bei der er der Landkarte des Anderen folgt und Wachstum zulässt. Auch der zulassen / erlernen einer Flexibilität im Prozess (Improvisation) ist eine mögliche Entwicklungsrichtung. Er muss sich letztlich seiner Angst stellen, was passieren könnte, wenn er loslässt.

  1. Sich-distanzierender Stil

Andere Menschen dürfen jemandem in einer distanzierenden Strömung nicht zu nahekommen. Eine ‚Wand‘ sorgt dafür, dass der gebührende Abstand eingehalten wird (sichtbar z.B. auch in Schreib/Konferenztischen; Vorzimmern; Bevorzugung des Schriftverkehrs etc.). Sich-Distanzierende werden leicht als arrogant und abweisend wahrgenommen. Man wird nicht richtig warm mit ihnen. Im Gespräch bleiben sie teilnahmslos, mechanisch und innerlich abweisend. Grundsätzlich ist dieses Kontaktmuster ist in unserer Gesellschaft eher für Männer üblich. Die große Angst des Sich-Distanzierenden vor Abhängigkeit befähigt ihn allerdings auch, für sich allein zu sorgen.

Sein Axiom ist ”Wenn ich mich öffne und jemand ganz an mich heranlasse, begebe ich mich in große Gefahr: Ich könnte in eine solche Abhängigkeit geraten, dass ich jeder Verletzung preisgegeben bin und mich selbst in der Gefangenhaft der Verschmelzung verliere”.

Die Distanz und Zurückweisung kann schnell zu einem Teufelskreis führen bei dem der Sich-Distanzierende “A: sich zum Mitmenschen abgrenzt, reserviert bleibt, sich kühl verhält”; “B: sich der Mitmensch dadurch abgewiesen und verletzt fühlt und sich entsprechend zurückhaltend und feindselig verhält ‚Mit so einem wie dir möchte ich nichts zu tun haben‘ “; und sich “A dadurch unwillkommen, gemieden und unwohl im Kontakt fühlt und sich entsprechend verhält..”. Ein Teufelskreis von Nähe und Distanz. Ein ‚Nähe-Partner‘ bleibt mit einem Sich-Distanzierende nicht nur in seinen Bedürfnissen unerfüllt, er hört auch die Botschaft stark mit dem Beziehungsohr (abgestellt, abgewiesen, abgelehnt). Dass der Sich-Distanzierende “noch nicht einmal darüber reden will” macht es für ihn schwer. Allerdings bedeutet “darüber reden” ja bereits Kontakt und Nähe. Durch einen ‚Nähe-Partner‘ kann sich der Distanzierende bedrängt, verfolgt, ausgesaugt, belagert und angebunden fühlen.

Wenn der sich der Distanzierende über Rollenbeziehungen und Grenzen klar wird, muss er im Kontakt nicht fortwährend seinen Rückzug sichern und seine Reviergrenzen verteidigen. Er könnte auch über die unbequemen Punkte mit seinem Partner reden und schildern wie er sie erlebt. Seine Entwicklungsrichtung besteht darin, die überscharfe Abgrenzung zum anderen zu überwinden und sich einzulassen ohne in symbiotische Verschmelzung zu geraten (praktisch die überkreuzte Entwicklungsrichtung des Selbst-losen Stils).

  1. Mitteilungsfreudig-dramatisierenden Stil

Unter dieser Strömung sind wir außerordentlich mitteilungsfreudig, genießen es von Publikum umringt zu sein, bringen ‚Leben in die Bude‘ und sind spontan (wer improvisieren kann, braucht nicht so viel zu organisieren). Die Selbstkundegabe sagt “Hört, hört, so bin ich”. Die Kommunikation hat ihren Inhalt / Text verloren und wird zum Mittel der Selbstvergewisserung. Der Grundapell ist “Wende dich mir zu und bestätige meine Selbstdarstellung”. Das Axiom lautet ”Ich bin unwichtig. Wie mir wirklich zumute ist, interessiert niemanden. Nur wenn ich mich geschickt oder mit starken Mitteln in den Vordergrund spiele, werde ich beachtet”. Hinter der Redseligkeit steckt die Angst unbemerkt zu verwelken.

Im Fall einer Redseligkeit ohne Punkt und Komma, ohne die Möglichkeit für den Gegenüber einzuharken, mag die unbewusste Zielsetzung der vollständigen Kontrolle über die Situation zu bekommen. Tatsächlich gilt der Mitteilungsfreudig-dramatisierenden Stil als einer der eher weiblichen Stile. Ein Teufelskreis kann sich schnell bilden, wenn der Partner sich angeregt und fasziniert fühlt, sich entsprechend verhält und applaudiert oder gebannt an den Lippen hängt, wodurch sich der Mitteilungsfreudig-Dramatisierende beachtet und anerkannt fühlt und ‚so richtig aufdreht‘. Bis der Partner sich genervt fühlt, sich entsprechend verhält und sich abwendet, was beim Mitteilungsfreudig-Dramatisierenden dazu führt sich unbeachtet und links liegen gelassen zu fühlen und sich entsprechend zu verhalten in dem er ‚noch mehr aufdreht‘ (was den Partner noch mehr nervt etc.).

Die Entwicklungsrichtung des Mitteilungsfreudig-Dramatisierenden ist die Zurückhaltung / ‚Schweigseligkeit‘, Pausen bewusst auszuhalten, die dialogische Partnerbezogenheit zu suchen.