In dem Buch ‚Wirkfaktoren der Achtsamkeit‘ (Harrer, Weiss) wird unter anderem die Achtsamkeit im Kontext der buddhistischen Psychologie und Lehre betrachtet. Eine der ‚vier edlen Wahrheiten‚ in der Lehre Buddhas ist “Das Leben im Daseinskreislauf ist letztlich leidvoll” oder in anderen Worten menschliches Leid ist normal, es gibt kein Entrinnen vom Leid.

Was heißt das für uns? Zunächst einmal ist dies eine völlig andere Prämisse als die in der westlichen Welt vorherrschende Sicht, dass Leid, Probleme, als Störungen und Ausnahme sieht, die es zu beseitigen gilt. Wir unterstellen, nicht zu leiden, keine Probleme zu haben sei der Normalzustand. Allein dieses Postulat baut einen Druck auf. Es schwingt eine andere Annahme mit, dass wir erst (wieder) richtig glücklich sein können, wenn die Probleme beseitigt sind und wir im ‚Normalzustand‘ sind. Unglücklicherweise, wissen wir aus unserer eigenen Lebenserfahrung, dass längere Phasen des ‚gar keine Probleme haben‚ bestenfalls ausgesprochen selten sind, womit die Gefahr besteht, das wir unser glücklich sein, immer weiter, nach der Beseitigung des nächsten bis hin zur Beseitigung des aller letzten Problems aufschieben und uns damit versagen, die glücklichen Momente im Jetzt wahrzunehmen und zu genießen. Überhaupt besteht in der westlichen Denkweise ein gewisser Anspruch auf Glück, der vielleicht aus einem Anspruch auf Freiheit, auf die eigene Verwirklichung, heraus entstanden ist. Das ist in der buddhistischen Sicht anders.

Was machen beide Sichtweisen im Vergleich? Ich hatte bereits ausgeführt, dass die westliche Sicht einen gewissen Druck auf den Menschen ausübt. Die buddhistische Sicht hingegen, scheint eine Haltung der Akzeptanz zu fördern. Wenn Leid im Leben unvermeidlich ist, dann ist das so, dann ist auch mein jetziges Leid ein Stück weit normal. Wenn ich nicht leide, ist das die positive Ausnahme, die ich als Geschenk begrüßen und genießen darf. Von einem lösungsorientierten Standpunkt aus, erscheint mir die Sichtweise ‚Leid ist normal‘‚ deutlich hilfreicher zu sein.