Zusammengestellt aus ‚Es ist nie zu spät eine glückliche Kindheit zu haben.‘, von Ben Furman
Die Bevölkerung der westlichen Welt wächst auf in einer von Psychologie geprägten Kultur, in der man glaubt, dass sich psychische Probleme hauptsächlich von der Vergangenheit, genauer gesagt von der Kindheit, herleiten lassen. Damit hat man Eltern, besonders Müttern, gedankenlos den Vorwurf gemacht, dass verschiedene Probleme, aus der Kindheit herrühren.
Nach der Statistik besteht für Kinder, die in einer ungünstigen Umgebung aufwachsen eine größere Wahrscheinlichkeit, später im Erwachsenenalter verschiedenartige Probleme zu haben. Aber die Statistik zeigt nur Risiken auf, sie behauptet nicht, das negative Erfahrungen automatisch Probleme verursachen. Wir müssen oft geradlinige Muster, wie ‚ein Kind hat schlimme Erlebnisse > mit Sicherheit Probleme in der Zukunft‘; ‚ein Erwachsener hat Probleme > garantiert eine schwere Kindheit gehabt‘ in Frage stellen. Das Buch ‚Vulnerable but invincible‘ belegte, dass 33% mit einer schweren Kindheit mit 18 Jahren sich gut entwickelt hatten, mit 32 Jahren waren es 66% und später sogar 75%. Andere Studien haben ähnliches bewiesen. Probleme gehen nicht von einer Generation auf die andere über nach dem Vererbungsgesetz von Mendel. In der Kindheit erlebtes Leid und Probleme können zwar das Risiko erhöhen, aber sie sind nicht die Ursache dafür.
Erwachsene, die in ihrer Kindheit misshandelt wurden, müssen immer wieder im Laufe ihres Lebens hören, dass sie wahrscheinlich auch ihre Kinder misshandeln werden. Die Wiederholung dieses Mythos hat sich bei manchen zu einer selbst erfüllenden Prophezeiung entwickelt. Beim Lesen entwicklungspsychologischer Literatur kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass ein Kind eine ideale Mutter, einen immer anwesenden Vater und mindestens eine Schwester und einen Bruder haben muss, um sich geistig zu einem gesunden Individuum zu entwickeln.
Was hat Menschen dabei geholfen, schwierige Kindheitserlebnisse zu bewältigen? Eine besonders enge Beziehung zu einem Elternteil, wenn das andere Elternteil nicht in der Lage war, dem Kind Liebe zu zeigen. Wenn es beide Eltern nicht können, hat sich das Kind andere ‚Ersatzeltern‘ aus seiner Umgebung gesucht. Brieffreunde haben unterstützt und zugehört. Hunde, Katzen und andere Lieblinge bieten unzähligen Kindern selbstlose Hilfe durch Zärtlichkeit und Verständnis. Als wichtig, kann das Beobachten der Natur und die Berührung mit ihr empfunden werden. Phantasie hilft sowohl Kindern als auch Erwachsenen mit Problemen fertig zu werden. Manche berichten durch das Schreiben (z.B. Tagebuch) gerettet worden zu sein. Bücher und natürlich auch Filme und andere Kulturprodukte können uns helfen. Humor spielt eine größere Rolle bei der Problembewältigung als wir ahnen. Durch das Sprechen mit anderen Menschen über Erlebnisse können falsche Schlussfolgerungen noch nach Jahren korrigiert werden. Das Sterben eines Elternteils oder eine eigene Krankheit stellen oft den Auslöser dar, der Bitterkeit das Rückgrat bricht.
Wie haben Menschen später im Leben die Erfahrungen gesammelt, die ihnen in der Kindheit gefehlt haben? Im Zusammensein mit Kindern können Kindheitsfreude erlebt werden und das zurückerhalten werden, was einst verloren wurde. Ein Partner kann die Geborgenheit und Wärme geben, die man als Kind nicht bekam. Auch mit anderen Menschen in der Umgebung kann man Erlebnisse nachholen.
Oft machen Menschen mit einer schwierigen Kindheit, diese für viele gute Eigenschaften verantwortlich. Wenn wir die Ereignisse unseres Lebens im Nachhinein anschauen, beeinflussen die Gedanken, die wir darüber bilden, unsere Gefühle. Es gibt sowohl negatives wie positives Wenn-Denken. Das Negative erhöht das Leid. Generell ist es nicht hilfreich, wenn die eigenen Leiden mit einem größeren Leid eines anderen verglichen werden. Jedes persönliche Leid ist einmalig und deshalb kann der Vergleich mit anderen abwertend und daher verletzend werden.
Es ist für uns normal zu denken, dass unsere Vergangenheit Einfluss darauf hat, wie unsere Zukunft sein wird, aber seltener denken wir, dass es auch andersherum sein kann. Zukunft bedeutet, dass das, was wir glauben, was die Zukunft mit sich bringen wird, bestimmt, wie unsere Vergangenheit aussieht. Es ist nie zu spät eine glückliche Kindheit zu haben.